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Herr Univ.-Professor (em.) Dr. med Hermann Bünte ist am 2. März 2021 in Münster im Alter von 90 Jahren verstorben. Er war von 1973 bis 1996 Ordinarius für Chirurgie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Hermann Bünte wurde am 8. Oktober 1930 in Nürnberg geboren. Er ging in Nürnberg zur Schule und studierte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dort bestand er 1956 das medizinische Staatsexamen und promovierte im folgenden Jahr. Von 1956 bis 1958 war er wissenschaftlicher Assistent an der Medizinischen Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg (Henning). 1958 wechselte er an die Chirurgische Klinik (Hegemann), an der er bis 1973 wirkte. Von 1957 bis 1959 war er Stipendiat der Förderungsbeihilfe für Hochschullehrernachwuchs des Bayerischen Staates; 1963 Facharzt für Chirurgie, 1964 Venia legendi für Chirurgie und Ernennung zum Privatdozenten, 1966 Oberarzt, 1969 Leitender Oberarzt, 1970 Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. 1973 wurde er auf den Lehrstuhl für Chirurgie an die Universität Münster berufen. Dort wurde er nach Coenen (1923–1946) und Sunder-Plassmann (1946–1973) der dritte Ordinarius für Chirurgie.

Die Auslandsaufenthalte an den Universitäten Boston (Harvard Medical School), New York, London und Edinburgh prägten sein wissenschaftliches Denken. 1965 erhielt er den Johann-Nepomuk-Nußbaum-Preis und 1968 den Förderungspreis der Stadt Nürnberg.

Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeiten lagen in der allgemeinchirurgischen Forschung (Ernährung, Stoffwechsel des Frischoperierten, Alterschirurgie, Mikrozirkulation und Organtransplantation). Die Schwerpunkte der klinischen Forschung betrafen die Ösophagus- und Pankreaschirurgie, die Proktologie, die Gefäßchirurgie und die endokrine Chirurgie. Bünte hatte das Bestreben, die für die Chirurgie wichtigen Nachbardisziplinen in das Gebäude der Chirurgie zu integrieren. So konnte bereits im Jahre 1975 als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland die chirurgische Endoskopie (Safrany, Kautz) in der Chirurgischen Klinik etabliert werden. Gleiches wollte er in Anlehnung an das Erlanger Vorbild mit Hermanek als klinischem Pathologen auch in der Münsteraner Klinik einrichten. Gleichwohl konnte in Münster die exzellente Zusammenarbeit zwischen Chirurgie und Pathologie (Grundmann) nur in den zwei bestehenden Gebäuden realisiert werden.

Klinisch-wissenschaftlich beschäftigte sich Bünte unter anderem mit Magenresektionstechniken und der Adipositaschirurgie. In beiden Bereichen schuf er neue Operationsverfahren. Er modifizierte die Technik der Magenresektion und konnte so unerwünschte Spätfolgen und Komplikationen der klassischen Resektion nach Billroth vermindern. Durch Einführung der Dünndarmausschaltung, die er in den USA kennen gelernt hatte, legte er den Grundstein für die Adipositaschirurgie in Deutschland.

Der Spezialisierung der Chirurgie trug Bünte, der ursprünglich als Leiter einer ungeteilten Chirurgie berufen worden war, Rechnung, indem er der Einrichtung eigenständiger Lehrstühle für Unfallchirurgie, Anästhesie und operative Intensivmedizin, Urologie, Neurochirurgie und Kinderchirurgie den Weg ebnete.

Professor Bünte war Franke mit preußischem Profil, kantig, bescheiden, aufrecht und zuverlässig, ein charismatischer Arzt von spröder Herzlichkeit, ungeschnörkelt, fern von jeglicher Egozentrik. Er war ein großer Chirurg ohne Profilierungs- und Majestätsgehabe, ohne verschwenderische, geblähte Rhetorik, einfach chirurgischer Pragmatiker. Wie kaum ein anderer war er als medizinischer Universalgelehrter mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen seines Metiers vertraut. Dies findet seinen beredten Ausdruck in den zwei Monographien Chirurgie – Naturwissenschaft und Handwerk (1996) und Das Spektrum der Medizin – Illustriertes Handbuch von den Grundlagen bis zur Klinik (2004). Beide Werke bestechen auf ihren jeweils 1500 Seiten unter anderem durch die eigenhändigen, anschaulichen und gut verständlichen Zeichnungen, Skizzen und Bilder Büntes.

Bünte verfügte über eine zeichnerische und malerische Begabung. Diese kam früh in den Bebilderungen anatomischer Werke, dann in Veröffentlichungen und Vorlagen zu Vorträgen, später in der Schaffung von Skizzen, Bildern und Landschaftsmalerei zum Ausdruck. Die Deutsche Chirurgie Stiftung hat in einer eigenen Ausstellung unter dem Titel „Die Macht der Einzeller“ zahlreiche Werke Büntes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für seine Hobbys Fliegen und Jagen ließen die Verpflichtungen in der Klinik wenig Zeit.

Den Chirurgen Bünte zeichnete ein ungewöhnlich großes Geschick aus, von hospitierenden Gastärzten immer wieder fasziniert bewundert. Kaum einer operierte rationeller und komplikationsärmer als er. So bleibt er seinen Schülern ein ehrgeizig nachgeahmtes, aber kaum erreichtes Vorbild. Sein Talent bestand in der genialen Vereinfachung von Kompliziertem. Er strebte nicht nach Ämtern, scheute geradezu die Öffentlichkeit. Er war kein Funktionärstyp.

Er war es, der gefragt war: So berief der Vatikan im Jahre 1981 den bescheidenen, noch jungen, damals erst 50-jährigen Chirurgen an das Krankenbett des schwer verletzten Papstes.

Als Hochschullehrer war er Ideengeber und Mentor: Zwei Ordinarien, über 50 Habilitanden, die meisten davon spätere Professoren, Klinikdirektoren und Chefärzte sind stattliche Multiplikatoren der Bünteschen Chirurgenschule.

Das zwar eher schwarz-weiße, aber dafür umso facettenreichere Mosaik seiner Persönlichkeit ergibt ein Original, wie es sich unsere auf Evaluierung, Impactfaktoren und Exzellenzstreben bedachte Universitätskultur heute nicht mehr leisten kann. Sein Denkmal ist unsere bleibende dankbare Wertschätzung und Bewunderung.

Im Namen der Schüler und Weggefährten aus den Jahren 1973 bis 1996 an der Chirurgischen Universitätsklinik Münster

Erwin Brug

Klaus Schönleben

Johannes Jost