Zusammenfassung
Dieser Beitrag der Zeitschrift Gruppe. Interaktion. Organisation. (GIO) stellt Resonanzsysteme als Vermittler von Sinnzusammenhängen in den Mittelpunkt von subjektiv erlebter Sinnhaftigkeit in Organisationen. Führen hypermoderne Gesellschaftsstrukturen zu Verlusten von Sinnzusammenhängen bzw. subjektiv sinnhaftem Erleben, bietet sich die (Re‑)Aktivierung von Resonanzverhältnissen als Lösung an. Der Artikel beschreibt mögliche Resonanzverhältnisse im „Innenleben“ von Organisationen über „multifrequenzielle“ Resonanzsysteme, die system-/differenztheoretisch das Resonanzkonzept von Hartmut Rosa erweitern. In der Anwendung auf Arbeits- und Organisationszusammenhänge wird exemplarisch auf Teams verwiesen, die durch Potenziale von Resonanzsystemen individuell erlebte Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit – mithin auch kreative Momente („Magic Moments“) als innovationsfähige Neuheiten und Neuerungen – hervorbringen können.
Abstract
This article of the journal “Gruppe. Ineraktion. Organisation. (GIO)” sets resonance systems as mediators of context in organizations. They are therefore put in focus for experienced sense of purpose. Assuming that hypermodern social structures lead to a loss of context or experienced sense of purpose, this article postulates the (re-)activation of resonant relationships as a solution. Descriptions of possible resonant relationships in the “inner life” of organizations through “multifrequency” resonance systems expand Hartmut Rosa’s concept of resonance by systems theory. When applied to work and organizations, teams are presented with a high potential to form resonance systems, which can increase or even generate individually experienced sense of purposes and self-efficacy. Furthermore creative moments (“magic moments”), innovations and novelties become more likely.
Notes
Ob sie nun die Erwartungen beibehalten oder ändern, ist abhängig davon, ob sie sich entweder auf die Umwelt stärker lernaffin (kognitiv) oder lernavers (normativ) einstellen (Luhmann 2009a, S. 68–72).
Der Begriff der Resonanz weist darauf hin, daß Systeme nur nach Maßgabe ihrer eigenen Struktur auf Umweltereignisse reagieren können“ (Luhmann 2008a, S. 178). Resonanz wird hier begriffsstrategisch genutzt, um die oben angeführten komplizierten Theorieelemente wie Autopoiesis, geschlossene Reproduktion bei gleichzeitiger umweltoffener Irritierbarkeit (Luhmann 2008a, S. 27) sowie strukturelle Kopplung für eine vereinfachende Darstellung zu nutzen.
Die oben angeführten Beispiele der baugleichen Uhren oder der miteinander verbundenen Cola-Dosen waren zwar heuristisch wertvoll, empirisch aber unterkomplex, weil sie nicht berücksichtigen, dass Resonanzsysteme einerseits zwischen mehreren gleichartigen Systemen und andererseits zwischen Systemen unterschiedlichen Typs vermitteln müssen, um Resonanzverhältnisse hervorbringen zu können. Diese Vermittlungsleistungen sind entsprechend ungleich voraussetzungsvoller.
Die Variablen bilden somit ein Steigerungsverhältnis, können aber nicht phasenabhängig modelliert werden, weil eine Variable niemals erfolgreich durchlaufen werden kann. Angelehnt an die nicht lineare Abfolge der Evolutionsfunktionen Variation, Selektion und Restabilisierung sind auch die Variablen des Resonanzsystems nur analytisch, nicht aber empirisch voneinander zu unterscheiden.
In der Konstituierungsphase geht es vor allem um die Unterscheidungen: Teammitglied/Team oder Team/Aufgabe, beim „gereiften“ Team: Team/Gruppe oder Team/Organisation.
So müssten etwa ethische Diskurse und die hiermit verbundenen Differenzen über die Inhalte des Resonanzsystems sichtbar werden, weil sich damit kontextsensitiv Resonanzpotenziale steigern lassen.
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Lanfer, J., Szczygielski, T. Sinn zwischen Resonanz und Entfremdung. Gr Interakt Org 51, 435–444 (2020). https://doi.org/10.1007/s11612-020-00547-5
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