Zusammenfassung
Aus der Tatsache, daß dem Muskel vier Fünftel seiner Masse in Form von Wasser entzogen werden können, ohne daß seine mikroskopische Struktur zerstört wird, muß der Schluß gezogen werden, daß das Wasser in submikroskopischer Verteilung in ihm enthalten ist und daß es keinen integrierenden Bestandteil im Bau seiner festen Substanz bildet, sondern dieser nur angelagert ist. Unter den Vorstellungen über die Art der Verteilung des Wassers in den organisierten Substanzen hat die Naegelische Micellartheorie eine experimentelle Begründung gefunden durch das Imbibitionsverfahren vonAmbronn, sowie durch das Röntgendiagramm. Wenn auch die Schwierigkeiten, die der Anwendung dieser Verfahren auf den Muskel entgegenstehen, noch nicht ganz behoben sind, darf doch als höchst wahrscheinlich gelten, daß die die mikroskopischen Fibrillen bildende feste Substanz des Muskels aus submikroskopischen Elementarfibrillen besteht und diese wieder Ketten aneinandergereihter Micelle darstellen; als Micelle bezeichnen wir submikroskopische Stäbchen, die selbst wieder Bündel von Fadenmolekülen darstellen, die durch die Regelmäßigkeit ihrer Anordnung dem Micell krystallähnliche Eigenschaften verleihen: von Brückes Disdiaklasten.
Das Wasser ist in der Muskelfaser an 3 Orten untergebracht:
-
1.
Im Sarkoplasma in gleichmäßiger Verteilung wie in einer Lösung;
-
2.
als Hülle der Elementarfibrillen: Adhäsionswasser;
-
3.
im Innern der Micelle teils chemisch gebunden, teils als Krystallwasser.
Daß das Adhäsionswasser den Micellketten nur seitlich angelagert ist und nicht zwischen die einzelnen Glieder der Kette eindringt, wird aus folgenden Gründen angenommen: 1. weil die Zugfestigkeit des Muskels durch wässerige Zwischenscheiben beeinträchtigt würde; 2. weil der Muskel bei Wasseraufnahme und -abgäbe (Quellung und Schrumpfung) keine nennenswerte Längenänderungen erfährt, sondern nur starke Änderungen des Querschnitts; 3. weil bei der Wasserentziehung, sei es durch plötzliches Frieren oder durch langsame Trocknung des Muskels sein mikroskopischer Bau in der Längsrichtung erhalten bleibt und beim Frieren nur auf dem Querschnitt durch seitliche Verdrängung der Fibrillen (durch Eiskrystalle) entstellt wird. Diese Gründe bilden die Rechtfertigung für die Anwendung des Frierverfahrens zur Feststellung der Struktur des ruhenden und des kontrahierten Muskels, wenigstens auf dem Längsschnitt.
Die Kräfte, welche den Zusammenhalt der Fadenmolekule zum Micell, die Verbindung der Micelle zum Elementarfaden, sowie die Wasserbindung beherrschen, werden besprochen; ferner die Schwierigkeit der Unterscheidung von freiem und gebundenem Wasser.
Schließlich wird das Ergebnis der Betrachtungen und Versuche in einem Schema der Fibrille zusammengefaßt.
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Hürthle, K. Zur Kenntnis der Struktur des ruhenden und des tätigen Froschmuskels. Pflüger, Arch. 227, 610–636 (1931). https://doi.org/10.1007/BF01755358
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