1 Einleitung

Wir danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung „Gewaltenteilung und Demokratie im Mehrebenensystem der EU: neu, anders – oder weniger legitim?“ sowie insbesondere Arndt Wonka, Claudia Wiesner und den Gutachtern für ihre produktiven Kommentare.

Gewaltenteilung ist ein zentrales Prinzip demokratischer Systeme: die Ausübung von Herrschaftsmacht liegt nicht in den Händen einzelner Akteure sondern wird durch verschiedene Gewalten gegenseitig kontrolliert, gemäßigt und ausgeglichen. Die Einleitung zu diesem Sonderheft verweist darauf, dass dies einerseits durch institutionalisierte Mechanismen der gegenseitigen Machtkontrolle geschieht (checks) sowie andererseits durch weniger formalisierte Mechanismen der Mäßigung zwischen verschiedenen Herrschaftsträgern (balances), „die dafür sorgen, dass politische Entscheidungen [trotz der Checks, MH] auch tatsächlich zustande kommen“ (Tömmel in diesem Band). In diesem Sinne interessieren sich jüngere Analysen politischer Systeme zunehmend auch für die „Erfordernisse von Effizienz, Legitimität und Kooperation“ (Holtmann 2004, S. 311) in der tagtäglichen Ausübung politischer Macht. Dabei tritt die funktionale Beschreibung der Teilung und Verschränkung, mithin also die Kontrolle in der praktischen politischen Machtausübung des Staates in den Fokus.

Unter checks and balances fassen wir in diesem Beitrag daher nicht nur die formal geregelte Gewaltentrennung im politischen System, sondern gerade auch die faktischen Mechanismen, die die Macht einzelner Institutionen in der politischen Praxis beschränken und mäßigen. Dabei fokussieren wir auf den Aspekt des Machtausgleichs in der frühen Phase des Gesetzgebungsprozesses auf europäischer Ebene. Konkret fragen wir: Wie und unter welchen Bedingungen berücksichtigt die Europäische Kommission bei ihrer Gesetzesvorbereitung die anderen zentralen Organe der Europäischen Union (EU)?

Dieser Fokus ist vor allem auch dadurch gerechtfertigt, dass Exekutive, Legislative und Judikative im EU-System nur auf den ersten Blick einzelnen Institutionen zugeordnet werden können. Gemeinhin wird die Kommission als zentrales Exekutivorgan, die Ministerräte (Rat) und das Europäische Parlament (EP) als Legislativorgane und der Europäische Gerichtshof (EuGH) als zentraler judikativer Akteur gesehen. Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass schon in der formalen Aufgabenzuweisung jede Herrschaftsgewalt auf verschiedene Institutionen aufgeteilt ist. Gleichzeitig ist eine gegenseitige Kontrolle und Beschränkung der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen Gewalt angelegt (vgl. Einleitung zu diesem Band). Kurz, die klassischen Funktionen von Herrschaftsmacht sind bei Weitem nicht eindeutig zwischen verschiedenen politischen Institutionen getrennt. Vielmehr teilen sich die politischen Institutionen ihren entsprechenden Einfluss.

Die praktische Überlappung und Verschränkung verschiedener Gewalten innerhalb der EU wird insbesondere am Beispiel der Europäischen Kommission deutlich. Sie hat im europäischen Vertragssystem zwei Funktionen. Einerseits ist sie als Hüterin der Verträge verantwortlich für die Implementation, Anwendung und Überwachung des europäischen Primär- und Sekundärrechts – sie erfüllt also eine klassische exekutive Funktion. Sie ist aber vor Allem in einem Großteil europäischer Zuständigkeiten mit dem Initiativmonopol für europäisches Sekundärrecht ausgestattet und übernimmt damit eine zentrale legislative Funktion (Hartlapp et al. 2014). Beide Funktionen, die legislative und die exekutive, teilt sich die Kommission wiederum mit anderen Institutionen. Im politischen System der EU lassen sich wechselseitige Kontrolle, Mäßigung und Ausgleich politischer Macht daher kaum am formalen Zuschnitt der Institutionen ablesen. Vielmehr findet Gewaltenteilung zum einen zwischen verschiedenen Funktionen im Politikprozess statt (etwa zwischen Gesetzesinitiative und Entscheidungsmacht, siehe Tömmel in diesem Band). Zum anderen, so argumentiert dieser Beitrag, erfolgt der Machausgleich zwischen den Herrschaftsträgern durch verschiedene Mechanismen politischer Praxis. Beispielsweise muss die Europäische Kommission bei der Implementation und Überwachung von EU-Recht stark mit den Exekutiven auf nationaler Ebene zusammenarbeiten. Ihr Initiativrecht kann sie formal zwar weitestgehend autonom ausüben, faktisch ist sie jedoch auch hier auf die Kooperation verschiedenster Herrschaftsträger angewiesen.

Dieser Beitrag untermauert diese Perspektive auf die Praxis der Gewaltenteilung im politischen System der EU anhand des legislativen Agenda-Settings der Europäischen Kommission. Formal können die legislativen Organe der EU (Rat und Parlament) nur Recht setzen, wenn die Kommission zunächst einen Vorschlag eingebracht hat. Zudem kann die Kommission ihre Initiativen im legislativen Prozess jederzeit abändern oder sogar zurückziehen. Abgesichert ist diese legislative Gestaltungsmacht der Kommission dadurch, dass es für Rat und EP rechtlich betrachtet leichter ist, Kommissionsvorschläge anzunehmen, als diese inhaltlich abzuändern (Tsebelis und Garrett 2000). Dem eigentlich exekutiven Akteur kommt also ein erheblicher legislativer Einfluss zu. Faktisch lässt sich aber zeigen, dass die anderen Herrschaftsträger im EU-System durchaus die Agendasetzungsmacht der Kommission beschränken können. Ausgehend von einer akteurszentrierten Perspektive (Mayntz und Scharpf 1995), zeigen wir, dass das praktische Handeln der Kommission durch die Komplexität des europäischen Institutionen- und Mehrebenensystems und durch den inter-institutionellen Gesetzgebungsprozess gemäßigt wird. Der institutionelle Kontext bedingt, dass die Europäische Kommission bei der Gesetzesinitiierung de facto um eine breite Konsensfindung mit den anderen Institutionen im europäischen Mehrebenensystem bemüht ist, um Politikgestaltung betreiben zu können.Footnote 2

Der Beitrag verdeutlicht aber auch, dass die Europäische Kommission dabei nicht als monolithischer Akteur zu verstehen ist. Stattdessen muss sie bei der Formulierung von Gesetzesinitiativen eine Vielzahl interner und häufig widerstreitender Interessen vereinen. Der Einfluss anderer EU Organe auf eine Gesetzesinitiative variiert dabei mit der Handlungslogik, die den jeweiligen Kommissions-internen Positionsbildungsprozess bestimmt. Im Gegensatz zu einer formal institutionalisierten Trennung der Herrschaftsmacht ist die praktische Ausübung der Herrschaftsmacht beim legislativen Agenda-Setting in der EU damit überlappend und hochgradig kontingent.

Nach einigen theoretischen Vorüberlegungen zum faktischen Einfluss und den Mäßigungsmöglichkeiten anderer Organe während der frühen Politikformulierungsphase in der Kommission beschreiben wir kurz unser empirisches Vorgehen. Anschließend stellen wir eine dreigliedrige Typologie unterschiedlicher Handlungslogiken vor, die die Politikformulierungsprozesse innerhalb der Kommission formen. In jedem der drei Idealtypen treten besondere Aspekte der praktischen Machtverschränkung der Kommission mit externen Akteuren zu Tage. Wie EuGH, Ministerrat und EP die Positionsbildung in der Europäischen Kommission in der frühen Phase der Positionsbildung beeinflussen, wird dann exemplarisch an drei Fallstudien nachgezeichnet. Abschließend diskutieren wir kritisch, was diese Befunde für eine wechselseitige institutionelle Kontrolle in der politischen Praxis der europäischen Entscheidungsfindung bedeuten.

2 Theoretische Überlegungen: Warum und wie sollte die Kommission ihre Macht beim Agenda-Setting teilen?

Bei der Ausübung ihres Initiativrechts für Legislativakte sind die Akteure innerhalb der Europäischen Kommission formal nicht gezwungen, mit den anderen politischen Akteuren des EU-Systems zu kooperieren. Vielmehr liegt der Fokus in dieser frühen Phase des politischen Agenda-Settings auf der internen Koordinierung zwischen den unterschiedlichen Generaldirektionen (GDs), die eine Position erarbeiten, die die Kommission als Ganzes im anschließenden inter-institutionellen Prozess vertreten kann.

Ein Gesetzesvorhaben entsteht dabei in der Regel unter der Federführung einer einzelnen Abteilung, die mit einigen anderen Abteilungen auf teilweise formalisierter Basis zusammenarbeitet, bevor das Kommissionskollegium einen gemeinsamen Beschluss fasst (für eine detaillierte Beschreibung des internen Prozesses: Hartlapp et al. 2014, S. 243–256). Während in den formalisierten Regeln der Gesetzesvorbereitung keine systematische Einbeziehung externer Akteure vorgesehen ist, können wir in der Praxis erwarten, dass die Kommission auch in der frühen Phase der europäischen Gesetzgebung ihre Macht „freiwillig“ mit anderen Akteuren teilt. Dies begründet sich in der Konzeption der Generaldirektionen der Kommission als weitgehend rational handelnde, zielgerichtete Akteure, die ihre Präferenzen jedoch nicht völlig autonom verfolgen können, sondern von ihrem institutionellen Kontext abhängig sind (Mayntz und Scharpf 1995). Dabei begrenzen horizontal, zwischen den Gewalten auf der EU-Ebene, insbesondere die Strukturen des inter-institutionellen Gesetzgebungsprozesses und vertikal das europäische Mehrebenensystem die internen Akteure bei ihrer Zielverfolgung. So entstehen Anreize, die anderen Herrschaftsgewalten im EU-System schon bei der internen Positionsbildung zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass die faktische Machtteilung beim Agenda-Setting wesentlich von der Handlungsmotivation der Akteure innerhalb der Kommission abhängt.

Welche Handlungsorientierungen sind zu erwarten? In der existierenden Literatur dominieren drei statische, teilweise exklusiv verstandene Motive. Zum einen wird die Europäische Kommission als vornehmlich technokratische Verwaltung dargestellt; eine Sichtweise, die auf frühe funktionalistische Theorien der Europäischen Integration zurück geht (Haas 1958/2004; Mitrany 1971). Diesem Ansatz zufolge ist die Kommission ein bürokratischer Akteur, der in erster Linie nach effektiven und effizienten Problemlösungen sucht. Faktische Kontrollen beim Agenda-Setting der Kommission sind in dieser Perspektive dann zu erwarten, wenn Generaldirektionen auf der Suche nach der bestmöglichen Lösung den Austausch mit anderen Herrschaftsträgern im EU-System suchen. Wechselseitige Kontrolle und Mäßigung ergeben sich durch Expertise und Argumente des EuGHs, des Rates und des Parlaments, wenn diese der Erarbeitung funktionaler Lösungen dienen.

Im Gegensatz dazu wird die Kommission auch als kompetenzmaximierende Organisation charakterisiert. Politisch orientierte Akteure innerhalb der Kommission streben nach Einfluss, um ihren Kompetenzbereich gegenüber Mitgliedstaaten oder anderen Generaldirektoraten auszudehnen (Franchino 2007). Per Definition richten die Akteure in der Kommission hier mehr Aufmerksamkeit auf die Vetospieler im inter-institutionellen EU-System. Sofern die Positionen der Mitgliedstaaten im Rat für dieses Eigeninteresse förderlich sind, werden sie von den Generaldirektionen in der Kommission ebenso berücksichtigt wie die Mehrheitsverhältnisse im EP.

Zunehmend werden auch parteipolitische und normative Orientierungen in der Kommission in den Blick genommen (Hooghe 2012; Hartlapp und Lorenz 2015). In einem immer stärker politisierten Umfeld der europäischen Integration tritt auch innerhalb der Kommission ideologisch motivierte Handlungsorientierung zu Tage. Positionen orientieren sich dann verstärkt an normativen Grundüberzeugungen. Hier ist beim Agenda-Setting zu erwarten, dass beispielsweise partei-ideologisch orientierte Generaldirektionen die Positionen von Fraktionen im Europäischen Parlament oder einzelner Mitgliedstaaten berücksichtigen, um mit ihnen ideologische Allianzen zu bilden (vgl. ähnlich die Annahmen bei Döring 2007; Wonka 2007).

Alle drei angenommenen Handlungsorientierungen der Europäischen Kommission deuten demnach darauf hin, dass es für die Kommission durchaus Sinn macht, die Positionen der anderen Herrschaftsträger im EU System bereits beim Agenda-Setting zu berücksichtigen. Sie unterscheiden sich jedoch darin, welche externen Akteure das Initiativmonopol der Kommission mäßigen und über welche Mechanismen dies geschieht.

3 Machtausgleich im politischen Agenda-Setting Prozess: Eine Typologie der Positionsbildungsprozesse in der Europäischen Kommission

Die hier zusammengefassten Ergebnisse basieren auf den Arbeiten der VW-Schumpetergruppe ‚Positionsbildung in der EU-Kommission‘. Das Forschungsprojekt hat für 48 Gesetzesinitiativen der Kommissionen Prodi und Barroso I systematisch analysiert, wie die Kommission intern zu einer gemeinsamen Position kommt (Hartlapp et al. 2014). Anhand von theoriegeleiteten, strukturierten Einzelfallstudien in drei Politikbereichen – der Schnittstelle von Binnenmarkt- und Sozialpolitik, Forschungs- und Innovationspolitik sowie Verbraucherpolitik – haben wir einerseits untersucht, wie sich die inhaltlichen Positionen der einzelnen Generaldirektorate erklären lassen. Andererseits fragten wir, welche Generaldirektion sich auf der Basis welcher Machtressourcen im internen Koordinierungsprozess durchsetzen kann. Anhand detaillierter Prozessanalysen, kontrafaktischer Argumentation und einer intersubjektiven Auswertung haben wir die maßgeblichen Faktoren für jeden einzelnen Fall empirisch identifiziert (Hartlapp et al. 2014, S. 36–42). Die Analysen basieren auf 138 Experteninterviews, die wir mit den an der Gesetzgebung beteiligten Kommissionsbeamten aus verschiedenen Generaldirektionen und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen durchgeführt haben, sowie auf vielfältigen Primärdokumenten wie Positionspapieren, internen Entwürfen und der flankierenden Medienberichterstattung.Footnote 3

Unsere Analysen zeigen zunächst, dass die Abstimmungsprozesse zwischen verschiedenen Generaldirektionen langwierig sind: Von Beginn des ersten Entwurfsverfahrens bis zur Annahme im Kolleg der Kommissare vergehen im Schnitt über zwei Jahre. In diesem Zeitraum ergeben sich mannigfaltige Ansatzpunkte für die Berücksichtigung externer Interessen. Unsere Analysen zeigen aber auch, dass die innerhalb der Kommission vertretenen politischen Positionen sehr heterogen sind. Bei einer Gesetzesinitiative vertreten typischerweise drei bis vier Generaldirektionen substantiell unterschiedliche Positionen.

Im systematischen Vergleich der 48 Fälle zeigt sich, dass tatsächlich alle drei in der Literatur vorzufindenden Handlungsmotivationen in der gesetzgeberischen Praxis der Kommission eine Rolle spielen. Empirisch lassen sie sich in jeweils spezifische Mechanismen übersetzen und nehmen über externe Faktoren auf die Positionsbildung in der Kommission Einfluss. Statt der Kommission in Gänze also eine einzige, feste Handlungsmotivation zu unterstellen, haben wir auf dieser Basis drei idealtypische Modelle der Positionsbildung entwickelt (siehe auch Hartlapp et al. 2014, S. 283–288). Je nachdem wie stark sich ein einzelner Positionsbildungsprozess einem dieser Idealtypen nähert, ergibt sich ein anderer Blick auf die faktische Gewaltenteilung im legislativen Tagesgeschäft der EU: In jedem Idealtypus wirken Machtbeschränkungen durch externe politische Akteure in unterschiedlicher Art und Weise auf das Agenda-Setting der Europäischen Kommission.

Unsere dreigliedrige Typologie bezieht sich auf Positionsbildungsprozesse in der Kommission. Jeder Typ zeichnet sich durch eine dominante Handlungsmotivation der intern beteiligten Akteure aus. Diese bestimmt, über welche Kanäle und Mechanismen externe Faktoren und Akteure im Positionsbildungsprozess relevant werden. Beispielsweise spielen nationalstaatliche Interessen in sehr vielen Positionsbildungsprozessen eine wichtige Rolle, aber welche Interessen das sind und wie sie Eingang in die Kommissionsposition finden, variiert erheblich (Tab. 1).

Tab. 1 Idealtypische Positionsbildungsprozesse der Europäischen Kommission

Zwar liegen die Prozesslogiken empirisch nicht in der analytischen Trennschärfe und Ausschließlichkeit der Idealtypen vor; die Zuordnung der jeweils dominanten Logik erlaubt es aber dennoch, vorsichtige Aussagen über deren relative Häufigkeit zu machen.

3.1 Funktionale Positionsbildung

Der funktionale Positionsbildungsprozess ist durch das Ziel einer effektiven und effizienten Problemlösung bei der Erarbeitung einer Gesetzesinitiative gekennzeichnet. Akteure in der Kommission sind darauf bedacht, ihr Mandat als Gesetzesinitiator so zu erfüllen und dem „common weal“, dem Gemeinwohl (Mitrany 1971) zu dienen. Sie streben danach, Politiken zu entwickeln, die eine effiziente und effektive Antwort auf bestehende Probleme, neue Herausforderungen oder Ineffizienzen geben und verfolgen jenseits dessen keine Eigeninteressen. In den von uns untersuchten 48 Fällen charakterisiert dieser Idealtypus die Mehrzahl der Positionsbildungsprozesse einzelner Generaldirektionen.

Dem Bild einer vorwiegend technokratisch ausgerichteten Organisation folgend, ist die wichtigste Ressource bei der Erarbeitung von Gesetzesinitiativen hier Expertenwissen (Weber 1921/1980). Entsprechend ist die Bereitstellung von Sachinformation der zentrale Mechanismus, der externen Faktoren Einfluss auf die Positionen der Kommission gewährt. Um rechtliche Konsistenz zu gewährleisten, ist das bestehende europäische Regelwerk, der acquis communautaire, eine maßgebliche Größe, die den Regulierungsansatz über Vertragsartikel oder Sekundärrecht beeinflusst. Ähnlich bestimmt auch die Rechtsprechung des EuGH faktisch den Raum für effektive und effiziente Lösungsansätze. Dabei kommt es zu einem Machtausgleich mit der Judikative, denn nicht selten erfordern erst die Urteile und Auslegungen der europäischen Verträge durch den EuGH neue Gesetzesinitiativen. Teilweise wird durch den EuGH der spezifische Regulierungsansatz sogar höchst präzise bestimmt.

Schließlich spielen externe Berater, abgeordnete nationale Sachverständige oder Expertengruppen eine wichtige Rolle, indem sie neue Lösungen anbieten oder den Informationspool der Kommission auf andere Weise erweitern. Ebenso stellen nationale Exekutiven Wissen über konkreten Regulierungsbedarf auf nationaler Ebene bereit, oder auch ganze Regulierungsansätze, die der Kommission als fertige Musterlösungen für supranationale Steuerungsprobleme dienen.

Ein Beispiel für einen solchen Positionsbildungsprozess findet sich im Bereich der Verbraucherpolitik. Die kommissionsinterne Vorbereitung der Verordnung zur Verkaufsförderung im Binnenmarkt (KOM[2001]546), die von der Generaldirektion für Binnenmarkt erarbeitet wurde, regelt grenzüberschreitende Verkaufsförderaktionen, wie die Gewährung von Preisnachlässen, Rabatte in Form von Gutscheinen, kostenlose Proben oder Preisausschreiben. Zuvor gab es eine Vielzahl unterschiedlicher nationaler Vorschriften, die den Gebrauch verkaufsfördernder Maßnahmen begrenzten und als Handelshemmnisse im Binnenmarkt betrachtet wurden. Mit ihrem Gesetzesentwurf schlug die Kommission vor, alle nationalen Vorschriften zu verbieten, die Verkaufsförderaktionen entweder grundsätzlich untersagten, ihre Gültigkeit einschränkten, sie außerhalb von Saisonschlussverkäufen verboten oder spezielle Genehmigungsverfahren vorschrieben. Neben ihrer marktliberalisierenden Grundausrichtung harmonisiert die Gesetzesvorlage auch einige flankierende Regelungen, wie etwa die Informationspflichten für Verkäufer und Anbieter oder Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (vgl. im Folgenden Hartlapp et al. 2014, S. 173–175).

Auslöser für die Gesetzesinitiative waren die zunehmenden Beschwerden nationaler Unternehmen gegen Handelshemmnisse, die sich aus entsprechenden nationalen Vorschriften ergaben. Mit der Verordnung strebte die zuständige Generaldirektion an, das in den EU-Verträgen festgeschriebene und in anderen Sachbereichen bereits sekundärrechtlich umgesetzte Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch in der Verkaufsförderung zu etablieren. Dies erschien der federführenden Generaldirektion Binnenmarkt als folgerichtige, effiziente Lösung, für die sie nun praktische Sachinformation benötigte.

Zum einen verschafften in eine Expertengruppe berufene Vertreter aller nationalen Wirtschaftsministerien der Generaldirektion einen Überblick über die Gesetzeslagen in den Mitgliedstaaten. Zum anderen spielte die Rechtsprechung durch den EuGH eine wichtige Rolle bei der Wahl des Regulierungsansatzes. Dieser beruhte nämlich in erster Linie auf dem vom EuGH detailliert ausformulierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (z. B. in C-288/89: para. 15 oder C-384/93: para. 45), nach dem staatliche Eingriffe zum Wohle der Allgemeinheit grundsätzlich immer auch den damit verbundenen Eingriff in die Freiheit Einzelner im Blick haben müssen. Die Generaldirektion Binnenmarkt übersetzte die Rechtsprechung in einen konkreten Fragebogen, anhand dessen die nationalen Experten ihre eigenen Gesetze bewerten mussten. Erst daraus ergab sich der marktliberalisierende Ansatz des Gesetzgebungsvorschlags, der sehr vorsichtig bei der Festsetzung regulierender Eingriffe ist. Vorauseilender Gehorsam mit Blick auf die Gerichtsfestigkeit des angestrebten Legislativaktes ist somit die wesentliche Erklärung für die von der Kommission in den Gesetzgebungsprozess eingebrachte Position.

Dieser Fall eines funktionalen Positionsbildungsprozesses zeigt, wie Agenda-Setting in der Kommission durch die Suche nach einer bestmöglichen Lösung für ein bestehendes Problem geprägt sein kann.Footnote 4 Eine national heterogene Rechtslage und resultierende Handelshemmnissen veranlassten die Generaldirektion Binnenmarkt regulierend einzugreifen. Die von der Kommission benötigte Expertise kam dabei sowohl von nationalen Exekutiven als auch von der europäischen Judikative. Während die Mitgliedstaaten Rechtswissen zur Problemdefinition bereitstellten, gab der EuGH mit seiner Rechtsprechung den Regulierungsansatz vor. Dieses Fallbeispiel verdeutlicht zum einen die Auswirkungen der Mehrebenenarchitektur und die Verschränkungen der einzelnen Organe. Zum anderen, und das ist für unser Argument idealtypischer Positionsbildungsprozesse besonders relevant, zeigt er, wie die Judikative auch in der frühen Phase des Agenda-Settings gemäß einer funktionalen Logik Einfluss auf die gesetzgeberische Funktion der Kommission nehmen kann.

3.2 Machterhaltende oder ausdehnende Positionsbildung

Ein machterhaltender oder machtausdehnender Positionsbildungsprozess ist durch ein Streben nach der Maximierung regulativer oder finanzieller Ressourcen charakterisiert. Gemäß klassischen Bürokratietheorien sind hier die Generaldirektionen in der Kommission in erster Linie an einem Erhalt oder einer Ausdehnung ihrer Kompetenzen interessiert (Downs 1966/1967; Niskanen 1971). Dieser Typus charakterisiert in unseren Fällen besonders häufig die kommissionsinterne Auseinandersetzung.

Entsprechend berücksichtigen die Generaldirektionen die Präferenzen anderer Akteure in ihren Positionen dann, wenn die jeweils vertretene Position den internen Zielen der Kompetenzmaximierung dient. Das inter-institutionelle Gefüge der EU führt hier dazu, dass die Kommission schon bei der Ausübung ihres Agenda-Setting-Monopols die Interessen der formalen Legislativorgane berücksichtigt. Insbesondere sollten dabei die antizipierten Rats- und Parlamentsmehrheiten eine wichtige Handlungsbeschränkung sein. Denn die Kommission muss auf die relative Heterogenität der Positionen der Vetomächte im inter-institutionellen Prozess achten, um Kompetenzen zu erhalten oder auszudehnen.

In den von uns untersuchten Fällen spielte vor allem die antizipierte Ratsmehrheit eine wichtige Rolle. Ein Beispiel aus dem Bereich der EU-Forschungspolitik ist die Gesetzesvorbereitung des Sechsten Forschungsrahmenprogramm zur Nuklearforschung (KOM[2001]94 − 2). Es wurde federführend von der Generaldirektion für Forschung parallel zum allgemeinen, nicht-nuklearspezifischen Teil des Sechsten Forschungsrahmenprogramms (KOM[2001]94 − 1) erarbeitet. Während letzterer auf dem Gemeinschaftsvertrag basiert (Artikel 182 AEUV), wird die europäische Förderung von Nuklearforschung nach dem EURATOM-Vertrag geregelt (Artikel 37 EURATOM). Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Gesetzesinitiativen ist, dass der EURATOM-Teil im Rat mit Einstimmigkeit (und ohne formale Beteiligung des Parlaments) beschlossen wird, während der andere Teil des Programms nur der qualifizierten Mehrheit aller Mitgliedstaaten bedarf. Daher wirkt der Schatten des Ratsbeschlusses besonders stark auf die Arbeit der Kommission bei der Erarbeitung des Teils zur Förderung von Nuklearforschung (vgl. im Folgenden Hartlapp et al. 2014, S. 131–134).Footnote 5

Bei den kommissionsinternen Vorbereitungen wollte die Generaldirektion Forschung vor allem den bestehenden EU-Etat zur Förderung von Nuklearforschung erhalten. Die Sondierung des zu erwartenden Ratsabstimmungsverhaltens war zentral, um eine Annahme des von der Kommission vorgeschlagenen Budgetvolumens im anschließenden inter-institutionellen Verhandlungsprozess nicht zu gefährden. Die Frage, ob die EU in Nuklearforschung investieren solle, war in manchen Mitgliedstaaten ein hochsensibles Thema (COM54:98) und das Einstimmigkeitserfordernis im Rat eine große Herausforderung, die den Handlungsspielraum der Kommission bei der Gestaltung dieses Programms begrenzte. Die zuständigen Beamten in der Kommission stellten klar heraus, „selbstverständlich hatten wir diese [die prognostizierte Haltung des Rates] im Kopf als wir das Programm entwarfen“ (COM54:98, eigene Übersetzung; ähnlich COM121:53), da „tatsächlich jeder Mitgliedstaat ein Veto besitzt“ (COM54:90, eigene Übersetzung). Entsprechend beschränkte sich die Kommission bei der Programmformulierung auf weitgehend unkontroverse Förderbereiche, wie „Strahlenschutz, die Verwendung von Strahlung in Krankenhäusern, diagnostische und therapeutische Anwendungen, die Entsorgung radioaktiver Abfälle oder nukleare Sicherheit“ eher als auf „heiklere Themen, wie nukleare Technologien [oder] die Entwicklung einer neuen Generation von Reaktoren“ (COM54:90, eigene Übersetzung).

Auch dieses Fallbeispiel eines machterhaltenden oder -ausdehnenden Positionsbildungsprozesses zeigt deutlich, wie die Kommission, formal unabhängig beim Agenda-Setting, de facto die anderen Herrschaftsträger im Politikprozess klar einbezieht. Geleitet vom Ziel, ihre Kompetenzen – in diesem Fall das Budget für Nuklearforschung – zu erhalten, passte die Kommission ihren Gesetzesentwurf inhaltlich der Position des Rates an, um so mögliche Mittelkürzungen zu vermeiden. Ein Streben nach Machterhalt erforderte daher die Einbeziehung des späteren Vetospielers und Legislativorgans Ministerrat.

3.3 Ideologie-basierte Positionsbildung

Bei einem ideologie-basierten Positionsbildungsprozess streben Kommissionsakteure danach, ihre ideologischen oder normativen Vorstellungen zu einem bestimmten Inhalt zu realisieren (Axelrod 1970).

Bei diesem Typ der Positionsbildungsprozesse ist eine Gesetzesinitiative in erster Linie durch die ideologischen Positionen und Wertvorstellungen der zuständigen Beamten oder ihres Kommissars über gewünschte distributive Effekte für externe Stakeholder gefärbt. Externe Akteure nehmen über ideologische Allianzen Einfluss auf die Positionsbildung. So können einzelne Mitgliedstaaten, also die Exekutiven auf nationaler Ebene, die Positionsbildung beeinflussen, wenn deren Präferenzen oder bestehende Regulierungen den Wertvorstellungen der federführenden Akteure in der Kommission entsprechen. Unter der Prämisse einer ideologischen Passung bindet die Kommission auch andere externe Akteure ein. Eine Mäßigung kann erfolgen, wenn die Kommission Positionen übernimmt, die ihren eigenen ideologischen Zielen entsprechen. In unseren Fällen war dieser Typus der Positionsbildung relativ selten zu erkennen, allerdings lassen sich einige der inhaltlich extremsten Gesetzesinitiativen der Kommission nur über eine ideologie-basierte Positionsbildung erklären. Kurz, diese Logik ist selten, aber deswegen nicht weniger relevant für die Politik, die in Brüssel für Europa gemacht wird.

Ein Fallbeispiel, das diesen Idealtyp der Positionsbildung illustriert, ist der Entwurf für eine Rahmenrichtlinie Antidiskriminierung (KOM[2008]426). Diese Gesetzesvorlage wendet das Prinzip der Gleichbehandlung für alle bisher auf EU-Ebene erwähnten Diskriminierungsgründe (Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung) auch auf soziale Sicherung und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, wie Wohnungen, Kultur und Bildung an (vgl. im Folgenden Hartlapp et al. 2014, S. 64–71). Inhaltlich geht die Richtlinie damit deutlich über bestehendes Recht hinaus und wurde schon in der kommissionsinternen Vorbereitungsphase heftig diskutiert. Meist verliefen die Kontroversen entlang der Konfliktlinien, die bereits Gegenstand der Richtlinienverhandlungen zu Rassendiskriminierung (2000/43/EG) und zur Gleichbehandlung von Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen (2004/113/EG) gewesen waren, wie Unisex-Tarife bei Sozialversicherungen oder die Anwendung des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes auf privatrechtliche Verträge.

Dass die Kommission die Rahmenrichtlinie trotzdem auf die EU-Agenda brachte, ist nicht ohne die Kontrollmacht des Europäischen Parlaments im weiteren institutionellen Kontext zu erklären. Bei den Anhörungen der neuen Kommissare für die Kommission Barroso I hatten homophobe Aussagen des italienischen Kandidaten Buttiglione für einen Eklat im EP gesorgt. In seiner Antwort an das EP versprach Barroso im Jahr 2004 einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie Antidiskriminierung auf den Weg zu bringen (AE 2004). Im Vorfeld seiner erneuten Kandidatur und möglichen Wiederwahl für das Amt des Kommissionpräsidenten im Jahr 2008 erinnerte das Parlament Barroso immer wieder daran, „mehr politischen Mut zu zeigen“ (AE 2008, eigene Übersetzung) und sein Versprechen auch gegen offensichtliche Widerstände innerhalb der Kommission und im Rat einzulösen. Ein Kommissionsbeamter erinnerte sich, „dass wir an diesem Punkt regelrecht verpflichtet waren, eine Initiative vorzulegen; wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre der Druck nur immer weiter angewachsen“ (COM86:167, eigene Übersetzung, ähnlich COM84:77). Für die zuständigen Beamten in der Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales war dies ein willkommenes Argument, die Antidiskriminierungs-Agenda auch gegen die skeptische Haltung der Generaldirektion für Unternehmen und Industrie und Interessen mächtiger Mitgliedsstaaten wie Deutschland „soweit wie möglich voranzutreiben“ (COM19:33, eigene Übersetzung).

Dieser Fall eines ideologie-basierten Positionsbildungsprozesses zeigt einen weiteren Mechanismus, durch den die formal autonome Agenda-Setting Macht faktisch horizontal mit externen Akteuren im politischen System der EU geteilt wird. Trotz absehbarer Auseinandersetzungen über die Prinzipien, die den Zugang von benachteiligen Individuen zu Gütern und Dienstleistungen ermöglichen sollen, beschloss die EU-Kommission Diskriminierung für eine Reihe von Gründen und in einer großen Breite von Anwendungsbereichen zu regulieren. Es ist anzunehmen, dass die Kommission die Rahmenrichtlinie ohne die Verknüpfung der formalen Kontrollmacht des EP zur Ernennung des Kommissionspräsidenten mit inhaltlichen Forderungen nicht, später oder aber in deutlich schlankerer Form eingebracht hätte.

4 Schluss

Die Idee einer institutionell geteilten Ausübung von Herrschaftsmacht wie sie im Nationalstaat vorliegt kann nicht ohne weiteres auf das EU-System übertragen werden. Herrschaftsmacht ist intern in der Judikativen, Exekutiven und Legislativen sowie horizontal zwischen den Gewalten und vertikal zwischen den Ebenen aufgeteilt. Stärker noch als in nationalen Systemen ist es für die EU deshalb notwendig nach den faktischen Mechanismen der Machtverschränkung bei der alltäglichen Ausübung einzelner Herrschaftsaspekte zu fragen.

Unser Beitrag zeigt, dass die praktischen Mechanismen der Gewaltenteilung auch dann sichtbar sind, wenn wir unseren Blick auf einen Herrschaftsaspekt lenken, der formal klar einer einzigen Institution zugeordnet ist. Trotz ihres weitreichenden Initiativmonopols hat die Europäische Kommission im komplexen EU-Mehrebenensystem auch ohne formale Vorschriften Anreize, sich in der Ausübung dieses Monopols von anderen institutionellen Akteuren mäßigen zu lassen. Dies sind einerseits die anderen Legislativakteure, die in späteren Phasen des Politikgestaltungsprozesses hinzutreten, wie Rat und EP, aber auch der EuGH. Unsere Analyse zeigt, dass die dem formalen Initiativmonopol innewohnende Macht in der Praxis des politischen Tagesgeschäfts in Brüssel informell mit anderen Institutionen geteilt wird. Faktisch sind daher die oft weitreichenden Regulierungsvorschläge der Kommission zumindest in Teilen durch den frühzeitigen Einfluss anderer Akteure abgesichert.

Dennoch sollte dieser Befund nicht als eindeutige Schlussfolgerung zur Qualität der Kontrollmöglichkeiten in europäischen Entscheidungsprozessen interpretiert werden. Denn unsere Ergebnisse zeigen auch, dass intransparent bleibt, welche anderen EU Organe die Agenda-Setting Macht der Kommission systematisch beschränken. Vielmehr unterstreichen unsere 48 Fallstudien, dass der Einfluss externer Akteure letztlich von der dominanten Handlungslogik der federführenden Akteure innerhalb der Kommission abhängt. Das Muster der funktionalen Positionsbildung mit ihrem Rückgriff auf bestehendes EU Recht, die EuGH Rechtsprechung oder nationale Interessen kommt dabei einer systemisch induzierten Gewaltenteilung am nächsten. Diese idealtypische Logik existiert in der Kommission aber parallel zu kompetenz-maximierender oder ideologisch getriebener Positionsbildung einzelner Generaldirektorate und wir finden erhebliche Variation über und teilweise innerhalb einzelner Politikformulierungsprozesse (Hartlapp et al. 2014, S. 288–290). Die Präsenz von den eher taktisch motivierten Positionsbildungsprozessen zeigt somit, dass das tatsächliche Ausmaß der Kontrolle und Beschränkung von Herrschaftsmacht in europäischen Gesetzgebungsinitiativen abhängig von den jeweiligen konkreten zeitlichen Umständen ist.

Die aufgezeigte Typologie deutet jedoch auch an, welche institutionellen Stellschrauben es gibt, um die Kontrolle externer Akteure auf die frühe Phase der Politikgestaltung stärker zu systematisieren. Bei einem idealtypischen funktionalen Positionsbildungsprozess ist die Bereitstellung von Expertise der zentrale Mechanismus, der externe Akteure in den Prozess der Gesetzesvorbereitung einbindet. Eine erhöhte Systematik und entsprechende Dokumentation der Kommission über die von ihr verwendeten Informationsquellen ist dabei ein Instrument um die Logik der faktischen Gewaltenteilung in Richtung funktionaler Sachlogiken zu steuern. Im Gegensatz dazu verweist der Versuch einer Rückbindung des Kommissionspräsidenten an die Ergebnisse der Europawahl und die von Jean-Claude Juncker selbst vorgeschlagene Stärkung politischer Koordination innerhalb der Kommission über vergleichsweise mächtige Vizepräsidenten auf eine Stärkung der kompetenz-maximierenden und ideologisch motivierten Handlungsmuster in der gegenwärtigen Kommission. Ob und wie diese Spielarten der faktischen Gewaltenteilung im Brüsseler Tagesgeschäft zu bewerten sind, lässt sich dann aber nicht mehr ohne einen Verweis auf die gewünschte Finalität der EU zwischen intergouvernementalem Staatenbund und politischen Bundesstaat beantworten.