Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht anhand der Daten von KiGGS Welle 1, ob sich die gesundheitliche Lage von 3- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen aus Kern-, Eineltern- und Stieffamilien (n = 10.298) unterscheidet und ob die Unterschiede auch nach Kontrolle für Alter, Geschlecht, Wohnregion sowie den elterlichen Sozialstatus und das familiäre Miteinander Bestand haben (Prävalenzen, Odds Ratios). Analysiert wird dies für die allgemeine Gesundheit, chronische Erkrankungen, emotionale und Verhaltensprobleme, die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie den täglichen Obst- und Gemüseverzehr. Während die allgemeine Gesundheit unabhängig von der Familienform ist, zeigen sich in den Prävalenzen der anderen Outcomes signifikante Unterschiede zwischen Kern-, Stief- und Einelternfamilien. In der multivariaten Analyse lassen sich auch nach Kontrolle für Alter, Geschlecht, Wohnregion, den elterlichen Sozialstatus sowie das familiäre Miteinander emotionale und Verhaltensprobleme häufiger bei Heranwachsenden aus Einelternfamilien (OR 1,62; 95 %-KI 1,17–2,26) und Stieffamilien (OR 2,36; 95 %-KI 1,63–3,41) als bei Heranwachsenden aus Kernfamilien feststellen. Kinder und Jugendliche aus Einelternfamilien sind zudem häufiger chronisch krank (OR 1,53; 95 %-KI 1,20–1,96) als Gleichaltrige, die mit beiden leiblichen Elternteilen zusammenleben. Kinder und Jugendliche aus Stieffamilien unterscheiden sich von Gleichaltrigen aus Kernfamilien durch das höhere Risiko für eine geringe gesundheitsbezogene Lebensqualität (OR 2,91; 95 %-KI 1,76–4,80) sowie für einen geringen Obst- und Gemüseverzehr (OR 1,30; 95 %-KI 1,01–1,67). Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutung des familiären Kontextes für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hin.
Abstract
On the basis of data from KiGGS Wave 1, the following manuscript investigates potential differences in the health status of children and adolescents aged 3–17 years according to the family form they live in: nuclear, single-parent, or stepfamily (n = 10,298). Additionally, we investigate whether differences persist after controlling for age, gender, living area, parental social status, and getting along in the family. Parent-rated health, chronic diseases, emotional or behavior problems, health-related quality of life, and daily consumption of fruits and vegetables were analyzed (prevalence, odds ratios). While the parent-rated health was independent of the family form, the prevalence of the other outcomes differed significantly according to the family form. Emotional or behavior problems were measured more often among children and adolescents growing up in single-parent families (OR 1.62; 95 % CI 1.17–2.26) or stepfamily households (OR 2.36; 95 % CI 1.63–3.41) than among those growing up in nuclear families, after adjusting for age, gender, living area, social status, and getting along in the family. Additionally, children and adolescents from single-parent families had chronic diseases (OR 1.53; 95 % CI 1.20–1.96) more often than their counterparts who lived together with both parents. Compared with those growing up in nuclear families, children and adolescents from stepfamilies showed a greater risk of lower health-related quality of life (OR 2.91; 95 % CI 1.76–4.80) and of lower daily consumption of fruits and vegetables (OR 1.30; 95 % CI 1.01–1.67). The results indicate the importance of the family context for the health of children and adolescents.
Literatur
Kolip P, Lademann J (2012) Familie und Gesundheit. In: Hurrelmann K, Razum O (Hrsg) Handbuch Gesundheitswissenschaften, 5., vollst. überarb. Aufl. Beltz Juventa, Weinheim, S 517–540
Peukert R (2012) Familienformen im sozialen Wandel. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg) (2012) Familienreport 2012. Leistungen, Wirkungen, Trends. BMFSFJ, Berlin
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg) (2011) Familienreport 2011. Leistungen, Wirkungen, Trends. BMFSFJ, Berlin
Hammes W (2012) Haushalte und Lebensformen der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden
Teubner M (2002) Wie viele Stieffamilien gibt es in Deutschland? In: Bien W, Hartl A, Teubner M (Hrsg) Stieffamilien in Deutschland. Eltern und Kinder zwischen Normalität und Konflikt. Leske+ Budrich, Opladen, S 23–50
Steinbach A (2008) Stieffamilien in Deutschland. Ergebnisse des „Generations and Gender Survey“ 2005. Z Bevolkerungswiss 33:153–180
Amato PR (2000) The consequences of divorce for adults and children. J Marriage Fam 62 1269–1287
Amato PR (2010) Research on divorce: continuing trends and new developments. J Marriage Fam 72:650–666
Bohrhardt R (2006) Vom ‚broken home‘ zur multiplen Elternschaft. Chancen und Erschwernisse kindlicher Entwicklung in diskontinuierlichen Familienbiografien. In: Bertram H, Krüger H, Spieß CK (Hrsg) Wem gehört die Familie der Zukunft? Expertisen zum 7. Familienbericht der Bundesregierung. Barbara Budrich, Opladen, S 169–188
Wendt EV, Walper S (2007) Entwicklungsverläufe von Kindern in Ein-Eltern- und Stieffamilien. In: Alt C (Hrsg) Kinderleben – Start in die Grundschule. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 211–242
Walper S (2002) Einflüsse von Trennung und neuer Partnerschaft der Eltern. Ein Vergleich von Jungen und Mädchen in Ost- und Westdeutschland. Z Soziol Erzieh Sozi 22:25–46
Ley K (2005) Wenn sich eine neue Familie findet – Ressourcen und Konflikte in Patchwork- und Fortsetzungsfamilien. Prax Kinderpsychol Kinderpsychiatr 54:802–816
Klocke A, HBSC-Team Deutschland (2012) Gesundheit der Kinder in Einelternfamilien. Gesundheitswesen 74:70–75
Klocke A, Becker U (2003) Die Lebenswelt Familie und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit von Jugendlichen. In: Hurrelmann K, Klocke A, Melzer W, Ravens-Sieberer U (Hrsg) Jugendgesundheitssurvey. Internationale Vergleichsstudie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO. Juventa, Weinheim, S 183–241
Scharte M, Bolte G, GME-Studiengruppe (2012) Kinder alleinerziehender Frauen in Deutschland: Gesundheitsrisiken und Umweltbelastungen. Gesundheitswesen 74:123–131
Scharte M, Bolte G, GME Study Group (2013) Increased health risks of children with single mothers: the impact of socioeconomic and environmental factors. Eur J Public Health 23(3):469–475
Hagen C, Lange C, Lampert T (2010) Gesundheitliche Situation von Kindern alleinerziehender Mütter. In: Collatz J (Hrsg) Familienmedizin in Deutschland. Notwendigkeit, Dilemma, Perspektiven. Für eine inhaltlich orientierte Gesundheitsreform. Pabst Science Publishers, Lengereich, S 176–200
Hagen C, Kurth B-M (2007) Gesundheit von Kindern alleinerziehender Mütter. Polit Zeitgesch:25–31
Brockmann H (2013) Ungesunde Verhältnisse? Eine Längsschnittanalyse zur Gesundheit von Kindern in zusammen- und getrenntlebenden Familien. CPoS 38(3):695–718
Robert Koch-Institut (Hrsg) (2010) Gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. RKI, Berlin
Robert Koch-Institut (Hrsg) (2008) Lebensphasenspezifische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse des nationalen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys. Bericht für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. RKI, Berlin
Schlack R (2013) Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Eineltern- und Stieffamilien unter besonderer Berücksichtigung von Jungen. Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). In: Franz M, Karger A (Hrsg) Scheiden tut weh. Elterliche Trennung aus Sicht der Väter und Jungen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S 122–144
Seyda S, Lampert T (2009) Familienstruktur und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Z Fam Forsch 21:168–192
Erhart M, Ravens-Sieberer U (2008) Die Rolle struktureller Aspekte von Familie, innerfamiliärer Kommunikation und Unterstützung für die Gesundheit im Kindes- und Jugendalter In: Richter M, Hurrelmann K, Klocke A, Melzer W, Ravens-Sieberer U (Hrsg) Gesundheit, Ungleichheit und jugendliche Lebenswelten. Ergebnisse der zweiten internationalen Vergleichsstudie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO. Juventa, Weinheim, S 190–213
Walper S, Wendt EV (2005) Nicht mit beiden Eltern aufwachsen – ein Risiko? In: Alt C (Hrsg) Kinderleben – Aufwachsen zwischen Familie, Freunden und Institutionen. Bd. 1: Aufwachsen in Familien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 187–216
Kamtsiuris P, Lange M, Schaffrath Rosario A (2007) Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS): Stichprobendesign, Response und Nonresponse-Analyse. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 50(5–6):547–556
Kurth BM, Kamtsiuris P, Hölling H, Schlaud M, Dölle R, Ellert U, Kahl H, Knopf H, Lange M, Mensink GBM, Neuhauser H, Schaffrath Rosario A, Scheidt-Nave C, Schenk L, Schlack R, Stolzenberg H, Thamm M, Thierfelder W, Wolf U (2008) The challenge of comprehensively mapping children’s health in a nation-wide health survey: design and first results of the German KiGGS-Study. BMC Public Health 8:196
Hölling H, Schlack R, Kamtsiuris P, Butschalowsky H, Schlaud M, Kurth BM (2012) Die KiGGS-Studie. Bundesweit repräsentative Längs- und Querschnittstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 55 (6–7):836–842
Stein M (2013) Familie und Familienentwicklung in Zahlen. Ein Überblick über aktuelle Studien und Statistiken In: Boos-Nünning U, Stein M (Hrsg) Familie als Ort von Erziehung, Bildung und Sozialisation. Waxmann, Münster, S 17–58
Kreyenfeld M, Martin V (2011) Economic conditions of stepfamilies from a cross-sectional perspective. Z Fam Forsch 23:128–153
Hölling H, Schlack R, Mauz E, KiGGS-Study Group (2014) Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland: Prävalenz und zeitliche Trends zu zwei Erhebungszeitpunkten (2003–2006 und 2009–2012). Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 57. doi:10.1007/s00103-014-1979-3
Ellert U, Brettschneider A, Ravens-Sieberer U, KiGGS Study Group (2014) Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 57. doi:10.1007/s00103-014-1978-4
Lampert T, Müters S, Stolzenberg H, Kroll LE, KiGGS Study Group (2014) Messung des sozioökonomischen Status in der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 57. doi:10.1007/s00103-014-1982-8
Schneewind K, Beckmann M, Hecht-Jackl A (1985) Familienklima-Skalen. Institut für Psychologie – Persönlichkeitspsychologie und Psychodiagnostik. Ludwig Maximilians Universität, München
Lange M, Butschalowsky H, Jentsch F, Kuhnert T, Schaffrath Rosarion A, Schlaud M, Kamtsiuris P, KiGGS Study Group (2014) Die erste KiGGS-Folgebefragung (KiGGS Welle 1): Studiendurchführung, Stichprobendesign und Response. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 57. doi:10.1007/s00103-014-1973-9
Hölling H, Schlack R (2008) Psychosoziale Risiko- und Schutzfaktoren für die psychische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter – Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). Gesundheitswesen 70:154–163
Arnhold-Kerri S, Sperlich S (2010) Vermitteln Erziehungsressourcen von Müttern zwischen sozialer Ungleichheit und gesundheitsbezogener Lebensqualität bei Kindern? Gesundheitswesen 72:77–87
Lenze A (im Auftrag der Bertelsmann Stiftung) (2014) Alleinerziehende unter Druck. Rechtliche Rahmenbedingungen, finanzielle Lage und Reformbedarf. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg) (2013) Lebenslagen in Deutschland. Der Vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung. BMAS, Bonn
Schmidt-Denter U, Schmitz H (1999) Familiäre Beziehungen und Strukturen sechs Jahre nach der elterlichen Trennung. In: Walper S, Schwarz B (Hrsg) Was wird aus den Kindern? Chancen und Risiken für die Entwicklung von Kindern aus Trennungs- und Stieffamilien. Juventa, München, S 73–90
Schwarz B, Silbereisen RK (1999) Akzentuiert die Scheidung der Eltern vorher bestehende Unterschiede zwischen den Jugendlichen? Aspekte des Selbst und Problemverhalten vor und nach der Trennung. In: Walper S, Schwarz B (Hrsg) Was wird aus den Kindern? Chancen und Risiken für die Entwicklung von Kindern aus Trennungs- und Scheidungsfamilien. Juventa, Weinheim, S 23–48
Bernardi F, Härkönen J, Boertien D, Andersson Rydell L, Bastaits K, Mortelmans D (2013) Effects of family forms and dynamics on children’s well-being and life chances: literature review. State of the art report. Families and societies. Working paper series (4). http://www.familiesandsocieties.eu/wp-content/uploads/2013/10/WP04BernardiEtal2013.pdf. Zugegriffen: 16. Dez. 2013
Amato PR (2001) Children of divorce in the 1990s: an update of the Amato and Keith (1991) Meta-Analysis. J Fam Psychol 15:355–370
Ginther D, Pollak R (2004) Family structure and children’s educational outcomes: Blended families, stylized facts, and descriptive regressions. Demography 41:671–696
Kleewein R (2010) Scheidungsberatung. In: Werneck H, Werneck-Rohrer S (Hrsg) Psychologie der Scheidung und Trennung. Theoretische Modelle, empirische Befunde und Implikationen für die Praxis. Facultas, Wien, S 162–166
Eckhardt T, Foltyn E (2010) Scheidungsmediation. In: Werneck H, Werneck-Rohrer S (Hrsg) Psychologie der Scheidung und Trennung. Theoretische Modelle, empirische Befunde und Implikationen für die Praxis. Facultas, Wien, S 147–161
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg) (2012) 8. Familienbericht. Zeit für Familie - Familienzeitpolitik als Chance einer nachhaltigen Familienpolitik. BMFSFJ, Berlin
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
P. Rattay, E. von der Lippe und T. Lampert geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Finanzierung der Studie
Die Studie wurde mit Mitteln des Robert Koch-Instituts und des Bundesministeriums für Gesundheit finanziert.
Author information
Authors and Affiliations
Consortia
Corresponding author
Additional information
Die KiGGS Study Group: Die Abteilung Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring im Robert Koch-Institut.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Rattay, P., von der Lippe, E., Lampert, T. et al. Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Eineltern-, Stief- und Kernfamilien. Bundesgesundheitsbl. 57, 860–868 (2014). https://doi.org/10.1007/s00103-014-1988-2
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-014-1988-2
Schlüsselwörter
- Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)
- Kindergesundheit
- Familienform
- Familienstruktur
- Gesundheitliche Ungleichheit