Die Alopecia areata ist Ärzten und Patienten seit mindestens 2000 Jahren bekannt; erstmals beschrieben wurde sie ca. 57 n. Chr. von Celsus. Seitdem sind eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Pathogenese und Therapie der Erkrankung gewonnen worden, die Vorstellungen der Patienten über das Wesen ihrer Krankheit entsprechen jedoch leider allzu oft noch dem magischen Weltbild vergangener Zeiten. Durch das plötzliche und unvorhersehbare Auftreten eines oft massiven Haarverlustes verängstigt, suchen die Patienten nach greifbaren Ursachen und finden diese dann in bestimmten Lebensereignissen wie Todesfällen in der Familie oder politischen Katastrophen, Umweltgiften, Vitaminmangel. Leider werden die Patienten in diesen Vermutungen häufig von Ärzten, Heilpraktikern oder Psychologen unterstützt, da sich auch in den medizinischen Berufsgruppen unbewiesene Vermutungen über die Pathogenese der Alopecia areata hartnäckig halten. Eine noch größere Unsicherheit besteht hinsichtlich der Therapie der Alopecia areata. Therapeuten verschiedenster Art machen sich häufig die Spontanremission der Alopecia areata zunutze, um das Haarwiederwachstum dann ihrer—oft fragwürdigen—Methode zuzuschreiben. So gelten auch heute noch Thymusextrakte, Aromatherapie u. Ä. selbst bei manchen Dermatologen als Therapieoption für die Alopecia areata. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es daher:

  • wissenschaftlich nachgewiesene Ursachen der Alopecia areata darzustellen und daraus ein pathogenetisches Gesamtkonzept zu entwickeln;

  • Therapieformen nach den Richtlinien der evidenzbasierten Medizin zu überprüfen und daraus Empfehlungen für die gegenwärtige Therapie der Alopecia areata abzuleiten und

  • aufgrund des Erkenntnisstandes zur Pathogenese der Alopecia areata einen Ausblick auf zukünftige Behandlungsformen zu entwickeln.

Epidemiologie

Die Inzidenz der Alopecia areata lässt sich kaum exakt ermitteln, da geringgradige Manifestationen häufig nicht bemerkt werden. In einer in den USA durchgeführten Studie konnte ein Lebenszeitrisiko von 1,7% für das Auftreten der Alopecia areata berechnet werden [36]. Der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt im 2. und 3. Lebensjahrzehnt.

Klinik der Alopecia areata

Die Erkrankung beginnt typischerweise plötzlich mit einer oder mehreren kreisrunden Kahlstellen am behaarten Kopf, im Bartbereich oder in anderen Körperarealen (Abb. 1a, b). Auch Wimpern und Augenbrauen sind häufig betroffen. Die Haut im Bereich der Kahlstellen ist unauffällig, insbesondere eine Atrophie findet sich nicht. Im Randbereich der Kahlstellen finden sich abgebrochene Haare ("point noirs") oder so genannte Ausrufezeichenhaare, deren Durchmesser sich zur Kopfhaut hin verdünnt, da die Keratinisierung des Haarschaftes unvollständig bleibt (s. Abb. 1c). Das Ausmaß des Effluviums ist äußerst variabel: In den meisten Fällen kommt es nach initialer Progredienz mit zentrifugaler Ausbreitung der Kahlstellen zum spontanen Sistieren des Krankheitsprozesses und nachfolgend zum vollständigen Neuwachstum der Haare. Dabei findet sich häufig ein Nebeneinander zwischen frischen, noch progredienten Kahlstellen und alten Herden mit beginnendem Neuwachstum (s. Abb. 1a, b). Bei etwa 5–10% der Patienten schreitet die Erkrankung jedoch bis zum vollständigen Verlust der Kopfbehaarung fort (Alopecia areata totalis), in etwa 1–2% der Fälle entwickelt sich eine Alopecia areata universalis, die durch den Verlust der gesamten Kopf- und Körperbehaarung gekennzeichnet ist. Klinische Sonderformen sind der Ophiasis-Typ der Alopecia areata, bei dem die Haare retroaurikulär und okzipital kranzförmig ausfallen, und die Alopecia areata diffusa, bei der es zu plötzlichem diffusen Haarverlust ohne typische Kahlstellen kommt. Prinzipiell ist der Krankheitsverlauf durch schubartiges Ausfallen und Wiederwachsen gekennzeichnet. Insbesondere bei der Alopecia areata totalis, der Alopecia areata universalis und der Ophiasis bleibt ein spontanes Nachwachsen jedoch häufig aus, sodass die Alopezie persistiert. Eine Prognose über den Erkrankungsverlauf im Einzelfall ist nicht möglich, als prognostisch ungünstige Faktoren können allerdings

Abb. 1a–c.
figure 1

Klinische Merkmale der Alopecia areata: kreisförmige, teilweise konfluierende Kahlstellen (a); fleckförmiges Weißwerden der Haare (b); Ausrufezeichenhaare (c)

  • frühes Erkrankungsalter,

  • starker Ausprägungsgrad,

  • langes Bestehen,

  • Nagelveränderungen und

  • atopisches Ekzem

angesehen werden [43, 45].

Das klinische Bild der Alopecia areata wird mitunter durch einige interessante Phänomene erweitert: Das Nachwachsen der Haare vollzieht sich ebenso wie der Haarverlust gelegentlich in konzentrischen Ringen. Die nachwachsenden Haare sind in einigen Fällen vorübergehend oder dauerhaft weiß (s. Abb. 1b). Andererseits verschont die Erkrankung häufig bereits ergraute Haare, sodass bei einer akuten Alopecia areata mit Verlust aller pigmentierten Haare und Stehenbleiben der weißen Haare der Aspekt des "Ergrauens über Nacht" entstehen kann.

Neben den Haaren können auch die Nägel von der Alopecia areata betroffen sein: Es finden sich kleine Grübchen, Querrillen oder eine Aufrauung der Nagelplatte (Sandpapiernagel); die Lunulae sind oft fleckig gerötet (Abb. 2). Im Extremfall kann es zum völligen Verlust der Nagelplatte kommen (Onychomadesis). Mitunter gehen die Nagelveränderungen der Alopezie um Jahre voraus. Die Alopecia areata manifestiert sich jedoch nicht an anderen Organsystemen; die Patienten sind bis auf Alopezie und Nagelbefall körperlich gesund.

Abb. 2a, b.
figure 2

Nagelveränderungen bei Alopecia areata: Tüpfel (Pfeil) und Querrillen (a); Sandpapiernagel mit fleckigen Rötungen der Lunula (Pfeil) (b)

Neben der psychosozialen Stigmatisierung der häufig noch jungen Patienten durch ausgeprägte und zum Teil persistierende Formen der Alopecia areata ist das völlig unerwartete Auftreten der oft massiven Alopezie für Patienten und Angehörige eine außerordentlich starke psychische Belastung. Soziale Isolation, Angstzustände und Depressivität sind oft die Folge.

Diagnostik

Die Diagnose der Alopecia areata wird in den meisten Fällen klinisch aufgrund des typischen Bildes der Alopezie (Abb. 3), des schubhaften Verlaufes mit Spontanremission sowie der Nagelveränderungen gestellt. In seltenen Fällen, wie z. B. bei Verdacht auf eine diffuse Alopecia areata, ist eine Histologie erforderlich. Laborparameter wie Autoantikörperbestimmung oder Zink- und Eisengehalt des Serums dagegen sind überflüssig, da sie weder für die Diagnose noch für die Behandlung relevant sind. Wichtige Differenzialdiagnosen sind Trichotillomanie, Pseudopelade Brocq, Alopecia syphilitica, Lupus erythematodes und Lichen planopilaris.

Abb. 3.
figure 3

Die Alopecia areata wird in den meisten Fällen klinisch diagnostiziert. Der Zupftest, vor allem am Rande der Kahlstellen, lässt eine Aussage über die Kurzzeitprognose zu. Ein Trichogramm ist überflüssig

Ätiopathogenese

Wie eingangs erwähnt, hat sich sowohl unter Patienten als auch unter Ärzten eine Vielzahl skurriler Spekulationen über die Ätiopathogenese der Alopecia areata ausgebildet. Zu den vermuteten Ursachen zählen Umweltgifte, deren Einfluss auf die Alopecia areata jedoch vollkommen unbewiesen ist. Die Bedeutung genetischer und immunologischer Faktoren dagegen konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden.

Genetik

Ein familiäres Vorkommen der Alopecia areata wird in 10–25% der Fälle beschrieben. Bei eineiigen Zwillingen tritt die Alopecia areata oft konkordant auf. Eine genetische Prädisposition der Alopecia areata liegt somit nahe, wobei es sich jedoch nicht um einen mendelnden Erbgang handelt, sondern eher um polygene Vererbung. Eine Assoziation der Alopecia areata mit verschiedenen HLA-Markern wurde beschrieben, so mit DR-4, DR-5, DR-6, DR-7, DR-11, DQ3 sowie mit verschiedenen DQB-1-Allelen (Übersicht in: [25]). Auch lassen sich bestimmte Polymorphismen im Gen für den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten [4, 37] sowie im Interleukin-1β-Gen selbst [13] bei Patienten mit Alopecia areata totalis und universalis nachweisen. Ein Genpolymorphismus für TNF-α [14] fand sich in Assoziation mit kleinfleckiger Alopecia areata. Es wird angenommen, dass diese Polymorphismen in Zytokingenen die Schwere und die Ausprägungsform der Alopecia areata beeinflussen, indem sie zu einer unterschiedlich starken Expression des entsprechenden Zytokins führen. Auf welche Weise Unterschiede in der Zytokinexpression den Ausprägungsgrad der Alopecia areata beeinflussen können, wird im weiteren Verlauf dieser Übersicht dargestellt werden.

Histopathogenese

Die Histopathologie vermittelt erste Einsichten in die Pathogenese der Alopecia areata. Charakteristisch ist ein dichtes, vorwiegend lymphozytäres perifollikuläres Infiltrat, das ausschließlich Haarfollikel in der Anagenphase befällt. Die größte Dichte weist dieses Infiltrat um den Haarbulbus auf, einzelne Lymphozyten infiltrieren dort auch den Haarfollikel. Anhand von Probebiopsien, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Erkrankung gewonnen wurden, konnte der folgende pathologische Ablauf postuliert werden: Durch das peri- und intrafollikuläre Infiltrat kommt es zur Schädigung des Haarfollikels, die sich in apoptotischen Matrixkeratinozyten widerspiegelt. Der Haarfollikel wird jedoch nicht zerstört, es kommt vielmehr zur plötzlichen Unterbrechung des Anagen. Der Haarschaft kann nicht mehr regelgerecht gebildet werden, sodass er abbricht (klinisch findet man dann abgebrochene Haare), unvollständig keratinisiert wird (makroskopisch resultieren daraus die sog. Ausrufezeichenhaare) oder aber ganz ausfällt. Im weiteren Verlauf verkleinert sich der Haarfollikel zum so genannten "Miniaturhaarfollikel". Die Fähigkeit des Haarfollikels zur zyklischen Erneuerung bleibt jedoch erhalten, und sobald der Haarfollikel das Anagen verlässt und in das nachfolgende Katagen (Rückbildungsphase des Haarzyklus) und dann Telogen (Ruhephase des Haarzyklus) eintritt, bildet sich das perifollikuläre Infiltrat zurück. Tritt der Haarfollikel wieder ins Anagen ein, kann er entweder erneut vom Infiltrat attackiert werden oder aber er bleibt verschont und spontanes Haarwiederwachstum tritt ein [29].

Immunologie

Immunhistologische Untersuchungen sowohl beim Menschen als auch bei den beiden etablierten Tiermodellen der Alopecia areata, der C3H/HeJ-Maus und der Dundee Experimental Bald Rat (DEBR) haben gezeigt, dass es sich bei den Lymphozyten um CD4+- und CD8+-Zellen handelt [34]. Auf den Keratinozyten der von Alopecia areata betroffenen Haarfollikel werden die Oberflächenmoleküle MHC-I und MHC-II sowie ICAM-1 exprimiert [2, 10, 28]. Diese Oberflächenmoleküle, die der Antigenpräsentation dienen, werden im gesunden Haarfollikel dagegen nicht exprimiert, da der Haarfollikel zu den "immunprivilegierten" Organen gehört, die durch mangelnde MHC- und ICAM-1-Expression vor Übergriffen des Immunsystems geschützt sind [32]. Bei der Alopecia areata können somit im Gegensatz zum gesunden Haarfollikel Autoantigene präsentiert werden. Diese Beobachtung spricht zusammen mit dem Nachweis peri- und intrafollikulärer Infiltrate aus CD4+- und CD8+-Lymphozyten für das Vorliegen einer T-Zell-vermittelten Autoimmunpathogenese. Bisher konnten verschiedene Faktoren, die hieran beteiligt sind, nachgewiesen werden. Sie sollen im folgenden pathogenetischen Modell zusammengefasst werden (Abb. 4).

Abb. 4.
figure 4

Pathogenetisches Modell der Alopecia areata. Darstellung der wesentlichen, bisher bekannten Mechanismen (Einzelheiten s. Text)

Der initiale Schritt, der die Kaskade multipler pathogenetischer Faktoren ins Rollen bringt, ist bei der Alopecia areata wie bei den meisten Autoimmunerkrankungen unbekannt. Durch einen Mangel an CD4+/CD25+-regulatorischen T-Zellen, der bei Mäusen mit Alopecia areata kürzlich nachgewiesen worden ist [46], gelingt es dem betroffenen Individuum nicht, den Autoimmunprozess zu stoppen. So führen ein oder mehrere unbekannte Faktoren dazu, dass das Immunprivileg des Haarfollikels zusammenbricht, indem die Oberflächenmoleküle MHC-I, MHC-II und ICAM-1 im mittleren und unteren Haarfollikelepithel exprimiert werden und so die Präsentation von Haarfollikelantigenen möglich wird. Das Autoantigen oder die Autoantigene selbst konnten bisher nicht identifiziert werden. Der Expression von MHC-I kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, wie aus verschiedenen Beobachtungen zum Verlauf der Oberflächenmolekülexpression nach Therapie oder bei experimenteller Hemmung der Alopecia areata durch blockierende Antikörper geschlossen werden konnte [9, 10]. Auch der Nachweis eines spezifischen T-Zell-Klons in der Kopfhaut humaner Alopecia areata spricht dafür, dass die MHC-I-Expression wirklich an der Antigenpräsentation beteiligt ist, da diese Monoklonalität der T-Zellen eine "klassische" Aktivierung durch Antigenpräsentation im MHC-Komplex nahe legt [6, 21]. MHC-I präsentiert Antigene üblicherweise den CD8+-T-Zellen.

CD8+-T-Zellen spielen in der Pathogenese der Alopecia areata eine zentrale Rolle

Dies ist offensichtlich auch bei der Alopecia areata der Fall, denn die CD8+-T-Zellen finden sich im Zentrum des peri- und intrafollikulären Infiltrates direkt an die MHC-I-exprimierenden Keratinozyten angelagert. Durch Bindung an den Antigen-MHC-I-Komplex werden die CD8+-T-Zellen aktiviert (auf ihre mögliche Voraktivierung im Lymphknoten soll später eingegangen werden), worauf sie ihre schädigende Wirkung auf den Haarfollikel ausüben. Auf diese zentrale Rolle der CD8+-T-Zellen in der Pathogenese der Alopecia areata weisen verschiedene Studien hin: So führte die Depletion von CD8+-Zellen bei der DEBR-Ratte zu Haarwiederwachstum [27]. Im SCID-hu-Modell für Alopecia areata, bei dem humane Kopfhaut auf T- und B-Zell-defiziente SCID-Mäuse transplantiert wird, führt die alleinige Injektion von stimulierten CD8+-T-Zellen zum Haarausfall, nicht aber die alleinige Injektion von CD4+-T-Zellen [17, 27].

Wie die CD8+-T-Zellen den Haarfollikel schädigen, konnte durch elektronenmikroskopische und Immunfluoreszenzuntersuchungen gezeigt werden: In den Haarfollikelkeratinozyten und -melanozyten wird Apoptose induziert [1, 7, 39]. Untersuchungen an Knockout-Mäusen sprechen dafür, dass die Apoptose in erster Linie durch Interaktion des auf den CD8+-T-Zellen exprimierten FasLiganden mit seinem auf den Keratinozyten des Haarfollikels nachgewiesenen Rezeptor Fas ausgelöst wird: Bei genetisch normalen Mäusen kann eine Alopecia areata durch Transplantation läsionaler Haut von an Alopecia areata erkrankten Mäusen experimentell induziert werden; bei Fas-defizienten Mäusen gelingt dies jedoch nicht und bei FasLigand-defizienten Mäusen nur temporär bei wenigen Tieren und in geringem Ausmaß. Die Tiere sind offensichtlich aufgrund ihres defekten Fas-FasLigand-Systems gegenüber der Alopecia areata resistent [7]. Die temporäre Entwicklung einer minimalen Alopecia areata bei wenigen FasLigand-defizienten Mäusen spricht dafür, dass neben dem Fas-FasLigand-System möglicherweise noch andere Mechanismen eine—wenngleich untergeordnete—Rolle in der Apoptoseinduktion spielen, wie z. B. das von Bodemer et al. bei Alopecia-areata-Patienten nachgewiesene Perforin und Granzyme B [1]. Unabhängig von der Art der Apoptoseinduktion führt der Tod der Haarfollikelkeratinozyten und der Melanozyten im Haarfollikel zu dystrophischen Veränderungen. Der Haarschaft wird daraufhin nicht mehr regelmäßig gebildet, sodass das Haar ausfällt oder bei Erreichen der Hautoberfläche wegen unzureichender Keratinisierung abbricht.

Neben den CD8+-Effektorzellen ließen sich immunhistologisch und flowzytometrisch noch mehrere andere Zelltypen nachweisen, die an der Pathogenese der Alopecia areata sekundär beteiligt sind: Makrophagen, dendritische Zellen, CD4+-T-Zellen sowie B-Zellen [46]. Die perifollikulär lokalisierten Makrophagen nehmen wahrscheinlich das zugrunde gegangene Zellmaterial auf und präsentieren verschiedene darin enthaltene Autoantigene, die nicht notwendigerweise mit dem ursprünglichen, die Alopecia areata auslösenden Autoantigen identisch sind und zum Einwandern weiterer, für sie antigenspezifischer T-Zellen führen können. Den dendritischen Zellen dagegen kommt am ehesten die Aufgabe der primären Antigenpräsentation zu. Nach Antigenaufnahme wandern sie gewöhnlich in den Lymphknoten und präsentieren das Antigen dort naiven T-Zellen, die daraufhin aktiviert werden. Neben der Aktivierung von T-Helferzellen durch dendritische Zellen werden wahrscheinlich auch CD8+-T-Zellen im Lymphknoten durch Zytokine wie IL-2 und IL-12 voraktiviert, denn diese Zytokine fanden sich vermehrt in Lymphknoten von Mäusen mit Alopecia areata. Diese Voraktivierung reicht jedoch nicht aus, vielmehr ist die oben dargestellte Aktivierung durch den Antigen-MHC-I-Komplex in der Haut noch zusätzlich erforderlich. Die aktivierten bzw. voraktivierten T-Zellen wandern dann in die Haut, wobei das "Homing" der CD8+-T-Zellen durch den Lymphozyten-Homingrezeptor CD44v10 vermittelt wird (s. unten) [9].

Makrophagen, dendritische Zellen, CD4+-T- und B-Zellen sind sekundär an der Pathogenese der Alopecia areata beteiligt

Sind die aktivierten T-Zellen in der Haut angelangt, kommen ihnen dort unterschiedliche Funktionen zu: Die CD8+-T-Zellen wirken, wie oben beschrieben, als Effektorzellen im Zentrum des Infiltrates direkt auf den Haarfollikel ein. Die CD4+-T-Zellen dagegen sind um die CD8+-T-Zellen herum gruppiert, und nur ein kleiner Teil von ihnen tritt in Kontakt mit dem Haarfollikelepithel. Sie übernehmen offensichtlich verschiedene unterstützende Funktionen im Autoimmunprozess. Hierzu zählt möglicherweise die Kostimulation der CD8+-T-Zellen.

Eine weitere wesentliche Funktion der CD4+-T-Zellen liegt in der Zytokinsekretion: Molekularbiologische Untersuchungen von Hoffmann et al. [22] zeigten eine vermehrte Expression von Interleukin-1β (IL-1β), Interleukin-2 (IL-2) und Interferon-γ in der Kopfhaut von Patienten mit Alopecia areata totalis, sodass auf das Vorliegen einer Th-1-vermittelten Immunreaktion geschlossen wurde. Allerdings handelte es sich bei den genannten Untersuchungen um einen Nachweis des Zytokingehaltes in der gesamten Haut. Eine isolierte Charakterisierung von Hautlymphozyten ist bisher beim Menschen nicht durchgeführt worden. Um die Frage zu beantworten, ob die Alopecia areata vorwiegend durch T-Helferzellen vom T1- (Th1) oder T2-Zytokintyp (Th2) verursacht wird, wurde die Zytokinsekretion von Lymphozyten bestimmt, die aus der Haut bzw. aus Lymphknoten von Mäusen mit Alopecia areata isoliert worden waren. Es zeigte sich, dass in Lymphozyten der Haut sowohl Zytokine des Th-1-Typs (IL-2, IL-12, IFN-γ) als auch des Th-2-Typs (IL-10) sowie die proinflammatorischen Zytokine TNF-α und IL-6 vermehrt exprimiert werden [8, 46]. Dies deutet darauf hin, dass sowohl Th1- als auch Th2-Zellen an der Pathogenese der Alopecia areata beteiligt sind. Funktionelle Studien an IL-10-Knockout-Mäusen bestätigten diese Hypothese: IL-10-Knockout-Mäuse zeigen eine relative Resistenz gegenüber der experimentellen Induktion einer Alopecia areata [8], und dies lässt eine die Pathogenese der Alopecia areata fördernde Wirkung des IL-10 vermuten. Ob IL-10 die Funktion der CD8+-T-Zellen direkt fördert, ist nicht bekannt. Zusätzlich kommt dem IL-10 möglicherweise auch eine Rolle in der Differenzierung der Th2-Zellen zu, die wiederum für die Ausreifung der B-Zellen in Antikörper produzierende Plasmazellen verantwortlich sind. Somit fördert IL-10 die Produktion jener Autoantikörper, die bei der Alopecia areata des Menschen und der Maus nachgewiesen worden sind [40, 41].

Diese Autoantikörper scheinen jedoch eher ein Sekundärphänomen und nicht aktiv an der Entwicklung des Haarausfalls beteiligt zu sein. Untersuchungen während der Behandlung mit einem Kontaktallergen bei Maus und Mensch [38] zeigten, dass auch während des Nachwachsens der Haare noch hohe Autoantikörpertiter vorliegen können; die Autoantikörper können also das Haarwiederwachstum nicht verhindern. Auch die Tatsache, dass Antikörper von Alopecia-areata-Patienten nicht zu Haarausfall führen, wenn man sie in humane Kopfhaut, die auf Nacktmäuse transplantiert worden ist, injiziert [16], sprechen gegen eine pathogenetische Relevanz der Autoantikörper.

Psychische Faktoren

Psychische Einflüsse wie Stressereignisse werden sehr oft für die Entstehung einer Alopecia areata verantwortlich gemacht. Es existieren widersprüchliche Studienergebnisse [5, 15, 18, 33, 35, 42]. Wenn auch der Einfluss psychogener Faktoren auf den Verlauf der Alopecia areata im Sinne eines zusätzlichen Triggermechanismus bei vorbestehender Disposition nicht ausgeschlossen werden kann, fehlen bisher kontrollierte prospektive Studien, die eine Psychogenese der Alopecia areata beweisen könnten. Die in bisherigen Studien durchgeführte retrospektive Befragung von Patienten mit Alopecia areata nach auslösenden Stressereignissen kann nicht als wissenschaftlicher Nachweis akzeptiert werden, da die meisten Patienten wegen des plötzlichen und unerwarteten Auftretens der Alopecia areata schon selbst nach allen möglichen Ursachen suchen. Für die in einem Teil der oben genannten Studien hinzugezogenen Kontrollgruppen mit androgenetischer Alopezie oder gar mit Mykosen trifft dieser Gesichtspunkt dagegen nicht zu. Kontrollierte, prospektive Studien sind dringend erforderlich, um den Einfluss psychischer Faktoren auf die Entwicklung der Alopecia areata entweder zu beweisen oder auszuschließen. Da solche Untersuchungen beim Menschen kaum durchführbar sind, werden derzeit tierexperimentelle Studien zu dieser Frage durchgeführt.

Therapie

Therapie der Gegenwart

Wegen der hohen Neigung zur Spontanremission wird bei Alopecia areata vielen mehr oder weniger fragwürdigen Therapieverfahren ein Erfolg zugeschrieben. Wenn keine kontrollierten Studien vorliegen, ist davon auszugehen, dass es sich bei den berichteten Behandlungserfolgen um ein spontanes Neuwachstum der Haare handelt. Es ist daher im Sinne der evidenzbasierten Medizin unerlässlich, nur jene Therapieformen als wirksam anzuerkennen, deren Erfolg in kontrollierten Studien nachgewiesen wurde. Dabei gibt es bei der Alopecia areata prinzipiell 2 Möglichkeiten der Negativkontrolle:

  • Es wird eine intraindividuelle Kontrolle durch halbseitige Behandlung des Kopfes vorgenommen, die andere Kopfseite bleibt unbehandelt oder wird mit dem Vehikel behandelt. Nur jene Patienten werden als erfolgreich behandelt angesehen, bei denen das Nachwachsen der Haare ausschließlich oder überwiegend auf der behandelten Seite auftritt, bei denen also auf der unbehandelten Seite keine deutlichen Anzeichen der Spontanremission zu beobachten sind.

  • Es wird eine interindividuelle Kontrolle durchgeführt, d. h., es werden Kontrollpersonen lediglich mit dem Vehikel behandelt. Wegen der hohen Spontanremissionsrate ist eine sehr große Probandenzahl notwendig, um statistisch signifikante Unterschiede zwischen der Verumgruppe und der Placebogruppe festzustellen.

Dabei ist es für den Patienten wesentlich, dass das als Therapieerfolg angesehene Haarwachstum nicht nur in einigen dünnen Haaren besteht, sondern dass ein kosmetisch akzeptables Ergebnis erzielt wird, das dem Patienten ein Leben ohne Perücke ermöglicht. Zielkriterium jeder Studie muss also ein kosmetisch akzeptables Haarwiederwachstum sein. Klinische Studien zum Wirknachweis einer Behandlung der Alopecia areata sollten noch weitere Kriterien erfüllen. Da die Prognose der Alopecia areata wesentlich vom Typ und der Ausprägung der Alopecia areata sowie von deren Bestanddauer abhängt, müssen Studien, die eine Wirksamkeit nachweisen sollen, vorwiegend Patienten mit Alopecia areata totalis, universalis oder ausgedehnter fleckförmiger Alopecia areata mit mehr als 25% Haarverlust und einer Erkrankungsdauer von mehr als 3 Monaten umfassen. Eine adäquate Therapie der Alopecia areata darf nicht mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden sein, da es sich um eine zwar psychosozial außerordentlich belastende, aber nicht lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Wegen der oft jahrzehnte- oder lebenslang bestehenden Erkrankungsaktivität muss die Therapie auch bei langfristiger Anwendung frei von ernsthaften Nebenwirkungen sein.

Zusammengefasst sind somit an eine adäquate Therapie der Alopecia areata folgende Anforderungen zu stellen: Wirksamkeitsnachweis in einer kontrollierten Studie an Patienten mit Alopecia areata totalis, universalis oder ausgedehnter fleckförmiger Alopecia areata und einer Erkrankungsdauer von mehr als 3 Monaten, wobei ein kosmetisch akzeptables Nachwachsen der Haare das Zielkriterium sein muss und die Behandlung auch bei dauerhafter Anwendung keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufweisen darf.

Kortikosteroide

Aufgrund ihrer vielschichtigen immunsuppressiven Wirkung, deren Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, eignen sich Kortikosteroide theoretisch zur Behandlung der Alopecia areata. Im praktischen Gebrauch konnte jedoch keine der verschiedenen Applikationsformen der Kortikosteroide den oben genannten Kriterien standhalten:

Topische Kortikosteroide

Wenngleich in der dermatologischen Praxis vielfach im Gebrauch zur Behandlung der Alopecia areata, sind topische Kortikosteroide lediglich in 2 kontrollierten Studien aus den 70er-Jahren als erfolgreich in der Behandlung der Alopecia areata dargestellt worden [24, 31]. Diese Studien halten jedoch nicht den oben genannten Anforderungen stand, und die Ergebnisse wurden von anderen Untersuchern nicht bestätigt. Eine neuere placebokontrollierte Studie mit einer ausreichenden Anzahl von Probanden zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied im Behandlungserfolg zwischen Placebo und Kortikosteroid [3]. Die Ursache für die Unwirksamkeit liegt wahrscheinlich in der mangelnden Penetration der topisch applizierten Steroide bis zu den tief in der Dermis bzw. im subkutanen Fettgewebe liegenden Haarbulbi. Stellt man der mangelnden Wirksamkeit die Nebenwirkungen topisch applizierter Kortikosteroide gegenüber, so sind diese als nicht geeignet für die Behandlung der Alopecia areata anzusehen.

Intraläsional applizierte Kortikosteroide

Intraläsional applizierte Kortikosteroide führten zwar in verschiedenen kontrollierten Studien zum Nachwachsen der Haare am Ort der Injektion [23, 30], sind jedoch bei einer ausgedehnten Alopecia areata nicht anwendbar und können überdies zu Atrophie mit irreversibler Alopezie führen.

Systemische Kortikosteroide

Systemische Kortikosteroide sind wegen der notwendigen hohen Dosis von 30–150 mg täglich und der damit verbundenen Nebenwirkungen in der dauerhaften Anwendung zur Behandlung der Alopecia areata obsolet. Über die zur Vermeidung systemischer Nebenwirkungen eingeführte Pulstherapie mit einmaliger oder kurzzeitiger Gabe hoher Kortikosteroiddosen (300–1.000 mg 1-mal monatlich bzw. 100 mg an 3 aufeinander folgenden Tagen pro Monat) liegen bisher keine Ergebnisse aus placebokontrollierten Studien vor, und auch hier wird eine langfristige Behandlung kaum möglich sein.

PUVA-Therapie

Auch zur Therapie mit topischer oder systemischer Applikation von 8-Methoxypsoralen und nachfolgender UVA-Bestrahlung (PUVA) liegt bisher kein Wirksamkeitsnachweis aus placebokontrollierten Studien vor. Es gelang uns zwar in einzelnen Therapieversuchen, halbseitiges Nachwachsen der Haare nach halbseitiger Therapie zu erzielen, die Behandlung zeigte jedoch eine hohe Rezidivrate. Diese ist darauf zurückzuführen, dass die neu gewachsenen Haare das Auftreffen des Lichtes auf die Kopfhaut verhindern und so die immunsuppressive Wirkung des UV-Lichtes nach initialer Wirkung nicht den notwendigen Dauererfolg hat. Daher stellt auch die PUVA-Therapie nach derzeitigem Erkenntnisstand keine auf Dauer wirksame Therapieoption für die Alopecia areata dar.

Behandlung mit Kontaktallergenen

Die Behandlung der Alopecia areata mit Kontaktallergenen wird seit mehr als 25 Jahren durchgeführt [19]. Das ursprünglich verwendete Dinitrocholorbenzol (DNCB) erwies sich als mutagen und darf deshalb nicht mehr eingesetzt werden. Heute kommen Diphenylcyclopropenon (DCP) und Quadratsäure-dibutylester ("squaric acid dibutylester"=SADBE) weltweit zum Einsatz.

Der eigentlichen Behandlung geht eine einmalige Sensibilisierung mit 2%iger DCP-Lösung auf einem kleinen Kopfhautareal voraus. Ihr folgt nach 2 Wochen eine so genannte Einstellungsphase, in der die individuelle, zum Kontaktekzem führende Konzentration des DCP durch wöchentliche Konzentrationsänderung ermittelt wird. Dabei wird mit einer Konzentration von 0,001% DCP begonnen, die Applikation erfolgt 1-mal wöchentlich. Ziel ist ein mäßiggradiges Kontaktekzem mit Rötung, Schuppung und Juckreiz der Kopfhaut sowie Schwellung der regionalen Lymphknoten (Abb. 5a). Nässende und Blasen bildende Ekzeme zeigen eine zu hohe Konzentration an und führen zur Reduktion der Konzentration. Ist die individuelle Konzentration, die jedes Mal zu einem mäßiggradigen Ekzem führt, erreicht, wird die Behandlung 1-mal wöchentlich fortgeführt. Für Patienten, die eine Toleranz gegenüber DCP entwickeln, steht SADBE als Ausweichpräparat zur Verfügung.

Abb. 5a–c.
figure 5

Therapie der Alopecia areata durch ein allergisches Kontaktekzem: halbseitiges Kontaktekzem nach Auftragen des Kontaktallergens auf der linken Kopfhälfte (a); halbseitiges Nachwachsen der Haare auf der behandelten Kopfhälfte (b); vollständiges Nachwachsen der Haare nach Übergang auf beidseitige Behandlung (c)

Die Behandlung mit Kontaktallergenen sollte zunächst halbseitig erfolgen, um eine Spontanremission auszuschließen

Erstes Nachwachsen der Haare setzt bei stabiler wöchentlicher Ekzemreaktion gewöhnlich nach 8–12 Wochen ein. Die Behandlung wird 1-mal wöchentlich fortgeführt, bis vollständiges bzw. kosmetisch akzeptables Haarwachstum erzielt ist (s. Abb. 5b, c). Später werden die Behandlungsintervalle schrittweise vergrößert, bis die Behandlung ganz abgesetzt wird. Sollte danach ein Rezidiv auftreten, wird die Behandlung sofort erneut mit der individuell wirksamen Konzentration aufgenommen, um eine weitere Progression der Alopecia areata zu verhindern und erneutes Haarwachstum zu induzieren. Prinzipiell sollte die Behandlung zunächst halbseitig durchgeführt werden, um einen individuellen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen und eine Spontanremission auszuschließen. Zeigt die behandelte Seite im Gegensatz zur unbehandelten Seite ein Nachwachsen der Haare (s. Abb. 5b), so wird die Therapie beidseitig fortgeführt; tritt jedoch auch auf der unbehandelten Seite nennenswertes Neuwachstum der Haare auf, so wird die Behandlung abgebrochen und die Spontanremission abgewartet.

Das mäßiggradige Ekzem wird zwar von einigen Patienten als unangenehm empfunden, stellt aber die notwendige Voraussetzung für den Erfolg der Behandlung dar. Unerwünschte Nebenwirkungen dagegen werden bei 2–5% der Patienten beobachtet und bestehen in

  • Blasenbildung bei zu hoher DCP-Konzentration,

  • hämatogener Streuung des Kontaktekzems,

  • Urtikaria oder Erythema-exsudativum-multiforme-ähnlichen Hautveränderungen.

Daneben wurden postinflammatorische Vitiligo-ähnliche Depigmentierungen oder Hyperpigmentierungen, mitunter mit punktförmigen Hypopigmentierungen ("dyschromia in confetti") beobachtet. Diese treten vorwiegend bei Patienten mit dunkler Hautfarbe auf, bilden sich aber nach Absetzen der Therapie innerhalb eines Jahres zumeist zurück. Im Gegensatz zu diesen akuten oder subakuten Nebenwirkungen wurden bisher keine Langzeitnebenwirkungen nach 20 Jahren der Behandlung mit DCP und 23 Jahren mit SADBE bei weltweit ca. 10.000 Patienten beobachtet. Dennoch handelt es sich bei der Therapie weiterhin nicht um ein im Sinne des Arzneimittelgesetzes zugelassenes Verfahren. Es ist daher empfehlenswert, den Rat einer Ethikkommission einzuholen.

Die Therapie mit DCP oder SADBE ist die derzeit effektivste Behandlungsmethode der Alopecia areata

Die Wirksamkeit der Therapie mit DCP bzw. SADBE wurde in 14 bzw. 4 kontrollierten Studien bewiesen, welche die oben genannten Anforderungen an eine solche Studie erfüllen. In den meisten dieser Studien wurde die oben beschriebene Halbseitenbehandlung durchgeführt, sodass sich die Erfolgsraten ausschließlich auf die Patienten beziehen, bei denen eine Spontanremission ausgeschlossen wurde. Bei diesen Patienten liegt die Erfolgsrate der Therapie je nach Studie zwischen 29% und 78%; der aus allen Studien ermittelte Median liegt bei 51% [12]. Damit stellt die Behandlung mit einem der Kontaktallergene DCP oder SADBE die derzeit effektivste Behandlungsmethode der Alopecia areata mit vergleichsweise geringen Nebenwirkungen bei wissenschaftlich gesichertem Wirksamkeitsnachweis dar. Dennoch ist das Verfahren nicht optimal: Von der Sensibilisierung bis zum ersten Nachwachsen der Haare vergehen oft mehrere Monate. Während der Einstellungsphase, in der die Behandlung naturgemäß noch nicht wirken kann, schreitet die Alopecia areata ungehindert fort, sodass sich bei manchen Patienten aus einer initial fleckförmigen Alopecia areata eine Alopecia areata totalis entwickeln kann, obwohl die Behandlung schon begonnen hat. Zudem wird der Juckreiz des Ekzems von manchen Patienten als störend empfunden, und bei einem Teil der behandelten Patienten mit schwerer Alopecia areata zeigt die Therapie nicht den gewünschten Erfolg. So haben Patienten mit Alopecia areata totalis und subtotalis, frühem Erkrankungsbeginn, atopischem Ekzem und Nagelveränderungen eine besonders schlechte Prognose [43, 44, 45]. Es wäre wünschenswert, eine Behandlungsform zu finden, der der Wirkmechanismus des allergischen Kontaktekzems zugrunde liegt, die aber spezifischer ist und somit schneller wirkt. Darüber hinaus sollte eine Behandlung für jene Patienten gefunden werden, die nicht auf die Therapie mit einem Kontaktallergen ansprechen.

Therapie der Zukunft

Aus dem oben dargestellten—in Wirklichkeit wahrscheinlich noch wesentlich komplexeren—pathogenetischen Modell der Alopecia areata ergeben sich mehrere Ansätze zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte.

Hemmung der Alopecia areata durch anti-CD44v10

Es gelang unserer Arbeitsgruppe zu zeigen, dass durch Injektion eines monoklonalen Anti-CD44v10-Antikörpers die Entwicklung der Alopecia areata bei Mäusen gehemmt wird, indem das "Homing" von CD8+-T-Zellen in die Haut gehemmt wird. Da die Splicevariante CD44v10 das Homing von Lymphozyten weitgehend selektiv in die Haut und nicht in andere Gewebe ermöglicht, handelt es sich bei der Applikation eines Anti-CD44v10-Antikörpers um eine selektive immunsuppressive Therapie der Haut, auch wenn die Applikation systemisch erfolgt. Daher verspricht eine systemische Anti-CD44v10-Therapie eine Verhinderung der Alopecia areata ohne systemische Immunsuppression. Da der CD44v10-Expression in der Pathogenese nicht autoimmunologisch bedingter entzündlicher Erkrankungen der Haut offensichtlich keine Bedeutung zukommt, besteht die Hoffnung, dass die Applikation eines Anti-CD44v10-Antikörpers selektiv die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen der Haut wie der Alopecia areata hemmen kann, ohne ein erhöhtes Infektionsrisiko der Haut zu bewirken. Studien über das tatsächliche Nebenwirkungsrisiko einer solchen Therapie am Menschen stehen derzeit noch aus.

Hemmung der Haarfollikelschädigung durch Blockade des Fas-FasLigand-Systems

Während eine Anti-CD44v10-Therapie die Entwicklung einer noch nicht bestehenden Alopecia areata hemmen soll, indem sie das Einwandern von CD8+-Zellen in die Haut verhindert, soll die Blockade des Fas-FasLigand-Systems die schädigende Wirkung der CD8+-T-Zellen auf den Haarfollikel hemmen, also bei bereits bestehendem Infiltrat wirken. Bei einem genetisch bedingten Defekt des Fas-FasLigand-Systems tritt keine Alopecia areata auf, da keine Apoptose durch das T-Zell-Infiltrat im Haarfollikel induziert werden kann. Daher könnte eine Blockade des Fas-FasLigand-Systems, z. B. durch einen hemmenden anti-Fas-Antikörper, die Schädigung des Haarfollikels durch das T-Zell-Infiltrat der Alopecia areata verhindern, also bei klinisch schon bestehender Alopecia areata dazu führen, dass sich zwar ein Infiltrat entwickelt, jedoch nicht mehr zu Haarausfall führt. Eine solche Therapie müsste allerdings topisch durchgeführt werden, da eine systemische anti-Fas-Applikation ein zu hohes Nebenwirkungsrisiko in sich birgt.

Inhibition der MHC-I-Expression

Eine Hemmung der MHC-I-Expression im Haarfollikelepithel würde die Antigenpräsentation unterbinden und damit die den Haarfollikel schädigende Interaktion zwischen zytotoxischen CD8+-T-Zellen und Haarfollikelkeratinozyten beenden. Das Immunprivileg des Haarfollikels wäre wiederhergestellt. Eine solche Hemmung der MHC-I-Expression wäre z. B. durch Applikation eines blockierenden Anti-MHC-I-Antikörpers möglich; diese müsste zur Vermeidung einer systemischen Immunsuppression topisch durchgeführt werden und auf den Haarfollikel beschränkt bleiben, um die zur Abwehr viraler Infektionen notwendige MHC-I-Expression der Haut nicht zu beeinträchtigen.

Tacrolimus

Die Alopecia areata von Mäusen und Ratten kann erfolgreich mit topisch appliziertem Tacrolimus behandelt werden [11, 26]. Allerdings haben erste Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe am Menschen keine positiven Ergebnisse gezeigt. Die Ursache hierfür liegt mit großer Wahrscheinlichkeit darin, dass die Haut der Maus wesentlich ist dünner als die des Menschen. Daher erreicht das in Salbengrundlage gelöste Tacrolimus bei der Maus das in Höhe des Haarbulbus lokalisierte Infiltrat und kann seine immunsuppressive Wirkung entfalten, penetriert beim Menschen jedoch nicht tief genug. Da die tierexperimentellen Untersuchungen aber nahe legen, dass auch die Alopecia areata des Menschen erfolgreich mit Tacrolimus behandelt werden könnte, wenn nur der Wirkstoff bis zum subkutan lokalisierten perifollikulären Infiltrat penetriert, stellt die Entwicklung einer neuen Formulierung des Tacrolimus eine Herausforderung für die Zukunft dar.

Neue Grundlagen für die topische Therapie

Nicht nur für die Applikation von Tacrolimus, sondern auch für die topische Applikation eines blockierenden Anti-Fas- oder Anti-MHC-I-Antikörpers ist die Entwicklung einer Grundlage entscheidend, die den Wirkstoff bis zum subkutan gelegenen Haarbulbus transportiert. Eine solche Grundlage könnten z. B. Liposomen sein, die nicht nur bei Mäusen verschiedene Moleküle selektiv zum Haarfollikel und Haarschaft transportieren, sondern in einem Ex-vivo-Modell auch in menschliche Haarfollikel [20]. Sollte es auch in vivo gelingen, Moleküle in Liposomen zum menschlichen Haarbulbus zu transportieren, so würden sich daraus verschiedene neue Behandlungsansätze ergeben, u. a.

  • die topische Tacrolimustherapie,

  • die topische Blockierung des Fas-FasLigand-Systems und

  • die Blockierung der MHC-I-Expression im Haarfollikelepithel,

wobei es wichtig ist, dass die Penetration selektiv den Haarfollikel betrifft, nicht aber die interfollikuläre Dermis und Epidermis, um eine generelle Immunsuppression in der Haut zu vermeiden. Auch diese Anforderungen werden von den Liposomen erfüllt.

Therapie mit Biologicals

Zur Behandlung der Psoriasis, bei der es sich ebenfalls um eine T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung handelt, wurden in der letzten Zeit verschiedene so genannte "Biologicals" entwickelt. Zu diesen zählen u. a.

  • Efalizumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CD11a/LFA-1,

  • Alefacept, ein rekombinantes humanes LFA-3-IgG1-Fusionsprotein,

  • CTLA-4-Immunglobulin und

  • der primatisierte Antikörper IDEC-114, der die Interaktion zwischen CD80 und CD28 blockiert.

Diese Substanzen blockieren an verschiedenen Stellen die Interaktionen zwischen T-Zelle und antigenpräsentierender Zelle und hemmen somit die T-Zell-Aktivierung. Daher ist ihr Einsatz auch zur Behandlung der Alopecia areata denkbar. Die genannten Substanzen werden systemisch appliziert und weisen geringe bis mäßiggradige Nebenwirkungen auf. Vor einem Einsatz zur Behandlung der Alopecia areata muss jedoch in Langzeitstudien gezeigt werden, dass auch bei langfristiger Gabe ein der Erkrankung angemessenes Nebenwirkungsspektrum nicht überschritten wird.

Fazit für die Praxis

  • Die Alopecia areata wird klinisch diagnostiziert. Typische Merkmale sind:

    • kreisförmige, teilweise konfluierende Kahlstellen mit Ausrufezeichenhaaren oder "point noirs" neben Arealen mit spontan nachwachsenden Haaren; mitunter fleckförmiges Weißwerden der Haare;

    • Sonderformen: Alopecia areata totalis, universalis, diffusa, Ophiasis;

    • Nagelveränderungen.

  • Selten ist eine Histologie erforderlich. Alle anderen Laboruntersuchungen sind überflüssig.

  • Es besteht eine genetische Prädisposition für die Alopecia areata. Zusätzliche auslösende Faktoren sind möglich. Umweltfaktoren wie Toxine oder Vitaminmangel konnten jedoch bisher nicht als Auslöser identifiziert werden. Auch eine Auslösung durch psychische Faktoren ließ sich bisher nicht in kontrollierten Studien nachweisen.

  • Nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin stellt die Behandlung mit einem Kontaktallergen wie DCP oder SADBE derzeit die effektivste und nebenwirkungsärmste Therapie der Alopecia areata dar. Die Erfolgsrate für kosmetisch akzeptables Haarwiederwachstum liegt für eine schwere Alopecia areata bei ca. 51%, die Behandlung kann und muss im Prinzip langfristig durchgeführt werden. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Die Therapie wird als individueller Heilversuch durchgeführt.