Situation

Die diensthabende ITH-Crew wird über die integrierte Rettungsleitstelle mit der Durchführung eines Sekundärtransports einer beatmeten Intensivpatientin mit COVID-19-Pneumonie und schwerem ARDS beauftragt. Im zur Transportplanung telefonisch durchgeführten Arzt-Arzt-Gespräch wird mitgeteilt, dass die Verlegung grundsätzlich aus Kapazitätsgründen erforderlich ist. Darüber hinaus soll die Patientin in ein Krankenhaus mit ECMO-Option verlegt werden, die im abgebenden Krankenhaus nicht zur Verfügung steht. Im weiteren Gespräch ergeben sich keine Aspekte, die nach Einschätzung des diensthabenden Notarztes einem ITH-Transport entgegenstehen könnten. Nach Angaben des abgebenden Krankenhauses befindet sich die Patientin in Rückenlage. Die Entfernung vom Stationierungsort des ITH zur abgebenden Klinik beträgt circa 50 km Luftlinie und von dort zur Zielklinik circa 60 km Luftlinie. Beim eingesetzten Hubschrauber handelt es sich um eine H145 von Airbus Helicopters, die mittlerweile als Standardmuster für den luftgebundenen Intensivtransport in Deutschland gelten kann. Die ITH-Besatzung besteht neben dem Piloten aus einem Facharzt für Anästhesie mit den Zusatzbezeichnungen Intensiv- und Notfallmedizin und einem HEMS-TC/Notfallsanitäter. Alle Besatzungsmitglieder verfügen über langjährige Erfahrungen im Luftrettungsdienst und Intensivtransport.

Anamnese

Die 62-jährige Patientin war am Vortag mit zunehmender Dyspnoe und SpO2 von 65 % unter Raumluft durch den Rettungsdienst in der zentralen Notaufnahme des abgebenden Krankenhauses vorgestellt worden. Seit insgesamt 4 Tagen habe sie über trockenen Husten und Dyspnoe geklagt. Der Ehemann der Patientin war bereits zuvor positiv auf SARS-CoV‑2 getestet worden. In der bei Krankenhausaufnahme durchgeführten Röntgenthoraxaufnahme konnten schwere pneumonische Infiltrate beidseits nachgewiesen werden. Laborchemisch zeigten sich eine CRP-Erhöhung sowie eine Anämie und es konnte mittels PCR im Rachenabstrich eine Infektion mit SARS-CoV‑2 bestätigt werden. Aufgrund der respiratorischen Insuffizienz war die Patientin zunächst spontan atmend auf die Intensivstation aufgenommen worden. Bei V. a. bakterielle Superinfektion war eine kalkulierte antiinfektive Therapie mit Piperacillin/Tazobactam und Clarithromycin initiiert sowie ein Therapieversuch mit Hydroxychloroquin gestartet worden. Unter der Gabe von 6 l Sauerstoff/min zeigte sich die respiratorische Situation anfänglich kompensiert, im weiteren Verlauf war es aber zu einer raschen Verschlechterung der Oxygenierung gekommen, sodass die Patientin noch am Abend des Aufnahmetags intubiert und beatmet werden musste.

Befund

Unmittelbar nach Alarmierung und Durchführung des Arzt-Arzt-Gesprächs erfolgt der etwa zwanzigminütige Anflug zur abgebenden Klinik ohne Besonderheiten. Vor dem Betreten der Intensivstation legen Notarzt und HEMS-TC die gemäß den Standards des Luftrettungsbetreibers für COVID-19-Transporte erforderliche PSA an, die aus Ganzkörperoverall, 2 Paar Einmalhandschuhen, FFP-2- bzw. FFP-3-Schutzmaske und Schutzbrille besteht. Die PSA wird nach dem Vieraugenprinzip angelegt, um mögliche Leckagen oder unkorrekten Sitz zu entdecken. Im Anschluss erfolgt am Patientenbett die Übergabe der Patientin an das ITH-Team. Die Patientin ist orotracheal intubiert, invasiv beatmet und mit Sufentanil 25 µg/h sowie Midazolam 20 mg/h tief analgosediert. Bei schwerer Oxygenierungsstörung wurde die Patientin circa eine Stunde vor dem Eintreffen des ITH durch das Team der Intensivstation erstmalig in eine inkomplette Bauchlagerung verbracht, was zu einer Verbesserung der Oxygenierung geführt habe. Im Arzt-Arzt-Gespräch wurde allerdings im Vorfeld auf entsprechende Nachfrage kommuniziert, dass sich die Patientin in Rückenlage befinden würde. Die Patientin ist nach Intubation mit einem ZVK, einer arteriellen Kanüle, einer peripheren Venenverweilkanüle, einem Blasenkatheter und einer Magensonde versorgt worden. Die Tubuslage erscheint korrekt und es gibt auskultatorisch keine Anhaltspunkte für einen Pneumothorax. Die Patientin wird mit einem Intensivrespirator invasiv druckkontrolliert beatmet (FIO2 = 0,8; PEEP 15 cmH20, inspiratorischer Spitzendruck 32 cmH20, Atemfrequenz 14/min, Atemminutenvolumen 7,5 l/min). Die SpO2 beträgt 93 % und das endtidale CO2 40 mm Hg. Die aktuelle arterielle Blutgasanalyse zeigt in inkompletter Bauchlagerung folgende Werte: pH = 7,25; paO2 = 96 mm Hg, paCO2 = 45 mm Hg. Der Oxygenierungsindex paO2/FIO2 ist 120 mm Hg. Unter kontinuierlicher Applikation von Norepinephrin 0,8 mg/h ist der invasiv gemessene Blutdruck 105/50 mm Hg und die Herzfrequenz 80/min. Die Körpertemperatur beträgt 38,3 °C.

Diagnose

  • Atypische bilaterale COVID-19-Pneumonie mit schwerem ARDS

  • SARS-CoV-2-Infektion (PCR positiv)

  • V. a. bakterielle Pneumonie im Sinne einer Superinfektion

  • Invasive Beatmung seit dem Vortag

  • Vorerkrankungen: Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas per magna (BMI 41,6 kg/m2; 155 cm/99 kg), arterielle Hypertonie, substituierte Hypothyreose, chronisches Schmerzsyndrom, Restless-Legs-Syndrom, Depression, chronische Hepatitis B

Therapie und Verlauf

Typischerweise werden beatmete Patienten im Intensivtransport in Rückenlage transportiert. Es wird daher mit dem Team der abgebenden Intensivstation erörtert, ob in Rückenlage ein für den Transport akzeptabler Gasaustausch zu erwarten ist. Es wird berichtet, dass sich die Patientin jeweils nach Umlagerung kurz respiratorisch verschlechtern, aber im Anschluss daran wieder ausreichend stabilisieren würde. Die Umlagerung und der anschließende ITH-Transport erscheinen daher möglich, sodass die FIO2 auf 1,0 erhöht und ein nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans (Pancuronium 8 mg) zur Vermeidung von Asynchronität zwischen Patientin und Beatmungsgerät mit möglicher beatmungsassoziierter Lungenschädigung verabreicht wird. Im Anschluss erfolgt die Umlagerung in Rückenlage im Patientenbett. Allerdings kommt es daraufhin rasch zu einer relevanten Verschlechterung der Oxygenierung mit einem Abfall der SpO2 auf 75 %. Es gibt weiterhin keine Anhaltspunkte für einen Pneumothorax oder eine inkorrekte Tubuslage. Auch endotracheales Absaugen und eine Wartezeit von 15 min führen zu keiner relevanten Verbesserung der Oxygenierung, sodass die Patientin wieder in die ursprüngliche inkomplette Bauchlagerung im Patientenbett verbracht wird. Hierunter kommt es rasch zu einer neuerlichen Verbesserung der SpO2 auf Werte um 90 %, sodass Notarzt und HEMS-TC die Situation ohne Zeitdruck reevaluieren können.

Nach strukturierter Entscheidungsfindung wird der Entschluss getroffen, die Patientin im ITH in Bauchlagerung zu transportieren. Die Patientin wird daher mit insgesamt vier Personen sorgfältig in Bauchlagerung auf die Fahrtrage des ITH umgelagert und anschließend an das Transportbeatmungsgerät (HAMILTON-T1, Hamilton Medical AG, Schweiz) angeschlossen. Dies gestaltet sich problemlos, sodass schließlich 75 min nach der Ankunft auf der Intensivstation der Transport zum ITH und der anschließende Flug in die Zielklinik beginnen können (Abb. 1). Da dort noch ein bodengebundener Zwischentransport im RTW erforderlich ist, kann die Patientin schlussendlich 50 min nach Transportbeginn ohne weitere Komplikationen in der Zielklinik übergeben werden.

Abb. 1
figure 1

Beatmeter Patient in Bauchlage im ITH (nachgestellt)

Im weiteren intensivmedizinischen Verlauf stabilisierte sich die respiratorische Situation der Patientin unter intermittierender Bauchlagerung erfreulicherweise, sodass die Sedierung und die Katecholamintherapie im Verlauf ausgeschlichen werden konnten. Eine ECMO-Behandlung war nicht erforderlich geworden. Am 11. Behandlungstag erfolgte bei prolongiertem Weaning eine dilatative Punktionstracheotomie, und die Patientin konnte am 19. Behandlungstag in gebessertem Zustand druckunterstützt spontan atmend in eine Weaning-Klinik weiterverlegt werden.

Diskussion

Bei ARDS-Patienten ist die Bauchlagerung ein evidenzbasiertes Verfahren, um den pulmonalen Gasaustausch durch Veränderung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses, durch Homogenisierung der Atemgasverteilung und durch Reduktion minder- oder nichtbelüfteter Areale mit Vergrößerung des am Gasaustausch teilnehmenden Lungenvolumens signifikant zu verbessern [8]. In einer prospektiven, randomisierten Multicenterstudie konnte bei beatmeten Patienten mit moderatem oder schwerem ARDS ein signifikanter Überlebensvorteil für die Bauchlagerungsgruppe gezeigt werden [4]. Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie empfiehlt bei Patienten mit ARDS und einem Oxygenierungsindex paO2/FIO2 <150 mm Hg die Bauchlage mit einem starken Empfehlungsgrad [1]. Dagegen gibt diese Leitlinie keine Hinweise, wie bei diesen Patienten in einer Transportsituation verfahren werden soll. Die Erfahrungen hierzu sind international gering und in der Literatur sind lediglich einzelne Fallberichte verfügbar [2, 3, 5]. Die S3-Leitlinie empfiehlt weiterhin den Einsatz der venovenösen ECMO bei Patienten mit schwerem ARDS nur als Rescue-Therapie bei therapierefraktärer Hypoxämie [1]. Grundsätzlich stehen extrakorporale Lungenersatzverfahren momentan nur in spezialisierten Zentren zur Verfügung. Da ein akutes Lungenversagen sehr rasch progredient verlaufen kann, ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit einem ARDS-Zentrum wie im vorliegenden Fall sinnvoll, um den Einsatz eines extrakorporalen Lungenersatzverfahrens nicht zu spät in Erwägung zu ziehen. Es ist aus verschiedenen Gründen auch nicht immer möglich, eine ECMO-Therapie bereits im abgebenden Krankenhaus zu initiieren. Es müssen daher regelmäßig kritisch kranke ARDS-Patienten boden- und luftgebunden verlegt werden [6].

Obwohl im Vorfeld des Transports ein Arzt-Arzt-Gespräch erfolgte, wurde im abgebenden Krankenhaus eine Neubewertung der Situation erforderlich, da die Patientin zwischenzeitlich in eine inkomplette Bauchlagerung verbracht worden war und ein Transport unter den gegebenen Bedingungen in Rückenlage an der deutlich verschlechterten Oxygenierung in dieser Lagerungsposition anzunehmend gescheitert wäre. Mithilfe des aus der Luftfahrt bewährten FORDEC-Modells („facts, options, risks & benefits, decision, execution, check“) wurde eine strukturierte Entscheidungsfindung durchgeführt und es konnten folgende Handlungsoptionen identifiziert werden [7]:

  1. a)

    Transport in Rückenlage im ITH

  2. b)

    Transport in Bauchlage im ITH

  3. c)

    Transport in Bauchlage im ITW

  4. d)

    Hinzuziehen eines ECMO-Teams und Beginn einer ECMO-Therapie im abgebenden Krankenhaus und Transport in Rückenlage nach Stabilisierung im ITH oder ITW

  5. e)

    Transportabbruch und Belassen der Patientin im abgebenden Krankenhaus

Im Anschluss wurden diese Optionen im Hinblick auf Gefahren, Risiken und Nachteile sowie Vorteile und Chancen bewertet (Tab. 1) und es wurde entschieden, den Transport in Bauchlage im ITH durchzuführen.

Tab. 1 Strukturierte Entscheidungsfindung mithilfe des FOR-DEC-Modells (Facts, Options, Risks & Benefits, Decision, Execution, Check)

Um den RTH-/ITH-Teams der ADAC Luftrettung in dieser High-risk-low-frequency-Situation eine Unterstützung im Rahmen der Entscheidungsfindung zu geben, wurde nach Auswertung der aktuellen Literatur und auf der Basis der bisher gemachten Erfahrungen zum Transport von beatmeten Patienten in Bauchlage eine Verfahrensanweisung erstellt. Das Team hat so im Vorfeld und in der konkreten Übergabesituation die Möglichkeit, anhand einer ergänzenden Checkliste alle relevanten Aspekte für eine sichere Transportdurchführung und Versorgung des Patienten zu prüfen. Die grafische Darstellung erleichtert dabei die Erfassung der wichtigsten Punkte (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Checkliste Bauchlagerung im Luftrettungsdienst. (Quelle: ADAC Luftrettung)

In der Literatur werden folgende Komplikationen durch die Bauchlagerung beschrieben: Gesichtsödeme, Druckulzera (Gesicht, Hornhaut, Becken, Knie, Tibiavorderkante), „Nichttoleranz“ während Bauchlagerung (= Husten, Pressen, Beatmungsprobleme), Herzrhythmusstörungen, Mamillennekrosen, Tubus- oder Katheterdiskonnektionen oder -dislokationen, Abknickphänomene von Schläuchen an medizinischen Geräten und Leitungen, Nervenschäden [1, 8]. Es ist daher bei der Umlagerung auf eine gute Fixierung des Tubus und aller Zugänge und nach Umlagerung auf eine Druckentlastung exponierter Stellen mit wenig Unterhautfettgewebe sowie die Zugänglichkeit zu allen Schläuchen und Kathetern während des gesamten Transports zu achten [6, 8]. Offenes Abdomen, Wirbelsäuleninstabilität, erhöhter intrakranieller Druck, bedrohliche Herzrhythmusstörungen und manifester Schock stellen relative Kontraindikationen zur Bauchlagerung dar, von denen bei lebensbedrohlicher respiratorischer Insuffizienz im begründeten Einzelfall allerdings abgewichen werden kann und muss [1, 8].

In der vorliegenden Kasuistik konnte durch die ruhige und zielgerichtete Vorgehensweise des Teams ein qualitativ hochwertiger Patiententransport in Bauchlage trotz der ausgeprägten Herausforderungen einer komplexen Beatmungssituation bei einer adipösen COVID-19-Patientin mit erforderlichem Infektionsschutz komplikationsfrei gewährleistet werden. Die konsequente Umsetzung der Hygieneschutzvorgaben mit PSA-Anlage, Einsatz eines geeigneten Beatmungsfilters und Berücksichtigung der Ablaufprozeduren hat allzeit einen unmittelbaren Zugang zur Patientin gewährleistet.

Fazit für die Praxis

  • Es gibt keine ernsthaften Einschränkungen, auch einen luftgebundenen Transport eines kritisch kranken und beatmeten Patienten in Bauchlagerung durchzuführen.

  • Im Vorfeld definierte Verfahrensanweisungen und Checklisten helfen eine sichere Anwendung zu ermöglichen und Komplikationen zu reduzieren.

  • Alle während des Transports möglicherweise notwendigen Maßnahmen müssen nach dem Grundsatz „expect the unexpected“ gut antizipiert und dem Team bekannt sein, um Komplikationen zu vermeiden, zumindest aber rasch erkennen und beheben zu können.