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Zusammenfassung

Wahrheit und Mission — das ist eine überraschende Verbindung, die modernen Ohren ganz anstößig klingt. Denn so, wie wir die Mission ausschließlich aus religiösem Eifer verstehen, so hat es die Wahrheit, wie wir den Begriff verstehen, allein mit Fakten und nicht mit Glauben zu tun. Spezifisch zuständig für die Wahrheit ist doch die Wissenschaft, welche bloß durch die Sache überzeugt, also nicht missioniert. Wie kommt es dann, daß auch der Siegeslauf der Wissenschaft unzweifelhaft missionarischen Charakter trägt? Wie erklärt es sich ferner, daß Mächte, welche im Namen der Wahrheit sprechen, auf den Weg der Mission gedrängt werden? Und warum haben dann nur einige Mächte Mission betrieben, obschon der Gedanke der Wahrheit doch universal sein muß? Wieso können Religion, Wissenschaft und Politik in der Verbindung von Wahrheit und Mission zusammenrinnen?

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Anmerkungen

  1. Zur Geschichte des universalistischen Wahrheitsbegriffs im Raum der philosophischen Erkenntnis mein Beitrag „Zur Soziologie der Sophistik“, Neue Hefte für Philosophie, Heft 10, 1976.

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  2. Bei Max Weber steht die Frage nach der theoretischen und praktischen Durchordnung des Weltbildes, wie sie in den Weltreligionen vor sich ging, im Vordergrund, so daß die jeweilige Mission nur am Rande auftaucht, obschon das Thema des Universalismus untergründig die „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ durchzieht. Zur zentralen Stellung dieser Arbeit in Webers Werk mein Beitrag „Das Werk Max Webers“, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 27, 1975.

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  3. In der vorstehenden Formulierung berichtet noch die Encyclopaedia Britannica in ihrer Ausgabe von 1958 in dem Artikel „Missions“ über das Ergebnis der 7-bändigen Untersuchung von Kenneth Scott Latourette, A History of the Expansion of Christianity, New York, 1937-1945.

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  4. Joseph Höffner, Kolonialismus und Evangelium. Spanische Kolonialethik im Goldenen Zeitalter. 2. Aufl. Trier 1969, hat die koloniale Mission Spaniens eindringlich in die allgemeine Geschichte des Rechtstitels der christlichen Mission hineingestellt. Man muß ihm durchaus in der Meinung folgen, daß der Anspruch auf weltlichen Zwang der Kirche durch den Kaisermythos der Spätantike, der zum Universalismus des mittelalterlichen orbis christianus gerann, nahegelegt worden war. Wo das Imperium als Abbild des himmlischen Reiches im heiligen Auftrag des Königs der Könige für Kirche und Welt verantwortlich war, da konnte ein Innozenz IV. das Recht beanspruchen, die Verkündigung des Glaubens unter den Heiden zu erzwingen. Aber diese Genese des orbis christianus, der, wie Joseph Höffner S. 4 schreibt, nicht bloß ein zäh verteidigter Besitz, sondern, religiös wie politisch, eine welterobernde Parole war, wäre doch ohne den absoluten Wahrheitsanspruch nicht möglich gewesen. Aus diesem folgt aber grundsätzlich der Anspruch auf Zwang.

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  5. Auch die zur Säkularreligion gewordene Wissenschaft beansprucht Zwangsmittel, indem sie ihren Erziehungsanspruch durch den Staat exekutieren läßt, vom Kommunismus ganz zu schweigen. Form und Maß des Zwangs freilich werden teils von Zeitlagen, teils von den Inhalten der jeweiligen universalistischen Lehre abhängen. Hier freilich sind in das Christentum, weil es sich an jeden einzelnen als das Geschöpf Gottes wendet, ganz grundsätzliche Hemmungen eingebaut. Man bedenke aber, daß auch der Kommunismus von einem Zustand träumt, in dem die befreite Menschheit sponte sua den Glauben bekennt Die bisherige Erfahrung, mit dem Zwang nicht nachlassen zu können, gehört deshalb wohl zu den stärksten inneren Bedrohungen des Kommunismus.

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  6. Zur Geschichte der Bedeutung der Wissenschaft im vorstehenden Sinne vgl. meinen Beitrag „Der Fortschritt der Wissenschaft als Trivialisierungsprozeß“, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 18, 1975; in diesem Band S. 143ff.

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  7. Es ist noch kaum beachtet worden, daß die Auseinandersetzung um Religion, Wissenschaft und Kommunismus sich im 19. Jahrhundert sehr konkret in Vereinen, Verbänden und Parteien abgespielt hat, die ausgesprochen missionarisch wirkten und wirken wollten. Die Ideen der Aufklärung, oft wieder vermengt mit sozialen Gedanken, sind durch solche Gruppen verbreitet, vor allem in die Arbeiterschaft getragen worden, immer mit der Stoßrichtung gegen die Religion und für eine säkulare Gesellschaft. George Holyoake, der den Gedanken Robert Owens verpflichtet war, wurde zum Gründer der Secular Society, die schließlich international wirkte.

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  8. Umrisse finden sich bei Hermann Lübbe, Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs, Freiburg 1965, vor allem S. 49ff. und in Colin Campbell: Towards a Sociology of Irreligion, London 1971, vor allem S. 46ff. Die Secular Society war natürlich nur eine Gruppe unter vielen. Manches Material findet sich auch bei Wolfgang Schieder: Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung, Stuttgart 1963.

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  9. Vgl. den lebendigen Bericht von Ernst Benz in dem Buch von Günther Stephenson (Hg.): Der Religionswandel unserer Zeit im Spiegel der Religionswissenschaft, Darmstadt 1976.

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  10. Saint-Simon und Comte haben mit den von ihnen inspirierten Bewegungen die Wissenschafts-und Geistesgeschichte tief und nachhaltig beeinflußt, wie Friedrich A. v. Hayek, The Counter-Revolution of Science, New York 1952 [dt. Mißbrauch und Verfall der Vernunft, Salzburg 1979, 2. Aufl.] im großen Umriß gezeigt hat. Trotz einschlägiger Arbeiten von D.G. Charlton und F.E. Manuel fehlt es jedoch an nötiger Spezialliteratur. Auch die Vorläufer des Bundes der Kommunisten waren von den genannten Bewegungen beeinflußt.

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  11. Gustav A. Wetter, Der dialektische Materialismus, Freiburg 1952; Ernst Topitsch, Gottwerdung und Revolution, Pullach 1973; Jules Monnerot, Sociologie du Communisme, Paris 1949 [dt. Soziologie des Kommunismus, Köln/Berlin 1952]; Arnold Künzli, Karl Marx, Wien 1966.

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  12. Emanuel Sarkysianz, Rußland und der Messianismus des Ostens: Sendungsbewußtsein und politischer Chiliasmus des Ostens, Tübingen 1955; Y.L. Talmon, The Origins of Totalitarian Democracy, New York 1952 [dt. Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln 1961]; ders., Political Messianism. The Romantic Phase, London 1960 [dt. Politischer Messianismus, Köln 1963]; Norman Cohn, The Pursuit of the Millenium, New York 1961 [dt. Das Ringen um das Tausendjährige Reich, Bern/München 1961]; Eric Voegelin, The new science of politics: An introduction, Chicago 1952 [dt. Die neue Wissenschaft der Politik, München 1959]; Jürgen Gebhardt, Politik und Eschatologie. Studien zur Geschichte der Hegeischen Schule in den Jahren 1830–1840, München 1963; Karl Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1953. Besonders Talmons Bücher heben auch die hier übergangene Rolle hervor, die der Nationalismus als neue Lösung zwischen den Fronten spielen konnte. Man muß ihn als den partikularistischen Gegenspieler des Kommunismus einordnen, insofern er sich gerade nicht an alle Menschen wandte. Nicht zuletzt deshalb gilt der totalitäre Faschismus der Intelligenz als reaktionär gegenüber dem als progressiv eingeschätzten totalitären Kommunismus — progressiv eben weil er universalistisch und eschatologisch denkt wie im Grunde schon der Wissenschaftsglaube.

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  13. Marx’ Polemik in der „Deutschen Ideologie“ gegen „St. Bruno“ und „St. Max“ mit der „Heiligen Familie“, dem „Leipziger Konzil“, der „Ökonomie des Alten Bundes“, dem „Neuen Testament Ich“, dem „Hohen Lied Salomonis oder der Einzige“ und dem sonst durchgängig theologischen Vokabular zeigt, wie klar Marx den religiösen Charakter dieser Strömungen erkannte und warum er sie gerade deshalb der Lächerlichkeit preisgeben mußte. Um den absoluten Anspruch seiner universalistischen Wahrheit durchzusetzen, mußte er alle Reste einer Auffassung, in der „Bewußtsein“ eine Rolle spielte, austilgen, und Religion, hegelianische Rechte oder Linke mußten dabei in einen Topf.

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  14. Helmut Gollwitzer hat in seinem Beitrag „Marxistische Religionskritik und christlicher Glaube“ (Marxismusstudien, 4. Folge, Tübingen 1962) zwar erkannt, daß der Kampf für die Befreiung bei Marx „einen eschatologisch-messianischen Charakter bekam“ (79), insistiert aber durchgängig darauf, daß der Kommunismus auch als ein bloß sozialpolitisches Programm verstanden werden könnte und dann nicht am Messianismus festhalten müßte, durch den er ja auch täglich geschädigt und verdorben würde (105). So ehrenhaft dieser Versuch sein mag, den Marxismus und Kommunismus auf seinen „rationalen Kern“ (!) zurückzuführen, so blind ist er gegenüber der Tatsache, daß der Kommunismus und der Marxismus ihre Kraft und Attraktion aus dem religiösen Mehrwert ihrer Botschaft ziehen, ohne den keine Hähne der Intelligenz nach ihnen krähen würden.

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  15. An Versuchen, zwischen den Wahrheitsansprüchen des Marxismus und des Christentums zu vermitteln, hat es seit einem Jahrhundert nicht gefehlt und kann es auch in Zukunft nicht fehlen. Aber allen solchen Versuchen, Christen für den Sozialismus zu engagieren, kann der Kommunismus nicht nachgeben, solange die Christen nicht den letzten Preis, die Kapitulation der Religion vor der einzigen Wahrheit der irdischen Eschatologie, entrichten. Solches Engagement für Marxismus und Kommunismus lebt außerhalb der Geschichte.

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  16. Das Glaubensbekenntnis und das Lied sind aus einer Fülle ähnlichen Materials der vorzüglichen Arbeit von Heiner Grote, Sozialdemokratie und Religion, Tübingen 1968, entnommen (S. 17 und S. 19). Speziell zu Lassalle auch Eckard Colberg, Die Erlösung der Welt durch F. Lassalle, München 1969.

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  17. Ebenfalls in der genannten Arbeit von Heiner Grote, S. 232.

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  18. So Heiner Grotes Urteil in der angezogenen Arbeit auf S. 122.

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  19. Die genannten Dokumente sind abgedruckt im 2. Band des von H.-J. Lieber und K.-H. Ruffmann herausgegebenen Werkes: Der Sowjetkommunismus, Köln 1963/64, und zwar der Beschluß des ZK auf S. 420f. und das Programm der KPdSU auf S. 423.

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  20. Besonders interessant sind dafür natürlich die Kaderschulen und Kaderuniversitäten in der UdSSR. Als Beispiel sei hier die 1925 in Moskau von der Komintern gegründete Sun Yat-sen Universität genannt, die neben der Communist University for the Toilers of the East die bedeutendste kommunistische Missionsanstalt für China war. Wie früher christliche Missionsorden war sie durch die Beziehung ihres ersten Rektors, Karl Radek, zu Trotzky in die internen Kämpfe einbezogen. Durch selektive Aufnahmeprozeduren, Initiationsriten und Eröffhungszeremonien, aber auch durch bereitwilliges Eingehen auf kulturelle und soziale Eigenarten der jeweiligen Zöglinge, welche ihre fremde Herkunft nicht verleugnen können, wird eine Erziehung nach dem Konzept der totalen Lebensführung erreicht, wie sie nur Glaubensmächten möglich ist. Ich verdanke vorstehende Angaben einer unveröffentlichten Übersicht über die Literatur zur Sun Yat-sen Universität, die Dr. K.-G. Riegel verfaßt hat.

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  21. Eine solche Warnung findet sich etwa auf S. 224ff. des 1. Jgs. des „Magazin für die neueste Geschichte der protestantischen Missions-und Bibelgesellschaften“ im Verlag des Missions-Institutes zu Basel, 1816.

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  22. Während die protestantische Missionsliteratur im 19. Jahrhundert eher auf den Ton gestimmt ist, daß die Heiden durch das Christentum auch aus unmenschlichen politischen, sozialen, kulturellen und natürlich medizinischen Banden erlöst werden, tritt im Obergang zum 20. Jahrhundert die Fraglichkeit der europäischen Zivilisation, jedenfalls ihres christlichen Charakters, hervor. Milde Proben dieser Gesinnung, die am Ende auch das Reich Christi eher in den Missionsgebieten als in Europa kommen sieht, findet man etwa in Hans Anstein, Afrika wie ich es erlebte, Stuttgart, Basel 1933.

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  23. Vgl. dazu meinen Vortrag „Die Glaubensgeschichte der Moderne“, in: Zeitschrift für Politik, Jg. 23, Heft 1, 1976, S. 1-15; in diesem Band S. 126ff.

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Tenbruck, F.H. (1989). Wahrheit und Mission. In: Die kulturellen Grundlagen der Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87531-0_6

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