Die perioperative Betreuung von Neugeborenen und Säuglingen stellt besonders hohe Anforderungen an den Anästhesisten. Dafür verantwortlich sind nicht zuletzt atemphysiologische Besonderheiten dieser Patienten und die Tatsache, dass v. a. bei Neugeborenen Eingriffe nicht selten in der Akutphase respiratorischer Erkrankungen durchgeführt werden müssen. Aufgrund technologischer Fortschritte und neuer pathophysiologischer Erkenntnisse in den letzten 15 Jahren steht heute eine Vielzahl von Beatmungsgeräten und Beatmungsstrategien zur Verfügung. Die vorliegende Arbeit gibt eine Übersicht über die häufigsten Indikationen zur mechanischen Beatmung von Neugeborenen und Säuglingen und zeigt auf, welche Überlegungen bei der Beatmung dieser Patienten berücksichtigt werden sollten.

Hintergrund

Die Anfangszeiten der mechanischen Beatmung von Neugeborenen waren durch hohe Mortalität und hohe Komplikationsraten, insbesondere das Auftreten von „air leaks“, gekennzeichnet. Northway et al. beschrieben 1967 erstmals eine neue chronische Lungenerkrankung [23], die in direktem Zusammenhang mit der Beatmung Neugeborener stand. Da bei verstorbenen Patienten histologisch sowohl bronchiale als auch parenchymatöse Veränderungen beobachtet wurden, bezeichneten die Autoren diese neue Krankheit als bronchopulmonale Dysplasie (BPD). Bereits damals wurde vorgeschlagen, dass neben der Unreife der Lungen Barotrauma und Sauerstofftoxizität in der Pathogenese der BPD eine wichtige Rolle spielen. Die Suche nach Möglichkeiten zur Prävention der BPD ist seit über 35 Jahren ein zentrales Anliegen in der Neonatologie geblieben und zur treibenden Kraft in der Entwicklung neuer Beatmungsformen geworden. Zusammen mit der Einführung der Lungenreifungsinduktion mit pränatalen Kortikosteroiden [20] und der Surfactanttherapie der hyalinen Membranenkrankheit [4, 15] haben die daraus resultierenden Erkenntnisse zu den deutlich verbesserten Überlebenschancen von immer unreiferen Neugeborenen beigetragen. Inwieweit dadurch Inzidenz und Schweregrad der BPD beeinflusst wurden, wird unterschiedlich beurteilt [5, 21]. Heute gehören nichtinvasive Atemunterstützung sowie konventionelle und Hochfrequenzbeatmung zur Routine in neonatologischen Zentren. Darüber hinaus werden diese Beatmungsformen häufig auch in der Behandlung von Säuglingen mit Atemproblemen angewandt.

Indikationen zur mechanischen Beatmung

Unterschiedliche Gründe, wie gestörter Atemantrieb, Obstruktion der oberen Atemwege, pulmonale und extrapulmonale Erkrankungen, können zu einer vorübergehenden Notwendigkeit zur Beatmung von Neugeborenen und Säuglingen führen (Tabelle 1 und 2). Bei der Beatmung dieser Patienten ist es deshalb entscheidend, sich primär Rechenschaft darüber abzulegen, weshalb und mit welchem Ziel eine atemunterstützende Therapie eingesetzt werden muss (Abb. 1). Die postoperative Beatmung eines Säuglings nach Verschluss einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte wegen einer oberen Atemwegsobstruktion stellt andere Anforderungen als die Beatmung eines Neugeborenen mit Mekoniumaspiration. Im ersten Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Lungenfunktion nicht beeinträchtigt ist, die voraussichtliche Beatmungsdauer kurz sein wird und ohne Schwierigkeiten normale Blutgase erzielt werden können. Im zweiten Fall ist man mit einem Patienten mit einer schweren Lungenerkrankung konfrontiert, bei dem unter Umständen hohe Beatmungsparameter notwendig sind, um eine ausreichende Oxygenierung und CO2-Elimination zu gewährleisten. Das Risiko, dass mit der mechanischen Beatmung ein zusätzlicher Schaden gesetzt wird, ist erheblich. Entsprechend sollen hier lungenprotektive Strategien (z. B. konventionelle Beatmung mit kleinem Atemzugvolumen oder Hochfrequenzbeatmung, permissive Hyperkapnie) zur Anwendung kommen.

Tabelle 1 Indikationen zur mechanischen Atemunterstützung bei Neugeborenen
Tabelle 2 Indikationen zur mechanischen Atemunterstützung bei Säuglingen
Abb. 1
figure 1

Gezielter und individualisierter Einsatz von geeigneten Beatmungsstrategien

Grundsätzlich ist eine Beatmung als symptomatische Therapie anzusehen, deren Ziel es ist, die Lungenfunktion so lange schonend zu unterstützen, bis die zugrunde liegende Krankheit genügend ausgeheilt ist und eine Spontanatmung für den Patienten wieder gefahrlos möglich ist.

Physiologische und pathophysiologische Grundlagen

Im Vergleich zum Erwachsenen sind die Lungen von Neugeborenen und Säuglingen durch eine instabile funktionelle Residualkapazität (FRC, „functional residual capacity“), tiefere absolute Compliance (C) und höhere absolute Resistance (R) gekennzeichnet (Tabelle 3) [9]. Zudem ist in der unmittelbar postpartalen Periode mit labilen und unter Umständen sehr hohen pulmonalen Gefäßwiderständen (PVR, „pulmonary vascular resistance“) zu rechnen; dies kann zu erheblichen pulmonalen Perfusionsstörungen mit Rechts-links-Shunt über noch offene fetale Verbindungen (Foramen ovale, Ductus arteriosus Botalli) führen.

Tabelle 3 Vergleich von Lungenfunktionsparametern zwischen Neugeborenen und Erwachsenen

Die hohe Compliance des Thorax von Neugeborenen und Säuglingen hat zur Folge, dass endexspiratorisch kleine Atemwege leicht kollabieren und sich rasch Atelektasen ausbilden können. Die Kinder versuchen durch tonische Kontraktion der inspiratorischen Atemmuskulatur und Adduktion der Stimmbänder während der Exspiration sowie eine hohe Atemfrequenz diesen Nachteil aufzuheben. Der Einsatz von Sedativa, Narkotika oder Muskelrelaxanzien kann sich dadurch destabilisierend auf die FRC auswirken und rasch zu Oxygenierungsproblemen führen. Daher soll bei der Atemunterstützung dieser Patienten grundsätzlich ein positiver endexspiratorischer Druck (PEEP, „positive endexpiratory pressure“) zum Einsatz kommen. Während eine ausreichende Analgosedation immer gewährleistet werden muss, sollen Muskelrelaxanzien nur in Ausnahmefällen verwendet werden.

Eine Sonderstellung nehmen Frühgeborene mit einem primären Surfactantmangel ein: Bei ihnen ist die Compliance stark vermindert, und sie sind postpartal kaum in der Lage, aus eigener Kraft eine FRC aufrechtzuerhalten. Der frühzeitige Einsatz eines CPAP („continuous positive airway pressure“) im Gebärsaal ist essentiell, um die rasche Progredienz zu einer hyalinen Membranenkrankheit zu vermeiden. Durch die intratracheale Verabreichung von Surfactant kann die Compliance bei diesen Patienten rasch verbessert werden.

Ziel der mechanischen Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen

Den Indikationen zur mechanischen Beatmung von Neugeborenen und Säuglingen liegen z. T. ganz unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen zugrunde, die bei der Einstellung des Beatmungsgerätes und der Wahl der Beatmungsstrategie berücksichtigt werden sollten (Abb. 1). Es besteht kein Zweifel, dass sich eine mechanische Beatmung rasch schädigend auswirken kann (VILI, „ventilator-induced lung injury“). Eine Beatmung mit großen Atemzugvolumina (AZV) kann bereits nach wenigen Minuten die Integrität der Bronchiolen und Alveolen schädigen [7, 14]. Der Begriff des Volutraumas wurde eingeführt, nachdem gezeigt werden konnte, dass nicht der positive Atemwegsdruck (Barotrauma), sondern eine Überdehnung der Alveolen und Bronchiolen sich schädigend auf die Lunge auswirkt [13]. Atelektatrauma (s. unten) und Volutrauma führen zu einer Entzündungsreaktion (Biotrauma), die sich nicht nur lokal in den Lungen, sondern auch systemisch negativ auswirken kann [28]. Indikation für die Beatmung und die gewählte Beatmungsstrategie sollen daher regelmäßig und sorgfältig überprüft werden.

Jede Beatmungsstrategie muss individualisiert werden; sie ist wichtiger als das Beatmungsgerät, mit dem sie umgesetzt wird.

Ein optimaler pulmonaler Gasaustausch (CO2-Elimination, Oxygenierung) erfordert aufeinander abgestimmte Ventilation und Perfusion („V/Q matching“). Vor allem bei der Beatmung Neugeborener ist zu berücksichtigen, dass die PVR in den ersten Lebenstagen noch hoch ist und rasch wechseln kann. Zusätzlich kann eine Erhöhung des Atemwegdruckes in Abhängigkeit vom Lungenvolumen zu einem Abfall (bei optimiertem Lungenvolumen) oder Anstieg (bei Atelektasen oder bei Überblähung der Lunge) der PVR führen.

Bei der konventionellen mechanischen Beatmung kommt der Wahl eines optimalen PEEP und der kontinuierlichen Überwachung des Atemzugvolumens (AZV) eine große Bedeutung zu. Auch bei der Hochfrequenzbeatmung wird versucht, durch einen geeigneten mittleren Atemwegsdruck (MAP, „mean airway pressure“ bzw. CDP, „continuous distending pressure“) ein optimales Lungenvolumen aufrechtzuerhalten; die Gefahr des Volutraumas ist bedingt durch die kleinen AZV wahrscheinlich geringer einzustufen. Das Konzept der permissiven Hyperkapnie ist ein weiteres wichtiges Element jeder lungenprotektiven Strategie. Zahlreiche Studien haben einen Zusammenhang zwischen tiefen CO2-Werten (paCO2 <4 kPa) und periventrikulärer Leukomalazie gezeigt [1], so dass bei der Beatmung von Neugeborenen hypokapnische Zustände sorgfältig vermieden werden müssen. Obwohl Daten aus prospektiven randomisierten kontrollierten Studien bei Neugeborenen weder einen neuroprotektiven noch einen lungenprotektiven Effekt haben nachweisen können [34], gibt es einige Hinweise dafür, dass höhere paCO2-Werte akzeptiert werden können, so lange die pH-Werte >7,20–7,25 bleiben, ohne dass dadurch Mortalität oder Morbidität ungünstig beeinflusst werden [1].

Der Verlauf verschiedener Lungenerkrankungen kann sehr dynamisch sein: FRC, Compliance und Resistance wechseln rasch. Eine sorgfältige kontinuierliche Überwachung der Beatmung ist daher unabdingbar, um auf allfällige Veränderungen ohne Verzögerung reagieren zu können.

Formen der Atemunterstützung bei Neugeborenen und Säuglingen

Continuous positive airway pressure

Formen

Von Gregory et al. 1971 im Zusammenhang mit der Therapie der hyalinen Membranenkrankheit bei intubierten Neugeborenen beschrieben [17], hat die nichtinvasive Form des CPAP v. a. in den letzten 10–15 Jahren an Bedeutung in der Neonatologie gewonnen. Im Verlauf der Jahre wurden verschiedene CPAP-Systeme entwickelt. Grundsätzlich unterscheidet man die nasale (n-CPAP) von der nasopharyngealen (np-CPAP) Applikation; hierbei wird die nasale Form aufgrund des geringeren Flowwiderstands im allgemeinen bevorzugt. Der n-CPAP wird über kurze, binasale Silikonadapter („nasal prongs“), der np-CPAP über einen kurzen, mit der Spitze im Epipharynx liegenden Tubus verabreicht [24, 25].

Prinzip

Durch den CPAP werden einerseits die extrathorakalen Luftwege stabilisiert; dies reduziert insbesondere die Inzidenz obstruktiver Apnoen bei Frühgeborenen deutlich. Andererseits zeigen sich die gleichen pulmonalen Auswirkungen wie beim PEEP im Rahmen einer konventionellen Beatmung: Verminderung der Resistance („airway stenting“), Erhöhung der FRC, Stabilisierung des Surfactants und Erhöhung der Compliance mit Verbesserung der Oxygenierung und Verminderung der Atemarbeit [22].

Indikation

Abgesehen vom Einsatz bei der Therapie des Apnoe-Bradykardie-Syndromes, kann eine CPAP-Unterstützung als einfache, nichtinvasive Atemunterstützung bei verschiedenen Lungenerkrankungen die Atemarbeit verringern und die Oxygenierung verbessern. Typische Indikationen sind die transiente Tachypnoe des Neugeborenen („wet lung“) und leichte Formen der hyalinen Membranenkrankheit sowie die Respiratory-syncytial-virus- (RSV)-Bronchiolitis bei Säuglingen. Mit einer prophylaktischen CPAP-Unterstützung nach Extubation kann die Reintubationsrate bei Frühgeborenen signifikant gesenkt werden [11]. Bei der Therapie der hyalinen Membranenkrankheit ist entscheidend, dass die CPAP-Unterstützung früh, d. h. bereits im Gebärsaal eingesetzt wird [18]. Bisher nicht eindeutig bestätigt hat sich die Hoffnung, dass durch diese Strategie und den Verzicht auf eine invasive mechanische Beatmung die Inzidenz der BPD vermindert werden kann [32].

Einstellung

Je nach CPAP-Typ wird ein unterschiedlich hoher Flow benötigt, um einen entsprechenden Druck zu erzeugen. Üblicherweise wird initial ein Druck von 5 cmH2O eingestellt. Je nach Indikation kann diese Einstellung jedoch variieren: So wird bei einem Apnoe-Bradykardie-Syndrom des Frühgeborenen häufig nur ein Druck von 3–4 cmH2O benötigt, andererseits können Lungenerkrankungen Drücke von 8–10 cmH2O erfordern. Die optimale Einstellung erfolgt individuell durch klinische Beobachtung: verminderter O2-Bedarf, geringere Atemarbeit und bessere CO2-Elimination sprechen für eine adäquate CPAP-Unterstützung. Als mögliche Nebenwirkungen können abdominale Blähung (CPAP-Bauch), seltener „air leaks“ und intestinale Perforationen auftreten.

Konventionelle mechanische Beatmung

Formen

Bei Neugeborenen und Säuglingen kommen sowohl drucklimitierte als auch volumenkontrollierte Beatmungsformen zur Anwendung. Die theoretischen Vorteile der volumenkontrollierten Beatmung werden durch die Verwendung von Tuben ohne Cuff relativiert. Fast alle modernen Beatmungsgeräte sind in der Lage, durch Flowtrigger, Drucktrigger oder abdominale Bewegungssensoren eine synchronisierte Atemunterstützung zu gewährleisten. Beide Beatmungsformen können als „assist control“ (AC; jeder Atemzug wird maschinell unterstützt) oder „synchronized intermittant mandatory ventilation“ (SIMV; nur eine festgelegte Anzahl von Atemzügen wird mit dem vorgesehenen Druck/Volumen über eine gewählte Inspirationszeit unterstützt) mit oder ohne „pressure support“ (PS; weitere Atemzüge werden mit einem bestimmten Druck unterstützt; hierbei kann die Inspirationszeit variieren) eingesetzt werden. Abgesehen von einer kürzeren Beatmungsdauer bei patientengetriggerter Beatmung konnte bisher die Überlegenheit einer bestimmten konventionellen Beatmungsform in prospektiven randomisierten kontrollierten Studien nicht nachgewiesen werden [16]. Auch hier dürfte gelten: Nicht was man anwendet, sondern wie man es anwendet, ist entscheidend. („It’s not what you use, but how you use, what you use.“)

Prinzip des Gasaustausches

CO2-Elimination

Bei der konventionellen mechanischen Beatmung basiert die CO2-Elimination primär auf dem Prinzip der Konvektion („bulk flow“). Andere physikalische Prinzipien, wie sie bei der Hochfrequenzbeatmung postuliert werden (s. dort), spielen eine untergeordnete Rolle. Das Atemminutenvolumen (AMV) ergibt sich aus dem Produkt der Atemfrequenz (f) und dem AZV. Letzteres ist abhängig vom erzeugten Druckgradienten (PIP, „peak inspiratory pressure minus PEEP“), der Compliance und der Resistance. Ein Teil des AZV kommt allerdings nicht mit den respiratorischen Bronchiolen und Alveolen in Kontakt (anatomischer Totraum) oder erreicht minderperfundierte Alveolen (alveolärer Totraum): Rund 30% des AZV nehmen daher nicht am Gasaustausch teil (Tabelle 3). Abgesehen von einer Steigerung der Frequenz können Maßnahmen, welche die Compliance verbessern (Surfactant, Verschiebung der Beatmung in den Zielbereich der Druck-Volumen-Kurve; Abb. 2), den Druckgradienten vergrößern (tieferer PEEP, höherer PIP) oder den alveolären Totraum verringern, potenziell das AMV verbessern.

Abb. 2
figure 2

Druck-Volumen-Kurve: Verminderung des Atelektatraumas durch Beatmung oberhalb des LIP und Verminderung des Volutraumas durch Beatmung unterhalb des UIP. (AZV) Atemzugvolumen, (C) Compliance, (LIP) „lower inflection point“, (PEEP) „positive endexpiratory pressure“, (PIP) „peak inspiratory pressure“, (UIP) „upper inflection point“

Oxygenierung

Die Oxygenierung ist primär eine Funktion des mittleren Atemwegdruckes (MAP) und des FIO2. Bei der konventionellen mechanischen Beatmung können verschiedene Maßnahmen zu einer Erhöhung des MAP und damit einem verbesserten V/Q matching führen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diese Maßnahmen sich unterschiedlich auf das AZV auswirken und damit die CO2-Elimination beeinflussen (Abb. 3). Außerdem können sehr hohe MAP-Werte die pulmonale Perfusion behindern oder den venösen Rückstrom zum Herzen und damit das Herzminutenvolumen ungünstig beeinflussen.

Abb. 3
figure 3

Maßnahmen zur Steigerung des mittleren Atemwegdruckes (MAP, „mean airway pressure“, proportional zu AUC, „area under the curve“): Anheben des PEEP (A), Anheben des PIP (B), Verlängerung der IT (C) und Erhöhung des Flows (D) haben alle eine Steigerung des MAP zur Folge, jedoch unterschiedliche Auswirkungen auf das AZV

Die Zeitkonstante („time constant“, TC=R×C) gibt an, wie lange es dauert, bis es zu einem Druckausgleich zwischen proximalen Atemwegen und Alveolen kommt, und damit der Inspirationsflow auf 0 abfällt: nach 3 Zeitkonstanten sind 95% des AZV appliziert. Moderne Beatmungsgeräte ermöglichen die kontinuierliche Darstellung einer Zeit-Flow-Kurve, die wichtige Rückschlüsse auf die konventionelle mechanische Beatmung zulässt (Abb. 4a; unbehinderte In- und Exspiration bei ausreichenden In- und Exspirationszeiten). Eine Verlängerung der Inspirationszeit auf über 5 Zeitkonstanten hat keine Auswirkung auf die Ventilation (Abb. 4b; endinspiratorischer Nullflow), sondern erhöht lediglich den MAP; dies kann allenfalls bei unzureichender Oxygenierung sinnvoll sein. Vor allem bei hohen Beatmungsfrequenzen kann die Exspirationszeit zu kurz werden, so dass es zu einem „air trapping“ mit unbeabsichtigter PEEP-Erhöhung („inadvertent PEEP“) kommen kann (Abb. 4c; exspiratorischer Flowabbruch). Bei sehr kurzen Inspirationszeiten hingegen beginnt die Exspiration, bevor der inspiratorische Flow sistiert hat (Abb. 4d; inspiratorischer Flowabbruch). Viele Lungenerkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen gehen mit einer gestörten Compliance bei normaler oder nur wenig veränderter Resistance einher. Die daraus resultierende kurze Zeitkonstante ermöglicht eine Ventilation mit kurzen Inspirationszeiten.

Abb. 4a–d
figure 4

Zeit-Druck- und Zeit-Flow-Kurven. a IT und ET erlauben vollständige In- und Exspiration; b Verlängerung der IT führt zu einem endinspiratorischen Nullflow (Asterix); c ET zu kurz mit exspiratorischem Flowabbruch (Asterix); d IT zu kurz mit inspiratorischem Flowabbruch (Asterix). (E) Exspirationszeit; (IT) Inspirationszeit

Frühgeborene haben schnelle Lungen. („Premie lungs are fast lungs.“)

Indikationen

Grundsätzlich kommen konventionelle mechanische Beatmungsformen bei allen in Tabellen 1 und 2 aufgeführten Indikationen zum Einsatz. Ob sie für bestimmte Indikationen einer nichtinvasiven Atemunterstützung oder einer primären Hochfrequenzbeatmung unterlegen sind, kann noch nicht konklusiv entschieden werden (s. dort). Entscheidend scheint, dass die gewählte Atemunterstützung sorgfältig und kompetent eingesetzt wird.

Einstellung

Mit einem PEEP oberhalb des „lower inflection point“ (LIP) auf der statischen Druck-Volumen-Kurve soll der endexspiratorische Kollaps kleiner Atemwege durch Unterschreiten des kritischen Verschlussdruckes (CCP, „critical closing pressure“) mit nachfolgendem Wiedereröffnen atelektatischer Lungenbezirke und damit das Atelektatrauma verhindert werden (Abb. 2) [29, 33]. Ein PEEP von 5 cmH2O hat sich bewährt, ist aber lediglich Ausgangspunkt und soll individuell angepasst werden. Im Gegensatz zu Erwachsenen werden bei Neugeborenen und Säuglingen selten höhere Werte als 10 cmH2O gewählt, wohl nicht zuletzt weil in dieser Altersgruppe mit der Hochfrequenzbeatmung eine attraktive Alternative zur Verfügung steht (s. unten). In der Regel sollte bei adäquater Rekrutierung das FIO2 deutlich reduziert werden können.

Bei Verwendung von AZV >5 ml/kg KG besteht die Gefahr eines Volutraumas [14]. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die meisten Lungenerkrankungen inhomogen sind und mit Atelektasen/Dystelektasen einhergehen, so dass das verfügbare Lungenvolumen kleiner ist als normal. Bereits die Verwendung normaler AZV kann damit zu regionaler Überdehnung führen. Entsprechend wird der PIP so eingestellt, dass das gewünschte AZV (5 ml/kg KG) erreicht, aber nicht überschritten wird. Bei adäquat gewähltem PEEP sollte damit in der Regel der „upper inflection point“ (UIP) nicht überschritten werden (Abb. 2). Obwohl entsprechende prospektive Studien bei Neugeborenen und Säuglingen fehlen, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Verwendung von kleineren AZV, ähnlich wie bei Erwachsenen [2], günstig auf den Verlauf schwerer Lungenerkrankungen auswirkt.

Kranke Lungen sind kleine Lungen. („Sick lungs are small lungs.“)

Die Inspirationszeit und Frequenz werden so gewählt, dass In- und Exspirationsfluss nicht kompromittiert werden (Abb. 4). Typischerweise ist bei Neugeborenen mit einer hyalinen Membranenkrankheit (tiefe C und damit kurze TC) eine Beatmung mit Inspirationszeiten zwischen 0,3–0,4 s ohne weiteres möglich. Neugeborene mit einer Mekoniumaspiration oder Säuglinge mit einer Bronchiolitis hingegen benötigen aufgrund der erhöhten Resistance längere Inspirationszeiten (0,5–0,6 s). Initial wird eine Atemfrequenz zwischen 40–60/min eingestellt.

Hochfrequenzbeatmung

Formen

Die Hochfrequenzbeatmung (HFV, „high frequency ventilation“) ist eine mechanische Beatmung mit sehr kleinen AZV und sehr schneller Frequenz. Drei Formen der HFV werden unterschieden: „high frequency oscillatory ventilation“ (HFOV), „high frequency jet ventilation“ (HFJV) und „high frequency flow interrupter ventilation“ (HFFI). Im Gegensatz zur HFJV und der HFFI sind bei der HFOV In- und Exspiration aktiv. Im Folgenden wird nur die HFOV, die am häufigsten angewandte Form der HFV, näher beschrieben.

Prinzip des Gasaustausches

CO2-Elimination

Bei der HFOV wird um einen konstanten Atemwegsdruck (MAP bzw. CDP), der direkt angesteuert werden kann, mit einem Kolben oder einer Membran eine oszillierende Druckkurve appliziert (Abb. 5a). Die Druckamplitude der Oszillation wird in Abhängigkeit von Frequenz, und v. a. Compliance und Resistance von Tubus und Luftwegen von proximal nach distal abgeschwächt, so dass die Druckamplitude auf Niveau der Alveolen nur noch einen Bruchteil der proximal erzeugten beträgt (Abb. 5b). Entsprechend resultieren nur sehr kleine AZV, die oft geringer als der Totraum sind. Nach konventioneller Atemphysiologie würde keine alveoläre Ventilation und damit kein Gasaustausch mehr stattfinden. Bei der HFV sind für den Gastransport aber mehrere alternative Mechanismen verantwortlich. Einige Alveolen nahe der Luftwege werden auch bei AZV im Bereich des Totraumvolumens direkt ventiliert. Da im Prinzip alle Lungenpathologien inhomogen sind (unterschiedliche TC von einzelnen Lungeneinheiten), existiert außerdem ein Gasaustausch zwischen sich schnell und langsam füllenden bzw. entleerenden Einheiten (Pendelluft). Die weiteren Mechanismen basieren alle auf der Grundlage, dass die erhöhte Energie der Gasmoleküle im Rahmen der HFV und des hohen Flows zu einer verstärkten Gasdurchmischung führt und damit den Gradienten folgend O2 in die Alveolen und CO2 nach außen transportiert werden (Turbulenzen im Rahmen des hochfrequenten Flows mit radialer Durchmischung; laminarer Flow mit radialer Durchmischung: „Taylor dispersion“; koaxialer Flow mit Gasbewegung peripher in Gegenrichtung). Zusätzlich fördert eine erhöhte molekulare Diffusion aufgrund der erhöhten pO2- und pCO2-Gradienten durch die schnellere und verstärkte alveoläre Gasumverteilung den Gasaustausch [30].

Abb. 5a,b
figure 5

Schematische Darstellung des Prinzips der HFOV. a Ausgehend von einem direkt ansteuerbaren MAP wird durch eine Membran oder einen Kolben eine hochfrequente Druckschwankung (dp) erzeugt. b Obwohl die Druckamplitude dabei durchaus höher sein kann als bei der konventionellen mechanischen Beatmung, bewirkt die von der Frequenz und der Tubusgröße (gezeigt für 2.5, 3.0, 3.5) abhängige Abschwächung der Druckamplitude, dass die Druckschwankungen distal sehr viel kleiner sind und nur sehr kleine AZV generiert werden. (p prox ) Druckschwankung proximal, (p dist ) Druckschwankung auf Niveau der Alveolen

Bei der HFOV wird die CO2-Elimination in der Regel durch Manipulation der Druckamplitude gesteuert: Eine Erhöhung der Druckamplitude verbessert die Ventilation. Zusätzlich besteht eine inverse Korrelation zwischen der Oszillationsfrequenz und der CO2-Elimination. Scheinbar paradox führt eine Verminderung der Oszillationsfrequenz zu einer erhöhten Gasdurchmischung und verbesserten Ventilation. Die optimale Oszillationsfrequenz wird durch die Eigenresonanz der Lungen und des Thorax bestimmt. Diese ist umso tiefer, je größer das Kind ist. Deshalb werden bei Frühgeborenen Frequenzen zwischen 10–15 Hz, bei Termingeborenen und Säuglingen zwischen 6–10 Hz gewählt.

Oxygenierung

Bei der HFOV können durch direkte Erhöhung des MAP atelektatische Alveolen rekrutiert und offen gehalten werden. Daraus resultieren ein besseres Ventilations-Perfusions-Verhältnis und damit eine bessere Oxygenierung. Nach Erreichen des optimalen Lungenvolumens muss der MAP so gewählt werden, dass dieses Volumen aufrechterhalten wird („high volume strategy“). Oft ist es nach abgeschlossener Rekrutierung möglich, den MAP leicht zu reduzieren, da das Offenhalten rekrutierter Alveolen einen geringeren Druck erfordert als der Rekrutierungsprozess selbst. Verbessert sich die Compliance, besteht bei der HFOV eine erhebliche Gefahr, die Lungen zu überblähen. Da dies durch alleinige klinische Beobachtung erst spät bei Beeinträchtigung der Ventilation oder des Kreislaufsystems fassbar wird, sind regelmäßige radiologische Kontrollen unabdingbar (Abb. 6).

Abb. 6a–c
figure 6

Beurteilung der Lungenvolumina bei der HFOV. a Ungenügende Rekrutierung mit Zwerchfellkuppe auf Höhe der 8. Rippe medioklavikulär und verminderter Transparenz der Lunge; b optimiertes Lungenvolumen mit Zwerchfellkuppe auf Höhe der 9. Rippe medioklavikulär und normaler Transparenz der Lunge; c überblähte Lunge mit Zwerchfellkuppe auf Höhe der 10. Rippe medioklavikulär, vermehrter Transparenz der Lunge und Kompression des Herzens

Solange der MAP im optimalen Compliancebereich liegt, wird die Ventilation durch Veränderungen des MAP nur unmerklich verändert. Damit ist es bei der HFOV möglich, Ventilation und Oxygenierung weitgehend unabhängig voneinander zu steuern.

Indikationen

Beim Einsatz der HFOV unterscheidet man den Rescueeinsatz vom primären Einsatz. Während die HFOV bei Versagen der konventionellen Beatmung im Rahmen einer schweren Lungenerkrankung praktisch immer eine Therapieoption darstellt, gibt es einige, allerdings nicht unumstrittene Indikationen für den primären Einsatz (hyaline Membranenkrankheit bei Extremfrühgeborenen, kongenitale Zwerchfellhernie mit Lungenhypoplasie, schwere Mekoniumaspiration).

Da die HFOV eine Beatmung mit sehr kleinen AZV zulässt und tierexperimentelle Untersuchungen ermutigende Resultate zeigten [35], erhoffte man sich von dieser Beatmungsform v. a. in der Therapie von kleinen Frühgeborenen einen lungenprotektiven Effekt. In frühen klinischen Studien, in denen der Minimierung des MAP eine hohe Priorität eingeräumt wurde, konnte dies jedoch nicht bestätigt werden. Obwohl sich in der Folge in weiteren Studien die „High volume strategy“ durchsetzte, blieben die Resultate kontrovers [10, 19, 31].

Die HFOV wird seit über 10 Jahren als Rescue in der Beatmung pädiatrischer Patienten mit schweren Lungenerkrankungen eingesetzt [3, 26]. Mit der Entwicklung von leistungsfähigeren Geräten entfallen früher geltende Gewichtslimiten, und die HFOV kann zunehmend auch bei Erwachsenen eingesetzt werden [12, 27].

Einstellungen

Bei einem Wechsel von einer konventionellen mechanischen Beatmung zur HFOV wird der MAP initial um 2–4 cmH2O höher eingestellt. Nach einer Änderung des MAP wird das neue Lungenvolumen nach 5–15 min erreicht. In der Folge wird der MAP schrittweise um 1 cmH2O erhöht, bis das FIO2 unter 30% reduziert werden kann. Bei Erreichen des FIO2 von 30% geht man davon aus, dass die Lunge optimal rekrutiert ist. Da zum Offenhalten der Lungen weniger Druck notwendig ist als zur Rekrutierung, wird anschließend der MAP schrittweise wieder reduziert, bis das FIO2 erneut über 30% anzusteigen beginnt. Nach spätestens 4 h sollte eine erste radiologische Kontrolle zur Beurteilung des Lungenvolumens erfolgen. Nur so können ungenügende Rekrutierung (Abb. 6a), optimales Lungenvolumen (Abb. 6b) oder Überblähung (Abb. 6c) voneinander zuverlässig abgegrenzt werden. Die Druckamplitude wird initial so gewählt, dass Thoraxvibrationen sichtbar sind. Zur präzisen Steuerung sind transkutane pCO2-Messungen und Blutgasanalysen notwendig. Die Frequenz wird je nach Alter gewählt (Frühgeborene 10–15 Hz, Termingeborene und Säuglinge 6–10 Hz) und in der Folge erst verändert, wenn die CO2-Elimination trotz Verwendung hoher Druckamplituden unzureichend bleibt.

Weitere Aspekte der Beatmung von Neugeborenen und Säuglingen

Anästhesisten, die Narkosen bei Neugeborenen und Säuglingen durchführen, müssen mit deren atemphysiologischen Besonderheiten vertraut sein. Lungenkranke Patienten dieser Alterskategorie stellen höchste Anforderungen und werden perioperativ am besten durch ein interdisziplinäres Behandlungsteam betreut. Fundierte Kenntnisse der zur Verfügung stehenden Beatmungsgeräte und lungenprotektiver Beatmungskonzepte sind essentiell. In besonders schwierigen Situationen sollte die Verwendung der Beatmungsgeräte der Intensivstation in Betracht gezogen werden, da diese besser als Anästhesiegeräte in der Lage sind, die besonderen Bedürfnisse dieser Patienten abzudecken (z. B. Beatmung mit einem AZV von 4 ml bei einem 800 g schweren Extremfrühgeborenen). Chirurgische Eingriffe können dann unter totaler intravenöser Anästhesie sowohl bei konventioneller als auch Hochfrequenzbeatmung durchgeführt werden [8]. Insbesondere bei kranken Frühgeborenen sollte die Option eines operativen Eingriffs auf der Intensivstation evaluiert werden, um aufwändige und gefährliche Transporte zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

Da Neugeborene und Säuglinge eine hohe Thoraxcompliance haben, können Sedativa, Narkotika und Muskelrelaxanzien rasch die FRC beeinträchtigen und zu Atelektasen und Oxygenierungsproblemen führen. Dies soll durch konsequenten Einsatz eines PEEP verhindert werden. Bei unsachgemäßer Beatmung können Atelektatrauma und Volutrauma kranke Lungen rasch zusätzlich schädigen. Bei lungenkranken Patienten sollen daher lungenprotektive Strategien [konventionelle mechanische Beatmung mit optimalem PEEP und normalem AZV (5 ml/kg KG), HFOV, permissive Hyperkapnie] zur Anwendung kommen. V. a. bei Frühgeborenen sind operative Eingriffe auf der Intensivstation unter totaler intravenöser Anästhesie und fortgesetztem Einsatz der konventionellen oder Hochfrequenzbeatmungsgeräte in Betracht zu ziehen.