Die Politikwissenschaft in Frankreich

Zusammenfassung

Bis weit in die 1970er Jahre hinein war die französische Politikwissenschaft lediglich ein Vertiefungs- und Ergänzungsfach in Verbindung mit Staats- und rechtswissenschaftlichen Studiengängen. Dem Wachstum des Fachs waren damit relativ enge Grenzen gesteckt. Dessen ungeachtet nahm die französische Politikwissenschaft bereits in den 1950er Jahren die von der amerikanischen Disziplin ausgehenden Impulse für empirische Forschungen auf. Die parlamentszentrierte IV. Republik mit einer denkbar offenen und bewegten politischen Bühne bot gute Voraussetzungen für Forschungen, wie sie in den behavioralistisch begeisterten USA üblich waren. Der Wechsel zur V. Republik wirkte sich unmittelbar auf die Politikwissenschaft aus. Die neue Republik hatte die wichtigeren politischen Vorgänge vom Parlament in die Ministerien verlagert. Nach jahrzehntelanger Parlamentsherrschaft musste die französische Öffentlichkeit eine neue politische Grammatik lernen. In diesem Lernprozess spielten Politikwissenschaftler eine bedeutende Rolle. Es handelte sich aber um Fachvertreter einer Spezies, die Politikwissenschaft als Verfassungswissenschaft betrieben. Die Politikwissenschaft wurde in der Außenwahrnehmung sehr stark mit dem Gegenstandskomplex des Verfassungsrechts und der Verfassungspolitik identifiziert. Die Verfassungsentwicklung produzierte über Jahrzehnte hinweg immer wieder neue Präzedenzfälle und verlangte neue Interpretationen.