Lernziele

Nach Absolvieren dieser Fortbildungseinheit ...

  • kennen Sie die häufigen Indikationen für gerinnungshemmende Medikamente.

  • kennen Sie wichtige Aspekte zu den Vitamin-K-Antagonisten, den neuen direkten Antikoagulanzien und den Thrombozytenaggregationshemmern.

  • können Sie Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, optimal perioperativ einstellen.

  • können Sie das Risiko für proktologische Eingriffe abschätzen.

Einleitung

In Deutschland ist die Lebenserwartung stetig im Steigen begriffen. Trotz einer Vielzahl von chronischen Erkrankungen werden die Menschen ohne große Einschränkungen im Alltag immer älter, da u. a. die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten immer weiter optimiert werden. Zu diesen gehört auch die Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten. Diese werden insbesondere bei folgenden Erkrankungen verabreicht [1, 2, 3, 4]:

  • Vorhofflimmern (derzeit häufigste Indikation) und andere Herzrhythmusstörungen mit erhöhtem Risiko für Thromboembolien,

  • Erkrankungen der Koronargefäße und der Herzklappen und damit assoziierte postoperative Zustände,

  • arterielle Thrombosen,

  • Venenthrombosen,

  • Lungenembolie.

Diese Therapie wird oft bereits im mittleren Lebensalter und häufiger noch im fortgeschrittenen Alter begonnen und oft lebenslang durchgeführt. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden die genannten Erkrankungen weiter zunehmen. Daher ist es notwendig, dass alle aktiven Mitarbeiter operativer Disziplinen, so auch die Proktologen, ihr bereits vorhandenes Wissen über leitliniengerechte Thromboseprophylaxe, u. a. mit niedermolekularem Heparin, mit demjenigen über die neuen gerinnungshemmenden Medikamente und Thrombozytenaggregationshemmer erweitern. Einen zentralen Punkt stellt der Umgang in der perioperativen Situation dar.

Die folgenden Überlegungen gehen aus vom Standpunkt eines in einer Praxis tätigen chirurgischen Proktologen, der ambulante und stationäre Operationen und interventionelle Hämorrhoidenbehandlungen wie Sklerosierung und Operation durchführt. Diese Maßnahmen stellen unter einer gerinnungshemmenden Medikation eine besondere Herausforderung dar. Sie sind mit erhöhter Blutungsgefahr und bei Absetzen der Medikamente mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko verbunden. Bei den heutigen kurzen Liegezeiten wird eine Umstellung der gerinnungshemmenden Medikation in der Regel vor dem Krankenhausaufenthalt vorgenommen. Der Proktologe ist bei seinen Patienten an dem Umstellungsmanagement beteiligt. In der Regel wird er sich mit dem Hausarzt und ggf. mit dem Krankenhausarzt und dem Kardiologen abstimmen. Diese Umstellung der Medikamente wird als „bridging“ bezeichnet [1, 2]; dies wird meist der Hausarzt vornehmen. Auch postoperativ wird das „bridging“ heute meist von den niedergelassenen Ärzten beendet. Der Proktologe muss sich vergewissern, dass dieses Vorgehen eindeutig abgesprochen und geregelt ist. Dem Patienten sollte ein schriftlicher Ablaufplan ausgehändigt werden.

Der in der Praxis tätige Proktologe wird in der Regel folgende Eingriffe selbst durchführen:

  • Behandlung von Analvenenthrombosen, Marisken und Fibromen immer ambulant;

  • Hämorrhoiden, Analfisteln, Analabszess, Kondylome, Acne inversa, Analfissuren und Pilonidalsinus je nach Ausdehnung ambulant oder stationär als Belegarzt, Konsiliar- oder Honorararzt.

Er diagnostiziert des Weiteren Erkrankungen, die er nicht selbst operiert, sondern in geeignete chirurgische Abteilungen einweist wie kolorektale Karzinome, Rektumprolaps oder operable Kontinenzstörungen.

Proktologische Eingriffe insgesamt haben ein geringeres Blutungsrisiko als große traumatologische, gefäß- oder viszeralchirurgische Eingriffe. Kleinere oberflächliche Operationen haben wiederum ein deutlich geringeres Nachblutungsrisiko als Eingriffe in der Tiefe mit erheblicher Gewebedurchtrennung (z. B. langstreckige komplexe Fisteln, Rektumvollwandresektionen). Auch Ausdehnung und Größe des Befunds spielen beim Blutungsrisiko eine Rolle: kastaniengroße Hämorrhoiden werden leichter nachbluten als deutlich kleinere, eine handflächengroße Wunde nach der Operation einer Acne inversa ist stärker gefährdet als eine deutlich kleinere, ein T4-Rektumkarzinom blutet eher nach als ein kleinerer Tumor. Auch die postoperative Zugänglichkeit der Wunde, ob oberflächlich oder tiefer gelegen, ob transanal zugänglich oder intraabdominell gelegen, ist in die Risikoabwägung einzubeziehen.

In allen diesen Fällen sind stets eine sorgfältige Planung und Vorbereitung der Eingriffe notwendig. Das perioperative Management für Operationen muss für jeden Einzelfall genau festgelegt werden, um Blutungen und thromboembolische Komplikationen zu vermeiden. Es sind Maßnahmen erforderlich, mit denen eine Optimierung beider Risiken erreicht werden kann. Mangelnde Kenntnis dieser Problematik kann zu folgenschweren Komplikationen führen, die auch von forensischer Bedeutung sein können [5]. Diese werden später nicht selten als Behandlungsfehler angesehen.

Risikobewertung

Das perioperative Blutungsrisiko eines Patienten unter gerinnungshemmenden Medikamenten wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: Es hängt ab von der Art und Größe der Operation, vom Traumatisierungsgrad und von der Art der gerinnungshemmenden Medikamente.

Außer dem direkt mit dem operativen Eingriff verbundenen Blutungsrisiko (Exposition ) muss das individuelle Blutungsrisiko des Patienten (Disposition ) beachtet werden. Dazu eignet sich ein standardisierter Fragebogen zur individuellen Blutungsanamnese [6]. Medizinische Komorbiditäten sind relevant, da sie zu einem Anstieg des Blutungsrisikos beitragen können. Des Weiteren kann mit einem Score-System, wie z. B. dem HAS-BLED-Score (Tab. 1), ein erhöhtes Blutungsrisiko abgeschätzt werden. Ein erhöhtes Risiko besteht bei einem HAS-BLED-Score von mindestens 3 [1].

Tab. 1 HAS-BLED-Score – Definition und Punkteverteilung

Weitere Risikofaktoren sind Anämie, weibliches Geschlecht und genetische Faktoren.

Das Risiko für Thromboembolien ist abhängig von der Grunderkrankung, welche die Indikation für die gerinnungshemmenden Medikamente darstellt (Tab. 2), und von der Art der Operation.

Tab. 2 Abschätzung des Thromboembolierisikos: jährliche Inzidenz ohne Antikoagulanzien. (Modifiziert nach [2])

Zur Einschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern wird der CHADS2-Score empfohlen (Tab. 3; [1]).

Eine Aktualisierung dieses Scores ist der CHA2DS2-VASc-Score (Tab. 3), der eine verschärfte Altersgrenze von 65 Jahren, weibliches Geschlecht und Vaskulopathien in der Anamnese mitberücksichtigt. Dieser Score spielt in der Routine eine zunehmend größere Rolle.

Tab. 3 Einschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern, CHADS2-Score und CHA2DS2-VASc-Score

Operative Eingriffe unterscheiden sich in ihrem Blutungsrisiko. Bei proktologischen Operationen im Anorektum ist das Blutungsrisiko als niedrig bis mittelgradig einzuschätzen, je nach Befundausdehnung. Die Eingriffe finden in einem sehr stark durchbluteten Bereich statt. Diese Region ist bei Blutungen aber schnell und direkt zugänglich. Bei Operationen von kolorektalen Karzinomen kann das Blutungsrisiko, wie auch bei anderen großen Eingriffen mit ausgedehnter Gewebemobilisation, hoch sein.

Eine Antikoagulationsbehandlung schließt in den meisten Fällen einen ambulanten chirurgischen Eingriff aus. Ausnahmen sind kleine perianale Eingriffe wie Analvenenthrombose, ganz oberflächliche Analabszesse, Kondylome und evtl. prolabierende und blutende Analfibrome. In diesen Fällen muss die Antikoagulation nicht unterbrochen werden.

Zur Risikobewertung gehört auch eine individuelle Nutzen-Risiko-Abschätzung der Operationsindikation. Es gibt nur wenige absolute Operationsindikationen in der Proktologie; dazu gehören z. B. das kolorektale Karzinom und der Analabszess. Die meisten proktologischen Operationen haben eine relative Indikation mit unterschiedlicher Dringlichkeit und sind damit elektiv.

Bei einem älteren Menschen mit Begleiterkrankungen und dauerhafter gerinnungshemmender Medikation ist abzuwägen, ob z. B. prolabierende Hämorrhoiden operiert werden. Kommt der Patient mit dem Reponieren gut zurecht, wird auf einen operativen Eingriff verzichtet, und es werden eher konservative Maßnahmen präferiert. Kommt es dagegen bei einem fortgeschrittenen Hämorrhoidalleiden zu häufigen stärkeren Blutungen, die konservativ nicht erfolgreich therapierbar sind, dann ist trotz des erhöhten operativen Blutungsrisikos eine Operationsindikation zu stellen.

Antikoagulanzien

Vitamin-K-Antagonisten und „bridging“

Die Vitamin-K-Antagonisten (VKA) gehören zur Gruppe der Coumarinderivate und hemmen die Vitamin-K-abhängigen Syntheseschritte der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. Sie haben eine enge therapeutische Breite; die Effektivität ist durch Nahrungsmittel- und Medikamenteninteraktionen eingeschränkt. Sie benötigen häufige Kontrollen und Dosisanpassungen. Die Wirkung erfolgt mit Verzögerung und wirkt nach dem Absetzen für mehrere Tage nach. In Deutschland wird v. a. Phenprocoumon (Marcumar®, Falithrom®) eingesetzt (95 %), in den USA Warfarin. Die Abklingzeit liegt bei ersterem bei 7 bis 10 Tagen, bei letzterem bei 3 bis 5 Tagen. Zur Aufhebung der Wirkung, häufig auch Antagonisierung genannt, kann Vitamin K (Wirkungseintritt oral nach ca. 24 Stunden, intravenös nach ca. 6 Stunden) eingesetzt werden, zur sofortigen Aufhebung der Wirkung Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB; [6, 7]).

Solange mit Phenprocoumon behandelte Patienten im Zielbereich der Antikoagulation [bei Vorhofflimmern INR (International Normalised Ratio) 2–3] behandelt sind, besteht weitgehend Schutz vor thromboembolischen Ereignissen. Sobald dieser Bereich unterschritten wird, setzt das thromboembolische Risiko wieder ein. Nach Absetzen der VKA klingt deren Wirkung entsprechend der substanzspezifischen Halbwertszeit wieder ab (Phenprocoumon: 96–140 Std.). Die Gerinnungsfaktoren können dann wieder wirksam werden. Die spontane Normalisierung kann 7 bis 10 Tage dauern. Die Notwendigkeit einer Operation erfordert also eine präoperative Pausierung von 5 bis 10 Tagen, im Regelfall von 7 Tagen. Um das einsetzende thromboembolische Risiko zu minimieren, wird in der Regel eine überbrückende Behandlung („bridging“) mit den besser steuerbaren niedermolekularen Heparinen (NMH) durchgeführt. Patienten unter einer Antikoagulation mittels VKA können sicher operiert werden bei einem INR-Wert von 1,5 oder weniger. Am Tag vor der Operation sollte der INR kontrolliert werden. Patienten mit mittlerem und niedrigem thromboembolischen Risiko (Tab. 2) erhalten eine prophylaktische Dosierung (analog Tab. 4), sobald sie unterhalb des therapeutischen INR-Bereichs liegen. Patienten mit hohem Risiko (Tab. 2) erhalten eine volle therapeutische Dosierung, zumeist am fünften, ansonsten am vierten präoperativen Tag nach INR-Wert. Die Behandlung wird am Abend vor der Operation abgesetzt und am Abend nach der Operation wieder aufgenommen, falls Bluttrockenheit herrscht; ggf. ist die Dosis risikoadaptiert zu reduzieren, evtl. als Hochrisikoprophylaxe (z. B. Clexane 40®, Fragmin-P forte®). Dies sollte mit dem Operateur abgesprochen werden. Die Coumarintherapie wird zumeist am zweiten postoperativen Tag bei komplikationslosem Verlauf wieder begonnen, bei größerer Nachblutungsgefahr am dritten bis vierten postoperativen Tag. Die NMH-Medikation wird bis zum Wiedereintritt des therapeutischen INR-Bereichs weitergeführt und dann erst wieder abgesetzt. Bei niedrigem Thromboembolierisiko geht der Trend dahin, die Antikoagulation ohne „bridging“ für eine Woche auszusetzen; dies gilt aber noch nicht als Standard. Der Einsatz von NMH (und auch von unfraktionierten Heparinen) erfolgt streng genommen bei dieser Indikation im „off label use“. Es handelt sich jedoch um eine leitlinienempfohlene „good clinical practice“ und eine bestimmungsgemäße Anwendung dieser Medikamente. Darüber und über das Blutungs- und Thromboembolierisiko ist der Patient aufzuklären. Ist dies erfolgt, gewähren die Herstellerfirmen eine Produkthaftung [17]. Patienten mit anamnestischer heparininduzierter Thrombozytopenie (HIT) sollten keine NMH erhalten.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hat ein Positionspapier zum perioperativen Management der antithrombotischen Therapie vorgelegt, das die Indikationen für ein „bridging“ auf der Basis des Blutungsrisikos nennt [2]. Danach kann bei sehr kleinen Eingriffen (perianale Eingriffe wie Analthrombose und Condylome, prolabierende und blutende Fibrome) auf ein Absetzen der Gerinnungsmedikation verzichtet werden.

Direkte orale Antikoagulanzien

Die neuen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK; Tab. 4; Abb. 1) hemmen direkt und spezifisch entweder Thrombin oder den Faktor Xa. Sie haben eine kurze Halbwertszeit von etwa 12 h und werden wegen einer gewissen therapeutischen Breite in festen Dosen verabreicht. Die maximale Wirkung tritt rasch ein (nach 2–4 Stunden). Es gibt geringere Nahrungs- und Arzneimittelinteraktionen als bei VKA, und sie benötigen kein Labormonitoring. Die mit den Routinetests (Quick-INR, aPTT) gewonnenen Werte bieten keinen sicheren Rückschluss auf das Ausmaß der Gerinnungshemmung (Blutverdünnung). Es ist sicherer, ein medikamentenfreies Intervall von 24 Stunden anzustreben. DOAK werden zunehmend in der therapeutischen Antikoagulation bei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern und zur Therapie und Sekundärprophylaxe venöser Thromboembolien verordnet.

Tab. 4 Prä- und postinterventionelle Therapiepausen von gerinnungshemmenden Medikamenten in der plasmatischen Gerinnung (bei Patienten mit normaler Elimination und Organfunktion und abhängig von der postoperativen Hämostase)
Abb. 1
figure 1

Übersicht über das perioperative Vorgehen unter Phenprocoumon vs. direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) bei mittlerem bis hohem Blutungsrisiko; Anpassung in Abhängigkeit vom Eingriff und dem individuellen Thromboembolierisiko. (Modifiziert nach [15])

Die antikoagulatorische Wirksamkeit dieser Medikamente korreliert direkt mit dem Plasmaspiegel. Ein spezifisches Antidot existiert bisher für keines der DOAK. An erster Stelle stehen chirurgische Maßnahmen zur Blutstillung. Hinsichtlich des perioperativen Vorgehens liegen keine veröffentlichten Studienergebnisse vor; es richtet sich nach der Pharmakologie und den Empfehlungen der Hersteller [8, 9, 10]. Es sind Behandlungspausen einzuhalten, die auf den Halbwertszeiten der Medikamente beruhen. Die notwendige Lücke in der Gerinnungshemmung entsteht durch das Absetzen der Präparate. Nach Einnahme postoperativ erfolgt ein schneller Wirkungseintritt. Ein Bridging ist in der Regel nicht notwendig.

Dabigatran (Pradaxa®)

Die Plasmahalbwertszeit von Dabigatran wird mit 12 bis 17 Stunden angegeben. Der Wirkstoff wird zu 80 % über die Niere ausgeschieden. Es wird eine Therapiepause von 24 bis 72 Stunden in Abhängigkeit von der Nierenfunktion und dem Blutungsrisiko empfohlen. Die Pause postinterventionell sollte bei Bluttrockenheit 6 Stunden betragen, ggf. sollte risikoadaptiert zunächst die halbe Dosis verabreicht werden. Andere Autoren [11] empfehlen eine Karenzzeit von mindestens 2 Tagen postoperativ [8, 12].

Rivaroxaban (Xarelto®)

Die Halbwertszeit wird mit 5 bis 13 Stunden angegeben. Auch hier wird vom Hersteller eine Therapiepause von 24 bis 48 Stunden vor Operationen und von 6 Stunden danach angegeben, abhängig vom Blutungsrisiko und von Einschränkungen der Nieren- und/oder der Leberfunktion [9, 13].

Apixaban (Eliquis®)

Apixaban in therapeutischer Dosis sollte mindestens 48 Stunden vor geplanten Operationen mit mittlerem bis hohem Blutungsrisiko abgesetzt werden [10, 14].

Thrombozytenaggregationshemmer

Acetylsalicylsäure

Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt irreversibel die Cyclooxygenase 1 (COX-1) durch Acetylierung des Enzyms. Es inaktiviert damit die Fähigkeit der Thrombozyten zur Aggregation über deren Lebensdauer von rund 10 Tagen. Die Wirkung tritt bereits nach 10 Minuten ein. Täglich werden etwa 10 % der Thrombozyten regeneriert, sodass nach 5 bis 7 Tagen eine Wiederherstellung der vollständigen Thrombozytenfunktion zu erwarten ist.

P2Y12-Hemmer

Medikamente dieser Gruppe sind zum einen die irreversiblen Thienopyridine Clopidogrel und Prasugrel und das nur selten verwendete Ticlopidin. Clopidogrel und Prasugrel werden als „prodrug“ über den P450-Enzymweg in ihre wirksame Form umgewandelt. Dieser aktive Metabolit braucht aufgrund seiner Pharmakokinetik 3 bis 5 Tage, um seine komplette thrombozyteninhibierende Wirkung zu erreichen. Auch hier ist eine Regeneration der Thrombozytenfunktion nach 5 bis 7 Tagen zu erwarten.

Ein neuer reversibler P2Y12-Hemmer ist Ticagrelor; die biologische Wirksamkeit hält mindestens 5 Tage an [3, 6, 10].

Tab. 5 Prä- und postinterventionelle Therapiepausen von Thrombozytenaggregationshemmern (bei Patienten mit normaler Elimination und Organfunktion)

Perioperatives Vorgehen bei Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer

ASS wurde häufig routinemäßig präoperativ abgesetzt. Dieses Vorgehen ist bei Patienten mit bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht angebracht. Bei einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass es bei diesen Patienten in 10 % der Fälle zu akuten kardiovaskulären Symptomen kommt. Das Blutungsrisiko ist bei Einnahme von ASS um den Faktor 1,5 erhöht [16].

ASS kann, wenn es eindeutig bei rein primärer Prävention (z. B. Diabetes) eingesetzt ist, 7 Tage vor einer Operation abgesetzt werden. Im Rahmen der Sekundärprävention (z. B. nach Herzinfarkt und Apoplex) sollte ASS weiter verabreicht werden [3, 4]. Proktologische Operationen können unter dieser Medikation durchgeführt werden. Die perioperative Umstellung auf Heparin bei Patienten mit koronaren Stents bietet keinen ausreichenden Schutz vor Stentthrombosen. NMH bieten keine ausreichende Plättchenhemmung; sie sind keine Alternative zu einer Clodiprogel- oder ASS-Medikation.

Vorgehen bei dualer Thrombozytenaggregationshemmung

Patienten mit einem Koronarstent müssen lebenslang mit ASS behandelt werden. Patienten mit unbeschichteten Stents („bare metal stents“ , BMS) benötigen für mindestens 6 Wochen eine zusätzliche Behandlung mit einem P2Y12-Hemmer. Bei einem beschichteten Stent alter Generation („drug-eluting stent“ , DES) wurde die duale Thrombozytenaggregationshemmung für die Dauer von 12 Monaten, bei einem der zweiten Generation für 3 bis 12 Monate empfohlen, je nach Stentart und kardialer Situation.

Das Problem lebensbedrohlicher Thromboembolien bei zu frühem Absetzen einer dualen Medikation muss den verantwortlichen Ärzten bewusst sein. Elektive Operationen sollen erst dann durchgeführt werden, wenn die duale Thrombozytenaggregationshemmung abgeschlossen und in eine Monotherapie überführt wurde [3, 4, 6], in der Regel mit ASS. Bei dringlichen Operationen (kolorektale Karzinome) innerhalb der genannten kritischen Zeitintervalle sollten beide Thrombozytenaggregationhemmer perioperativ, von wenigen Ausnahmen abgesehen auch unter Hinnahme eines erhöhten Blutverlusts, fortgeführt werden, ggf. sollte zumindest ASS weiter gegeben werden (Tab. 5). Hierbei ist eine enge Kooperation zwischen Chirurgie, Kardiologie und Anästhesie nötig.

Proktologischer Notfall

Bezüglich proktologischer Notfälle ist in erster Linie der akute perianale Abszess zu nennen, der eine dringliche Operationsindikation darstellt. Der Abszess kann unter der Behandlung mit VKA eröffnet werden. Normalerweise sollte die Blutstillung unproblematisch sein. Trifft dies nicht zu, wäre eine unmittelbare Blutstillung mit PPSB möglich [7].

Ist ein Patient mit perianalem Abszess in Behandlung mit direkten Antikoagulanzien, sollten diese abgesetzt und eine Verschiebung der Operation um 24 Stunden anstrebt werden, da kein adäquates Antidot zur Verfügung steht. Als Erstmaßnahme könnte man ggf. den Abszess durch Punktion oder eine kleine Stichinzision entlasten, sodass der Eiter abfließt („Bridging“-Operation). Am folgenden Tag wäre dann eine richtige Abszessrevision möglich

Vorgehen bei interventioneller Hämorrhoidenbehandlung

Sklerosierung

Patienten mit Hämorrhoiden haben unter Gerinnungshemmern eine erhöhte Neigung zu analen Blutungen. Eine Sklerosierung zur Blutstillung ist unter jeder gerinnungshemmenden Therapie möglich. Die Sklerosierung sollte vorsichtig und nicht zu oberflächlich durchgeführt werden, um in jedem Fall eine Ulkusbildung zu vermeiden; ein Ulkus könnte zu einer stärkeren Blutung führen.

Gummibandligatur

Unter der Therapie mit Marcumar sollte keine Ligatur durchgeführt werden, auch nicht unter Pradaxa® und Xarelto®; hier gibt es kein Gegenmittel. Unter ASS 100 ist eine Ligatur möglich. Unter der Doppelmedikation mit ASS/Clopidrogel sollte man abwarten, bis Clopidogrel abgesetzt werden kann [11].

Fazit für die Praxis

  • Die Notwendigkeit einer „Bridging“-Antikoagulation ergibt sich häufig im klinischen Alltag im Zusammenhang mit Operationen.

  • Zunächst ist eine Abschätzung des Blutungs- und des Thromboembolierisikos notwendig.

  • Mittel der Wahl für das „bridging“ bei Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten sind die niedermolekularen Heparine.

  • Bei der Einnahme der direkten oralen Antikoagulanzien ist wegen der kurzen Halbwertszeit und des schnellen Wirkungseintritts in der Regel kein „bridging“, sondern nur eine perioperative Therapiepause notwendig.

  • Bei der Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern ist die Medikation bei Monotherapie perioperativ weiterzuführen, falls dafür eine medizinische Notwendigkeit besteht.

  • Bei dualer Einnahme der Thrombozytenaggregationshemmer nach Stentimplantation ist bei elektiven Eingriffen möglichst so lange abzuwarten, bis eine Monotherapie möglich ist.