Zusammenfassung
Hintergrund
Bevor eine medizinische Intervention erfolgt, müssen Entscheidungen über die vorzuschlagende optimale medizinische Vorgehensweise getroffen werden. Gerade bei komplexen Entscheidungssituationen ist das Behandlungsteam aber selbst oft unsicher, was der sinnvolle Weg wäre.
Fragestellung
Unsere explorative Interviewstudie versucht die Frage zu erörtern, wie Chefärzte und Chefärztinnen – als Verantwortliche der Behandlungsteams – schwierige ethische Entscheidungen treffen und was sie als eine gute Entscheidung betrachten.
Material und Methoden
Es wurden explorative Interviews mit Chefärzten durchgeführt, die einer phänomenologisch orientierten Textanalyse unterworfen wurden.
Ergebnisse
Es konnten vier unterschiedliche Arten von Entscheidungswegen identifiziert werden: Es wird entweder versucht, die zu suchende Lösung durch eine bereits vorliegende standardisierte Empfehlung abzusichern (a), oder es wird ein Konsens im Team gesucht (b), man richtet sich nach den eigenen Wertvorstellungen (c) oder benennt eine Lösung bewusst „militärisch“ in einer Eigenverantwortung (d).
Schlussfolgerung
Daraus ergeben sich folgende Diskussionspunkte: Der Prozess der Entscheidungsfindung ist nicht das gleiche wie das Entscheidungsergebnis. Unsere pluralen, westlichen Lebensformen erlauben es uns nicht mehr, anderen vorschreiben zu wollen, was genau eine gute Entscheidung ist. Jedoch sollte untersucht werden welche Begründungsformen hinter diesen Entscheidungen stehen.
Abstract
Background
Before a medical intervention is carried out, decisions must be made on the proposed optimal medical procedure. Especially in complex decision situations the treatment team is itself often uncertain about the optimal decision.
Objectives
This explorative interview study tries to analyze the question how head physicians, being responsible for the treatment team, make difficult ethical decisions and what they consider to be a good decision.
Material and methods
Exploratory interviews were conducted with head physicians that were analyzed from a phenomenologically oriented point of view.
Results
In this study four different types of decision-making could be identified: head physicians either try to support decisions through an already existing standardized recommendation (a), consensus is sought within the team (b), decisions are based on own values (c) or a solution is specified in an autonomous ‘military’ way (d).
Conclusion
The following points of discussion arose: the process of making decisions is not the same as the result of the decision. Our pluralistic, western lifestyle no longer allows us to try to impose on others what exactly a good decision is; however, the forms of justification on which these decisions are based can be examined.
Notes
Am 01. Januar 2013 trat das neue Erwachsenen- und Kindesschutzrecht (KESR) in Kraft. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) nehmen seither die Aufgaben wahr, welche vorher den Vormundschaftsbehörden und Regierungstatthalterämtern zukamen.
Den Begriff „Moral“ verwenden wir hier, um die Wertvorstellungen einer Einzelperson zu skizzieren. „Ethik“ wird als Disziplinbegriff benutzt, das heisst für unser Verständnis: Die Ethik reflektiert Moralvorstellungen.
Masterarbeit von Benjamin Willi, medizinische Fakultät Bern, eingereicht am 30.03.2016. Die Masterarbeit und folgende Dissertation wird in einer Forschungskollaboration der Fachstelle klinische Ethik, Bern, mit dem Medizinethik-Insitut Metamedica der Freien Universität Amsterdam durchgeführt und finanziert. Die Zweitautorin ist über die Universität Maastricht an die Forschungskollaboration angeschlossen.
Diese hier eher vage ausgedrückte Darstellung unserer Interviewpartner und Partnerinnen dient natürlich der Anonymisierung ihrer jeweiligen Person und Interviewdaten. Uns ist diese Anonymisierung wichtig, unsere Interviewpartner waren allerdings allesamt bereit, auch den eigenen Namen explizit nennen zu wollen. Uns geht es aber nicht um eine Darstellung dieser Personen, sondern um eine erste Illustration unseres Themas. Entsprechend wählen wir fiktive Personennamen für ihre Zitate im Ergebnisteil.
Literatur
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Flick U, Kardoff E von, Steinke I (2003) Qualitative Forschung, Ein Handbuch. Rowohlt, Reinbek
Porz R et al (2007) Gekauftes Gewissen? Die Rolle der Bioethik in Institutionen. Mentis, Paderborn, S 33
Porz R (2015) Klinische Ethik im Paradigmenwechsel – eine Frage der Haltung. Schweiz Arzteztg 96(29–30):1068–1071
Smith JA, Flowers P, Larkin M (2009) Interpretative phenomenological analysis. Sage Publications Ltd, London
Willi B (2016) Ethische Herausforderungen in der Berufsrolle von Chefärzten und Chefärztinnen. Masterarbeit, Medizinische Fakultät der Universität Bern, Bern, März 2016
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Interessenkonflikt
B. Willi, C. Brall und R. Porz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag fusst auf Experteninterviews und beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten klinischen Studien an Menschen oder Tieren.
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Willi, B., Brall, C. & Porz, R. Ethische Entscheidungsmuster in der Chefetage. Gefässchirurgie 21, 301–306 (2016). https://doi.org/10.1007/s00772-016-0149-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00772-016-0149-3