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Ist in der Krankenakte eine Erkrankung neu hinzugekommen, rechtfertigt dies einen neuen „Behandlungsfall“.

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Einige, wenn auch wenige, Ausschlussregelungen in der GOÄ beziehen sich auf den „Behandlungsfall“. Dessen Definition ist zwar kurz und bündig, aber dennoch nicht ganz einfach zu verstehen, wie Fehlinterpretationen in der Praxis immer wieder und zur Genüge zeigen. Die Definition findet sich in den allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt B der GOÄ, der mit „Grundleistungen und allgemeine Leistungen“ betitelt ist. Dort heißt es gleich im ersten Punkt: „Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes.“

Für die Privatabrechnung stellt sich nun aber die Frage, wie lang ein Monat dauert. Sind es vier Wochen oder 28 Tage? Oder sind es vielleicht 30 Tage? Die Lösung dieser Frage findet sich in den Paragrafen 187 und 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach ist der Zeitraum eines Monats verstrichen, wenn sich der Name des Monats geändert hat und zudem ein Tag des neuen Monats vergangen ist.

Beispiel Fremdanamnese

Wie wirkt sich diese Definition nun in konkreten Ausschlüssen beziehungsweise typischen Abrechnungsbegrenzungen wie „einmal im Behandlungsfall“ aus? Eine solche Einschränkung liegt etwa in der GOÄ-Nummer 4 („Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson[en]) im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken“) vor. Die Berechnung dieser Gebühr ist „im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig“, wie es in der GOÄ wörtlich heißt. Neben etlichen Leistungsausschlüssen, die in der Ziffer 4 unmittelbar genannt werden, gilt aber auch die Ausschlussregel, dass die Ziffer 4 „im Behandlungsfall“ nicht neben dem Betreuungskomplex nach Ziffer 15 berechnungsfähig ist. Dieser Ausschluss findet sich in der Legende zur Ziffer 15.

Im Praxisalltag kommt es allerdings gar nicht so selten vor, dass bei einem Patienten mehrere Krankheiten vorliegen und insofern die Leistungen nach den Ziffern 4 und 15 innerhalb eines Monats ordnungsgemäß erbracht werden. Vordergründig würde hier jetzt die oben genannte Ausschlussregelung greifen und der Arzt müsste auf die Berechnung einer der beiden Leistungen verzichten. Doch es gibt einen Ausweg: Da der Behandlungsfall sowohl zeit- als auch diagnosedefiniert ist, kann man die Multimorbidität des Patienten nutzen: Es wird jeweils zu den Gebühren nach Ziffer 4 und 15 eine andere Diagnose als Begründung angegeben. Das Vorliegen einer anderen oder einer weiteren Erkrankung macht die Einschränkung des Behandlungsfalls auf die Behandlung „derselben Erkrankung ...“ als Abrechnungsausschluss unwirksam und begründet somit die Möglichkeit, die Ziffer 4 eben doch neben der Ziffer 15 innerhalb der für den „Behandlungsfall“ kritischen Monatsfrist zu berechnen. Dazu muss in der Leistungslegende der jeweiligen Gebühr als Begründung einfach „neuer Behandlungsfall“ (NBF) angegeben werden.

Die Gefahr, dieses Spiel inflationär zu betreiben besteht nicht, denn die mit 300 Punkten bewertete Ziffer 15 darf ohnehin „nur einmal im Kalenderjahr berechnet werden“. „Einmal im Kalenderjahr“ eröffnet auch nur einmal die Option, diese Leistungsposition — wenn medizinisch notwendig oder sinnvoll — innerhalb kurzer Zeit zweimal abzurechnen und auch dem Patienten rechtmäßig in Rechnung zu stellen: nämlich dann, wenn dazwischen der Jahreswechsel stattgefunden hat.