Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags

  • können Sie mögliche Ursachen kognitiver Einschränkungen benennen.

  • kennen Sie verschiedene neuropsychologische Testverfahren zur Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit.

  • achten Sie verstärkt auf vorliegende depressive Symptome bei der Beurteilung kognitiver Einschränkungen.

  • sind Ihnen die typischen kognitiven Defizite bei verschiedenen Demenzformen bekannt.

  • beachten Sie relevante Einflussfaktoren, die die Ergebnisse kognitiver Tests verfälschen können.

Einleitung

Ältere Menschen beklagen nicht selten ein Nachlassen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit im Vergleich zu früheren Jahren. Gedächtnisprobleme und Wortfindungsstörungen stehen hierbei an erster Stelle. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von altersgemäßen Veränderungen ohne Krankheitswert über affektive Störungen wie Depressionen bis hin zu manifesten demenziellen und deliranten Syndromen. Neben Anamnese und klinischem Befund steht eine Vielzahl neuropsychologischer Testverfahren zur Verfügung, die – zusätzlich zu apparativen und laborchemischen Verfahren – einen wertvollen Beitrag zur diagnostischen Einordnung leisten.

Kurzkasuistik

Anamnese. Ein 74-jähriger Patient stellte sich Ende 2016 zur Abklärung von Gedächtnisproblemen vor. Im Aufnahmegespräch gab er eine ausgeprägte Vergesslichkeit und Orientierungsstörungen an. Erst auf konkrete Nachfrage berichtete er zudem von gedrückter Stimmung, Antriebsmangel, Appetitlosigkeit und lebensmüden Gedanken. Den Vorbefunden war die Diagnose einer nicht näher bezeichneten Demenz zu entnehmen, damit einhergehend die Verordnung von Memantin 40 mg (Cave: zugelassene Tageshöchstdosis 20 mg).

Diagnostik, Therapie und Verlauf. Aufgrund der depressiven Symptomatik wurde eine Therapie mit Mirtazapin eingeleitet. Memantin wurde mit 20 mg weiterverordnet. Im stationären Alltag ergaben sich rasch Zweifel an der Diagnose einer Demenz, da der Patient zu allen Qualitäten orientiert wirkte und sich neue Abläufe gut einprägen konnte. Neben dem klinischen Eindruck lieferten weder cMRT noch Lumbalpunktion richtungsweisende Befunde. Nach Besserung der depressiven Symptomatik erfolgte eine neuropsychologische Testung mithilfe der CERAD-NP, in der keine relevanten kognitiven Defizite nachgewiesen werden konnten. Die antidementive Therapie wurde beendet, die antidepressive Therapie mit Mirtazapin fortgeführt. Bei einem poststationären Termin mehrere Wochen nach Entlassung war eine Remission der depressiven Symptomatik zu verzeichnen. Sowohl Patient als auch Angehörige berichteten von einer Wiederherstellung der kognitiven Leistungsfähigkeit.

Merke

  • Bei kognitiven Einschränkungen sollte nicht vorschnell die Diagnose einer Demenz gestellt, sondern u. a. das Vorliegen einer depressiven Symptomatik geprüft werden.

  • An Nebenwirkungen von Psychopharmaka sollte gedacht werden (vermutlich hat im Fallbeispiel die hohe Memantindosis außerhalb des Zulassungsbereichs selbst Verwirrtheitssymptome hervorgerufen).

Ursachen kognitiver Einschränkungen

Klagen über kognitive Einschränkungen können eine Reihe möglicher Ursachen haben, von denen Häufigkeit und Relevanz berücksichtigend, die Folgenden vorgestellt werden: altersgemäßer kognitiver Abbau, Demenz, leichte kognitive Beeinträchtigung, Delir und Depression.

Altersgemäßer kognitiver Abbau

Der Alternsprozess als solcher ist sehr vielfältig und interindividuell verschieden. Dennoch lassen sich über die Lebensspanne typische Verläufe der geistigen Leistungsfähigkeit skizzieren: Mit zunehmendem Alter wird das episodische Gedächtnis (Speicherung und Abruf von persönlichen Erinnerungen) graduell schlechter. Dagegen weist das semantische Gedächtnis (Faktenwissen, Wortschatz) erst im sehr hohen Alter Defizite auf [1]. Bezüglich der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit [2] und des simultanen Bearbeitens von Aufgaben [3] zeigen sich ebenfalls alterskorrelierte Einbußen.

Demenz

Demenzen sind charakterisiert durch eine bedeutsame Verschlechterung der Kognition im Vergleich zum prämorbiden Leistungsniveau mit zunehmendem Verlust der Alltagskompetenz des Betroffenen. Bei der Exploration kognitiver Einschränkungen sind fremdanamnestische Angaben wichtig, da sie empirisch von größerer Validität als eigenanamnestische Beschwerden sind [4]. Neuropsychologisch stehen Schwierigkeiten im Neugedächtnis sowie Defizite in der Bewältigung komplexer Aufgaben mit Planungsbedarf im Vordergrund. Zusätzlich bestehen Orientierungsstörungen und – insbesondere bei frontotemporalen Demenzen – Verhaltens- und Sprachauffälligkeiten.

Leichte kognitive Störung

Hierbei handelt es sich um eine Intermediärkategorie, in der kognitive Einschränkungen in den gleichen Feldern wie bei demenziellen Syndromen auftreten, allerdings das Alltagsleben (noch) nicht relevant beeinträchtigen. Für diese Symptomkonstellation zwischen altersgemäßem kognitiven Abbau und manifester Demenz hat sich das Konzept des Mild Cognitive Impairment (MCI; [5]) etabliert, um eine Personengruppe mit erhöhtem Demenzrisiko zu beschreiben.

Delir

Ein Delir ist als Störungsbild zentralnervöser Funktionen und Endstrecke diverser Noxen (u. a. Pharmaka) oder Erkrankungen (u. a. metabolische Entgleisungen) aufzufassen. Ein Delir beginnt typischerweise innerhalb einer kurzen Zeitspanne mit einer Bewusstseinsstörung als Leitsymptom und ist im Zeitverlauf fluktuierend ausgeprägt. Auf kognitiver Ebene sind v. a. Defizite bezüglich Aufmerksamkeit und Konzentration sowie Orientierungsstörungen zu verzeichnen.

Depression

Patienten mit einer Depression beklagen ihre wahrgenommenen kognitiven Defizite meist nachdrücklich, während Familienangehörige diese eher relativieren. Zudem werden Manifestationen eines vermeintlichen Abbaus teilweise detailliert erinnert und im Beschwerdebild vorgebracht. Neuropsychologisch sind oft eine verlangsamte Psychomotorik und verlangsamtes Denken sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen zu beobachten.

Wichtig

Kombinationen der genannten Ursachen für kognitive Einschränkungen sind möglich. Eine depressive Symptomatik kann zeitlich korreliert mit einer beginnenden Demenz auftreten oder ein Delir sich auf dem Boden einer Demenz entwickeln.

Neuropsychologische Diagnostik

Testverfahren

Zur Objektivierung kognitiver Defizite sollten zunächst Screeningverfahren zur Anwendung kommen. Diese sind zeitökonomisch durchführbar und erlauben eine erste grobe Quantifizierung. In spezialisierten Einrichtungen wie Gedächtnisambulanzen können dann ausführlichere Testbatterien durchgeführt werden, welche eine genauere differenzialdiagnostische Einordnung ermöglichen.

Screeningverfahren

Uhrentest.

Beim Uhrentest [6] soll der Proband das Ziffernblatt einer analogen Uhr zeichnen sowie eine vorgegebene Uhrzeit (meist 11:10) mithilfe von Stunden- und Minutenzeiger eintragen (Abb. 1). Hierbei werden u. a. visuokonstruktive und exekutive Funktionen geprüft. Neben Unterschieden in der Durchführung existieren verschiedene Bewertungsrichtlinien. Eine Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss, dass eine einfache qualitative Bewertung als „normal“ oder „pathologisch“ ausreicht [7]. Der Uhrentest sollte nach Möglichkeit in Kombination mit anderen Screeningverfahren genutzt werden.

Abb. 1
figure 1

Beispiele für pathologische Befunde im Uhrentest

Mini Mental Status Test.

Der MMST [8] ist eines der am häufigsten eingesetzten Instrumente zur Erfassung kognitiver Beeinträchtigungen. Geprüft werden:

  • Orientierung,

  • Merk- und Erinnerungsfähigkeit,

  • Aufmerksamkeit,

  • Sprache und

  • Visuokonstruktion.

Insgesamt können 30 Punkte erreicht werden; es existieren unterschiedliche Grenzwerte [9, 10]. Bezüglich der Interpretation der Ergebnisse muss beachtet werden, dass der Bildungsgrad einen großen Einfluss auf die Testleistung hat. Bei hohem Bildungsniveau besteht die Gefahr einer falsch-negativen, bei niedriger Bildung die Gefahr einer falsch-positiven Demenzdiagnose.

Demenz-Detektion.

Der DemTect [11] ist ein Verfahren zur Früherkennung von demenziellen Erkrankungen. Erfasst werden die Bereiche:

  • Gedächtnis,

  • Wortflüssigkeit,

  • kognitive Flexibilität und

  • Aufmerksamkeit.

Insgesamt können 18 Punkte erzielt werden; eine Punktzahl von 13 bis 18 wird als altersgemäße kognitive Leistung gewertet. Insbesondere im Bereich der leichten kognitiven Störung weist der DemTect eine sehr gute Differenzierung auf [12].

Montreal Cognitive Assessment.

Der MoCA [13] wurde zur Erfassung leichterer kognitiver Defizite entwickelt. Geprüft werden:

  • verzögerter Wortabruf,

  • visuokonstruktive/exekutive Funktionen,

  • Sprache,

  • Aufmerksamkeit/Konzentration und

  • Orientierung.

Insgesamt können 30 Punkte erreicht werden; Scores ≤25 geben einen Hinweis auf eine relevante kognitive Beeinträchtigung. Laut einer aktuellen Studie ist dieser Grenzwert zu konservativ; es müssen Bildungs- und Geschlechtseffekte berücksichtigt werden [14].

Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung.

Mit dem TFDD [15] werden folgende Parameter geprüft:

  • Gedächtnis,

  • zeitliche Orientierung,

  • Befolgen von Anweisungen,

  • konstruktive Praxie und

  • Wortflüssigkeit.

Zudem kann auf einer 11-stufigen Skala das Ausmaß einer depressiven Symptomatik mithilfe von Selbst- und Fremdbeurteilung erfasst werden. Laut Testautoren ermöglicht der TFDD die sensitive Diskrimination von Personen mit Alzheimer-Demenz, Depression und kognitiv Unbeeinträchtigten.

Wichtig

  • Bei Screeningverfahren werden wichtige Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildungsniveau und prämorbide Intelligenz oft nicht (umfassend) berücksichtigt.

  • Screeningverfahren erlauben nur eine Grobquantifizierung der kognitiven Einschränkungen; eine Diagnose ist anhand der Ergebnisse nicht abzuleiten.

Neuropsychologische Testbatterien

Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease – Neuropsychologische Testbatterie.

Als internationaler Standard in der Demenzdiagnostik hat sich die neuropsychologische Testbatterie CERAD-NP [16] bewährt. Die ursprüngliche Version mit 8 Subtests (semantische Wortflüssigkeit, Boston Naming Test, MMST, Wortliste lernen, Wortliste abrufen, Wortliste wiedererkennen, Figuren abzeichnen und Figuren abrufen) wurde durch 3 weitere Untertests (Trail Making Test A und B sowie phonematische Wortflüssigkeit) ergänzt, um eine bessere Befunderhebung bezüglich exekutiver Funktionen zu ermöglichen [10]. Entscheidend für die Auswertung ist die sorgfältige Analyse des neuropsychologischen Profils, d. h., in welchen Subtests unters‑/überdurchschnittliche Leistungen erzielt werden. Es existieren alters-, bildungs- und geschlechtsspezifische Normwerte.

Alzheimer’s Disease Assessment Scale – Cognitive.

Eine in klinischen Studien häufig verwendete Testbatterie ist die ADAS-Cog [17]. Mithilfe von 11 Subskalen (freie Reproduktion einer Wortliste, Wort-Wiedererkennen, Orientierung, Vorstellungsvermögen, Abzeichnen, Befolgen von Anweisungen, Benennen, Erinnern der Prüfanweisungen, Sprachausdruck, Sprachverständnis und Wortfindungsstörungen) wird das Ausmaß kognitiver Defizite erfasst; Aussagen über Schweregrad und Verlauf demenzieller Syndrome sind möglich.

Wechsler Memory Scale – Fourth Edition.

Die WMS-IV [18] erlaubt eine detaillierte Testung von Gedächtnisfunktionen bei Erwachsenen. Anhand von 6 Untertests (logisches Gedächtnis, verbale Paarerkennung, Muster positionieren, visuelle Wiedergabe, räumliche Ergänzung und Symbolfolgen) können 5 Indizes bestimmt werden (auditives Gedächtnis, visuelles Gedächtnis, visuelles Arbeitsgedächtnis, unmittelbare Wiedergabe und verzögerte Wiedergabe). Es existiert eine zusätzliche Testversion für Erwachsene ab 65 Jahren mit geringerem Schwierigkeitsgrad und einer reduzierten Zahl von Untertests.

Typische Befunde

Die neuropsychologische Diagnostik ermöglicht es, Annahmen über die zugrunde liegende Ursache kognitiver Einschränkungen zu treffen. Bei unterschiedlichen Demenzformen kommen spezifische Ausfallmuster vor (Abb. 2). Auch bei der Abgrenzung von Depressionen und Demenzen können neuropsychologische Testverfahren hilfreich sein.

Abb. 2
figure 2

Idealtypische neuropsychologische Profile bei verschiedenen Demenzformen und Depression

Die im Folgenden dargestellten Befunde sind als Orientierungshilfen zu verstehen und können im Einzelfall abweichen. Erschwerend kommt hinzu, dass häufig Mischbilder existieren wie eine Alzheimer-Demenz mit vaskulärer Komponente oder eine die Demenz begleitende Depression. Ergebnisse neuropsychologischer Testungen sind immer im Kontext von sorgfältiger Anamnese, Verhaltensbeobachtung und weiterführender somatischer Diagnostik zu sehen. Erst in der Zusammenschau der Befunde kann eine valide Diagnose abgeleitet werden. Testpsychologische Verlaufskontrollen zur Einschätzung intraindividueller Veränderungen sind sinnvoll.

Alzheimer-Demenz

Als Kardinalsymptom der Alzheimer-Demenz imponieren Gedächtnisstörungen. Hier sind initial v. a. im verzögerten Erinnern deutliche Defizite feststellbar. In der CERAD-NP ist besonders auf den verzögerten Abruf der Wortliste zu achten. Auch sind Beeinträchtigungen beim unmittelbaren Abruf und beim Wiedererkennen der Wortliste festzustellen [19]. Bei der Visuokonstruktion sind beim Abzeichnen komplexer Figuren Defizite zu beobachten (Abb. 3) sowie „Closing-in“-Phänomene (Hineinzeichnen in die Vorlage, [20]). Zudem bestehen Defizite im Trail Making Test B (kognitive Flexibilität, geteilte Aufmerksamkeit); die Leistung im Trail Making Test A (Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit) kann noch unauffällig sein [21].

Abb. 3
figure 3

Würfelzeichnung im Rahmen der CERAD-NP (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease – Neuropsychologische Testbatterie)

Frontotemporale Demenz

Bei den frontotemporalen Demenzen dominieren bereits zu Erkrankungsbeginn Persönlichkeitsveränderungen und Verhaltensauffälligkeiten. Testpsychologisch sind im Vergleich zu Patienten mit einer Alzheimer-Demenz bessere Gedächtnisleistungen dokumentiert und schlechtere Leistungen in der Wortflüssigkeit [22]. Auf diese Merkmale sollte auch innerhalb des Testprofils geachtet werden, d. h., Beeinträchtigungen in den Gedächtnistests können existieren, sind jedoch in der Regel geringer ausgeprägt als Beeinträchtigungen der Wortflüssigkeit und der Exekutivfunktionen [21].

Vaskuläre Demenzen

Bei den vaskulären Demenzen handelt es sich um eine sehr heterogene Störungsgruppe, und die Defizite variieren je nach Lokalisation und Ausmaß der vaskulären Schädigung. Im Vergleich zu Alzheimer-Patienten treten bei der freien Wiedergabe verbalen Materials meist weniger Intrusionsfehler auf, auch Closing-in-Phänomene sind seltener [23]. Zudem sind typischerweise eine kognitive Verlangsamung sowie Störungen der Exekutivfunktionen zu verzeichnen [21].

Lewy-Body-Demenz

Hier sind besonders visuoperzeptive und -konstruktive Fähigkeiten eingeschränkt, während die Gedächtnisleistung meist weniger betroffen ist. Auch Störungen und Schwankungen der Aufmerksamkeit sind zu verzeichnen [21].

Depression

Depressive Störungen gehen häufig mit Defiziten der Exekutivfunktionen, der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie des Gedächtnisses einher [24]. Testpsychologisch sind Defizite im freien verzögerten Abruf sowie bezüglich der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und kognitiven Flexibilität möglich [23]. Das verzögerte Wiedererkennen ist in der Regel unauffällig. Auch visuokonstruktive Funktionen sind meist unbeeinträchtigt – so sind mehrheitlich keine Defizite im Uhrentest oder beim direkten Abzeichnen von Figuren zu beobachten. Das Vorliegen einer depressiven Symptomatik sollte gründlich geprüft werden, um einer belastenden Fehldiagnose und -behandlung (wie in der Kurzkasuistik dargestellt) vorzubeugen.

Wichtig

  • Testbatterien geben v. a. im Frühstadium demenzieller Erkrankungen wertvolle Hinweise bezüglich einer differenzialdiagnostischen Einordnung.

  • In fortgeschrittenen Demenzstadien ist eine sinnvolle Interpretation des neuropsychologischen Profils meist nicht mehr möglich, da in allen Untertests ausgeprägte Defizite auftreten.

Einflussfaktoren

Zur Abschätzung der Validität der gemessenen kognitiven Leistung ist es notwendig, den Kontext der Testsituation und damit einhergehende Einflussfaktoren zu berücksichtigen (Tab. 1). Dem Untersucher sollte bewusst sein, dass eine Testung für die meisten Patienten eine unangenehme Situation darstellt, in der sie mit ihren kognitiven Defiziten konfrontiert werden. Daher sind eine angenehme Gestaltung des Untersuchungsraums sowie ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen seitens des Testleiters wichtig. Angehörige sollten während der Testung nicht anwesend sein, da sie häufig helfend oder korrigierend eingreifen. Sensorische Einschränkungen müssen erfragt und sorgfältig dokumentiert werden. Zudem sollte sichergestellt werden, dass benötigte Hilfsmittel wie Brille oder Hörgerät während der Testung getragen werden. Auch der kulturelle Hintergrund muss bei der Interpretation der Testergebnisse beachtet werden: Faktoren wie kulturabhängige Familiarität mit Leistungstests [25] oder auch das Schriftsystem im Kulturkreis der Testperson können einen erheblichen Einfluss auf die Testergebnisse haben.

Tab. 1 Mögliche Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit

Ein weiterer wichtiger – und in der Befundinterpretation oft vernachlässigter – Faktor sind Pharmaka, die die Vigilanz beeinträchtigen können [26]. Hierzu zählen neben Schlafmitteln auch angst- und spannungslösende Medikamente sowie zentral wirksame Schmerzmittel. In einer aktuellen Übersicht zeigten sich unter Einfluss von opioidhaltigen Schmerzmitteln Beeinträchtigungen in den Domänen Aufmerksamkeit, Sprache, psychomotorische Funktion, Wortflüssigkeit und verzögerter Abruf [27].

Bei der Beurteilung kognitiver Funktionseinschränkungen ist die Gruppe der Benzodiazepine und Z‑Substanzen (Zolpidem und Zopiclon) relevant. Insbesondere für Benzodiazepine ist – nicht zuletzt im Einsatz als Hypnotika, der auch im Rahmen der primärärztlichen Versorgung stattfindet – ein erheblicher Einfluss auf kognitive Prozesse nachgewiesen worden [28]. Ohne an dieser Stelle auf die Assoziation zwischen der Entwicklung demenzieller Erkrankungen und längerfristigem Einsatz von Benzodiazepinen einzugehen [29], stehen zumindest transiente Verschlechterungen kognitiver Funktionen außer Frage [30].

Schließlich müssen Substanzen mit anticholinergen Eigenschaften berücksichtigt werden. Zahlreiche Pharmaka, die gerade bei geriatrischen Patienten zum Einsatz kommen, haben eine relevante anticholinerge Wirkung, die auch unterhalb der Schwelle der Delirinduktion [31] entsprechende kognitionsbeeinträchtigende Effekte haben können [32]. In einer Übersicht [33] finden sich neben psychopharmakologisch wirksamen Medikamenten (u. a. Promethazin, trizyklische Antidepressiva) auch systemisch wirksame Medikamente mit anticholinergem Wirkprofil (u. a. Oxybutynin, Ipratropiumbromid, Disopyramid, Biperiden), bei denen die Effekte auf die Kognition nicht selten unterschätzt werden. Die Kenntnis anticholinerger Effekte ist umso bedeutsamer, als sich ein deutlicher Summationseffekt bei Einsatz mehrerer in dieser Hinsicht wirksamer Medikamente zeigt [34].

Wichtig

  • Die Erfassung von Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit ist von großer Bedeutung.

  • Hinsichtlich möglicher Medikamenteneffekte sind zentralnervös wirksame Präparate wie Benzodiazepine oder Z‑Substanzen, zentral wirksame Schmerzmittel und Pharmaka mit anticholinergem Wirkprofil unbedingt zu berücksichtigen.

Fazit für die Praxis

  • Als Ursache für kognitive Einschränkungen sind u. a. altersgemäße Leistungseinbußen, depressive Erkrankungen sowie delirante oder demenzielle Syndrome in Betracht zu ziehen. Eine adäquate Abklärung ist essenziell zur Vermeidung von Fehldiagnosen.

  • Screeningverfahren wie Uhrentest, Mini Mental Status Test (MMST), Demenz-Detektion (DemTect), Montreal Cognitive Assessment (MoCA) und Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD) dienen der Grobquantifizierung kognitiver Defizite.

  • Mithilfe neuropsychologischer Testbatterien wie der CERAD-NP (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease – Neuropsychologische Testbatterie) können Hinweise für eine differenzialdiagnostische Einordnung gewonnen werden. So sind bei der Alzheimer-Demenz Gedächtnisdefizite führend, bei frontotemporalen Demenzen Störungen der Exekutivfunktionen.

  • Der Unterscheidung von Demenz und Depression kommt eine zentrale Bedeutung zu. Bei Vorliegen einer depressiven Symptomatik sollte zunächst eine Behandlung der Depression erfolgen, eine erneute Testung erst nach Remission der Depression.

  • Bei der Bewertung von Testergebnissen müssen Einflussfaktoren wie Medikamente und prämorbides Leistungsniveau unbedingt berücksichtigt werden.