Zusammenfassung
Im Beitrag wird untersucht, wie eine veränderte Aufgabenkultur qua Adressierungen an die Schulpraxis in Zeitschriften des Grundschulbereichs vermittelt wird. Der Vermittlungsprozess wird als kulturelles Geschehen gefasst und diskursanalytisch untersucht. Im Ertrag werden vier Figuren einer Aufgabenkultur herausgearbeitet, in denen je unterschiedlich gefasst wird, was eine (gute) Aufgabe ausmacht und wie über Aufgaben schulische Akteure miteinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die Untersuchung leistet demnach einen reflexiven Beitrag zur didaktischen und schulpädagogischen Diskussion um Schul- und Lernkulturen.
Abstract
In this article we explore how educational practices in primary schools are addressed in journal articles to recognize and adopt a revised culture of handling tasks. The processes of addressing are described as cultural acts which can be examined in an empirical discourse research. Following this perspective we reconstruct four figures of addressing, each describing different attributes of a (good) task and the good teacher resp. pupil. This study therefore contributes to the discussions about school and learning cultures in a reflexive manner.
Notes
Das Konzept der Adressierung lässt sich als Operationalisierung der sprachphilosophischen und sozialtheoretischen Überlegungen Judith Butlers zu den Theoremen der Anerkennung und Subjektivierung verstehen, welche innerhalb erziehungswissenschaftlicher Diskussionen zunehmend Anklang finden (vgl. Ricken et al. 2017). Mit Jergus et al. (2013, S. 745) „erweitern wir den Begriff der ‚Adressierung‘ über die konkrete Interaktion zwischen Teilnehmenden einer Praktik [hinaus], indem wir damit generell in den Blick nehmen, wie in und durch Sprache den Angesprochenen eine Verhältnisbeziehung zum Ausgesprochenen zugedacht wird“.
Obgleich bezüglich der Verhältnisnahme der Lehrkräfte zum Wissen um Aufgaben(kulturen) die Adressierung der Lehrkäfte durch wissenschaftliche Diskurse hier vordergründig erscheint, berücksichtigen wir in den Analysen auch die Adressiertheitsstruktur der Aufgaben im Unterricht selbst, d. h. die „Rollen“, welche die Akteure in der pädagogischen Praxis spielen oder die ihnen durch Aufgaben zugewiesen werden.
Zwei Beispiele: Bei Giest (2014) werden Fotos von Frühblühern und Zugvögeln abgebildet und thematisch als Teil guter Beispielaufgaben aufgegriffen. Bei Egbert und Hintze (2014) finden sich neben einem „Phasenmodell des Design Thinking“ drei Fotografien und Abbildungen zu verschiedenen Flugobjekten, an denen exemplarisch der Erwerb technischer Bildung erläutert wird.
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Schmidt, M., Herfter, C. Die Kultur von Aufgabenkulturen. Eine Analyse der Praktiken der Adressierung von Lehrkräften in praxisinstruktiven Zeitschriften. ZfG 12, 101–115 (2019). https://doi.org/10.1007/s42278-019-00039-6
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