Skip to main content

Militär und der Eigensinn der Lebenswelt

Gesellschaftstheoretische Überlegungen zum Phänomen der moralischen Segmentation zwischen ‚zivilen‘ und ‚militärischen‘ Situationen

  • Chapter
Militär als Gegenkultur
  • 142 Accesses

Zusammenfassung

Die Frage nach der Existenz moralisch eigengesetzlicher Bereiche in einer Gesellschaft hat nicht erst seit dem neu erwachten Interesse der sozialwissenschaftlichen Moralforschung an der Umwelt1Aktualität erlangt, sondern hat für Militärorganisationen wie die Bundeswehr von je her zeitlose Aktualität. Angetreten mit dem Anspruch, den Soldaten als einen Staatsbürger in Uniform zu begreifen, der im Rahmen einer demokratischen Wehrverfassung seine staatsbürgerlichen Rechte nicht am Kasernentor zurückzulassen braucht, wird die Bundeswehr mit hohen Erwartungen konfrontiert: Der militärische Alltag soll weder in seinen objektiv faßbaren Strukturen noch in der subjektiven Wahrnehmung der Soldaten zu einem moralisch eigengesetzlichen Bereich geraten, der freiheitlich-demokratischen Prinzipien zuwiderläuft. Ein segmentiertesmoralisches Bewußtsein der Soldaten, in dem das Leben innerhalb und außerhalb der Kaserne nach je unterschiedlichen moralischen Maßstäben bewertet würde, stellte diesen Anspruch zentral in Frage.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Vgl. Lind, G., Hartmann, H.A. und Wakenhut, R. (Hrsg.): Moralisches Urteilen und soziale Umwelt, Weinheim 1983

    Google Scholar 

  2. Für eine Zusammenfassung siehe: Wakenhut, R.: Militär und Moral, in: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden (S+F) 2/1984, S. 31–38

    Google Scholar 

  3. Vogt, W.R.: Zivil-militärische Konflikte in der demokratischen Industriegesellschaft. Eine soziologische Konzeptualisierung des ‚Theorems der Inkompatibilität‘, in: Schulz, K.-E. (Hrsg.): Streitkräfte im gesellschaftlichen Wandel, Bonn 1980, S. 37–74

    Google Scholar 

  4. So z. B.: Vogt, W.R.: Das Theorem der Inkompatibilität. Zur Unvereinbarkeit von atomarer Militärgewalt und fortgeschrittener Gesellschaft, in: Vogt, W.R. (Hrsg.): Sicherheitspolitik und Streitkräfte in der Legitimitätskrise. Analysen zum Problem der Delegitimierung des Militärischen im Kernwaffenzeitalter, Baden-Baden 1983, S. 21–57

    Google Scholar 

  5. Vogt, W.R., Das Theorem der Inkompatibilität. Zur Unvereinbarkeit von atomarer Militärgewalt und fortgeschrittener Gesellschaft, in: Vogt, W.R. (Hrsg.): ,a.a.O., 1980, S. 51ff

    Google Scholar 

  6. Siehe hierzu: Wachtier, G.: Struktur- und Funktionswandel der Streitkräfte, in: Vogt, W.R., a.a.O., 1983, S. 59–77

    Google Scholar 

  7. Für einen neueren Überblick siehe: Lind, G.: Entwicklung des moralischen Urteilens — Leistungen und Problemzonen der Theorien von Piaget und Kohlberg, in: Lind et al., a.a.O., 1983, S. 25–42

    Google Scholar 

  8. Habermas, J.: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt 1983, S. 127–200

    Google Scholar 

  9. Insofern nehmen wir uns die Freiheit, von eigenen früheren Darstellungen abzuweichen, die sich — nicht zuletzt bedingt durch die Verwendung elaborierter Erhebungsmethoden, die eine gewisse theoretische Schwerfälligkeit mit sich bringen — enger an das ursprüngliche Modell von Kohlberg anlehnten.

    Google Scholar 

  10. Damit ist gemeint, daß sich die Universalisierbarkeit nicht auf formaleSituationscharakteristika, sondern eher auf strukturelleMerkmale bezieht. Vgl. dazu z. B.: Rawls, J.: A Theory of Justice, Cambridge, Mass. 1971 oder Habermas, J.: Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, in: Habermas, J. und Luhmann, N.: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt 1971, S. 101–142; siehe auch Fußnote 25

    Google Scholar 

  11. Hoffe, E., Lappe, L. und Lempert, W.: Sozialisationstheoretische Überlegungen zur Analyse von Arbeit, Betrieb und Beruf, in: Soziale Welt, 33, S. 508–536

    Google Scholar 

  12. Hegner, K., Lippert, E. und Wakenhut, R.: Selektion oder Sozialisation, Opladen 1983, S. 65f

    Google Scholar 

  13. Senger, R.: Segmentierung des moralischen Bewußtseins bei Soldaten, in: Lind et al., a.a.O., 1983, S. 193–210.

    Google Scholar 

  14. Wakenhut, R.: Lebensweltliche Moral und moralische Segmentierung bei Unteroffizieren der Bundeswehr, in: Klein, P. (Hrsg.): Das strapazierte Rückgrat. Unteroffiziere der Bundeswehr, Baden-Baden 1983, S. 309–327

    Google Scholar 

  15. Schütz, A.: Gesammelte Aufsätze, Bd. 1: Das Problem der sozialen Wirklichkeit, Den Haag 1971, S. 8

    Google Scholar 

  16. Berger, P. und Luckmann, T.: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt 1980

    Google Scholar 

  17. Thomas, W.I.: On social organization and social personality. Selected Papers editet by M. Janowitz, Chicago 1966

    Google Scholar 

  18. Thomas, W.I., a.a.O., 1966, S. 13

    Google Scholar 

  19. Habermas, J.: Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, Frankfurt 1981, S. 223

    Google Scholar 

  20. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 171–293

    Google Scholar 

  21. Schütz, A. und Luckmann, T.: Strukturen der Lebenswelt, Bd. 1, Frankfurt 1979, S.26

    Google Scholar 

  22. Gurwitsch, A.: Problems of the Life-World, in: Natanson, M. (ed.): Phenomenology and Social Reality, Den Haag 1970, S. 35

    Chapter  Google Scholar 

  23. Schütz, A. und Luckmann, T., Problems of the Life-World, in: Natanson, M. (ed.): a.a.O., 1979, S. 29

    Google Scholar 

  24. Schütz, A. und Luckmann, T., Problems of the Life-World, in: Natanson, M. (ed.): a.a.O., 1979,Ebenda, S. 33

    Google Scholar 

  25. Vgl. z. B. Neisser, U.: Kognitive Psychologie, Stuttgart 1974. So betont Neisser, daß die Wahrnehmung von Objekten dergestalt verläuft, daß subjektiv selegierte Objektmerkmale „synthetisiert“werden und dadurch in einem konstruktiven Prozeß zu einer Klassifikation der Objekte führen.

    Google Scholar 

  26. Vgl. dazu Schütz, A.: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt, Frankfurt 1974, S. 109f. Typisierungsschema bedeutet hier eine weitere Akzentuierung: „Unter Typisierung versteht man den abstrahierenden Akt, durch den das besondere Hier und Jetzt eines Gegenstandes oder Ereignisses von seiner Besonderheit losgelöst und mit Bückrichtung auf seine charakteristischen Eigenschaften bzw. seine Qualität betrachtet wird. Dieser Vorgang impliziert eine Idealisierung, durch welche die Gegenstände in Begriffen ihrer Möglichkeiten gesehen werden, und als solche keine existierenden Objekte mehr sind. Typisierungsvorgänge können vor und unabhängig von der aktuellen Situation, in der sie von dem wahrnehmenden Subjekt eingesetzt werden, ablaufen. Damit eine Situation überhaupt wahrgenommen werden kann, müssen Alltagsstrukturen und das ethnomethodologische Paradigma, in: Sprondel, W. und Grathoff, R. (Hrsg.): Alfred Schütz und die Idee des Alltags in den Sozialwissenschaften, Stuttgart 1979, S. 183

    Google Scholar 

  27. Vgl. Schütz, A. und Luckmann, T., a.a.O., 1979, S. 172–223

    Google Scholar 

  28. Schütz, A. und Luckmann, T., a.a.O., 1979Ebenda, S. 300 und 312f

    Google Scholar 

  29. Schütz, A. und Luckmann, T., a.a.O., 1979Ebenda, S. 301

    Google Scholar 

  30. Schütz, A. und Luckmann, T., Schütz, A. und Luckmann, T., a.a.O., 1979, S. 301

    Google Scholar 

  31. Bildlich gesprochen: Ist das Phänomen einer bestimmten moralischen Segmentierung Bestandteil des allgemeinen Grundrauschens oder ist es ein klar hervorgetretender Ton?

    Google Scholar 

  32. Als pathogene Formen werden von uns solche Segmentationen betrachtet, in denen sich die Aufhebung der synthetisierenden Funktion des lebensweltlichen Bewußt-seins ausdrückt.

    Google Scholar 

  33. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 179–181

    Google Scholar 

  34. Habermas, J.: Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S.231f.

    Google Scholar 

  35. Vgl. Habermas, J., a.a.O., 1976, S. 9–48 sowie Habermas, J., a.a.O., 1981

    Google Scholar 

  36. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 232

    Google Scholar 

  37. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 259

    Google Scholar 

  38. Habermas, J., a.a.O., 1981Ders., S. 175

    Google Scholar 

  39. Statische Begründungen von Normen wären im skizzierten Stufenmodell die präkonventionellen Orientierungen an Strafe und an einem instrumentellen Relativismus, sowie die konventionellen Orientierungen innerhalb der Primärgruppe und innerhalb des Rahmens vorgefundener Gesetze.

    Google Scholar 

  40. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 218

    Google Scholar 

  41. Ders., S. 464

    Google Scholar 

  42. Militärische Strukturen sind hochrangig durch solche Steuerungsmedien geprägt, die sprachliche Verständigung substituieren. Das hat auch N. Luhmann beobachtet, wenn er feststellt, daß Militärs politisch nicht konfliktfähig seien, weil sie an eine variablenarme Umgebung gewohnt sind.

    Google Scholar 

  43. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 273

    Google Scholar 

  44. Ders., S. 215 u. S. 520ff sowie S. 548–593

    Google Scholar 

  45. Ders., S.521f

    Google Scholar 

  46. Ders., S. 232f

    Google Scholar 

  47. Zum Stichwort „evolutionäres Lernen“siehe ders., S. 464

    Google Scholar 

  48. Habermas, J., a.a.O., 1976, S. 74

    Google Scholar 

  49. Haan, N.: Coping and Defending, New York 1977

    Google Scholar 

  50. Vgl. Wakenhut, R., a.a.O., 1984, S. 37

    Google Scholar 

  51. Senger, R. und Wakenhut, R.: Moralische Segmentierung und der Anspruch der Inneren Führung, in: Zoll, R. (Hrsg.): Sicherheit und Miütär, Opladen 1982, S. 170–181. Sowie: Wakenhut, R., a.a.O., 1983

    Chapter  Google Scholar 

  52. Van der Meulen, J.S.: Einige Eigentümlichkeiten der Kriegserzählung, in: Zoll, R. (Hrsg.): Sicherheit und Militär, Opladen 1982, S. 159

    Google Scholar 

  53. Die letzten beiden Moralwelten sind insofern auch ein psychodynamisches Problem im Nuklearzeitalter. Vgl. dazu Broughton, J.: The Psychological Origins of Nuclear War, in: Kohr, H.-U. und Räder, G. (Eds.): New Social Movements and the Perception of Military Threat in Western Democracies, München, Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr, Forum 3, 1983, S. 73–106

    Google Scholar 

  54. So z. B. in der Figur des „heiligen Krieges zur Vernichtung des Bösen“als selbsternannter Erzengel des Armaggedon.

    Google Scholar 

  55. Vgl. Schütz, A.: Gesammelte Aufsätze, Bd. 2, Studien zur soziologischen Theorie: Der gut informierte Bürger, Den Haag 1972, S. 85–101

    Book  Google Scholar 

  56. Bis 1979 zeigen die empirischen Daten der Einstellung der Bevölkerung zu sicherheitspolitischen Fragen, daß „äußere Sicherheit“kein gravierendes Problem darstellte, daß „Bundeswehr“zwar keine beliebte, aber akzeptierte Institution darstellte und daß die Meinungen zur Sicherheitspolitik eng mit der Parteipräferenz verbunden waren. Inzwischen ist die Selbstverständlichkeit der Sicherheitspolitik in Frage gestellt worden, speziell im Hinblick auf die Doktrin der „flexible response“. Andererseits ist empirisch festzustellen, daß die Implikationen der „flexible response“von 1977 bis heute gleichermaßen abgelehnt wurden. Zur Legitimitätsproblematik der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte vgl. Vogt, W.R., a.a.O., 1983, insbes. S. 9–19, S. 99–139, S. 141–166

    Google Scholar 

  57. Habermas, J., a.a.O., 1981, S. 580

    Google Scholar 

  58. Diese Trennung wurde schon in der Goebbelschen Proklamation des „totalen Krieges“propagandistisch aufgehoben. Andererseits ist bemerkenswert, daß ein beträchtlicher Anteil der Forschungsaufträge für psychologische Kriegsführung gerade in ethnomethodologischen Studien vorliegt (vgl. Watson, P.: War on the Mind, London 1978)

    Google Scholar 

  59. Siehe: Braun, M., Fricke, W. und Klein, P.: Erziehungin der Bundeswehr, München, Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr (unveröffentlichtes Manuskript, nur für den Dienstgebrauch); jenseits des Dienstgebrauchs sind einige Ergebnisse berichtet in: MEDIATUS 2/85, S. 4. Wenn die politischen und militärischen Funktionen des Militärs lebensweltlich problematisch werden, dann schlägt das natürlich auf die Integration der militärischen Situation in die Lebenswelt der Soldaten (seien es nun Berufs- oder Zeitsoldaten oder Wehrpflichtige) durch. An dieser Stelle wäre nun mit der Analyse der lebensweltlichen Verarbeitung des Daseins als Angehöriger einer militärischen Organisation fortzufahren. Im Hinblick auf den Umfang und auch darauf, daß dieser Aspekt mithin aus der Perspektive einer „verstehenden Soziologie“oft beschrieben wird, haben wir auf dieses Kapitel verzichtet.

    Google Scholar 

  60. Vgl. Räder, G. und Wakenhut, R.: Morality and Military Organziation. Paper presented to the Seventh Annual Scientific Meeting of the International Society of Political Psychology, June 24–27, 1984, Toronto

    Google Scholar 

  61. Vgl. Kohr, H.-U. und Räder, G.: Socio-political Orientations and the Perception of Military Threat in West Germany Youth, in: Kohr, H.-U. und Räder, G. (Eds.): New Social Movements and the Perception of Military in Western Democracies, München 1983, S. 1–33

    Google Scholar 

  62. Zimmerli, W.: Gesellschaftliches System und Wandel ethischer Normbegründung, in: Kruedener, J. und v. Schubert, K.: Technikfolgen und sozialer Wandel, Köln 1981, S.197

    Google Scholar 

  63. Siehe Cadwallader, L.: Die kybernetische Analyse des Wandels, in: Zapf, W. (Hrsg.): Theorien des sozialen Wandels, Köln/Berlin 1970, S. 141–146

    Google Scholar 

  64. Vgl. Habermas, J., Die kybernetische Analyse des Wandels, in: Zapf, W. (Hrsg.): a.a.O., 1981, S. 464

    Google Scholar 

  65. Siehe hierzu Lippert, E.: a.a.O., 1982, S. 168

    Google Scholar 

  66. Ganser, H.W. und Senger, R.: Diskurs statt Abschottung, in: Vogt, W.R. (Hrsg.): Streitfall Frieden, Heidelberg 1984, S. 311–322

    Google Scholar 

  67. Vgl. die diesbezügliche Kritik von Freitag, B.: Theorie des kommunikativen Handelns und genetische Psychologie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 3/1983, S. 555–576

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Wolfgang R. Vogt

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1986 Leske Verlag + Budrich GmbH, Leverkusen

About this chapter

Cite this chapter

Räder, G., Wakenhut, R. (1986). Militär und der Eigensinn der Lebenswelt. In: Vogt, W.R. (eds) Militär als Gegenkultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93768-1_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93768-1_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-0524-3

  • Online ISBN: 978-3-322-93768-1

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics