Zusammenfassung
In der Debatte um Gleichheit und/oder Differenz scheint derzeit eine gewisse Erschöpfung, ja eine gewisse Ratlosigkeit eingetreten zu sein. Die einzelnen Überlegungen werden zwar immer wieder aufs neue präzisiert und differenziert. Aber insgesamt geht es irgendwie nicht weiter. Es scheint, als ob nun alle Argumente gesagt seien. Interessanterweise trifft dies jedoch nicht nur für die feministische Diskussion zu, sondern auch für andere Kontroversen, in denen es ebenfalls um die Frage Gleichheit und/oder Differenz geht (wenn auch nur selten ausdrücklich unter diesen Stichworten) wie zum Beispiel die Kontroversen um den Kommunitarismus, um die Menschenrechte oder ganz allgemein um die Frage Universalismus/Relativismus. Auch hier entsteht der Eindruck, als ob die Auseinandersetzungen auf der Stelle träten.
Der folgende Text ist ein gekürzter und überarbeiteter Teil einer sehr viel umfangreicheren Vorlesung zu diesem Thema, die ich im Sommersemester 1997 an der Universität Wien am Institut für Politikwissenschaft gehalten habe. In der Vorlesung habe ich nicht nur die feministische Debatte ausführlicher dargestellt, sondern diese auch im Zusammenhang mit anderen Auseinandersetzungen zu diesem Thema erörtert (wie die Kontroverse zwischen Taylor (1993) und Habermas (1993)). Darüber hinaus habe ich dort zu zeigen versucht, daß sowohl die Spannbreite der derzeitigen Argumente als auch die aktuellen Schwierigkeiten in der normativen Argumentation ganz wesentlich geprägt sind von der diskursiven Logik des Gleichheits- und Differenzdiskurses, wie er im 18. Jahrhundert entstanden ist. Betrachtet man nun die Debatte „um die Anerkennung von Differenz“aus der Perspektive einer diskursiven Formation, wird sichtbar, daß sie derzeit an die Grenzen des mit dieser Formation gesetzten normativ Denkbaren stößt. Dieser Gesamtzusammenhang meiner Überlegungen ist für das Verständnis des Folgenden zentral, ohne daß hier der Ort wäre, dies weiter auszuführen. Ich komme darauf abschließend jedoch nochmals kurz zurück.
Eine Welt. Eine Stimme?
Viele Welten, aber eine Stimme?
Viele Stimmen, aber eine Welt?
Viele Welten. Viele Stimmen?
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Maihofer, A. (1998). Gleichheit und/oder Differenz? Zum Verlauf einer Debatte. In: Kreisky, E., Sauer, B. (eds) Geschlechterverhältnisse im Kontext politischer Transformation. Politische Vierteljahresschrift Sonderhefte 28/1997, vol 28. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97083-1_8
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