Der 29. August 2005 markiert in der jüngeren Geschichte der Stadt New Orleans eine Zäsur. In den frühen Morgenstunden des Tages erreichte der Hurrikan Katrina die Küste Louisianas. Nur kurze Zeit später sollte er als Kategorie-3-Sturm über New Orleans hinwegziehen. Bis heute kämpfen Stadt und Umland mit den Nachwirkungen der Katastrophe. Dabei tun sich Politik und Öffentlichkeit weiterhin schwer, Katrina nicht allein als „Naturkatastrophe“, sondern vielmehr als Resultat soziogener Phänomene im Kontext des Klimawandels zu verstehen. In der Forschung hingegen hat sich spätestens mit den Diskussionen um das Anthropozän ein Verständnis durchgesetzt, das Katastrophen wie den Hurrikan Katrina und dessen Folgen als Produkte des menschgesteuerten Erdsystems verortet. Der Mensch wird in diesem Zusammenhang als kultur- und naturgestaltende geologische Kraft erdgeschichtlichen Wandels erfasst. In der Reihe der Arbeiten, die sich diesem Themenfeld aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive annähern, ist die aktuelle Studie der Bielefelder Umwelthistorikerin Eleonora Rohland zu situieren.

„Changes in the Air“ betitelt Rohland ihren sehr gelungenen, rund zweihundertseitigen Querschnitt durch die Geschichte der Hurrikane in und um New Orleans und untersucht für einen Zeitraum von dreihundert Jahren die umweltbedingten und Hurrikan-spezifischen Praktiken der Adaption an die periodisch wiederkehrenden, verheerenden tropischen Wirbelstürme im unteren Mississippi-Delta. New Orleans und sein Umland zum Untersuchungsgegenstand für eine solche Studie zu machen, bietet sich aus zwei Gründen an: Zum einen kann die Stadt seit ihrer Gründung im Jahr 1718 auf eine Fülle an Hurrikanen und andere Katastrophen zurückblicken. Zum anderen sind die Ereignisse dank der Berichtspflichten und -freuden der kolonialen, territorialen und bundesstaatlichen Akteure und Beamten von Beginn an in den französischen, spanischen und amerikanischen Archiven detailliert dokumentiert.

Die Praktiken der Katastrophenadaption, so zeigt Rohland nachvollziehbar, unterlagen weder einer steten Entwicklung, noch garantierten sie im Verlauf der Zeit eine verbesserte Anpassung an die Katastrophenszenarien. Vielmehr war der Wissenstransfer um die Praktiken der Adaption von Kontinuitäten und Brüchen geprägt und – wie die Autorin mit Verweis auf den Politikwissenschaftler Paul Pierson argumentiert – pfadabhängig, das heißt bedingt durch Wissenssysteme und Machtbeziehungen (S. 190). Dementsprechend begreift sie die Praktiken der Adaption als beziehungsbedingt, als „relative concept“ (S. 7, 18), und sieht deren Wandel vor allem von soziokulturellen und -politischen wie gouvernementalen Gegebenheiten, Geflechten und Veränderungen beeinflusst (S. 205).

Rohland platziert ihre Hurrikan-Studie an der Schnittstelle von Umweltgeschichte und historischer Katastrophenforschung und identifiziert fünf wesentliche Praktiken der Adaption: Damm- beziehungsweise Deichbau, Evakuierung, Migration sowie Katastrophenhilfe und Versicherungsschutz. Entlang der Praktiken strickt die Autorin ihre Narration und spürt chronologisch einzelnen Episoden der Adaption nach. In einem Exkurs zum Hurrikan von 1812 skizziert sie zudem die Verflechtungen von Katastrophen, Sklaverei und Rassismus. Den Auftakt ihrer Erzählung macht der Hurrikan von 1722, in dessen Folge, so Rohland, die französisch-koloniale Administration ihre Anstrengungen des Katastrophenschutzes nahezu ausschließlich auf den Ausbau des Deichsystems in und um New Orleans konzentrierte. Bis heute sieht sie diese Bemühungen in der Levees-only-Politik nachwirken (S. 64). Gleichfalls historisiert Rohland die Formen der Migration und Evakuierung. Auch deren Ursprung erkennt sie in der französischen Kolonialzeit und differenziert zwischen der freiwilligen und selbstregulierten Migration und der temporären und örtlich begrenzten Evakuierung. Migration und Evakuierung versteht sie sowohl als Praktiken der Adaption als auch der Nichtadaption und führt diese mit den überregionalen Praktiken der Katastrophenvorhersage und -bereitschaft im Golf von Mexiko zusammen. Eine entscheidende Rolle nahmen in diesem Prozess die Jesuiten auf Kuba ein. Von Havanna aus etablierte der Orden unter der Leitung des Priesters Benito Viñes ein meteorologisches Netzwerk mit etwa zwanzig Observatorien und revolutionierte so die Katastrophenvorhersage in der Zirkumkaribik (S. 106 ff.). Bis zum Beginn des spanisch-amerikanischen Krieges kooperierten die jesuitischen Stationen mit den meteorologischen Diensten der USA, vornehmlich dem U.S. Army Signal Corps und dem U.S. Weather Bureau, und telegrafierten fortlaufend Wetterbeobachtungen und Hurrikanwarnungen nach Washington, DC. Von dort wurden anschließend die lokalen, nordamerikanischen Wetterdienststellen benachrichtigt. Die räumlich begrenzten Praktiken der Adaption in New Orleans wurden dadurch, wie Rohland nachdrücklich zeigen kann, in ein atlantisches Geflecht der Katastrophenvorhersage und -bereitschaft integriert.

Im Gegensatz dazu blieben die Maßnahmen der Katastrophenhilfe auf den nordamerikanischen Raum beschränkt. Deren Relevanz für New Orleans konstatiert die Autorin erstmalig mit Blick auf den sogenannten Chénière-Caminada-Hurrikan vom Oktober 1893. Der verheerende Sturm, der die im Labyrinth der Barataria-Bucht vorgelagerte Fischergemeinde Chénière Caminada nahezu komplett zerstört hatte, setzte zunächst eine Reihe lokaler Ad-hoc-Hilfen in Gang, die auf die Versorgung der Überlebenden der Katastrophe abzielten. Auch wenn solche Formen von freiwilliger humanitärer Hilfe und Organisation sicherlich keine Neuheit für New Orleans darstellten und bereits in Zeiten der Gelbfieberepidemien praktiziert worden waren, weist Rohland dennoch zurecht darauf hin, dass in der Stadt grundlegend ein Mangel an gewachsenen zivilen wie staatlichen Formen von Katastrophenhilfe bestand. Des Weiteren hebt sie den temporären Charakter der Hilfen hervor: Weder wurden örtliche Formen der Katastrophenhilfe im Nachgang des Hurrikans verstetigt oder institutionalisiert, noch führten die Opfer und Schäden des Sturmes unmittelbar zur Schaffung bundesstaatlicher Formen von Katastrophenhilfe.

Eng verbunden mit der Katastrophenhilfe – und auf bundesstaatlicher Ebene mindestens ebenso kontrovers diskutiert – war und ist der Versicherungsschutz für Katastrophen, dem sich Rohland abschließend zuwendet und ein allgemeines Desinteresse oder gar eine Ignoranz gesellschaftlicher Akteure gegenüber den Praktiken des Versicherns diagnostiziert. Die Widerstände gegen die diversen Modelle und Programme des Versicherungsschutzes zeichnet die Autorin für New Orleans am Beispiel des Hurrikans Betsy von 1965 nach. Zwar kann sie in der Aufarbeitung des Hurrikans einige Fortschritte und Versuche identifizieren, die auf einen verbesserten Versicherungsschutz abzielten. Schlussendlich muss Rohland aber feststellen, dass die Bemühungen um einen rechtsverbindlichen, bundesstaatlichen Versicherungsschutz scheiterten. Die Ursache hierfür sieht sie vornehmlich in der politischen Kultur eines Landes, dessen Bevölkerung den bundesstaatlichen Praktiken des Steuerwesens und der Steuerpflicht seit jeher äußerst ablehnend gegenüberzustehen scheint und jedwede Pflichtversicherungen als „artverwandt mit der Steuerpflicht“ wahrnehmen würde (S. 190). Rohland folgt an dieser Stelle in ihrer Argumentation gängigen Narrativen und thematisiert, wie bereits im Feld der Katastrophenhilfe, die diskriminierenden und rassistischen Strukturen, die diesen Praktiken der Nichtadaption zugrunde liegen, nur am Rande beziehungsweise in Exkursen.

Betsy und die mit dem Sturm einhergehenden Überschwemmungen beschädigten in New Orleans, wie Rohland bemerkt, insbesondere das Lower Ninth Ward und damit ein Stadtviertel, das mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnt wurde. Überdies traf Betsy die Stadt alsbald nach Verabschiedung des Voting Rights Acts und nach den Watts-Unruhen von Los Angeles in Zeiten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Die Praktiken der Adaption waren daher, wie zuletzt Andy Horowitz in einem Aufsatz für das Journal of Southern History von 2014 andeutete („Hurricane Betsy and the Politics of Disaster in New Orleans’s Lower Ninth Ward, 1965–1967“), von nationalen Diskursen um Armut, Bürgerrechte und die Rolle des Bundesstaates beeinflusst. Beispielsweise verstanden es Betsy-Überlebende, wie die von Horowitz zitierte Lucille Duminy, mit Recht als rassistische Praktik, wenn ‚weiße‘ im Gegensatz zu ‚schwarzen‘ Bewohnern des Lower Ninth Ward vor der nahenden Katastrophe gewarnt wurden (vgl. ebd., S. 913).

Den Diskursen um Armut, Bürgerrechte und Governance hätte Rohland an einigen Punkten ihrer Studie über den Sturm von 1812 hinaus nachspüren und somit die Verflechtungen von Praktiken der Katastrophenadaption und Rassismus weitergehend historisieren können. Die französische und die spanische Kolonialzeit hätten hierfür einen hervorragenden Ausgangspunkt geboten. Der Fokus der Studie hätte sich dadurch freilich erheblich verschoben. Ferner sind ähnliche Ansätze bereits an anderer Stelle verfolgt worden. So bleibt festzuhalten, dass Rohland mit „Changes in the Air“ eine wohlartikulierte und argumentierte Studie vorgelegt hat, die erstmals die Geschichte der Hurrikane von New Orleans systematisch in ihrer dreihundertjährigen Entwicklung abbildet. Rohlands Studie ist dabei über den Raum New Orleans und die temporären Phänomene der Hurrikane hinweg bedeutsam: Äußerst anschaulich vermittelt die Autorin ein strukturelles, historisches Verständnis für Kontinuitäten, Brüche und den Wandel von Praktiken der Katastrophenadaption im Anthropozän.