Zusammenfassung
Der Aufsatz untersucht die unterschiedlichen punktebasierten Einwanderungsregelungen in den klassischen Einwanderungsländern Kanada, Australien und Neuseeland, und versucht hieraus Schlussfolgerungen für die Politikgestaltung in Deutschland zu ziehen. Dabei ist festzustellen, dass keines der Punktesysteme eins zu eins auf Deutschland übertragbar ist. Vielmehr wird deutlich, dass jedes System immer auf die sozialen, ökonomischen, politischen, aber auch geografischen Besonderheiten eines Landes ausgerichtet sein muss. Dennoch wurden grundsätzlich Vorteile und Risiken eines Punktesystems aus der Darstellung der verschiedenen Fälle deutlich, die bei der Gestaltung eines Punktesystems für Deutschland berücksichtigt werden sollten.
Abstract
The paper analyzes different point based systems in Canada, Australia, and New Zealand, and attempts to draw conclusions from it for policy making in Germany. It becomes evident that none of the point based systems in these three countries is one to one applicable to Germany. In fact, each system has always to be justified to the social, economic, political as well as geographic characteristics of a country. However, basic advantages and risks of a point based system became clear in the descriptions of these different cases that should be considered for the creation of a point based system in Germany.
Notes
Derzeit findet eine umfangreiche Zuwanderung nach Deutschland vor allem über den Asylweg und im Rahmen der EU-Binnenmigration statt. Allein in den letzten beiden Jahren sind zusammen über zwei Millionen Flüchtlinge und EU-Binnenmigranten nach Deutschland gekommen. Allerdings sind die Qualifikation sowie die Bleibe- und Integrationsperspektive der Flüchtlinge noch weitgehend ungeklärt. In der Bevölkerung hat sich zudem der Eindruck festgesetzt, dass es sich bei der Zuwanderung nach Deutschland nur in begrenztem Maße um eine gesteuerte Zuwanderung handelt.
Bei der Literatur- und Dokumentenanalyse stand vor allem die Auseinandersetzung mit den Einwanderungsregelungen zu Erwerbs- und Ausbildungszwecken in Deutschland und den Steuerungsmöglichkeiten von Arbeitsmigration im Allgemeinen und zu den konkreten Punktesystemen in den Vergleichsländern im Mittelpunkt. Dabei lieferten insbesondere die offiziellen Onlineangebote der für die Einwanderung zuständigen Ministerien und Behörden umfangreiche und aktuelle Informationen bzgl. der Kriterien und Gewichtungen der Punktesysteme sowie über den Antrags- und Bewerbungsprozess im Rahmen der Punktesysteme. In Kanada war dies vor allem das CIC (Citizenship and Immigration Canada), in Australien das Department of Immigration and Border Protection und das Department of Immigration and Citizenship sowie in Neuseeland das Immigration New Zealand. In Deutschland wurden insbesondere das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die Beschäftigungsverordnung (BeschV) und die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (VwV-AufenthG) sowie Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) analysiert.
Die Experteninterviews wurden durchgeführt, um die Analyse abzusichern und offene Fragen in den jeweiligen Ländern zu klären und einen Einblick in die Einwanderungspolitik aus der Perspektive des jeweiligen Landes zu bekommen. Zudem wurden auch Interviews mit Experten in Deutschland geführt, um mögliche Optionen der Einwanderungssteuerung hierzulande zu diskutieren und um Schlussfolgerungen für Deutschland abzuleiten. Insgesamt wurden 14 Experteninterviews durchgeführt.
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Dieser Aufsatz basiert auf den Ergebnissen zweier Studien zu Einwanderungsregelungen in Deutschland und im internationalen Vergleich, die wir im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt haben (vgl. Hunger und Krannich 2015, 2017). Die Autoren danken Günther Schultze von der Friedrich-Ebert-Stiftung für wichtige Hinweise bei der Konzeption und Durchführung der Studien.
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Hunger, U., Krannich, S. Vor- und Nachteile einer punktebasierten Zuwanderungssteuerung für den Arbeitsmarkt. Lehren aus einem internationalen Vergleich der Zuwanderungsregelungen klassischer Einwanderungsländer. Z Vgl Polit Wiss 12, 229–245 (2018). https://doi.org/10.1007/s12286-017-0374-5
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