Zusammenfassung
Gegenwart — ist das auch „Zeit“? Wir sprechen gerne von den drei Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft — aber da besteht eigentlich keine Gleichrangigkeit, eher ein Mißverhältnis. Denn Vergangenheit und Zukunft sind weit gespannt, sie „beginnen“ jeweils in der Gegenwart, aber wir können sie uns beliebig ausgedehnt denken — bis ins Endlose hinein. Dagegen ist die Gegenwart eigentlich nicht mehr als ein Punkt oder die Markierung der Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft. Aber meist meinen wir damit ein mehr oder weniger großes Umfeld um das Jetzt herum: erst dadurch gewinnt Gegenwart Anschaulichkeit und Realität. Oft wird Gegenwart geradezu als Gegensatz zur Zeit aufgefaßt, nämlich zur linearen Zeitvorstellung. Gegenwart bildet dann eine kleine Insel von Zeitlosigkeit im ständigen Strom von Zeit. Dieses kleine Territorium scheint der Mensch sich zum Schutz gegen die „Zeit“ selbst konstruiert zu haben. An sich gibt es ja nur das ständige Fließen ohne irgendwelche Momente des Stillstands. Unaufhörlich ticken die Zeiger, auch die ‚Zwölf’ ist kein Haltepunkt. Aber der Mensch hat offenbar ein Bedürfnis, im Spiel der ständigen Veränderungen auch einmal das Verharren, das zeitlose Sichgleichbleiben zu erleben — philosophisch gesprochen einmal das „Sein an sich“ neben dem unaufhörlichen Wechsel und Werden zu spüren. So denkt er sich „Gegenwart“ als Augenblick ohne Zeit, in dem er nichts empfindet als die Übereinstimmung mit sich selbst, mit der Natur, mit der Welt und mit Gott in Identität und zeitloser Eingebundenheit.
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© 1988 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Wendorff, R. (1988). Gegenwart — der normale Einstieg in die Zeit. In: Der Mensch und die Zeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94168-8_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94168-8_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12046-1
Online ISBN: 978-3-322-94168-8
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