Inzidenz und Folgen von koronaren Anomalien

Ursprungsanomalien der Koronararterien sind seltene, angeborene Fehlbildungen mit einer Inzidenz zwischen 0,17% in durch Autopsien gesicherten Todesfällen und bis zu 1,5% bei dem Patientengut, das sich einer Koronarangiographie unterzieht [1, 2, 3]. Bei etwa jedem dritten Patienten konnte zusätzlich eine schlitzförmige Stenose der Ausflussöffnung, die als komplizierender mechanischer Faktor gilt, nachgewiesen werden [4, 5, 6].

Als schwerwiegendste Folge von koronaren Anomalien versterben bis zu 30% der Patienten durch plötzlichen Herztod [2, 7, 8]. Bei bis zu 38% der von Ursprungsanomalien betroffenen Patienten waren unter Belastung Angina-pectoris-Symptome auslösbar. Folge der Ischämie kann ein Myokardinfarkt mit oder ohne ST-Elevation sein [3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11].

Als lokale Schädigung kann es in den fehlangelegten Gefäßen zu einer früheren sowie stärkeren Arteriosklerose [2] und durch mechanischen Druck zu Intimaschäden der zwischen den großen Gefäßen verlaufenden Gefäßabschnitte kommen [3]. Dies kann in einem erhöhten Auftreten von Koronarspasmen in diesen Abschnitten resultieren.

Mithilfe von „Multislice-computed-tomography“- (MSCT-)Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass Ursprungsanomalien über eine Kompression der Koronararterien prädisponierende Faktoren für Myokardischämien sind [7].

Fallbericht

Vorgeschichte

Ein 42-jähriger Mann hatte abends mit einem Bekannten in seiner Wohnung mehrere Flaschen Bier getrunken und auch etwas gegessen. Gegen 23.00 Uhr sei der Wohnungsinhaber auf die Toilette gegangen. Als er nach ca. 10–15 min nicht zurückgekehrt sei, habe der Gast Nachschau gehalten und den Gastgeber reaktionslos auf der Toilette sitzend aufgefunden. Auf dem Badezimmerfußboden hätte sich neben der Toilette schleimige Flüssigkeit befunden. Der herbeigerufene Notarzt habe den Mann in unveränderter Lage auf der Toilette vorgefunden; Reanimationsmaßnahmen seien nicht mehr eingeleitetet worden.

Durch die Polizei wurde ermittelt, dass der Verstorbene im Jahr 2004 letztmalig den Hausarzt aufgesucht hatte. Er habe dort weder von Herzbeschwerden berichtet, noch habe er eine dauerhafte medikamentöse Therapie erhalten.

Obduktion

Als Hauptbefund der Obduktion des 78 kg schweren und 178 cm großen Mannes fand sich eine Abgangsanomalie der A. coronaria dextra mit Ursprung aus dem linken Aortensinus und ostiumnahem Verlauf zwischen Aorta und Truncus pulmonalis. Der Gefäßabgang aus dem linken Aortensinus war schlitzförmig verengt. Die linke Koronararterie entsprang regelrecht aus dem linken Aortensinus und zeigte lediglich eine geringe Atheromatose. Die A. coronaria dextra wies z. T. stenosierende arteriosklerotische Veränderungen auf. Der Abstand zwischen beiden Koronararterienostien betrug 1,1 cm (Abb. 1). Die rechte Koronararterie zeigte ursprungsnah einen 1,5 cm langen Verlauf zwischen dem Truncus pulmonalis und der Aorta bei einem Rechtsversorgungstyp des Herzens (Abb. 2). Weiterhin wurde eine Herzhypertrophie festgestellt (Herzmasse: 460 g).

Abb. 1
figure 1

Linke Ausflussbahn des Herzens mit Ursprung der zwei Koronararterien aus dem linken Aortensinus

Abb. 2
figure 2

Verlauf der rechten Koronararterie zwischen Aorta und Truncus pulmonalis (heruntergeklappt). In der rechten Koronararterie (RCA) befindet sich eine Sonde

Zudem lag ein mit 2050 ml Speisebrei stark überfüllter Magen vor, der einen linksseitig hohen Zwerchfellstand zur Folge hatte (Abb. 3). Als weitere Befunde fanden sich eine obere Einflussstauung, ein Lungenödem, ein mäßiges Hirnödem sowie rechtsseitig ein doppelter Nierenarterienabgang.

Abb. 3
figure 3

Bauchsitus mit dem stark gefüllten Magen (Pfeil)

Als Todesursache wurde der plötzliche Tod bei Koronararterienabgangsanomalie, begleitet von einem Roemheld-Syndrom, diagnostiziert.

Histologische Untersuchung

In der histologischen Untersuchung des Herzens fiel im Bereich der rechten Koronararterie eine lokale Intimafibrose mit darunter befindlichen Cholesterinkristallen in der Media auf (Abb. 4). Das Herz wies keine Zeichen einer chronischen Ischämie auf.

Abb. 4
figure 4

Rechte Koronararterie 1 cm nach dem Ursprung mit Intimafibrose und Cholesterinkristalleinlagerungen in die Media. (HE, Vergr. 40:1).

Chemisch-toxikologische Untersuchungen

Die chemisch-toxikologischen Untersuchungen erbrachten keine Anhaltspunkte für eine akute Alkoholbeeinflussung oder ein akutes Vergiftungsgeschehen. Der Nachweis von 6,2 µg/ml THC-COOH belegte einen länger zurückliegenden Konsum von Cannabis.

Diskussion

Koronaranomalien

Unter den Koronaranomalien ist ein Ursprung der rechten Koronararterie aus dem linken Aortensinus mit zwischen 6 und 27% die am häufigsten anzutreffende Anomalie [3, 12]. Danach folgt der Ursprung des R. circumflexus mit eigenem Ostium aus dem linken Koronarsinus [2, 7]. An dritter Stelle der Häufigkeitsverteilung stehen ein Fehlen des R. circumflexus und eine kompensatorische Mitversorgung dieses Herzbereichs durch die rechte Koronararterie [7].

Im hier vorgestellten Fall zeigte sich die häufigste der beschriebenen Ursprungsanomalien. Die unauffälligen Befunde des Myokards weisen darauf hin, dass es in der Vorgeschichte nicht zu bedeutsamen ischämischen Zuständen gekommen ist. Dennoch bestand – konform mit Carmelo et al. [2] – in dem fehlangelegten Gefäß eine frühere bzw. stärkere Arteriosklerose, verglichen mit der linken Koronararterie.

Roemheld-Syndrom

Das Roemheld-Syndrom ist nach dem Internisten Ludwig von Roemheld benannt, der die Symptome Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Angstzustände, Atemnot und Schwindel sowie Extrasystolen, ausgelöst durch Gasansammlungen in Magen sowie Darm und hervorgerufen durch übermäßiges Essen, Anfang des 20. Jh.s erstmals zusammenfasste [12].

Insbesondere nach üppigen Mahlzeiten wird das Zwerchfell nach oben gedrückt; hierbei kann es über die Lunge indirekten Druck auf das Herz ausüben. Auf diese Beengung reagiert das Herz mit Beschwerden, die einer Angina pectoris ähneln können [13]. Trotz eines beschriebenen gastrokardialen Reflexes, der zu einer Verminderung der Koronardurchblutung führen soll [14], lassen sich beim Roemheld-Syndrom jedoch keine Hinweise auf eine Myokardischämie erhärten. Definitionsgemäß ist das Roemheld-Syndrom unangenehm, aber harmlos, und die Beschwerden verschwinden mit voranschreitender Verdauung von selbst [13].

Schlussfolgerungen

Das zusätzliche Vorliegen eines Roemheld-Syndroms dürfte bei der festgestellten Anomalie den Eintritt des Todes ausgelöst haben. Prädisponierende Faktoren für einen derartigen Geschehensablauf stellten im vorliegenden Fall das schlitzförmige Ostium und der intertrunkale Verlauf der rechten Koronararterie dar, die beide die Koronarperfusion beeinträchtigten.

Es ist davon auszugehen, dass der Druck des Magens gegen das Zwerchfell bei dem Verstorbenen die Konstriktion der rechten Koronararterie zwischen Truncus pulmonalis und Aorta verstärkt hatte; dies stellt bei einem Rechtsversorgertyp eine größere Gefahr für Myokardischämien bzw. für Herzrhythmusstörungen dar.

Die Diskrepanz zwischen berichteter Alkoholaufnahme und einer gemessenen Alkoholkonzentration von 0,00‰ im Blut des Leichnams konnte nicht aufgeklärt werden. Da der Alkoholuntersuchungsbefund jedoch unstrittig ist, muss von inkorrekten Angaben des Gastes ausgegangen werden.

Fazit für die Praxis

Das gemeinsame Vorliegen eines Roemheld-Syndroms und einer Ursprungsanomalie der A. coronaria dextra mit schlitzförmiger Abgangsstenose kann den plötzlichen Herztod herbeiführen.