Infektionen an der Hand sind mit der häufigste Grund für eine Vorstellung in der Notfallambulanz. Eine lokale Infektion, bedingt durch Fremdkörper oder Bissverletzungen, kann sich aufgrund der komplexen Anatomie der Hand schnell auf die gesamte Hand bis in den Unterarm ausbreiten. Fehlende typische Entzündungszeichen wie Rötung, Schwellung und Überwärmung erschweren die korrekte Diagnosestellung und Therapie [5]. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist das großzügige chirurgische Débridement indiziert, welches oft zu Weichteildefekten führt.

Infektionen der Hand

Die häufigsten Infektionen an der Hand finden sich am Nagelorgan (23,3 %; Abb. 1) und an der Fingerpulpa (24 %). Tiefe Infektionen der Hohlhand (0,6 %), Sehnenscheidenphlegmonen (0,3 %) und Gelenkinfekte (0,7 %) sind primär seltener anzutreffen [14]. Da es aufgrund der derben palmaren Haut selten zu einer spontanen Abszessperforation kommt und sich der Infekt entlang der Bindegewebssepten in die Tiefe ausdehnen kann, ist eine schnelle Ausbreitung möglich. Zusätzlich existieren an der Hand präformierte Räume, die vom Finger bis in den Unterarm ziehen und somit eine rasche konsequente chirurgische Intervention nötig machen [12].

Abb. 1
figure 1

Nagelwallentzündung mit Eiteransammlung

Abb. 2
figure 2

Massive Infektion der Hand nach Débridement

Therapie

Infektion

Bei fast allen tieferen Infektionen an der Hand ist eine chirurgische Intervention mit radikalem Débridement (Abb. 2), Spülung und Drainage sowie kalkulierter und sekundär erregergerechter Antibiotikatherapie mit Ruhigstellung der Extremität notwendig [4].

Insbesondere bei ausgedehnten Infekten wie Hohlhandphlegmonen, septischen Arthritiden oder nekrotisierenden Faszitiden sind mehrzeitige Débridements mit Nekrosenabtragung und offener Wundbehandlung mit Wundkonditionierung durch Unterdruckwundtherapie [NPWT („negative-pressure wound therapy“)] unabdingbar.

Defektrekonstruktion

Der aus der chirurgischen Behandlung resultierende Haut-/Weichteildefekt muss anschließend oft mit einer plastischen Rekonstruktion gedeckt werden. Dabei darf das zur Deckung notwendige Gewebe nicht aus betroffenem oder dem Infekt angrenzendem Gewebe gewonnen werden. Die plastische Rekonstruktion erfolgt daher erst nach Ausheilung des Infekts im gut durchbluteten Gewebe [7].

Die Art und Technik der Rekonstruktion hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß des Weichgewebedefekts ab. Die Defektdeckung erfolgt entlang der sog. rekonstruktiven Leiter, von der Hauttransplantation über lokale und regionale Lappenplastiken bis zum freien Gewebetransfer.

Weichteildefekte am Finger

Weichteildefekte an der Fingerkuppe bis zur Mittelphalanx können oft mit lokalen Lappenplastiken gedeckt werden. Ein einfacher und sicherer Lappen ist die VY-Plastik, die insbesondere bei Defekten an der Fingerkuppe genutzt werden kann.

Regionale Lappen können bei dieser Lokalisation als Cross-Finger-Lappenplastik [8] bzw. bei dorsalem Weichteilschaden mit einem reversen Cross-Finger-Lappen (Abb. 3) versorgt werden. Sollen sensible Funktionen wiederhergestellt werden, kann ein neurovaskulärer Insellappen verwendet werden. Dies ist insbesondere zur Gewährleistung der sensomotorisch kontrollierten Greiffunktion bei Defekten an der ulnaren Daumen- oder radialen Zeigefingerseite notwendig.

Eine andere Möglichkeit zur Defektdeckung an der Fingerkuppe stellt der Thenarlappen dar.

Stehen keine Möglichkeiten zur Deckung mittels regionalem Lappen zur Verfügung, können als Fernlappen ein Leistenlappen (Abb. 4) oder aber, bei adäquatem Wundgrund, die Transplantation von Vollhaut zum Einsatz kommen.

Abb. 3
figure 3

Cross-Finger-Lappen

Abb. 4
figure 4

Leistenlappen

Das proximale Interphalangealgelenk stellt aufgrund seiner wichtigen Funktion bei der Fingerbeweglichkeit eine Herausforderung für die Deckung dar. Eine vollständige Beweglichkeit des Gelenks muss gewährleistet sein. Transpositionslappen, wie der Bunnell-Lappen, können als lokale Lappenplastiken angewandt werden. Im Bereich der regionalen Lappen bieten sich Cross-Finger-Lappen als einfache und schnelle Lösung an. Palmare Defekte werden mit Advancement- oder homodigitalen Insellappen gedeckt. Eine weitere Möglichkeit stellt der venöse Durchstromlappen dar.

Der dorsale Metakarpalarterienlappen bietet breite Anwendungsmöglichkeiten, die zur Defektdeckung vom Metakarpus bis zum dorsalen PIP-Gelenk (PIP: „proximal interphalangeal joint“), als modifizierte Variante auch bis zum Mittelglied, reichen.

Am Metakarpophalangealgelenk wird neben den bereits beschrieben Techniken auch der Kite-Lappen genutzt.

Haut-Weichteil-Defekte der Hand

Defekte am Metakarpus sind eine Domäne der regionalen Lappen oder Fernlappen. Dorsalseitig können auch lokale Lappenplastiken wie der Limberg-, der Rotations- oder der Advancement-Lappen Verwendung finden.

Der Interosseus-posterior-Lappen (Abb. 5) ist der am häufigsten verwendete distal gestielte Lappen, um Weichteildefekte am Metakarpus zu decken. Lange Zeit wurde an dieser Lokalisation auch der Radialislappen (Abb. 6, [10]) benutzt. Aufgrund des kosmetisch störenden Hebedefekts liegen die Schwerpunkte heute jedoch auf anderen Möglichkeiten. So wurden in den letzten Jahrzehnten die Techniken des freien Gewebetransfers verfeinert, und dieser stellt heute eine sichere Lappenplastik dar. Insbesondere bei größeren Gewebedefekten können der laterale Oberarmlappen, ein Paraskapularlappen oder der ALT-Lappen (ALT: „antero lateral tight“) verwendet werden. Ein Nachteil sind die großen Volumina dieser Lappen, die oft einer Korrektur in weiteren Eingriffen bedürfen. Bei der Rekonstruktion mit Hilfe einer Muskellappenplastik (z. B. M.-serratus-anterior-Lappenplastik) erhält man ein ausgezeichnetes Transplantatlager für weitere Knochen-, Nerven- und/oder Sehnentransplantationen [3]. Die Dicke der freien mikrovaskulären Muskellappenplastik erreicht nach sekundärer Atrophie des denervierten Muskels eine akzeptable Kontur.

Abb. 5
figure 5

Interosseus-posterior-Lappen

Abb. 6
figure 6

Radialislappen

Bei Defekten im Hohlhandbereich sollte auf vom Unterarm gestielte lokale Lappenplastiken aufgrund deren dicker Subkutanschicht verzichtet werden. Häufig kommt es hierbei zur sog. Savonnage, d. h. einer starken Verschieblichkeit des Hautmantels.

Anforderungen an die Hautdeckung im Bereich des Handrückens ist, aus funktioneller Sicht, die Gewährleistung eines ausreichenden Gleitlagers für die Strecksehnen [16]. Funktionell muss beachtet werden, dass es von der proximalen dorsalen Handgelenkfalte bis zu den PIP-Gelenken zu großen Hautverschiebungen bei Hand- und Fingerbewegungen kommt. Daher sollte bei der Planung der Rekonstruktion ein relativer Hautüberschuss bedacht werden [1]. Bei kleinen zentralen Handrückendefekten kann oft eine lokale, defektangrenzende Lappenplastik zur Anwendung kommen. Größere Defekte mit intaktem Peritendineum des Streckapparats können mit Hilfe einer Voll- oder Spalthauttransplantation verschlossen werden [11]. Alternativ können lokale Lappenplastiken wie hautgestielte Insellappenplastiken verwendet werden. Bei größeren Defekten sollte einer freien mikrovaskulären Lappenplastik der Vorzug gegenüber einer gestielten Fernlappenplastik gegeben werden.

Defektdeckung am Daumen

Eine Besonderheit in der Defektdeckung stellt der Daumen dar. Am Daumenendglied werden eine hohe mechanische Beanspruchbarkeit, eine gute Sensibilität und die Erhaltung der maximalen Daumenlänge zur vollen Oppositionsfähigkeit angestrebt [18]. Lokale Lappenplastiken, wie eine VY-Dehnungslappenplastik nach Tranquilli-Leali, eine Dehnungslappenplastik nach Moberg oder eine Translationslappenplastik nach Hueston haben strenge Indikationen in den Zonen 1–2, um die anspruchsvollen postoperativen Ergebnisse zu erreichen. Der häufig verwendete Foucher-Lappen stellt als neurovaskulärer Insellappen die sensible Versorgung des gedeckten Daumendefekts ab Zone 3 sicher. Andere Möglichkeiten sind ein homodigitaler neurovaskulärer Insel- oder ein Cross-Finger-Lappen. Als weitere Therapiemöglichkeit kommen gestielte Lappenplastiken aus dem Hand- oder Unterarmbereich in Frage. Ist dies nicht möglich, ist auch hier eine Fernlappenplastik erforderlich, z. B. mittels Leisten- oder Bauchhautlappenplastik. Wegen der Notwendigkeit der frühzeitigen Mobilisierung, der leichteren Pflege und einer geringeren psychischen Beeinträchtigung sind die mikrovaskulären Lappenplastiken den gestielten Fernlappenplastiken vorzuziehen [18].

Komplexe Rekonstruktionen

Sehr ausgedehnte Defekte, die auch Knochen und Gelenke mitbetreffen, bedürfen individueller Rekonstruktionstechniken. Hier können verschiedene Lappenplastiken kombiniert werden (Abb. 7). Auch Lappenplastiken mit gleichzeitigem Sehnentransfer sind im Einzelfall gerechtfertigt. Bei kleineren Weichteildefekten mit partiellem oder segmentalem Knochendefekt sollte man an die Möglichkeit eines freien mikrovaskulären Knochentransfers vom vorderen Beckenkamm, von der Skapula oder aus dem Unter- und Oberarmbereich denken. Alternativ wird ein vaskularisiertes Knochentransplantat aus dem medialen Femurkondylus entnommen und in die Defektzone transplantiert (Abb. 8). Dadurch kann gut vaskularisiertes Gewebe eingebracht werden, wodurch sich Knochen schneller konsolidieren kann und die Komplikationsrate herabgesetzt wird [9].

Abb. 7
figure 7

Kombinationslappen – DMCA- und  M.-extensor-indicis-Lappen, DMCA „dorsal metacarpal artery“

Abb. 8
figure 8

Vaskularisiertes Knochentransplantat aus dem medialen Femurkondylus, DMCA- und Cross-Finger-Lappen, DMCA „dorsal metacarpal artery“

Septische Arthritiden mit der Folge von Fingergelenkdefekten resultieren in einer starken funktionellen Beeinträchtigung mit Schmerzen, Bewegungs- und/oder Kraftverlust [2]. Solche Gelenkzerstörungen finden sich häufig nach den im ersten Anschein oft unterschätzten Fight-Bite-Clenched-Fist-Verletzungen. Therapeutische Möglichkeiten bei einer Gelenkzerstörung im Fingerbereich hängen vom Ausmaß der destruierten Gelenkflächen, vom Alter des Patienten und von der funktionellen Beeinträchtigung ab. Therapieoptionen sind z. B. die Fingergelenkdenervierung [13], Perichondriumtransplantate [6], Interpositionsarthroplastiken [17], Fingergelenkprothesen [15], Gelenkversteifungen oder vaskularisierte Gelenktransplantationen aus dem Hand- oder Fußbereich.