Zusammenfassung
Die Sicht der MigrantInnen auf Integration wurde bisher kaum zum Gegenstand wissenschaftlicher Berichte. Trotz einiger Versuche, individuelle Biographien ins Zentrum der Analyse zu rücken, fand die subjektive Interpretation und Bewertung der „Post-Migrationsprozesse“ durch die MigrantInnen bisher wenig Beachtung. Da die ersten Kohorten der in Österreich ursprünglich als „GastarbeiterInnen“ in den 1960er Jahren angeworbenen ArbeitsmigrantInnen nun das Pensionsalter erreicht haben, ist es möglich, von deren Standpunkt aus die Migration rückblickend als „Lebensprojekt“ zu betrachten. Bislang fehlten in Österreich sowohl geeignete Longitudinaldaten für quantitative Analysen als auch qualitative Zugänge, welche die subjektive Bewertung des individuellen Migrationsprojektes zum Gegenstand hatten. Die drei zentralen Aspekte der vorliegenden Untersuchung — der Lebenslauf, die subjektive Bewertung der Akteure und die Kontextabhängigkeit von Integrationsprozessen — werden in diesem Artikel als Basis für die Generierung von Hypothesen und Theorien genutzt.
Abstract
Much of the existing literature inmigration and integration research pays hardly any attention to the subjective view of the immigrants on their individual migration history and the links between prior life phases and the structural embedding of integration processes. This article aims at connecting objective data and subjective perspectives analysing the intersections between migrants’ perceptions of their individual “migration project”, objective traces of their biographies and societal opportunity structures. The model, that we develop at the end of the paper summarises emerging hypotheses during the analysis and stresses the dynamic, contextual and interactional nature of integration processes. It is based on qualitative interviews with 30 immigrants from the two biggest guest-worker groups in Austria originally recruited during the 1960ies and 1970ies from Ex-Yugoslavia and Turkey.
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Rossalina Latcheva, Dr., ist seit Februar 2010 wissenschaftliche Assistentin (post-doc) am Soziologischen Institut der Universität Zürich und seit vielen Jahren an der Universität Wien externe Lektorin im Bereich Methoden der empirischen Sozialforschung. Sie studierte an der Universität Wien Soziologie, absolvierte das postgraduale Studium der Soziologie am Institut für Höh ere Studien in Wien und promovierte 2010 an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit dem Thema „Nationale Identifikationen und ethnische Grenzziehungen: Funktionen, Konsequenzen und Veränderungen über Raum und Zeit“. Zuletzt war sie an den außeruniversitären Forschungsinstituten IHS und ZSI in Wien als Senior Researcher tät ig. Forschungsschwerpunkte: Migrations- und Integrationsforschung, nationale und europäische Identität, ethnische Grenzziehungen, Autoritarismus und demokratisches Potential in Zentral- und Südosteuropa, multivariate Verfahren der empirischen Sozialforschung, Integration von qualitativen und quantitativen Verfahren in Forschungsdesign und Ergebnisanalyse.
Barbara Herzog-Punzenberger, Mag. Postgr. Dipl. IHS, geboren 1967 in Linz an der Donau. Studium der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien, danach postgradualer Lehrgang Politikwissenschaft am Institut für Höhere Studien in Wien. Daran anschließend nationale und internationale Forschungs-, Lehr- und Vortrags- sowie Beratungstät igkeit im Bereich der Migrationsforschung. 2000–2002 Research officer am International Center for Migration Policy Development ICMPD. Im Studienjahr 2002/03 Gastwissenschafterin an der University of Calgary in Kanada. Seit 2003 Leitung des österreichischen Teils des internationalen Forschungsprojektes TIES „The Integration of the European Second Generation“ (www.tiesproject.eu). 2004–2010 Mitarbeiterin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2005 Lehrtät igkeit an der Universität Wien. Mitglied des europäischen Exzellenznetzwerkes IMISCOE „Internationale Migration, Integration und Soziale Kohäsion“. Seit Dezember 2010 Leiterin des Forschungsprogramms Mehrsprachigkeit, Interkulturalität und Mobilität des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens bifie.
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Latcheva, R., Herzog-Punzenberger, B. Integration revisited. ÖZS 36, 3–27 (2011). https://doi.org/10.1007/s11614-011-0020-4
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