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Vergleichende Revolutionsanalyse: Auf dem Wege zu einer kritischen Bestandsaufnahme

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Krisen, Staatsstreiche und Revolutionen

Part of the book series: Studien zur Sozialwissenschaft ((SZS))

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Zusammenfassung

„Die Geschichte ist im allgemeinen nicht freundlich gegen Revolutionen gewesen“ (Huntington 1971a: 5). Es finden sich nur wenige Revolutionen1, abgesehen von der Seltenheit der sogenannten Großen Revolutionen oder „großen sozialen Revolutionen“ (Edwards 1927), die sich fast an einer Hand abzählen lassen, wie die Französische Revolution, die Russische Revolution und die Chinesische Revolution. Die Geschichte ist jedoch nicht ganz so unfreundlich mit revolutionären Aktivitäten gewesen, selbst wenn deren Ergebnis nicht in einer Revolution bestanden haben mag, sondern in anderen Formen sozialen Wandels oder sogar sozialer Restauration. Sozialwissenschaftler, die sich mit der Entwicklung einer kausalorientierten Revolutionsanalyse beschäftigen, finden sich somit einer nahezu unmöglichen Aufgabe gegenüber. Eine breitere Definition der abhängigen Variable, nämlich revolutionärer Phänomene anstelle von Revolutionen, die die Zahl der Fälle für eine Analyse erhöhen würde, löst das Problem nicht, da wir erstens daran interessiert sind, die Bestimmungsgründe für erfolgreiche revolutionäre Umstürze zu finden, die sich von denen für fehlgeschlagene Umsturzversuche (wenn auch nicht in jeder Hinsicht) unterscheiden, und wir zweitens nicht wissen, wie eine solche Definition die Resultate beeinflussen wird (s. auch in Kap. 5.5 im Hinblick auf die Frage eines angemessenen Forschungsdesigns). Zum jetzigen Zeitpunkt liegt keine Studie vor, die dem Forscher Richtlinien an die Hand gäbe, welchen Preis er dafür zu zahlen hat, daß er entweder eine engere oder weitere Definition von Revolutionen verwendet2.

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Anmerkungen

  1. Zumindest im Hinblick auf die Untersuchungsperiode in diesem Kapitel, d.h. für die Zeit nach der Renaissance, wobei der Schwerpunkt auf den letzten drei Jahrhunderten liegt.

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  2. Welche katastrophalen Folgen die Benutzung unzweckmäßiger (operationaler) Definitionen von Revolutionen hat, zeigt sich u. a. in Kap. 5.4.6.

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  3. Oder gelegentlich angemessener: Schlüsselvariablen, die als kausal angesehen werden.

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  4. Für eine Diskussion marxistischer (neomarxistischer und sozialistischer) Ansichten vgl. z.B. Black/Thornton (1964), die auch eine Analyse verschiedener kommunistischer revolutionärer Aktivitäten in verschiedenen Teilen der Welt liefern; Lindner (1972); Lenk (1973); von Beyme (1973: 13–19); Jaroslawski (1973); Winkler (1974); Schissler (1976); Draper (1977). Vgl. auch den hervorragenden theoretischen Abriß bei Kase 1968.

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  5. Oder religiöse Systeme. Vgl. Lewy (1974) für eine detaillierte Darstellung und Fallanalysen der Beziehungen zwischen „Religion und Revolution“. Religiöse Faktoren mögen in einigen Fällen (z. B. was die Opposition gegen das auf Modernisierung gerichtete Regime des Schahs von Persien — s. Anm. 27 — oder die Hussitische Revolution, s. Kaminsky 1967; Kalivoda 1976, anlangt) die Verbreitung revolutionärer Ideen erklären, wohingegen in anderen Fällen religiöse Vorstellungen eher eine vorbeugende Wirkung zu besitzen scheinen. Im Sinne des letzteren ist behauptet worden, daß der Methodismus dazu beigetragen hat, daß es zu keiner Revolution in England im 19. Jahrhundert gekommen ist (vgl. auch Hearn 1978: 200ff.). Für viele Beobachter liefert der Hinduismus das prominenteste Beispiel einer Religion — um Marx’ extreme Formulierung zu benutzen —, die „Opium für das Volk“ darstellt. Der Einfluß religiöser Faktoren ist in cross-nationalen Analysen der Revolution bislang vernachlässigt worden. Eine Ausnahme stellt vielleicht der komplexe Erklärungsansatz von Eisenstadt (1978) dar. Vereinfacht ausgedrückt sucht er einen Zusammenhang zwischen (1) der Organisation der Herrschaft oder allgemeiner: einer Gesellschaftsordnung, (2) der — falls vorhanden — religiösen Spannung zwischen Erwartung im Jenseits und Verhalten im Diesseits und revolutionären Umstürzen oder nicht herzustellen. Nur dort, wo (1) und (2) bestimmte Ausformungen annehmen, also etwa ein imperial-feudaler Staat (im Unterschied zu einem patrimo-nialen, dessen Herrschaft isolierter und damit besser geschützt sei) und eine Religion mit Jenseitsbezug und starker diesseitiger aktiver Erlösungskomponente vorhanden sei, werde eine revolutionäre Änderung der Gesellschaft begünstigt. Wie Weede (1979a) bemerkt hat, fallen aber verschiedene historische Fälle durch dieses Grobraster bzw. lassen sich nicht zwingend einordnen. Auch ist die Terminologie Eisenstadts und sein Umgang mit den zumeist älteren historischen „Daten“ alles andere als präzise. Vgl. auch in Anmerkung 124.

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  6. „In jedem vorliegenden Werk eines Marxisten ist die Trennung zwischen dem wissenschaftlichen Element und den moralistischen Elementen, die aus dem gleichermaßen großen Wunsch, gute anstelle schlechter Worte zu benutzen, resultieren, nahezu ebenso schwierig wie ein ähnliches Vorgehen bei der Analyse der Arbeiten der klassischen Wirtschaftstheoretiker“ (Brinton 1965: 288).

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  7. Die Klassenkämpfe in Frankreich, in Karl Mara/Friedrich Engels: Ausgewählte Werke, Bd. 1, Ostberlin 1966: 211.

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  8. Huntington formuliert ausgesprochen drastisch: “Marx war ein politischer Primitivling. Er war nicht in der Lage, eine politische Wissenschaft oder eine politische Theorie zu entwickeln, weil er kein Verständnis für Politik als autonomes Handlungsfeld besaß und keine Vorstellung einer politischen Ordnung hatte, die über die einer sozialen Klasse hinausgeht. Lenin jedoch erhob eine politische Institution, die Partei, über die sozialen Klassen und sozialen Kräfte“ (Huntington 1968: 336).

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  9. Die Unzweckmäßigkeit, revolutionäre Ideologien und revolutionäre Absichten zur Erklärung des Auftretens und der Ergebnisse von Revolutionen zu benutzen, wird von Aya (1979: 48 et passim) belegt: „In zwei entscheidenden Fällen, Mexiko und China, bestanden die ideologischen Strömungen, die letztlich triumphierten, als politische Bezugspunkte noch nicht in konkreter Form, als die alten Regime im Jahre 1911 zusammenbrachen“ (ebd., S. 64).

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  10. S. Manning (1975; vgl. auch Roots 1966) für eine detaillierte Übersicht über die Literatur zum Thema “Peasantry and the English Revolution“. Hinsichtlich der Bedeutung der Levellers vgl. auch Brailsford (1961) und Webster (1974) und den Überblick bei Saage (1980). Ferner s. Manning (1976) über die Bedeutung der “middle sort of people“.

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  11. Vgl. auch die Hypothese von Trevor-Roper (1959), daß eine allgemeine (revolutionäre) Krise zwischen dem sich weiter konsolidierenden und bürokratisierenden Staat und der Gesellschaft in verschiedenen europäischen Ländern während der Jahre 1640–1660 herrschte. Eine Debatte dieser These findet sich u. a. in den Beiträgen von Hobsbawm, Mousnier, Roberts und Trevor-Roper in Aston (1965). Vgl. auch Elliott (1969; s. auch 1963), der die Anwendbarkeit der These auf Frankreich und Spanien bezweifelt (vgl. auch die Einwände von Kamen 1971: 308). Ein allgemeiner Überblick über die Debatte findet sich bei Rabb (1975). Die jüngste Darstellung geben Parker/Smith (1978).

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  12. Wenn wir von der Chinesischen Revolution sprechen, so ist die kommunistische Revolution gemeint (es sei denn anders angezeigt). Eine Darstellung der Ursprünge der (unvollendeten) Chinesischen Revolution aus dem Jahre 1911 findet sich bei Wright (1968), wobei die Schlußfolgerung lautet, daß „keine klar erkennbare und wohlorganisierte Schicht oder Gruppe bereitstand, die alte Elite zu ersetzen“ (ebd., S. 59; über die Rolle der Bourgeoisie vgl. auch Bergère 1968). Kein Zweifel kann jedoch bestehen, daß „die Revolution im Jahre 1911, ungeachtet der nachfolgenden Turbulenzen eine Revolution war. Genauer war es nicht eine, sondern es waren zwei Revolutionen. Eine war die im engeren Sinne politische Revolution der Jahre 1911–12, die das System der monarchistischen Herrschaft überwarf. Die andere war die breitere kulturelle Revolution der Jahre 1895–1913, die das konfuzianische System der Werte zerstörte. Beide waren andauernde Erfolge, wie sich an dem Fehlschlag Yüan Shih-k’ais zeigte, die Monarchie oder den Konfuzianismus wiederzubeleben. Es trifft zu, daß die Revolution von 1911 zu keiner neuen Gesellschaftsordnung führte, die die alte ersetzte. Sie war erfolgreicher in der Destruktion als in der Schaffung einer neuen Gesellschaft. Dennoch wies sie in ihrem Nationalismus, Egalitarismus und in der Partizipation der Massen an den sozialen und politischen Fragestellungen eindeutig den Weg zu den kreativen Leistungen des Vierten Mai und der weiteren Entwicklungen“ (Rhoads 1975: 277). Vgl. auch Rankin (1971) für eine Analyse der Rolle der radikalen Intellektuellen in Shanghai und Chekiang, die nützliche kurze Zusammenfassung der Revolutionsereignisse des Jahres 1911 durch Liang (1962), der die Bedeutung der Aufstände vor der Revolution hervorhebt (s. dazu etwas längerfristig auch Kuhn 1970), wie auch Cheng (1973); Lewis (1976) und Esherick (1976). S. allgemein auch Chesneaux et al. (1976).

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  13. „Eine solche Erklärungsskizze besteht aus mehr oder weniger vage umrissenen Gesetzen und Anfangsbedingungen, die als wichtig angesehen werden, und bedarf der weiteren ‚Ergänzung‘, um daraus eine vollständige Erklärung zu machen. Letzteres erfordert empirische Forschung, deren Richtung durch die Erklärungsskizze angegeben wird“ (Hempel 1965: 238).

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  14. In der Menge der Studien über Revolutionen ist nahezu jeder Faktor als kausal für das Auftreten von Revolutionen bezeichnet worden, wie Eckstein (1965) bemerkt hat.

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  15. Zum folgenden vgl. Rosenstock-Huessy 1951; Griewank 1969; Kamenka 1966; Kumar 1971: 7–40. Vgl. auch Koselleck1969; Lasky 1976: 240–259. Für die Geschichte des Begriffes der Revolution und seine Vorläufer bei den griechischen und römischen Philosophen s. auch Hatto 1949 und die umfassende Studie von Seidler 1955. S. auch Fuks (1974) für eine Analyse der „Muster und Typen sozial-ökonomischer Revolutionen in Griechenland vom 4.–2. Jahrhundert v. Chr.“. Eine Diskussion der Entwicklung des Begriffs der „Revolution“ in Frankreich vom Mittelalter bis zur Aufklärung findet sich bei Bender 1977. Hinsichtlich Condorcets vgl. z. B. Reichardt 1973.

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  16. Rosenstock-Huessy (1931) hat den Wandel des Begriffs der Revolution in dieser dreifachen Unterscheidung zusammengefaßt: „naturalistisch“, „romantisch“ und „realistisch“. Doch erzeugen diese Ausdrücke verschiedene unerwünschte Konnotationen. Selbst wenn die Glorreiche Revolution in ihrer Zeit als ein Naturphänomen angesehen worden sein mag, so waren die politischen Ereignisse alles andere als „natürlich“ (vgl. z. B. die Diskussion bei Kenyon 1977).

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  17. Die zweifelhafte Statistik von „Revolutionen“ bei Calvert (1967; vgl. Kap. 5.4.6.4 für eine Kritik) wird durch Kramnick aufgenommen: „Wenn man als Kriterium für eine Revolution den Wechsel der Regierung durch gewaltsame Mittel nimmt, so findet man nach einer jüngsten Arbeit 135 Revolutionen zwischen 1946 und 1965–367 zwischen 1900 und 1965 oder 5.56 pro Jahr“ (Kramnick 1972: 29).

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  18. Das Beispiel Gandhis, das manchmal in diesem Zusammenhang zitiert wird, paßt nicht hierhin, da sich sein gewaltloser Protest im Rahmen der Schaffung eines nation-state ereignete. Die zu jener Zeit herrschenden Eliten gehörten zu einem anderen politischen und kulturellen Kontext (vgl. auch das nächste Kapitel).

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  19. Engels z. B. betrachtet Gewalt — darin Marx folgend — als „Geburtshelferin jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht“ (Friedrich Engels: Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, Ostberlin 1964: 43; Marx: Das Kapital, 1. Bd., in: Marx-Engels: Werke, Bd. 23: 779). Mao schreibt wie folgt: „Die Revolution ist keine Abendgesellschaft, kein literarisches Kunstwerk, kein Gemälde und keine Stickerei. Sie kann nicht so vornehm sein, so gelassen und maßvoll, sie ist weder wohlausgewogen noch milde, sie ist nicht freundlich, ehrerbietig, mäßig und nachgiebig. Die Revolution ist ein Akt der Gewalt, sie ist die gewalttätige Handlung einer Klasse, die die andere stürzt“ (Mao Tse-Tung 1927 -hier wie bei Vatikiotis 1972: 211 zitiert). Eine vielleicht angemessenere Antwort zur Rolle der Gewalt in Revolutionen wird von Winkler (1974) gegeben, der hervorhebt (vgl. auch die Analyse bei Moore 1966, Kap. 5.4.3.2 für einige ähnliche Aspekte), daß Gewalt eine wahrscheinlich wichtige Rolle in (Arbeiter-)Revolutionen spielt, denen keine „bürgerliche Revolution“ vorangegangen ist. Marx ist jedoch im Recht, wenn er von der „Revolution als der treibenden Kraft der Geschichte“ („Die deutsche Ideologie“) spricht.

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  20. Vgl. aber auch Rosa Luxemburg (Politische Schriften I–III, herausgegeben von Ossip K. Flechtheim, Frankfurt/M. 1966–1968, Bd. 1: 178) für eine gegenteilige Meinung in dieser Frage.

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  21. Vgl. auch die Definition von Tilly: „Eine Revolution beginnt, wenn ein politisches System das Ziel wirksamer konkurrierender, sich gegenseitig ausschließender Ansprüche zweier oder mehrerer unabhängiger politischer Einheiten (polities) wird“ (Tilly 1973: 439).

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  22. Groth scheint teilweise eine ähnliche Definition zu übernehmen. Für ihn ist Revolution „irgendein nicht-systemischer Wandel, entweder in der Führung oder in den Institutionen eines Staates oder in beidem. Nichtsystemisch soll ein Wandel heißen, der in seinen Formen nicht ausdrücklich oder durch weitreichende Übereinstimmung mit den konstitutionellen gesetzlichen Vorschriften des bestehenden Systems autorisiert ist und der die politische Entscheidungsmacht umverteilt“ (Groth 1972: 32).

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  23. „Es ist unmöglich, irgendeine dezentralisierte traditionale Gesellschaft oder irgendeine moderne föderalistische Gesellschaft in das Modell einzupassen“ (Stone 1966: 174).

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  24. Oder — wie auch gemeint worden ist — weil die führenden Generäle mit de Gaulle über eine Rehabilitation hoher Offiziere verhandeln wollten, die während des Algerienkonfliktes in Ungnade gefallen waren.

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  25. Die Folgen eines Mangels an definitorischer Klarheit können bei Brier/Calvert (1975) gesehen werden, die die Definition zum Ausgang nehmen, daß Revolutionen „Gelegenheiten des Regierungsumsturzes durch physische Gewalt oder ihre überzeugende Androhung sind“ und demzufolge 93 „Revolutionen“ zwischen 1961–70 (und 62 zwischen 1951–60) zählen. Ihre “checklist of transitions“ ist für die Jahre 1971–79 bei Calvert (1979) fortgeschrieben.

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  26. Hinsichtlich der Schriften von Arendt über Revolutionen vgl. die vernichtende Kritik durch Hobsbawm (1964; vgl. auch Jonas 1969).

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  27. Beispiele für den letzteren Typus der Revolution sind in neueren Zeiten selten, es sei denn, man will (einige der) Varianten des „Faschismus“ bzw. Nationalsozialismus als „Revolutionen“ zählen. Besonders im Falle des deutschen Nationalsozialismus wurden seit langem bestehende Elemente der Gesellschaft mit revolutionären Elementen verschmolzen (vgl. Bracher 1976b für eine zusammenfassende vergleichende Analyse und weiter unten in diesem Kapitel). Eine bemerkenswerte Ausnahme ist die andauernde shiitische „islamische Revolution“ unter Ayatollah Khomeini im Iran (vgl. Graham 1978 für eine nützliche Hintergrundstudie bis zum Jahre 1977; vgl. außerdem Halliday 1979). Arani (1980) hebt in seiner vorzüglichen knappen Darstellung der islamischen Revolution Khomeinis und ihrer bisherigen Folgen die Schwäche und Korruption der (regierenden) Mittelschichten und des Schahregimes hervor. Der Schah hatte es versäumt, sich eine wirkliche soziale und politische Basis, etwa unter den Mittelschichten, zu schaffen. Als er nicht mehr „wollte“ bzw. von den USA nicht mehr (moralisch) gestützt wurde und auch die Armee nicht einsetzte — diese wies bereits Anzeichen beginnender Illoyalität auf —, brach das Regime schnell zusammen. Khomeinis Unterstützung gründet sich vor allem auf die Allianz mit den Bazarhändlern, die ihn weitgehend „finanzieren“, auf entfremdete Studenten ohne große Berufsaussichten, auf andere gegen den Schah gerichtete Gruppen der Intelligenz und auf das „Lumpenproletariat“, abgesehen von dem großen Bindungsfaktor der antiwestlichen religiösen Erneuerung. Letztlich sind in der überschnellen, alle Maßstäbe verletzenden und für die unteren sozialen Schichten reale Einbußen bedeutenden Wachstumspolitik (die dazu noch von 1976 an — mit Ausnahme der Bauindustrie — in eine Rezession umschlug), in der Urbanisierungspolitik und der gescheiterten Landreform einige der entscheidenden Faktoren für die Revolution im Iran zu sehen. Außerdem war die Armee bewußt aus unterschiedlichen sozialen Gruppen rekrutiert worden, was sie zwar zu einem loyalen Instrument werden ließ, solange der Schah noch da war, aber nach dem Abtritt des Schahs auf äußeren Druck hin (u. a. auch amerikanische Einflußnahme gegen einen Staatsstreich) auseinanderfallen ließ. S. auch Hottinger (1979) hinsichtlich der Chancen eines Übergreifens der islamischen Revolution auf Saudi Arabien.

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  28. Genau genommen würde diese Kritik nicht auf Arendts Definition zutreffen (vgl. auch Condorcet: Sur le sens du mot „révolutionnaire“, in Œuvres, 1847–49, Bd. XII, dem Arendt hier folgt), da ein Mehr an Freiheit eintreten muß, wenn ein Ereignis als Revolution gelten soll. Hervorgehoben sei, daß Arendt hauptsächlich die amerikanische Revolution bei der Entwicklung ihrer Revolutionskonzeption im Sinne hatte. Zum revolutionären Charakter der amerikanischen „Revolution“ vgl. auch in Fußnote 47 und Dippel (1976) für eine vergleichende Analyse der Französischen Revolution und der amerikanischen Revolution im Hinblick auf die Idee der Neuheit.

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  29. Vgl. auch Huntington (1971b: 318) für eine leichte Variante und Stokes (1952: 461) für eine in vieler Hinsicht ähnliche Definition.

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  30. Huntington (1968: 264) fährt wie folgt fort (vgl. auch die Typologien in Kap. 5.3): „Ein Staatsstreich bewirkt in sich nur Veränderungen in der Führung und vielleicht in einigen politischen Entscheidungen; eine Rebellion oder eine Erhebung mag politische Entscheidungen, die Führung und politische Institutionen verändern, aber nicht die Sozialstruktur und Werte. Ein Unabhängigkeitskrieg ist ein Kampf einer politischen Gemeinschaft gegen die Herrschaft einer anderen politischen Gemeinschaft und beinhaltet deswegen nicht notwendigerweise Veränderungen in der sozialen Struktur in der einen oder anderen. Was hier schlicht Revolution genannt wird, ist was andere große Revolutionen, grand revolutions oder soziale Revolutionen genannt haben. Bemerkenswerte Beispiele sind die Französische, Chinesische, Mexikanische, Russische und Cubanische Revolution.“

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  31. Die letzteren Merkmale werden nicht nur in der Definition von Huntington etwähnt, sondern auch z.B. von Oberschall (1973: 91f.). Vgl. auch Friedrich (1966: 5): „Eine politische Revolution kann demnach definiert werden als ein plötzlicher und gewaltsamer Umsturz einer bestehenden politischen Ordnung.“ Tilly faßt zutreffend zusammen, welche Folgen sich ergeben, wenn „Revolutionen“ nach der Dauer der Ereignisse definiert werden: „Die größten Unstimmigkeiten in Definitionen von Revolutionen resultieren aus der Zeitspanne, die der Definierende in Betracht ziehen will. Aus kurzer Sicht haben wir Definitionen, die sich auf ein zentrales Ereignis konzentrieren: ein gewisser Anspruch auf die Macht, eine vorübergehende Auflösung einer Regierung, Übergabe der Macht. In mittelfristiger Sicht besitzen wir Definitionen, die die Bevölkerung oder Regierung vor, während und nach einem solchen entscheidenden Ereignis untersuchen und fragen, ob sich ein bedeutender Wandel ereignet hat; ein Staatsstreich, der eine Faktion des Militärs anstelle einer anderen setzt, kann als Revolution unter der kurzfristigen Definition eingeordnet werden, aber nicht aus dem Blick der mittelfristigen Definition. In langfristiger Perspektive besitzen wir schließlich Definitionen, die das entscheidende Ereignis und die Veränderungen drumherum (so sie auftreten) mit breiten historischen Trends in Verbindung bringen — z.B. durch Reservierung des Begriffs der Revolution allein für solche Übergänge der Macht, die dauerhaft eine Schicht anstelle einer anderen setzen“ (Tilly 1974: 285).

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  32. Vgl. auch Blackey/Paynton (1971: 280–313) für einige zusätzliche Beispiele wie auch Yoder (1926) für frühere Definitionsbemühungen.

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  33. An anderer Stelle schlagen Welch/Taintor (1972: 21) jedoch eine Definition vor, die nahezu ausschließlich auf dem letztgenannten Definitionskriterium aufbaut. Vgl. auch Calvert, für den Revolution bezeichnet: „(a) Einen Prozeß, in dem die politische Ausrichtung eines Staates entweder in den Augen der Bevölkerung insgesamt oder gewisser entscheidender Schlüsselgruppen zunehmend diskreditiert wird...(b) Einen Wechsel der Regierung..., ein Ereignis, (c) Ein mehr oder weniger kohärentes Programm der Veränderung entweder in den politischen oder sozialen Institutionen eines Staates oder beides, (d) Einen politischen Mythos, der der politischen Führung, die aus der revolutionären Veränderung hervorgeht, kurzfristig den Status einer legitimen Regierung des Staates verleiht“ (Calvert 1970: 4).

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  34. Eine Revolution ist „eine Volksbewegung, durch die ein bedeutsamer Wandel in der Struktur einer Nation oder einer Gesellschaft erreicht wird. Gewöhnlich tritt der Umsturz der bestehenden Regierung und ihre Ersetzung durch eine andere frühzeitig in einem solchen Prozeß ein, worauf bedeutsame soziale und wirtschaftliche Veränderungen folgen“ (Gottschalk 1944: 4).

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  35. „Die revolutionäre Vorhut (vanguard party) kann in Form der Guerillabasis selbst bestehen (foco insurrectionál). Die Guerillastreitmacht stellt die Partei in Embryonalform dar. Dies ist die erstaunliche Neuheit, die durch die Cubanische Revolution geschaffen wurde“ (Debray 1967: 106 — ohne die Hervorhebungen im Original). Vgl. auch die besonders kritische Bewertung der Arbeit von Debray durch Mercier 1969. Für eine Kritik aus eher orthodoxer kommunistischer Sicht vgl. Woddis 1972: 179–276. S. auch die jüngste Selbstkritik von Debray (1974): Der Focismus „war ein voreiliger Leninismus“ (Debray 1975: 100).

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  36. Doch können auch skeptische Bemerkungen hinsichtlich der Möglichkeiten eines (isolierten) städtischen Guerillakampfes angeführt werden: „Der entscheidende Kampf findet in dem strategischen Gebiet statt (d. h. im ländlichen Raum) und nicht auf taktischem Gebiet (d. h. in der Stadt)“ (Marighella, wie bei Kohl/Litt 1974: 83 zitiert).

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  37. „Guillen argumentierte, daß die Geographie nur ein passives Element ist, daß die Revolution von Menschen gemacht wird und daß die Städte Zementdschungel sind, in denen die Guerilleros sicherer sind und auch logistisch besser als in den Bergen unterstützt werden können“ (Hodges 1973: 6–7).

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  38. Dabei bleibt jedoch zu bedenken, „daß wir, wenn wir über die Mobilisierung der Arbeiter, Bauern oder der Mittelklassen für die Revolution sprechen, über eine kleine Minderheit von Aktivisten innerhalb jeder dieser Kategorien reden“ (Greene 1974: 48).

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  39. Vgl. die in dieser Hinsicht ähnliche Definition des inneren Krieges durch Eckstein (1965; vgl. auch Leiden/Schmitt 1968:6–7). Über Gegenrevolutionen s. z.B. Meusel 1934; Meisel 1966; undMayer 1971: 86ff. Vgl. auch in Kap. 5.5.

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  40. Der Leser sei außerdem auf zahlreiche andere Typologien auf dem Gebiet der politischen Gewalt (vgl. auch Sombart 1924) verwiesen in Zimmermann 1981.

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  41. Bracher (1976c) hat jedoch eine wichtige Unterscheidung eingeführt: „Man könnte zu dem Schluß kommen, daß nicht eigentlich Hitler und der Nationalsozialismus, sondern erst

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  42. deren Scheitern die ‚deutsche Revolution‘ im Sinne der Modernisierung bedeuteten... In diesem Sinne wäre auch die Modernisierungsthese Ralf Dahrendorfs zu modifizieren oder zu ergänzen“ (Bracher 1976c). In seinem Artikel hebt Bracher (vgl. auch Bracher 1976a; 1976b) einige „Widersprüche“ im Nationalsozialismus hervor, die jede einfache „theoretische“ Formel für dieses Phänomen unzureichend erscheinen lassen. Bracher wehrt sich auch dagegen, den Nationalsozialismus als die deutsche Variante des Faschismus zu begreifen. So stellt er in Abrede, daß in Europa zwischen den beiden Weltkriegen so etwas wie ein kohärenter Faschismus bestanden habe. Bracher betont, daß in den politischen Zielen, der Ideologie, in den Mitteln der Massenmobilisierung usw. die Nazis und natürlich Hitler selbst sehr wohl als Revolutionäre begriffen werden können. Das Argument baut darauf auf, „daß die ungewollten Wirkungen geschichtlicher Ereignisse ebenfalls zu ihrer Beurteilung gehören. Auch die englische Glorreiche Revolution, die amerikanische Revolution, die keine sein wollte, die napoleonische Ära mit ihren unabsehbaren Auswirkungen waren unvorhergesehene oder ungewollte Folgen historischer Kriege. Sie waren gleichsam paradoxe, doppelsinnige Revolutionen: paradox im Vereinbaren des Unvereinbaren — beispielsweise als legale Revolution —; doppelsinnig in der Gegensätzlichkeit von Intention und Ergebnis. Ihre Resultate sind deshalb nicht geringer einzuschätzen. Das gilt ebenso für die deutsche, europäische und weltpolitische Bedeutung des Nationalsozialismus und seiner Katastrophe“ (Bracher 1976a: 137–138). In Italien hat De Felices Buch „Intervista sul fascismo“ (1975), in dem er zwischen dem Faschismus als Bewegung und dem Faschismus als Regime unterscheidet, wobei letztere konservativere Variante in Italien gewann, eine ähnliche Debatte eröffnet. Die Ereignisse Ende Juni 1934 in Deutschland können in gleicher Weise interpretiert werden. (Die Folgen des 2. Weltkrieges jedoch, über die Bracher teilweise theoretisiert, werfen ganz andere Fragen auf.)

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  43. Vgl. weiter unten für eine detailliertere Behandlung dieses Punktes.

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  44. Eine Parallele zu Aristoteles ist hier von Kelly/Miller (1970: 249) bemerkt worden.

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  45. „Die ‚Jacquerie‘ bezeichnet nur bestimmte Arten einer Bauernrevolte. Der Begriff leitet sich von ‚Jacques Bonhomme‘ her, einem spöttischen Scherznamen für Bauern, der von den französischen Adligen im 14. Jahrhundert angewandt wurde; die ursprüngliche Jacquerie selbst war eine Revolte im nördlichen Frankreich und hielt einen Monat an zu Ende des Frühlings des Jahres 1358“ (Hagopian 1974: 14). Vgl. auch Hilton (1973), der aus vergleichender Sicht mittelalterliche Jacquerien untersucht und in größerem Detail die englische Erhebung des Jahres 1381 behandelt. Wesentlich spätere Beispiele dieser Art der Bauernrebellion sind die Pugachovrevolte in Rußland während der Jahre 1772–74 (Longworth 1975) und der Bauernaufstand in Rumänien im Jahre 1907.

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  46. Der Begriff „jakobinische kommunistische Revolution“ wird von Stone (1966: 163) kritisiert. Man mag auch bezweifeln, ob die Bezeichnung „anarchistische Rebellion“ (3) im Falle der Vendee-Revolte zutrifft. Hinsichtlich letzterer vgl. Tilly (1964), der sie als Gegenrevolution bezeichnet, gelegentlich aber auch andere Begriffe benutzt. Vgl. Kap. 5.5.

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  47. Ihre Beispiele erfüllen jedoch nicht immer die erwähnten Definitionskriterien. Algerien (1962) und die USA (1776) fallen kaum unter die Kategorie „Revolution mit Massenpartizipation“.

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  48. Dies gilt ebenfalls für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, unabhängig von den Ansprüchen derer, die behaupten, es gebe genug Anzeichen für eine amerikanische „Revolution“. „Die amerikanische Revolution reduzierte, wie Jameson meinte, erheblich die Bedeutung, Rolle und den Reichtum der kolonialen Oberschichten und beschleunigte den Aufstieg der middle-class gentry, die stark von der Einziehung der Tory-Güter, der Emigration britischer Loyalisten nach Kanada, der Aufhebung der königlichen Beschränkungen der Landkolonialisierung und der Abschaffung des Erstgeborenenrechts profitierte“ (S. 16–20, 32–35 in Jameson 1956 [1926], wie bei Greene 1974: 7 zitiert). Palmer (1959: 185–190) behauptet sogar, daß im Vergleich zu Frankreich das Ausmaß der Auswanderung (s. Greer 1951 für Frankreich) und der Eigentumsbeschlagnahme relativ größer im amerikanischen Fall war. Doch würde dies noch immer kein hinreichendes Kriterium für eine Revolution bedeuten. Vielmehr müßten die Veränderungen in der Sozialstruktur und in den Werten insgesamt durchgreifender Natur sein. Außerdem gilt: „Die Schwierigkeit besteht hier nicht nur darin, daß es manchmal schwerfällt, einen Unterschied zwischen tatsächlichen oder nur scheinbar loyalistischen Flüchtlingen zu treffen, sondern auch darin, daß es relativ leichter für die Loyalisten war, durch Flucht in eine der Provinzen Britisch Nordamerikas in einer englischsprechenden nordamerikanischen Umgebung unter alter Flagge zu verweilen; die französischen Dissidenten hatten nach der Französischen Revolution keine solche Möglichkeit [allerdings andere Sympathisanten im Ausland]. Somit sind die relativen Auswanderungsraten nicht wirklich vergleichbar“ (Nelson 1965: 1007). Zahlreiche Forschungen (für eine Zusammenfassung vgl. Tolles 1954) über die Thesen von Jameson führten zu der Schlußfolgerung, daß „nichts grundlegend Neues über die Struktur der Gesellschaft herausgefunden wurde. Egal wem der Reichtum des Landes nach der Revolution gehörte, die wirtschaftliche Schichtstruktur blieb ungefähr so, wie sie war; die Reformen im Landbesitz waren hauptsächlich symbolischer Natur; die industrielle Revolution harrte noch einer späteren Generation“ (Berthoff/Murrin 1973: 260; vgl. auch die sozialstrukturelle Analyse bei Main 1965). Die Ansicht, die hier vertreten wird, wird z.B. von Moore (1966) geteilt (doch sei auch hervorgehoben, daß für ihn die wirkliche amerikanische Revolution der Bürgerkrieg war; vgl. Moore 1966: 413 et passim). Huntington (1968: 7) kann ebenfalls angeführt werden. Im Kern kann das Argument wie folgt lauten: „Sogar jene politischen Veränderungen, die als revolutionär begriffen werden müssen — die Trennung von England und die Errichtung einer republikanischen Form der Regierung mit schriftlich niedergelegten Verfassungen, auf Länder- wie auf Staatsebene —, brachten keinen vollständigen Bruch mit der Vergangenheit mit sich. Tatsächlich haben amerikanische Historiker im allgemeinen die Bindung der neuen Vereinigten Staaten an koloniale und britische Institutionen und Praktiken nicht hinreichend gewürdigt. Nicht nur war die politische Theorie, die der Revolution und der Verfassung zugrunde lag, meist englischer Abkunft, sondern auch die meisten der neuen republikanischen Institutionen der Vereinigten Staaten waren in verschiedener Weise aus britischen und kolonialen Vorbildern abgeleitet“ (Nelson 1965: 1003; vgl. auch Maier 1972: 271). Für eine knappe Einordnung verschiedener Interpretationen der amerikanischen „Revolution“ s. die Verweise bei Zimmermann 1981: Kap. 8, Fußnote 47. S. außerdem die breitangelegte Übersicht über den Wandel in der Interpretation der „amerikanischen Revolution“ bei Angermann 1979. Der revolutionäre Charakter der Englischen Revolution ist auch verschiedentlich in Frage gestellt worden. Ein längeres Zitat aus dem Werk eines ihrer vorrangigen Analytiker mag hier eine Antwort geben: „Obgleich die Revolution offensichtlich fehlschlug, überlebten die Ideen über religiöse Toleranz, über die Begrenzung der Macht der zentralen Exekutive, in die persönliche Freiheit der besitzenden Klassen einzugreifen, und die Vorstellung einer Politik, die auf dem Konsensus eines breiten Spektrums der Gesellschaft aufbaut. Sie erscheinen wieder in den Schriften von John Locke und finden ihren Ausdruck in dem politischen System unter der Herrschaft von William und Anne, in gut entwickelten Parteiorganisationen, im Übergang weitreichender Machtbefugnisse auf das Parlament, in der Bill of Rights und der Toleration Act und in der Existenz einer erstaunlich großen aktiven und artikulierten Wählerschaft. Aus diesen Gründen kann die englische Krise des 17. Jahrhunderts den Anspruch erheben, die erste ‚große Revolution‘ in der Weltgeschichte zu sein und deswegen ein Ereignis grundlegender Bedeutung für die Entwicklung der westlichen Zivilisation“ (Stone 1970: 108; vgl. auch Geiss 1979: 381). Zagorin hebt einen anderen Aspekt hervor: „Die Trennungslinien zwischen Royalisten und Anhängern des Parlaments entsprachen nicht einer strukturellen Abgrenzung in der englischen Gesellschaft, noch waren sie das Vehikel widersprüchlicher Klassen- oder wirtschaftlicher Interessen. Beide spiegelten vielmehr die Spaltung innerhalb der aristokratischen Ordnung und allgemein innerhalb der politischen Nation wider“ (Zagorin 1969: 336). S. auch Richardson 1977 für einen Überblick über den Wandel in den Interpretationen des Begriffs der Revolution und der Ergebnisse der Englischen Revolution. Wie diese Beispiele zeigen, ist der Gebrauch des Begriffes „Revolution“ alles andere als konsistent in der Literatur.

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  49. „Krieg oder Revolution? Beides. Dasselbe Zusammentreffen ereignet sich in [einigen der] vielfältigen Rebellionen in den Territorien, die durch Napoleon erobert worden waren“ (Tilly 1973:445).

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  50. Korpi (1974a.) sagt vorher, daß die Wahrscheinlichkeit manifesten Konfliktes am größten ist, wenn sich die Machtressourcen der einen Partei derjenigen der anderen annähern, aber dennoch etwas dahinter zurückfallen (und nicht, wenn beide Parteien Gleichheit in ihren Machtressourcen erreichen, wie Gurr vorhersagen würde). Somit erwartet er „eine bimodale Verteilung in der Wahrscheinlichkeit manifesten Konfliktes“ (Korpi 1974a: 99), wobei er die Nützlichkeit des zu erreichenden Zieles, die Erfolgserwartung bei der Initiierung von Konflikt oder in der Verteidigung und relative Benachteiligung als intervenierende Variablen einführt (und andere wichtige Variablen außer acht läßt, wie z. B. externe Unterstützung). Eine Variante von Korpis Modell wird in Kap. 5.4.6.6.1 diskutiert.

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  51. Die Definition der Revolution von Rejai (1973: 9) liefert eines der vielen Beispiele für eine Nichtbeachtung dieses Kriteriums (vgl. aber auch Rejai 1977: 7–8). S. auch Aya (1979) über Definitionen von Revolution.

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  52. Z. B. „Das Bündnis der drei Stände im Juni 1789; der Staatsstreich des Juni 1793; jene des Fructidor, An V; Floreal, VI; Prairial, VII und des 18. Brumaire sind nur einige der vielen Coups in der Französischen Revolution“ (Pettee 1971: 28). (Doch gebraucht Rettee den Begriff des Coups hier in wenig präziser Manier.)

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  53. Analysen des Staatsstreiches der Armee und der nachfolgenden „revolutionären“ Entwicklungen in Portugal finden sich z.B. bei Rodrigues et al. 1976; Fields 1976; Harsgor 1976; Porch 1977. Wie Schmitter bemerkt, muß der Coup in Portugal in einem breiteren historischen Rahmen gesehen werden: „Der Staatsstreich vom 25. April 1974 kann in der Tat als eine nach innen gerichtete nationale Befreiungsbewegung beschrieben werden, als das Produkt eines in umgekehrter Weise wirkenden Dominoeffektes. Eine Imperialmacht versuchte, den fortgesetzten Verlust ihrer kolonialen Besitzungen in Übersee zu verhindern und wurde selbst mehr und mehr unterminiert und dann plötzlich durch ihre eigenen Bemühungen umgestürzt“ (Schmitter 1975: 27).

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  54. Vgl. Issawi 1963.

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  55. Für Preußen vgl. z. B. Koselleck 1967. Vgl. auch Gillis 1970: 774.

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  56. Einen etwas anderen Typus bildet Stalins stark repressive Revolution von oben, die sich in forcierter Industrialisierung und Kollektivierung äußerte (vgl. z. B. Laqueur 1968: 506 und Tucker 1973; 1977; forthcoming).

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  57. Vgl. z.B. White 1973; Akamatsu 1968.

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  58. S. Pepper (1978) für eine Analyse des Bürgerkrieges in China während der Jahre 1945–49.

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  59. Vgl. z.B. Blanksten (1962), Nun (1968) und Bell (1973: 120–121) für zusätzliche Beispiele. Der vielleicht ambivalenteste Typ der Revolution ist die permanente Revolution. Die chinesische Kulturrevolution (vgl. Pfeffer 1971; Hah 1972; Wertheim 1974: 333–351 und im nächsten Kap.) mag in der Tat als ein jüngstes Beispiel dieses Typs verstanden werden, der von großer Bedeutung für aktive Revolutionäre war und ist und Anlaß zu zahlreichen philosophischen Debatten gegeben hat. S. Tetsch (1973) für einen nützlichen (historischen) Überblick, der sich mit Trotsky, mit seinen Vorläufern, aber auch mit jüngeren Autoren beschäftigt. — Zur Beziehung zwischen „permanenter Revolution“ und „Totalitarismus“ vgl. z. B. Neumann 1965.

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  60. Das stärkste Gegenargument lautet natürlich, daß sich immer viele andere Leute finden, die vergleichbare persönliche Erfahrungen durchgemacht haben und sich auch zu ähnlichen Persönlichkeitstypen entwickelt haben, aber niemals zu Revolutionären wurden. Persönlichkeitsansätze allein bewegen sich nur dann auf sicherem Grund, wenn nachgewiesen werden könnte, daß sich in der Tat eine statistische Beziehung zwischen bestimmten Erfahrungen während der Phasen der Sozialisierung, der Persönlichkeitsentwicklung und dem späteren politischen Verhalten ergibt. Da sie diesem Anspruch üblicherweise nicht gerecht werden (s. die entsprechenden Belege bei Rejai/Phillips 1979), sollten vielmehr andere Wege bei der Analyse von kollektivem Dissens und Protest eingeschlagen werden (vgl. z.B. Zimmermann 1981: Kap. 9).

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  61. Dieser Typus der „psychohistory“ (Pye 1976: IX) führt sehr leicht zu Schlüssen wie diesen: „Wir haben herausgefunden..., daß im Falle von Mao Tse-tung die kritischen Entwicklungen in einer Beziehung zu präödipalen Erfahrungen standen und sich in erster Linie um Maos Beziehung zu seiner Mutter drehten, eine Beziehung, die ihm auch das Gefühl gab, ungerecht behandelt zu werden, wenn er nicht länger ihre ungeteilte Aufmerksamkeit genießen konnte. Unsere Hypothese lautet, daß diese Summe der primären Erfahrungen am besten Mao als Rebellen und als charismatischen Führer erklärt“ (Pye 1976: XIII). Bescheidenere Studien wie z. B. die von Rustow (1970) über Atatürk mögen in diesem Zusammenhang wesentlich nützlicher sein.

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  62. Eine andere Q-Faktorenanalyse revolutionärer Führer ist von Rejai/Phillips (1979) durchgeführt worden. Sie behaupten, fünf verschiedene Typen von Revolutionären entdeckt zu haben. Doch erweisen sich die Bezeichnungen dieser fünf Typen als äußerst fragwürdig, da Giap z.B. unter die „scholars“ und nicht unter die „generals“ eingereiht wird (ibid., S. 134).

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  63. Persönlichkeitsstudien müssen natürlich nicht auf revolutionäre Führer beschränkt bleiben. Die Persönlichkeitsprofile revolutionärer Gefolgsleute sind ebenfalls von Interesse.

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  64. In diesem Zusammenhang weisen verschiedene Autoren gern darauf hin, daß sich das Alltagsleben während jener revolutionären Ereignisse nicht allzu sehr veränderte. In Petersburg fuhren die Straßenbahnen weiter, und sogar noch die Theater gaben ihre abendlichen Vorstellungen.

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  65. Vgl. auch Haimsons (1964; 1965) kontroverse These, daß die Ereignisse während des Sommers 1917 nur die „umfassenden Prozesse der Polarisierung [beschleunigt hatten], die bereits im russischen nationalen Leben während der unmittelbaren Vorkriegsperiode zu verspüren waren“ (Haimson 1965: 17). — Eine allgemeine beschreibende Darstellung der Februarrevolution findet sich bei Katkov 1967.

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  66. S. Haimson (1974) über das Schicksal der Menschewiken während und nach der Russischen Revolution.

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  67. Vgl. auch einige der älteren Interpretationen der Russischen Revolution in Billington 1966. Für zusätzliche Deutungen s. Laqueur 1967.

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  68. Der Einfluß der Revolte der Seeleute muß natürlich auch erwähnt werden (vgl. z. B. Mawdsley 1978). „Auf jeden Fall waren die Matrosen der baltischen Flotte ein bedeutender Faktor bei dem Erfolg der Bolschewiki im Oktober, nicht so sehr wegen ihrer Zahl als wegen ihrer besonderen Erfahrungen, Disziplin und ihres Enthusiasmus und wegen des eindrucksvollen Waffenarsenals — von Gewehren bis zu Zerstörern und Kreuzern —, das für den revolutionären Umsturz eingesetzt werden konnte“ (Saul 1978: 192).

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  69. Lenin beschreibt dieselbe Kette der Ereignisse unter Benutzung einer einfachen (und nahezu tautologischen) Formel: „Das grundlegende Gesetz der Revolution, das in allen Revolutionen und besonders durch alle drei russischen Revolutionen im 20. Jahrhundert bekräftigt worden ist, lautet wie folgt: Für eine Revolution reicht es nicht aus, daß die ausgebeuteten und unterdrückten Massen verstanden haben, daß es unmöglich ist, in der alten Weise weiterzuleben, und Veränderungen fordern; entscheidend für eine Revolution ist, daß die Ausbeuter nicht mehr in der Lage sind, in der alten Weise fortzufahren und zu herrschen. Nur wenn die ‚unteren Klassen‘ das alte Regime nicht mehr wollen und wenn die ‚oberen Klassen‘ nicht mehr in der alten Weise fortfahren können — nur dann kann die Revolution triumphieren...: Die Revolution ist unmöglich ohne eine gesamtnationale (Ausgebeutete wie Ausbeuter erfassende) Krise“ (“‘Left-wing’ communism, an infantile disorder“, Moskau: Foreign Languages Publishing House, n. d., S. 81). Tatsächlich sollten die Regierenden durch die Ereignisse des Juli 1917 gewarnt worden sein. Die verfrühte Erhebung der Bolschewisten schlug jedoch fehl, wobei nicht zuletzt die Fragmentierung in der Machtstruktur der Rebellen (u. a. Zentralkomitee, Allrussische militärische Organisation und Petersburger Komitee — „jedes mit seinen eigenen Aufgaben und Interessen“, Rabinowitch 1968: 5) einer der entscheidenden Faktoren war.

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  70. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg würde nach restriktiveren Definitionen nicht als Revolution gelten; vgl. auch Kap. 5.2 und Fußnote 47.

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  71. Doch muß der Abfall der Intellektuellen unabhängig von seinen Konsequenzen veranschlagt werden, wenn eine zirkuläre Argumentation vermieden werden soll. In einer späteren Auflage seines Buches argumentiert Brinton jedoch, daß die „Entfremdung der Intellektuellen“ kein eindeutiges Signal für eine bevorstehende Revolution sei, da Intellektuelle üblicherweise bis zu einem gewissen Ausmaß in modernen Gesellschaften entfremdet seien (Brinton 1965: VI).

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  72. Diese Analogie (vgl. auch Brinton 1952: 16f.) mag vielleicht in der Krisenforschung angemessen sein, doch kaum in Studien über Revolutionen (vgl. auch Kap. 5.4.5).

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  73. Die fiskalische Komponente der Revolution wird besonders von Mann (1947; vgl. auch Ardant 1975) hervorgehoben. Die amerikanische „Revolution“ und die Fronde (vgl. z.B. Mousnier 1970) liefern zwei bekannte Beispiele. Für einen in dieser Hinsicht instruktiven Vergleich der Steuersysteme Englands und Frankreichs (weniger ergiebig und teurer in der Erhebung pro Kopf, dazu zahlreiche Ärger erregende Ausnahmen) und ihrer Folgen s. Hartmann 1978.

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  74. Offensichtlich ist eine solche Position einseitig, selbst wenn ein entscheidender Aspekt einer Soziologie der Revolution hervorgehoben wird. Kritiker, und nicht nur diejenigen marxistischer Orientierung, haben Einwände gegen den „voluntaristischen“ Charakter dieses Ansatzes vorgebracht. Betont sei außerdem, daß es sensu strictu nach Pareto auf das angemessene Verhältnis zwischen Löwen und Füchsen für die Stabilität von Eliten ankommt.

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  75. In diesem Sinne haben Lassweil/Kaplan (1952: 281) Mannheims wohlbekannte Unterscheidung zwischen Ideologie und Utopie auf im Amt befindliche Eliten und auf Gegeneliten angewandt, womit diese Dichotomie für die Analyse von Revolutionen fruchtbarer gemacht worden ist. Für eine breite und etwas unsystematische Diskussion der Beziehungen zwischen utopischem Denken auf verschiedenen Gebieten und Revolutionen vgl. Lasky 1976.

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  76. „Die großen Revolutionen haben üblicherweise von der Spitze aus begonnen, nicht von unten... Sehr treffend ist gesagt worden, daß Regierungen nicht gestürzt werden, sondern Selbstmord begehen“ (LeBon 1913: 29 und 54).

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  77. Außerdem sind revolutionäre Führer im Schnitt zwischen 35 und 45 Jahren alt (vgl. die Befunde bei Rejai 1973: 31), d. h. relativ jung, zumindest wenn sie mit nachrevolutionären Eliten verglichen werden (vgl. die Befunde bei Putnam 1976: 195–201). Schließlich ist die Überrepräsentierung bestimmter rassischer, ethnischer oder kultureller Minoritäten unter revolutionären Führern häufig bemerkt worden.

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  78. Wie von Rejai ausgedrückt: „Eine Ideologie mag viele entscheidende sozialpsychologische Funktionen erfüllen. Zunächst artikuliert sie die sozialen Übel, brandmarkt die vorherrschenden Ideen und Institutionen und untergräbt das Vertrauen in das herrschende Regime und seine Moral bei gleichzeitiger Verkündigung eines alternativen Wertekatalogs und einer neuen Vision der Gesellschaft. Zweitens rationalisiert, legitimiert und rechtfertigt die Ideologie die Klagen und Forderungen der Revolutionäre: sie verleiht der revolutionären Aktion die nötige Würde. Drittens vermittelt die Ideologie den Revolutionären ein Gefühl der Einheit, Solidarität und des Zusammenhalts; sie verstärkt den revolutionären Eifer, die Bindung, Hingabe und Opferbereitschaft. Viertens dient die Ideologie als Instrument der Massenmobilisierung... Schließlich mag die Ideologie als Deckmantel für persönliche Motive und Ambitionen revolutionärer Führer dienen“ (Rejai 1973: 33–34).

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  79. Benutzt man die Terminologie von Mannheim, so finden sich natürlich einige Belege dafür, daß die „sozial freischwebende“ Intelligenz ihre Rolle bei der Entwicklung revolutionärer Einstellungen spielt. Doch deuten die Daten, auf die im Text kurz hingewiesen wurde, auch in die Gegenrichtung: revolutionäre Eliten sind in mancher Hinsicht wohlangepaßt an die Gesellschaft, doch dennoch willens, diese drastisch zu ändern. Kurzum, Mannheim übertreibt in seiner Formel. Interessanterweise fand Hibbs (1973: 48) keine Belege für die Hypothese, daß eine positive Differenz zwischen „Universitätsstudenten oder -absolventen und Möglichkeiten zur Beschäftigung in professionell-technischen Berufen“ (was zur sozial ungebundenen Intelligenz beitragen würde) einen Einfluß auf politische Gewalt der Massen hat.

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  80. Die Roten Garden umfaßten neben Studenten natürlich auch viele andere Gruppen. „Als Ergebnis der Erfahrungen während der sozialistischen Erziehungsbewegung gelangte Mao offensichtlich im Jahre 1966 zu dem Schluß, daß die Ordnung der Partei eine zu wichtige Aufgabe war, um sie dem zunehmend bürokratisierten und wenig reagierenden Parteiestablishment zu überlassen. Deswegen wandte er sich an die Jugend (Rote Garden), die Armee und die Arbeiter-Bauernmassen (‚revolutionäre Rebellen‘) Chinas, um den Kampf gegen die bürgerlichen Machthaber innerhalb der Partei zu führen“ (Baum 1975: 8–9). Später wurde jedoch die Unterstützung der Armee benötigt, um die Roten Garden unter Kontrolle zu halten. „Die Kulturrevolution kann somit am ehesten als der Versuch Maos beschrieben werden, die grundlegenden Widersprüche zwischen der egalitären Sicht des Marxismus und den elitären Tendenzen der leninistischen Organisationsprinzipien zu lösen. Unter Einbeziehung der chinesischen Massen in den politischen Prozeß wollte Mao den Trend zu einer erneuten Schichtbildung umkehren, einen Trend, der durch die Büro-kratisierung der Partei ausgelöst wurde. Und er wollte ebenso einen Konsensus mit den Massen über die zukünftige Richtung der Gesellschaft bilden“ (Lee 1978: 3). Hervorzuheben ist, daß diese „Revolution“ von im Amt befindlichen Eliten (z. B. Mao selbst) ausgelöst wurde, um ihre (seine) politische Position zu kräftigen, die sich im Anschluß an die fehlgeschlagenen Sozialexperimente während der 50er Jahre verschlechtert hatte. Vielleicht ist der Begriff der „Säuberung“ nicht völlig unangemessen. Zumindest sei auf die Inkonsistenz bei der Benutzung des Begriffes „Revolution“ für politische Aktivitäten hingewiesen, die durch im Amt befindliche Eliten und nicht allein durch Gegeneliten oder illoyale Massen ausgelöst werden. Über die chinesische Kulturrevolution vgl. auch z. B. Lewis 1970; Baum/Bennett 1971; Robinson 1971; Karnow 1972; Karol 1974; Ahn 1976; Brugger 1978; MacFarquhar (1974) mit starker Hervorhebung der Ursprünge der Kulturrevolution; Dittmer (1977) für eine Analyse des (politischen) Symbolismus während jener Jahre; und Hiniker (1977) für eine Analyse der Kulturrevolution in der Terminologie der kognitiven Dissonanz, welche aus dem Fehlschlagen des großen Sprunges nach vorn resultiert habe. Eine nützliche sozialhistorische Darstellung der Kulturrevolution findet sich bei Hoffmann (1977). Vgl. auch Dittmer (1974) im Hinblick auf eine Analyse des Sturzes eines der führenden Politiker, Präsident Liu Shao-ch’is.

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  81. Hagopian (1974: 156) unterscheidet zusätzlich zwischen „Spaltung und Unfähigkeit der ‚herrschenden Schicht‘“, wobei ersteres wahrscheinlich der wichtigere Bestimmungsgrund ist. Unter Bezug auf einige der Aussagen in vorangegangenen Abschnitten läßt sich feststellen, daß ceteris paribus eine Spaltung unter den Eliten und gleiche Ressourcen auf beiden Seiten wahrscheinlich zu einem Bürgerkrieg führen werden, eine Spaltung unter den Eliten und unfähige Eliten im Amt wahrscheinlich eher eine Revolution begünstigen werden.

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  82. „Die neuen Bindungen der Intellektuellen, die am meisten zur Entwicklung einer revolutionären Situation beitragen, bestehen meiner Meinung nach aus Koalitionen zwischen revolutionären Herausforderern und Gruppen von Intellektuellen, die Mitglied in dem politischen System sind“ (Tilly 1978: 214).

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  83. Vgl. auch Galtung (1964), der den Begriff Rangungleichgewicht benutzt.

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  84. In einem allgemeineren Sinne kann die Frustration gesteigerter Erwartungen, die aus der Blockierung der Kanäle sozialer Mobilität resultiert, auch in den Begriffen der Theorie der relativen Benachteiligung abgehandelt werden (vgl. Zimmermann 1981: Kap. 4.3). Erstere stellt nur einen der Mechanismen innerhalb der allgemeinen Theorie der relativen Benachteiligung dar (vgl. auch Lupsha 1969: 284).

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  85. Vgl. z. B. den Einfluß der Auseinandersetzungen um die Steuern, die für mehr als nur eine weitere Form wirtschafdicher Unzufriedenheit stehen. Im Falle der Französischen Revolution z. B. müssen sie vielmehr als „eine chronische Krankheit der Monarchie und erstrangige unter den unmittelbaren Ursachen der Revolution“ begriffen werden (Soboul 1962: 108, auch von Hagopian 1974: 166 zitiert).

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  86. Vgl. auch Kramnick, der Parallelen zwischen wissenschaftlichen Revolutionen (vgl. Kuhn 1962) und gesellschaftlichen Revolutionen aufzeigen will: „Eine eindeutige Parallele besteht zwischen der wissenschaftlichen und politischen Revolution..., da nach dem Umsturz eines wissenschaftlichen Paradigmas dieses schnell durch ein anderes ersetzt wird, das mit gleichem Eifer in der wissenschaftlichen Forschung verteidigt wird und neue Regeln der Legitimität und Orthodoxie auferlegt“ (Kramnick 1972: 59).

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  87. Wie Trotsky einmal bemerkte: „Ohne eine leitende Organisation würde die Energie der Massen verpuffen wie Dampf, der nicht in einem Zylinder mit einem Kolben eingeschlossen ist. Doch nichtsdestoweniger werden die Dinge nicht durch den Kolben oder den Zylinder, sondern durch den Dampf vorangetrieben“ (Trotsky 1957: XIX). Über Trotskys soziale und politische Gedankenwelt s. jüngst die Monographie von Knei-Paz (1978).

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  88. Obgleich Rabinowitch (1976) argumentiert, daß „die intern relativ demokratische, tolerante und dezentralisierte Struktur und Operationsweise [der Partei] wie auch ihr grundlegend offener Massencharakter“ (ibid., S. 311), daß ihre „relative Flexibilität... wie auch ihre Reaktionsfähigkeit auf die vorherrschende Stimmung der Massen zumindest eben soviel mit dem letztlichen Sieg der Bolschewiki wie die revolutionäre Disziplin, die organisatorische Einheit oder die Gefolgschaft gegenüber Lenin zu tun hatte“ (S. XXI; vgl. auch die Kritik durch Schapiro in The New York Review of Books, 31. März 1977). In einer Besprechung der Arbeit von Keep (1976) baut Skocpol (1978: 198) auf demselben Argument auf: „Nicht die kommunistische Partei schuf Massenorganisationen, gelangte dann zur Macht und herrschte durch sie; sondern zunächst verband sie sich mit spontan geschaffenen oder vom Volk unterstützten Organen, um die Macht im Staate auf der Basis der Unterstützung in den Städten zu verteidigen, und umging dann zunehmend oder zerstörte alle solche Organisationen der Massen im Prozeß der Konsolidierung der Macht und durch traditional organisierte staatliche Bürokratien.“ Denitch (1978) bringt auch den Erfolg der FLN und der jugoslawischen Kommunisten mit ihrer Spontanität und Organisation in Verbindung.

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  89. Für eine Analyse der 133 Tage des Regimes von Béla Kun vgl. die Aufsätze in Janos/ Slottman 1971 und Völgyes 1971; s. auch Tökés 1967 und Jászi 1924. „Das Regime Béla Kuns überlebte deshalb so lange, weil es hauptsächlich breite nationalistische Strömungen zu repräsentieren schien, und weniger wegen seines ‚proletarischen‘ Charakters. Als es diese breite Unterstützung verlor, brach es schnell zusammen“ (Hagopian 1974: 112).

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  90. Eine wichtige Ergänzung muß hinzugefügt werden, nämlich daß sich revolutionäre Parteien, häufig die des Kadertyps (vanguard type), unter dem Einfluß revolutionärer Prozesse erheblich wandeln. „Die bolschewistische Partei war zu Beginn und bis zum 1. Weltkrieg eine Elitepartei. Während der Russischen Revolution des Jahres 1917 wandelte sie sich oder entwickelte sich zu einem Kadermodell mit Vorhutcharakter und elitärer Führung auf den verschiedenen Kommandoebenen. Das Modell der revolutionären Vorhut wurde in der Vergangenheit häufig zur Eroberung der Macht benutzt, wohingegen die Kader zur Konsolidierung der politischen Macht benutzt wurden“ (Gross 1974: 103).

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  91. Johnson (1964: 13) begreift eine Niederlage in einem externen Krieg als einen Akzele-rator, eine eher unübliche Ergänzung seiner Liste auslösender Ereignisse (vgl. die Diskussion weiter unten). Später jedoch scheint er eher auf der Linie der üblichen Argumentation zu liegen (Johnson 1964: 18).

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  92. Diese Revolutionen sind natürlich von politischen und sozialen Veränderungen zu unterscheiden, die vom Sieger eines externen Konflikts verordnet werden, die revolutionär in ihrem Charakter sein mögen, aber nicht Revolutionen genannt werden sollten (vgl. Kornhauser 1971: 389 — “imposed revolutions“; vgl. auch Seton-Watson 1961: XI; ein anderer Begriff wäre „interventionistische Revolution“; s. auch Hammond 1975a und weiter unten).

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  93. „Die Bolschewisten hatten die Oktoberrevolution des Jahres 1917 gewonnen, weil das Offizierscorps der zaristischen Armee durch den Krieg dezimiert war und die einfachen Soldaten bereits getürmt waren [vgl. z.B. Wettig 1967; Ferro 1967; 1971; Wade 1972; Keep 1976; Wildman 1980], wohingegen die Revolution von 1905 [vgl. Harcave 1964; Schwarz 1967; und Ascher 1978 für brauchbare Darstellungen] verloren wurde, trotz der Abfallbewegung bei den einfachen Soldaten — z. B. der Potemkin Meuterei in der Flotte —, weil das Offizierscorps noch im wesentlichen intakt war“ (Chorley 1973: IX). Auswirkungen einer externen Niederlage auf revolutionäre Umstürze zeigen sich auch bei dem Staatsstreich der freien Offiziere gegen König Farouk, der auf Ägyptens Niederlage im Krieg gegen Israel im Jahre 1948 folgte. Die Niederlage Boliviens im Chaco Krieg gegen Paraguay hinterließ ebenfalls ihre Wirkung auf die bolivianische Gesellschaft, die nahezu zwei Jahrzehnte später eine Revolution durchmachen sollte.

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  94. „Manchmal ist eine Elite in der Lage gewesen, hinreichende loyale Kräfte zu mobilisieren, um eine Erhebung im Inneren selbst nach einer Niederlage in einem Krieg niederzuhalten, doch wurden alle wichtigeren erfolgreichen Revolutionen des vergangenen Jahrhunderts durch die Ausschaltung der Armeen der status quo Eliten in einem externen Krieg beschleunigt. Beispiele umfassen Frankreich im Jahre 1871; Rußland in den Jahren 1905 und 1917; Ungarn, Deutschland und die Türkei im Jahre 1918; den Umsturz Mussolinis im Jahre 1943; die antikolonialen Revolten in den französischen und holländischen Kolonien nach dem 2. Weltkrieg und China und Jugoslawien während des 2. Weltkriegs“ (Johnson 1966: 104). (Wie bereits deutlich gemacht, können nicht alle diese Beispiele als Revolutionen gelten.)

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  95. Eines der differentia specifica zwischen den beiden typischen Situationen, die es hier zu unterscheiden gilt, scheint z. B. zu sein, daß im einen Falle eine Krise im Inneren gewöhnlich einer externen Krise vorausgeht, die dann die Überforderung der Gesellschaft noch vergrößert (was z. B. für das kaiserliche Deutschland zu Ende des 1. Weltkriegs gilt), wohingegen im anderen Fall die bestehende Ordnung der Gesellschaft und die Armee hinreichende Loyalität besitzen, um Angriffe von Dissidentengruppen auch nach einer externen Niederlage der Armee zu überleben. Das Beispiel Deutschlands ist hier etwas schillernd, wie z. B. Kluge (1975) gezeigt hat. Obgleich die Armee im 1. Weltkrieg besiegt worden war, besaßen Überbleibsel der Armee genug Macht, um mit Unterstützung der Polizeikräfte die Arbeiter- und Soldatenräte und andere Formen revolutionärer Organisationen niederzuhalten. Doch, obgleich diese Aktivitäten zur Bildung und Konsolidierung des neuen Regimes beitrugen, waren diese Armeeoffiziere natürlich alles andere als entschlossene Befürworter der Weimarer Republik. Was sie einte, war ein vehementer Antikommunismus.

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  96. Oder wie Heraklit sagte: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“

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  97. Skocpol hat kürzlich eine Erklärung von Revolutionen vorgeschlagen, die ihren Ausgangspunkt von diesen Überlegungen Chorleys nimmt. Für Skocpol stellt eine Revolution das Ergebnis „ausländischer Herausforderungen und des Kollapses des administrativen und militärischen Apparates [im Innern] dar“ (Skocpol 1976: 181). Vgl. auch Kap. 5.4.3.3.

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  98. Dieser Begriff ist vom Autor absichtlich gewählt worden anstelle von „Revolution“, was hier mißverständlich wäre. „Das 20. Jahrhundert hat weniger Revolutionen aufzuweisen, die von den Volksmassen eingeleitet wurden, als das 19. Jahrhundert. Das Schicksal dieser Erhebungen in modernen Staaten lautete allgemein Niederlage. Kommunisten und Nazis lernten diese Lektion. Die Verbindung von illegaler Aktion und legaler Machtübernahme durch Mussolini wurde das neue Modell für den Umsturz der Demokratien“ (Linz 1978: 15).

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  99. Die Entwicklungen in Albanien haben nicht die notwendige Aufmerksamkeit von Revolutionsforschern genossen. Obgleich die Entwicklungen dort nicht voll als Revolution gelten können, bezeichnen sie doch mehr als nur eine auferlegte Revolution. Vgl. die Einschätzung durch Peters: „Weder Stalin noch Tito unterstützten die albanische nationale Befreiungsarmee mit irgendwelchem Kriegsmaterial, obgleich... es die Abgesandten Titos waren, die die ideologische und technische Hilfe und die Leitung bestellten. Die kommunistische Machtübernahme in Albanien war deshalb die am ehesten eigenständige aller kommunistischen Machtübernahmen in Osteuropa, weil die albanische kommunistische Partei als einzige die Macht ohne direkte militärische Hilfe ausländischer Kommunisten übernahm. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Albanien von Jugoslawien, der Tschechoslowakei und China, da in allen diesen Ländern die örtlichen Kommunisten erhebliche Hilfe von der Roten Armee erhielten“ (Peters 1975: 292).

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  100. „Drei Wege sind möglich: a) schiere Unzufriedenheit der zur Verfügung stehenden Zwangsmittel; b) Unfähigkeit bei der Anwendung dieser Mittel; c) Hemmungen, diese Mittel anzuwenden. Die Unzulänglichkeit der zur Verfügung stehenden Zwangsmittel wird dann besonders offenkundig, wenn sich die Balance der Zwangsressourcen zwischen der Regierung und der alternativen Koalition plötzlich letzterer zuneigt, weil die Regierung ihre Ressourcen auf einmal erheblich verringert sieht (wie in einem verlorenen Krieg), weil die Alternativkoalition eine plötzliche Mobilisierung ihrer Ressourcen bewerkstelligt hat (wie in der Vereinigung privater Waffenläger) oder weil ein neuer Herausforderer mit reichlichen Zwangsressourcen in die Koalition eingetreten ist (wie bei der Abtrünnigkeit von Truppen oder bei einer ausländischen Intervention)“ (Tilly 1978: 209). Vgl. auch Kap. 5.4.7.

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  101. Massenrebellion wurde durch vier komplexe Indikatoren gemessen: „Ausmaß der Gewalt“, „Zahl der aktiven Rebellen“, „sozialgeographisches Gebiet, das betroffen ist“ und „Dauer des Ereignisses“.

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  102. Russell beschäftigt sich auch ausführlich mit der Wahrscheinlichkeit einer Massenrebellion in Südafrika, doch bezweifelt sie deren Erfolg, es sei denn, „eine ausländische Intervention auf Seiten der Schwarzen“ geschähe (Russell 1974: 89). Außerdem scheinen den Schwarzen zum gegenwärtigen Zeitpunkt organisatorische Mittel zu fehlen, was teilweise an der entschiedenen Unterdrückung durch die südafrikanische Regierung liegt. Vgl. auch die Studien von van den Berghe (1976) und R. W. Johnson (1977).

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  103. Gemessen durch Indizes über „Ausmaß der Illoyalität“, „Zeitpunkt der Illoyalität“ und „Anteil der Streitkräfte, der zu einem bestimmten Zeitpunkt illoyal war“.

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  104. Mayer/Mayer (1976) bezweifeln einige der Schlußfolgerungen von Russell. Insbesondere heben sie hervor, daß Illoyalität einer Armee die Konsequenz einer Massenrebellion anstelle ihrer „Ursache“ sein mag. Für ein ausführlicheres theoretisches Modell der Revolution vgl. Kap. 5.4.7. Außerdem sind im wesentlichen nur bivariate Analysen im Hinblick auf die Bedeutung einer loyalen Armee durchgeführt worden. — Eine Kritik der Stichprobenbildung durch Russell findet sich bei Solaún (1976: 638).

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  105. Russell führt einige zusätzliche Variablen an, die sich meist auf Merkmale des Militärs selbst beziehen und zur Illoyalität einer Armee beitragen mögen: „Die soziale Zusammensetzung der Streitkräfte sowohl auf der Offiziersebene wie auf der einfacher Soldaten; der Anteil der Offiziere gegenüber einfachen Soldaten; die Abgegrenztheit der Kontakte zwischen den Streitkräften und der Zivilbevölkerung; die Tatsache, daß es sich um eine Armee mit langer Dienstzeit, eine professionelle Armee oder eine mit kurzer Dienstzeit handelt, eine Armee mit Zwangsrekrutierung oder einem Modus irgendwo dazwischen; die Kriterien für die Rekrutierung, z.B. politische vs. militärische Kriterien; das Salär, der Status und die Möglichkeiten zum Aufstieg und, wie diese sich mit denen außerhalb der Streitkräfte vergleichen lassen; die Bedeutung von Disziplin, Mut, Effizienz und Gehorsam im Training; die Existenz einer Ideologie, die mit dem Regime geteilt wird; und wie gut oder schlecht die Truppen behandelt werden. Das übliche Lippenbekenntnis über die bedeutende Rolle der Streitkräfte muß durch eine gründliche Analyse der Wirkungen von Faktoren wie diesen auf die Loyalität der Armee gegenüber dem Regime ersetzt werden“ (Russell 1974: 81).

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  106. In seinen Untersuchungen berücksichtigt Sorokin mehrere Jahrhunderte; in einigen Fällen sogar mehr als tausend Jahre.

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  107. Im Hinblick auf diese Variablen vgl. auch die Spekulationen von Leonhard (1975) über die Wahrscheinlichkeit einer Revolution in der Sowjetunion.

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  108. „‚Machtdeflation‘ [bezeichnet] den Rückgriff auf Zwangsmittel [seitens der im Amt befindlichen Personen wie auch seitens der Opposition], weil die üblichen Kanäle friedlichen Wandels blockiert sind“ (Welch/Taintor 1972: 11 im Anschluß an Parsons 1964).

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  109. „Wenn man einem Automobilmechaniker sagt, daß der Motor eines Autos dysfunktional sei, so ist dies ungefähr so klar und zutreffend, als wenn man es über eine alte Gesellschaft sagt“ (Davies 1967: 253; vgl. auch Nardin 1971: 38).

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  110. Vgl. Schneider (1959; 1975); Wasserstrom (1975).

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  111. Vgl. Humbaraci 1966; O’Ballance 1967; Quandt 1969; Ottaway 1970; Heggoy 1972; Jackson 1977; und die beschreibende Darstellung bei Home 1978.

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  112. Wird diese Erklärung für Vorhersagen benutzt, wird es entscheidend, „‚Mobilisierung‘ und ‚Institutionalisierung‘ unabhängig voneinander zu spezifizieren“ (Tilly 1973: 434; vgl. auch die Diskussion bei Zimmermann 1981: Kap. 5.1.2.4 und im vorangegangenen Kap. 4.2.3).

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  113. Wie noch deutlich werden wird, ist das „westliche“ oder „östliche“ Muster nicht identisch mit geographischen Regionen. Vielmehr sind die Bezeichnungen von den jeweiligen historischen Präzedenzfällen abgeleitet.

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  114. Interessanterweise finden sich die Unterscheidungen Huntingtons auch in chinesischen Dokumenten: „Z.B. schrieb Lin Piao im Jahre 1965: ‚Die Oktoberrevolution begann mit der bewaffneten Erhebung in den Städten und dehnte sich dann auf das Land aus, wohingegen die Chinesische Revolution einen Sieg im gesamten Land durch die Einkesselung der Städte von den ländlichen Gebieten aus erreichte und dann die endgültige Übernahme der Städte ermöglichte.‘ Lang lebe der Sieg im Volkskrieg!, Peking 1966: 43“ (wie bei Hammond 1975: 639 zitiert).

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  115. Das zweite Datum bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem Batista ins Exil ging, das dritte auf den Fall Saigons, das vierte auf den Fall von Managua. Doch mag man sich fragen, ob die Cubanische Revolution in der Tat die Bedingungen des östlichen Modells erfüllt, anders als etwa z. B. die späteren Phasen der Chinesischen Revolution (das erste Datum, das im Zitat erwähnt worden ist; s. auch Skocpol 1979: 303 für das umgekehrte Argument). Im Falle Cubas scheinen sich einige Belege zu finden, daß zumindest die folgenden Merkmale „westlicher“ Revolutionen anzutreffen waren: „Die politischen Institutionen des alten Regimes brechen zusammen; darauf folgt die Mobilisierung neuer Gruppen in die Politik und dann die Schaffung neuer politischer Institutionen“ (Huntington 1968: 266). Das Argument wird in größerem Detail von Hagopian gestützt: „Die Cubanische Revolution ist in Wirklichkeit ein intermediärer Typus zwischen dem östlichen (chinesischen) und dem westlichen Modell der Revolution. Ihre Beibehaltung gewisser ‚westlicher‘ Merkmale leitet sich im wesentlichen aus dem relativ hohen Niveau der Organisierung, Industrialisierung und des Lebensstandards im Vergleich zu den meisten Ländern der Dritten Welt her [vgl. auch Kap. 5.4.6.2]. Die hauptsächliche Abweichung vom östlichen Prototyp liegt darin, daß Castro keinen wirklich ausgedehnten Bürgerkrieg zu kämpfen hatte, in den große konventionelle Streitkräfte wie auch kleine Guerillaeinheiten verwickelt waren. Es gab keine Massenpartei, die eng mit einer Massenarmee im Sinne der chinesischen oder der Vietminh-Weise verbunden war... Vielleicht ist am bedeutendsten, daß das Batistaregime nicht tatsächlich geschlagen wurde: es brach weitgehend aus inneren Gründen zusammen, von denen einige ziemlich wenig mit Castros und Che Guevaras kühnen Eskapaden zu tun hatten“ (Hagopian 1974: 291). Berücksichtigt man die geringe Fallzahl, so sind allgemeine Aussagen über ein (westliches, östliches oder anderes) Muster der Revolution sehr risikobehaftet.

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  116. Vgl. aber auch weiter unten für eine Kritik dieses Aspektes.

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  117. Zusätzlich schlägt Huntington verschiedene andere interessante Hypothesen vor, die auf systematischer quantitativer Basis getestet werden sollten: „In der westlichen Revolution ereignet sich Terror in späteren Phasen der Revolution und wird von den Radikalen, nachdem sie an die Macht gekommen sind, in erster Linie gegen die gemäßigten und andere revolutionäre Gruppen angewandt, mit denen sie gekämpft haben. Im Unterschied dazu bezeichnet Terror in der östlichen Revolution die Anfangsphase des revolutionären Kampfes. Er wird von den Revolutionären eingesetzt, wenn sie schwach und weit entfernt von der Macht sind, um die Bauern zu überreden oder zur Unterstützung zu zwingen und die offiziellen Vertreter der Macht einzuschüchtern... Emigration... erreicht ihren Höhepunkt zu Beginn des revolutionären Kampfes im westlichen Modell und zu Ende dieses Kampfes im östlichen Modell“ (Huntington 1968: 274).

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  118. Oder präziser: „Die Stadt stellt das Zentrum der Opposition innerhalb des Landes dar; die Mittelschicht ist der Herd der Opposition innerhalb der Stadt; die Intelligenz ist die aktivste oppositionelle Gruppe innerhalb der Mittelschicht; und die Studenten sind die kohärentesten und effektivsten Revolutionäre innerhalb der Intelligenz“ (Huntington 1968: 290). Doch bleibt zumindest zweifelhaft, ob die Studenten in der Tat die “most coherent and effective revolutionaries“ sind (s. dazu auch die entgegengesetzten Schlußfolgerungen an anderer Stelle in Huntingtons Buch, 1968: 239). Jedoch findet sich weitreichendes empirisches Material, das zeigt, daß sich (erhebliche Teile der) Studenten in der Opposition befinden, ungeachtet wer die Regierung stellt und was die im Amt befindliche Regierung tut. Wie Huntington außerdem selbst bemerkt, „kontrastiert das Image der Mittelschichten als eines revolutionären Elementes natürlich mit dem Stereotyp der Mittelschichten als Eckstein der Stabilität in einem modernen politischen System“ (Huntington 1968: 289). Der offensichtliche Widerspruch mag aus dynamischer Sicht verschwinden: „Sowie die Mittelschicht breiter wird, wird sie konservativer“ (ebd.). Bekannte Beispiele großer konservativer Mittelschichten liefern das Wilhelminische Deutschland sowie Japan.

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  119. Einige zukünftige Entwicklungen vorhersagend, gelangt Huntington zu diesen Hypothesen: „Eine Landreform und Abwanderung in die Stadt mögen alternative Wege sein, die das Gros der Länder der Dritten Welt verfolgen mag. Sie mögen dadurch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Revolutionen ausschließen oder erheblich verringern, von Revolutionen, die von revolutionären Koalitionen zwischen städtischen Mittelschichtenelementen und bäuerlichen Elementen ermöglicht werden, die in der Vergangenheit bestanden und Erfolg hatten. Doch stellt Urbanisierung nur ein Element der Modernisierung dar, und das Phänomen der Urbanisierung ohne Industrialisierung mag Länder der Dritten Welt für neue Typen der Sozialrevolution empfänglicher machen, die in der Geschichte der früh modernisierten Länder fehlen. Solche Revolutionen mögen notwendig sein, um den Prozeß der Modernisierung zu vollenden, der mit der Abwanderung in die Städte begann... In den meisten Ländern der Dritten Welt mag es in der Tat zu spät für eine Bauernrevolution sein; doch könnte es auch zu früh für eine Revolution in den Städten sein“ (Huntington 1971a: 10).

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  120. Diese Ideen über die Notwendigkeit der Koalitionsbildung unter Revolutionären werden von vielen Forschern geteilt (und natürlich auch von Revolutionären selbst). Meusel mag als gutes Beispiel angeführt werden: „Der deutsche Bauernkrieg des Jahres 1525 [vgl. auch Anmerkung 155] ging verloren, weil er eine im wesentlichen auf das Land beschränkte Erscheinung blieb. Die deutsche Revolution des Jahres 1848 ging verloren, weil sie im wesentlichen eine auf die Stadt beschränkte Erscheinung blieb“ (Meusel 1952: 39). Über den quantitativen Anteil der Mittelschichten (und notfalls von Teilen der Oberschicht[en]) an einer revolutionären Koalition und/oder über das notwendige Ausmaß der Spaltung in den Mittelschichten (bzw. in der Oberschicht) für erfolgreiche revolutionäre Angriffe liegen keinerlei gesicherte Befunde vor.

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  121. Einige Modifizierungen müssen jedoch an einer solchen Analyse angebracht werden. Seiden (1971) versucht z. B. zu zeigen, „daß eine Land- oder Agrar- ‚Revolution‘, die von den Kommunisten gefördert wurde, die Basis für die Entwicklungen bildete. Diese ‚Revolution‘ bestand aus einer bedeutsamen Landreform, die das Grundherrenwesen beseitigte, den Besitz reicher (gemessen an chinesischen Standards) Bauern begrenzte und denjenigen der Mittel- und ärmeren Bauern vergrößerte. Vor der Intervention der Kommunisten in den späten 20er Jahren äußerte sich der bäuerliche soziale Protest in Banditentum und kooperativen Bewegungen auf der Basis der Selbsthilfe [vgl. den Überblick bei Chesneaux 1973].... Als der Krieg ausbrach, befanden sich die Kommunisten in einer guten Position, um Glaubwürdigkeit als die hartnäckigsten Verteidiger chinesischer Souveränität und chinesischen Stolzes zu erlangen — doch war die Kleinarbeit während der vorangegangenen Dekade geleistet worden“ (Hagopian 1974: 288–289). „Die Wirkung der Kommunisten auf die Bauern beruhte auf dem tiefgreifenden Verwaltungs- und Reformprogramm [das den Bauern Land gab]. Der neue Nationalismus auf dem Lande stand in Verbindung zu der Erneuerung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens in den Dörfern“ (Seiden 1971: 277). In einer Studie der T’aihang-Pingyuan Region fand Thaxton Belege für eine Revidierung vorherrschender Interpretationen: „Lange vor Ankunft der Revolutionsarmee und der japanischen Besetzer waren die Bauern bereit, eine Regierung zu unterstützen, die es ihnen ermöglichen würde, ihr Grundverständnis sozialer Gerechtigkeit wiederzugewinnen, das ihnen verloren gegangen war. Ausbeutung vielmehr als die Auswirkung des Krieges per se war es, die die Dorfbewohner als potentielle Teilnehmer an dem revolutionären Krieg der kommunistischen Partei gegen die Japaner aufbrachte — ein Muster, das nicht völlig verschieden von dem in Zentral-Luzon vor der Erhebung der Huks oder in Tonkin vor dem Aufstand der Vietminh ist“ (Thaxton 1977: 54). Das Endergebnis kann vielleicht am besten mit den Worten von Schurmann beschrieben werden: „Die chinesischen Kommunisten waren schließlich in der Lage, das zu erreichen, was keinem Staat in der chinesischen Geschichte jemals geglückt war: eine Organisation zu schaffen, die dem Staat gegenüber loyal war und fest in die natürlichen Dorfbezüge eingebettet war“ (Schurmann 1971: 416, auch von Hagopian 1974: 290 zitiert).

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  122. Eine damit direkt in Beziehung stehende Frage ist, ob es eine Tendenz zur Ausbreitung von Revolutionen gibt. Bislang findet sich darauf keine eindeutige Antwort, insbesondere, wenn man nur an erfolgreiche Revolutionen denkt. Andererseits gibt es weitreichende Belege dafür, daß revolutionäre Umsturzversuche häufig in Wogen auftreten, etwa zu verschiedenen Zeiten während des 19. Jahrhunderts (1820, 1830, 1848) und nach den beiden Weltkriegen in diesem Jahrhundert. (Bracher 1976a: 38, spricht konsequenterweise von den europäischen Veränderungen während der Jahre 1917–18 als „Antikriegsrevolutio-nen“.) Diffusionseffekte treten auch auf im Falle erzwungener kommunistischer Machtübernahmen. „Länder, die seit 1917 kommunistisch geworden sind, haben gemeinsame Grenzen mit einem etablierten kommunistischen Staat, mit einer Ausnahme — Cuba“ (Hammond 1975: 641).

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  123. Die Forschungsstrategie des Paarvergleiches erscheint auf dem gegenwärtigen Wissensstand über die Bedingungen von Revolutionen besonders nützlich. Interessante Beispiele finden sich abgesehen von Huntington bei özbudun (1970 — Mexiko vs. Türkei) und Kautsky (1975 — Mexiko vs. Sowjetunion). Vgl. auch Eckstein (1976).

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  124. Doch muß die Mexikanische Revolution auf der Basis schärferer Kriterien ebenso als „unvollständige“ Revolution eingestuft werden, wobei ein Indikator die Aufgabe des Programms kleiner landbesitzender Kommunen (ejidos) nach 1940 ist. Hinsichtlich einer allgemeinen Bewertung der Mexikanischen Revolution vgl. Needier (1970); Atkin (1970); und Mols/Tobler (1975). Vgl. auch Hellman (1978).

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  125. Vgl. auch Alexander 1958; Patch 1961; Zondag 1966; Klein 1968; Weston 1968;Malloy 1970; Malloy/Thorn 1971.

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  126. Eisenstadt (1978) sucht in seinen Verallgemeinerungen über „Revolution und die Umformung der Gesellschaften“ Revolutionen in alten und modernen Zeiten als Konfrontationen zwischen Zentrum und Peripherie zu interpretieren. Doch benutzt er dieses Paradigma der Erklärung häufig in einer ad hoc Manier und verwendet zugleich eine sehr allgemeine und außerdem abstrakte Sprache, so daß in inhaltlicher Hinsicht für eine cross-nationale Analyse von Revolutionen wenig gewonnen ist. Vgl. auch Anmerkung 5.

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  127. Wenn eine Koalition mit städtischen Elementen geschlossen wurde, so bestand sie in mancher Hinsicht in der (offiziellen) Billigung der Landnahmen durch die Bauern (vgl. weiter unten).

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  128. Vgl. weiter oben zu den Inkonsistenzen im Hinblick auf das östliche Modell.

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  129. Dieser Aspekt wird übrigens auch von Moore (1969) in einem Artikel hervorgehoben, in dem er die Chancen für eine Revolution in den Vereinigten Staaten analysiert, die — abgesehen von der Unmöglichkeit, revolutionäre Massen zu „schaffen“ und zu mobilisieren — nahezu gleich Null sind, da die Rebellen kaum eine Chance für einen Rückzug auf ein Territorium hätten, das nicht von den Regierenden kontrolliert wird (vgl. auch Kap. 5.4.4).

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  130. Übrigens zitiert Huntington Moore nicht (vgl. aber auch Huntington 1971b: 311–312), obgleich viele seiner Ideen von Moore geteilt zu werden scheinen.

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  131. Vgl. auch Huntington: „Erstens, je früher diese Entwicklung im Prozeß der Modernisierung und der Ausdehnung politischer Partizipation stattfindet, desto geringere Kosten werden der Gesellschaft auferlegt. Umgekehrt, je komplexer die Gesellschaft wird, desto schwieriger wird es, integrierende politische Institutionen zu schaffen. Zweitens, auf jeder Stufe der Ausdehnung politischer Partizipation liegen die Möglichkeiten für eine fruchtbare politische Aktion bei unterschiedlichen sozialen Gruppen und unterschiedlichen Typen politischer Führer“ (Huntington 1968: 238). Eine aufschlußreiche Hypothese ist in diesem Zusammenhang von Huntington/Domtnguez (im Gefolge von Powell 1971: 216ff.) aufgestellt worden: „Eine Abfolge von Politisierung, Kommerzialisierung und Urbanisierung führt zu ländlicher Revolution, wohingegen die Abfolge Kommerzialisierung — Politisierung — Urbanisierung tendenziell agrarische Reformen erzeugt“ (Huntington/Domtnguez 1975: 15).

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  132. „Der Prozeß der Modernisierung beginnt mit Bauernrevolutionen, die fehlschlagen. Er kulminiert während des 20. Jahrhunderts in Bauernrevolutionen, die Erfolg haben“ (Moore 1966: 453). Huntington hat bekanntlich dieselbe Idee mit diesen Worten ausgedrückt: „Das Land... spielt die entscheidende ‚balancierende‘ Rolle in der Politik der Modernisierung. Die Art des Green Uprising, die Art, wie Bauern in das politische System eingegliedert werden, prägt den nachfolgenden Weg der politischen Entwicklung... Die Rolle der Stadt ist konstant: sie stellt die permanente Quelle der Opposition dar. Die Rolle des Landes ist variabel: es ist entweder Stabilitätsbasis oder Quelle einer Revolution“ (Huntington 1968: 292). Vgl. auch die Analyse ibid., S. 72–78, insbesondere die Tabelle auf S. 76 wie auch die folgende Zusammenfassung: „Paradoxerweise hat das Green Uprising entweder einen stark traditionalisierenden Einfluß auf das politische System oder einen grundlegend revolutionären“ (Huntington 1968: 77).

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  133. „Der Akzent liegt auf Innovation, die zu politischer Macht geführt hat, nicht auf der Verbreitung und Aufnahme von Institutionen, die anderswo herausgebildet worden sind, mit Ausnahme der Fälle, in denen sie zu wirksamen Machtzentren in der Weltpolitik geführt haben. Die Tatsache, daß die kleineren Länder wirtschaftlich und politisch von größeren und mächtigeren abhängen, bedeutet, daß die entscheidenden Gründe ihres politischen Lebens außerhalb ihrer Grenzen zu suchen sind. Das heißt auch, daß ihre politischen Probleme nicht wirklich mit denen der größeren Länder vergleichbar sind. Deshalb wäre eine generelle Aussage über die historischen Vorbedingungen der Demokratie oder des Autori-tarismus, die kleinere wie auch große Länder abdecken würde, wahrscheinlich so breit, daß sie zu einer abstrakten Platitüde würde“ (Moore 1966: X). Offensichtlich sind dies Annahmen, über die man endgültig erst entscheiden kann, nachdem diese Fragen auf breiter empirischer Basis untersucht worden sind.

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  134. Shapiro verweist auf zusätzliche Aspekte, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind: „Hervorzuheben ist, daß sich England von Deutschland und Japan darin unterscheidet, daß die Bourgeoisie und weniger die ländlichen Oberschichten die entscheidenden Kräfte waren. Um solche unterschiedlichen Entwicklungen zu erklären, benutzt Moore eine Reihe zusätzlicher explikativer Variablen wie Abhängigkeit des englischen im Wollanbau tätigen Adels von den städtischen Märkten, demokratische Traditionen, die sich aus der theoretischen Gleichheit der Parteien in den Feudalverträgen über das Lehensverhältnis herleiten, ethnische Heterogenität in Teilen Rußlands, Vertrauen Englands auf die Seemacht statt auf die militärische Landmacht, früher Eintritt oder später Beginn der Industrialisierung, Erziehungssysteme, Kasten und Kolonialismus. Solche Variablen werden in jedem einzelnen Fall sozusagen aus dem Abseits eingeführt. Sie schwächen die theoretischen Ansprüche des Buches und geben ihm gelegentlich den Anschein eines herkömmlichen historischen Überblicks“ (Shapiro 1967: 821).

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  135. Für eine Kritik in dieser Richtung vgl. Rothman 1970; Lowenthal 1968; vgl. auch die Replik von Moore 1970.

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  136. Für eine einsichtsvolle Kritik der einflußreichen Bücher von Anderson (1974a; 1974b) s. Skocpol/Fulbrook (1977). Wie andere vor ihnen kritisieren sie Andersons Gebrauch des Feudalismusbegriffs. Auch „weicht England von den Argumenten Andersons in praktisch jeder wichtigen Hinsicht ab“ (ebd., S. 295). Vgl. auch die Besprechung durch Trimberger (1976).

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  137. „Meine Vorbehalte beschränken sich darauf, daß Moore sowohl das Ausmaß gefährlich übertreibt, in dem die Landoberschicht kommerzielle Prinzipien angenommen hat (tatsächlich waren es zumeist rentiers, wie er in einer Fußnote zugibt), als auch die Geschwindigkeit und die Gewalt beim Verschwinden der kleinen bäuerlichen Besitzer“ (Stone 1967: 33).

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  138. S. Rokkan (forthcoming) für die wahrscheinlich beste Zusammenfassung seiner Absichten und Resultate. In diesem Beitrag unternimmt er auch einen Versuch, seinen eigenen Ansatz mit Wallersteins (1974) “capitalist world-system approach“ und der West-Ost Dimension zu verbinden, die von Anderson (1974a; 1974b) hervorgehoben wird.

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  139. Moore hat natürlich dieses Argument selbst gesehen wie auch viele andere der Einwände, die gegen seine Analyse vorgebracht werden.

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  140. Hinzugefügt sei, daß Kenner der deutschen Variante des „Faschismus“, des Nationalismus, hervorheben, daß dieser erheblich vom „Faschismus“ differiert, was immer dieser Begriff bezeichnet. Vgl. Bracher (1976b) für eine neuere Abgrenzung und Kap. 5.3.

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  141. „Was auch immer die Gründe für die anormale Entwicklung der schwedischen Bauernschaft sein mögen, so scheinen die Resultate zumindest im Sinne der Theorie von Moore klar zu sein. Anders als in England oder Frankreich bestand keine Notwendigkeit, irgendeine der alten Schichten auf dem Lande durch revolutionäre Gewalt zu zerstören, um eine Industrialisierung einzuleiten. Zum großen Teil waren die Verhaltensweisen der unabhängigen Bauernschaft unbedeutend für den sich herausbildenden Industrialismus, der seinen Antrieb teilweise von ausländischem Kapital, teilweise von einer sehr kleinen Schicht einheimischer Monopolunternehmer bezog, die nach dem Jahre 1866 mit den agrarischen und bürokratischen Interessen der Adligen vereint in der plutokratischen ersten Kammer saßen. Daß diese plutokratische Allianz selbst nicht die Basis für eine autoritäre Variante des Kapitalismus wurde, war eine Folge der bereits bestehenden politischen Macht der landbesitzenden Bauernschaft“ (Castles 1973: 330; Hervorhebung hinzugefügt).

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  142. Vgl. auch Marx-. „Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte“ (Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850. Aus der Neuen Rheinischen Zeitung, Preußisch-Hannoversche Revue 1850, Berlin 1895: 90). Vgl. auch die Hypothesen und die empirischen Befunde bei Gurr (1973a).

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  143. Wie andere Rezensenten vorher kritisiert auch Skocpol den gelegentlichen Gebrauch einer abstrakten Terminologie. Z.B.: „Macht es Sinn, unter der Rubrik ‚politische Mechanismen‘ alles zusammenfuhren, von ‚üblichen‘ Beziehungen zwischen Grundherr und Bauern bis zu ördicher Regierung und den Funktionen des zentralen Staates?“ (Skocpol 1973: 14).

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  144. Für eine zugegebenermaßen begrenzte Datensimulation auf der Basis der Studie von Moore vgl. Moy 1971.

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  145. Tatsächlich war der Bauer ein lange großenteils unbeachtet gebliebenes Subjekt cross-na-tionaler Forschung. „Der Bauer ist eincuralte Figur in der sozialen Landschaft dieser Erde, doch hat die Anthropologie [Soziologie] ihn erst vor kurzem entdeckt“ (Geertz 1972: 1).

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  146. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Begriff des „amoral familism“ (Banfield 1958), der als eine Konsequenz von „Nullsummen“-Wahrnehmungen in bäuerlichen Gemeinden verstanden werden kann.

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  147. Hervorgehoben sei, daß sich die Merkmale von Bauern, die hier angeführt sind, nicht auf Bauern (oder vielleicht angemessener: Farmer) in industrialisierten Ländern beziehen.

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  148. Betont sei, daß Mao (wie auch Lenin) den Schluß zog, daß landlose Arbeiter Revolutionäre abgeben könnten, wenn auch nur durch ihre Verfügbarkeit zu Zeiten revolutionären Protestes. Vgl. Landsberger (1974a: 39).

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  149. S. aber auch Stokes (1978) für einige Belege aus dem kolonialen Indien gegen die These Wolfs von der Bedeutung des Mittelbauern.

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  150. S. AlRoy (1967) für eine Diskussion der — im allgemeinen wenig aussagekräftigen — Belege über die Unterstützung der cubanischen Revolutionäre durch die Bauern. Useem (1977) ist dabei teil weiser anderer Meinung, wobei er insbesondere die Unterstützung Castros durch die squatters (Ansiedler ohne Rechtstitel) hervorhebt.

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  151. Konsequenterweise glaubten die Bauern in den meisten der Bauernrebellionen im mittelalterlichen Europa und während späterer Rebellionen ebenfalls, daß der „wahre oder gerechte König“ auf ihrer Seite kämpfte. So wie in dem Slogan des Wat Tyler Aufstands des Jahres 1381 in England ausgedrückt: „With King Richard and the Commons“. In Rußland war die Figur bzw. der Mythos des „wahren Zaren“ oder des „Zaren als Befreier“ ein fortwährendes Merkmal der Bauernrebellion, insbesondere während des 17. und 18. Jahrhunderts (vgl. auch Scott 1977: 227). Vgl. auch Avrich (1972) für eine Längsschnittanalyse der vier großen Kosakenrevolten (unter der Führung von: Bolotnikov, 1606–1607; Razin, 1670–1671; Bulavin, 1707–1708; und Pugachev, 1773–1774; über letzteren vgl. auch Longworth 1975). Avrich hebt die Kontinuität sowohl in den zugrundeliegenden Bedingungen dieser Revolten wie auch in ihren Ergebnissen hervor.

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  152. Mit den Worten von Tilly: „Die grundlegenden Bedingungen für einen Widerstand sind zunächst eine klare Bedrohung für das Überleben der Bauern, wobei als solche definierte Mittelsmänner erkennbare externe Verbindungen haben und sich beides in einer Anzahl von Gemeinden ereignet, die bereits in Kommunikation miteinander stehen; und zweitens, ein bedeutsamer lokaler Rahmen für kollektive Aktion in Form gemeinsamer Verpflichtungen, Kommunikationslinien und zu rechtfertigender allgemeiner Ansprüche auf Ressourcen. Aus den Analysen Wolfs über Bauernkämpfe im 20. Jahrhundert und bei einem allgemeinen Überblick über die moderne europäische Geschichte erscheint es angebracht, eine wichtige erleichternde Bedingung hinzuzufügen: die Verfügbarkeit städtischer Verbündeter in Form von Intellektuellen, liberalen Bürgern, Arbeiterführern, Militärführern, professionellen Politikern oder anderen“ (Tilly 1974: 296). Der Erfolg der sizilianischen Mafia — öder präziser: die Abwesenheit von Protest unter den Bauern — könnte im Lichte dieser Erklärung verstanden werden (s. Blok 1974).

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  153. Vgl. Womack (1972), White (1969) und Huizer (1970) hinsichtlich einer Bewertung der Zapata-Bewegung. Vgl. auch Waterbury (1975) für eine Analyse, in der die Bedingungen für die Unterstützung Zapatas durch die Bauern (in Morelos) mit denjenigen verglichen werden, die die Bauern nichtrevolutionär (in Oaxaca) blieben ließen.

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  154. Bei der Analyse von Bauernaufständen im 17. Jahrhundert in Frankreich, Rußland und China gelangt Mousnier zu einer ähnlichen Schlußfolgerung: „Für keines dieser drei Länder kann behauptet werden, daß die Bauern die Initiative bei diesen Revolten ergriffen. Sie wurden vielmehr immer von anderen Elementen begonnen, und in Frankreich, einer Gesellschaft mit einer größeren Vielfalt der Stände als in den beiden anderen, nahmen sie ihren Anfang häufiger in den höheren sozialen Schichten als anderswo“ (Mousnier 1971: 327). Vgl. auch die kritische Bewertung der Studie von Mousnier durch Gately et al. (1971). In seiner Kritik der Arbeit von Porchnev (1963) behauptet Mousnier (1958) auch, daß es entgegen der Argumentation von Porchnev keine autonomen Bauernrevolten im Frankreich der Prä-Fronde während der Jahre 1623–1648 gegeben habe, die als Klassenkampf zu interpretieren wären. Vielmehr hätten vielfältige Konfliktkonstellationen bestanden, bei denen bürgerliche Elemente und zu gewissen Zeiten auch adlige Elemente zumeist gegen die sich ausdehnende zentrale Autorität kämpften. Für einen Versuch, beide Interpretationen miteinander zu verknüpfen, vgl. Mandrou (1959). S. auch Salmon 1967 und Mandrou 1969 für nützliche Übersichten über die Kontroverse (vgl. auch Bernard 1964) und Wallerstein (1974: 283 ff.) für eine Abgrenzung im Kontext seines eigenen Ansatzes über das moderne kapitalistische Weltsystem. Ohne Unterstützung und Führung von außen sind Bauernerhebungen zum Scheitern verurteilt. Diese Schlußfolgerung, die an verschiedenen Stellen im gesamten Kap. 5 zu ziehen ist, drängt sich auch auf, wenn man die spätmittelalterlichen Revolten während des 14. und 15. Jahrhunderts betrachtet — vgl. Mollat/Wolff (1970) für eine vergleichende Analyse der Bauernrevolten in Frankreich, Florenz, den Niederlanden, England, auf der Iberischen Halbinsel, in Katalanien, in Böhmen und anderswo (vgl. auch Hilton 1973). Mollat/ Wolff heben auch den „reaktionären“ Charakter der meisten dieser Bauernrevolten hervor (vgl. auch Kap. 5.4.6.6.1). Für eine Analyse der Revolten während des 15. bis 17. Jahrhunderts vgl. z.B. Koenigsberger (1971) und Forster/Greene (1970) für Studien über Erhebungen im 16. und 17. Jahrhundert (vgl. auch Kamen 1971). Doch sollte bedacht werden, daß die Phänomene, die in diesen vergleichenden Analysen untersucht werden, ziemlich heterogener Natur sind (vgl. auch Elliott 1969). Sie umfassen z.B. bei Forster/Greene-. „(a) große nationale Revolutionen, insbesondere den Bruch der Holländer mit der spanischen Herrschaft zu Ende des 16. Jahrhunderts und den Umsturz der Stuarts in den 1640er Jahren in England; (b) nationale Revolten wie die der französischen Fronde in den Jahren 1648–1653 und die fast parallele katalanische Rebellion gegen Spanien, die nach F orster/Greene das Potential zu einer eigenständigen Revolution hatten; (c) große regionale Rebellionen mit begrenztem revolutionären Potential, so wie es sich in der Pugachev-Bewegung äußert; (d) sezessionistische Staatsstreiche, die durch den portugiesischen Umsturz der spanischen Herrschaft in den Jahren 1640–1688 vertreten sind; (e) urbane Jacquerien wie solche in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Sizilien und Neapel“ (Moote 1972: 211, der auch eine nützliche vergleichende Analyse der Arbeiten von F orster/Greene und Koenigsberger liefert).

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  155. Diese Anlayse scheint (teilweise) von Trotsky akzeptiert zu werden: „Wenn die Agrarfrage durch das Bürgertum gelöst worden wäre, wenn sie von ihm hätte gelöst werden können, hätte das russische Proletariat im Jahre 1917 kaum zur Macht gelangen können. Um den Sowjetstaat in die Tat umzusetzen, wurde ein Zusammenspiel und eine wechselseitige Durchdringung zweier Faktoren notwendig, die zu vollständig verschiedenen historischen Spezies gehören: ein Bauernkrieg — d.h. eine Bewegung, die charakteristisch für die Morgendämmerung der bürgerlichen Entwicklung ist — und eine proletarische Erhebung, eine Bewegung, die ihren Untergang signalisiert. Dies ist der Kern des Jahres 1917“ (Trotsky 1932: 51).

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  156. Ein erstes Beispiel solcher Analysen findet sich in dem Artikel von Chirot/Ragin (1975) über die Ursprünge der Bauernrebellion in Rumänien im Jahre 1907 (vgl. auch die Darstellung bei Eideiberg 1974), der Belege für die Erklärung von Wolf liefert.

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  157. Der Fehlschlag des deutschen Bauernkrieges der Jahre 1524–1526 mag der Unfähigkeit der Bauern zugerechnet werden, in einem größeren Maße Unterstützung von den Städten zu erlangen. In der Literatur hält die Debatte noch an, wie dieses seltene Ereignis revolutionärer (?) oder reaktiver Gewalt (im Sinne von Tilly, vgl. Kap. 5.4.6.6.1) in der deutschen Geschichte zu erklären und zu interpretieren ist. Marxistische Forscher, zumeist aus der DDR, sehen den Bauernkrieg in enger Beziehung zu der deutschen Reformation und behandeln die gesamte Kette von Ereignissen als eine Art frühbürgerlicher Revolution, wohingegen westliche Forscher weniger bereit sind, funktionale historische Interpretationen wie die gerade genannte zu akzeptieren. Folglich findet sich keine Übereinstimmung darüber, ob politische Faktoren (die besonders in der klassischen Studie von Franz 1933 hervorgehoben worden sind), religiöse, wirtschaftliche (z.B. wirtschaftliche und rechtliche Unterdrückung durch Adlige und Prälaten) oder soziale Faktoren die wichtigsten sind oder wie relativ wichtig sie bei der Erklärung der Bauernerhebung sind. (Hervorzuheben ist, daß die relativ reicheren Bauern stärker in diesem Krieg engagiert waren, womit zusätzliche Belege für eine der Hypothesen von Wolf geliefert werden.) Für nützliche Überblicke über die Kontroversen mit marxistischen Autoren vgl. z.B. Schulze (1973); Wohlfeil (1972; 1977). S. auch Blickle (1975; 1975a); Nipperdey (1975: 85–112); Wehler (1975a); Wohlfeil (1975); Wolgast (1976) und Scribner/Benecke (1979) für einige zusätzliche Materialien wie auch die Fallstudie des Bauernkrieges im südlichen Oberschwaben durch Sabean (1972). Jüngste Überblicke über die Forschung zum deutschen Bauernkrieg finden sich bei Scott (1979a; 1979b) und Blickle, der hervorhebt, daß „sich das Gebiet wohlentwickelter Gemeinden geographisch — abgesehen von dem Streifen entlang der Nordsee- und Ostseeküste — mit dem weitreichender Rebellionen deckt“ (Blickle 1979: 236–237; s. auch Blickle 1979a und Blickle et al. 1980). Für einen „Überblick über bäuerliche Widerstandsaktionen im Reich zwischen Bauernkrieg und Französischer Revolution“ s. Schulze (1980: 49 ff.).

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  158. Zagoria (1974) z.B. hebt das revolutionäre Potential unter den Landpächtern und Proletariern des heutigen Asiens hervor. Einige zusätzliche Hypothesen, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, werden von Geneletti (1976) vorgetragen, der unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten agrarischen Radikalismus je nach dem Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung, dem Ausmaß des Landbesitzes und der Abhängigkeit der Bauern vorhersagt (doch liefert er keine hinreichenden empirischen Belege für seine Theorie).

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  159. Doch überzieht Fanon (1961) eindeutig das Argument, wenn er den (afrikanischen) armen Bauern zum revolutionären Subjekt par excellence erklärt (vgl. Coser 1966; Grohs 1968; Staniland 1969; Woddis 1972: 54–66; Perinbam 1973; Jinadu 1973; und Blackey 1974 für kritische Bewertungen).

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  160. Vgl. Harrison (1971) für eine Übersicht über verschiedene marxistische (orthodoxe und unorthodoxe) Positionen im Zusammenhang mit den chinesischen Bauernrebellionen. Eine differenzierende Analyse des Marxschen Theoretisierens über Bauern findet sich bei Duggett (1975). S. auch Wittfogel (1960) über die „marxistische Sicht der russischen Gesellschaft und Revolution“ wie auch sein Buch über den „orientalischen Despotismus“ (1957).

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  161. Wenn Mao hier hervorgehoben wird, so sollen doch die Lehren und Handlungen von Ho Chi Minh (vgl. z.B. Fall 1967) und seines hauptsächlichen Strategen Vo-nguyen-Giap, der anderen sehr erfolgreichen Revolutionäre in Asien, nicht vergessen werden.

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  162. Vgl. auch Bianco (1971: 155ff.) für eine Fortführung der Analyse im Sinne der Argumente von Johnson.

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  163. Vgl. auch die Analyse von Denitch (1976; 1976a; vgl. auch Johnson 1962; Shoup 1975), der hervorhebt, daß die neue Kaderstruktur der Partei „die Beziehungen innerhalb des Dorfes revolutionierte und das Land umformte, bevor die Städte erobert wurden“ (Denitch 1976: 468). Jugoslawien mag somit als ein weiteres Beispiel für Huntingtons östliches Modell der Revolution dienen. Tatsächlich nahmen die historischen Ereignisse jedoch einen wesentlich komplizierteren Verlauf, wie in dem Zitat von Seton-Watson zu-sammengefaßt: „Die jugoslawische Revolution der Jahre 1941–45 wurde durch den Krieg möglich gemacht, der das alte Jugoslawien zerstörte. Innerhalb weniger Monate nach der Besetzung und Teilung des besiegten Landes hatten zwei neue Kriege begonnen — ein nationaler Krieg zwischen den Kroaten und Serben in Bosnien und ein Widerstandskrieg der Serben gegen die Deutschen in Serbien. Dieser zweite Krieg rief bald einen dritten hervor, einen Bürgerkrieg zwischen Royalisten und kommunistischen Serben. In den folgenden Jahren gingen diese Kriege ineinander über und nahmen neue Gestalt an. Am Ende schälte sich ein einziger Krieg zwischen zwei Gegnern heraus. Auf der einen Seite waren die Partisanen, von der kommunistischen Partei geführt und voll kontrolliert, die mit zunehmendem Erfolg die Serben, Kroaten, Slowenen und Mazedonier ansprachen, sich als Brüdernationen gegen einen gemeinsamen Feind zu vereinen. Auf der anderen Seite standen die Deutschen, die von den alliierten Armeen der Italiener (bis 1943), Bulgaren und Ungarn und den extremen nationalistischen Kroaten (Ustasha) und Serben (Chetniks) unterstützt wurden, deren Haß auf die rivalisierende Nachbarnation noch größer als ihre Abneigung des ausländischen Eroberers war. Während des ‚Befreiungskrieges4, der zu Beginn des Jahres 1943, wenn nicht in der Tat schon früher, diese vergleichsweise einfache Form angenommen hatte, errichteten die jugoslawischen Kommunisten in den ‚befreiten Gebieten‘ in den Bergen und Wäldern die entscheidende Regierungsmaschinerie, die letztlich das ganze Land übernahm, die großen Städte natürlich zum Schluß. Der Fortschritt der jugoslawischen Kommunisten bis zur Macht ähnelt in vieler Hinsicht dem der Chinesen“ (Seton-Watson 1972: 193).

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  164. Wie ein Autor vermerkte, waren die Kommunisten lediglich dabei, ex post zu sanktionieren, was durch die spontanen Aktivitäten der Bauern erreicht worden war, die kriegsmüde waren und ihre — üblicherweise abwesenden — Grundherren (vgl. auch weiter oben) abschütteln wollten. „Unter den Bauern besaßen die Bolschewiki keine wirkliche Gefolgschaft. Doch als die einzige Partei ohne Bindungen an die bestehende Ordnung konnten sie es sich erlauben, ihre Forderungen vorübergehend hinter die Notwendigkeit der Machtübernahme zurückzustellen. Dies taten sie während der Regierungsübernahme und erneut nach dem Chaos des Bürgerkrieges. In der Folge fanden es die Bolschewiki natürlich notwendig, sich denen zuzuwenden, die sie an die Macht gebracht hatten, und die Bauern in Kollektiven zusammenzufassen, um sie zur Grundlage und zu den Opfern der sozialistischen Version primärer kapitalistischer Akkumulation werden zu lassen“ (Moore 1966: 481). S. Keep (1976) für eine detaillierte Darstellung.

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  165. Maos Taktik des Guerillakrieges wurde „als Resultat des Versagens anderer Taktiken angewandt“ (Fairbairn 1974: 88; vgl. auch Cbesneaux et al., 1977: 155 ff.). „Mao behauptete, daß sich diese Taktiken ‚in der Tat von jeder anderen unterscheiden, alten oder modernen, chinesischen oder ausländischen‘. Doch weder für Sertorius noch für Viriatus zweitausend Jahre zuvor [noch für den Philosophen Sun Tzu, der 2400 Jahre früher schrieb] hätten diese Ideen eine gänzlich neue Offenbarung dargestellt — noch für Guerillaführer auf der ganzen Welt und in der Geschichte. Obgleich weder die Strategie noch die Taktik neu war, war ihre Anwendung im Rahmen einer politischen Doktrin eine Neuigkeit“ (Laqueur 1976: 245).

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  166. „Unsere Strategie ist, einen gegen zehn zu setzen, wohingegen unsere Taktik lautet, zehn gegen einen zu stellen — dies ist eines der fundamentalen Prinzipien, mit denen wir den Feind schlagen“ (Mao wie bei Johnson 1965: 52 zitiert).

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  167. „Nachdem eine territoriale Basis errichtet und abgesichert worden ist, nimmt der Einsatz politischer Gewalt tendenziell den Charakter eines Krieges zwischen Nationen an“ (Gurr 1970: 266–267).

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  168. „Ohne ein politisches Ziel muß ein Guerillakrieg scheitern, was auch gilt, wenn die politischen Ziele nicht mit den Ansprüchen der Menschen übereinstimmen“ (Mao Tse-tung 1961:43).

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  169. „Guerillakriegführung stellt eine Form der Kriegführung dar, mittels derer die strategisch schwächere Seite die taktische Offensive in begrenzter Form zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten übernimmt“ (Huntington 1962: XVI). „Kleiner Krieg“ ist in der Tat die Originalbezeichnung für das spanische Wort „guer(r)illa“ (Paret/Shy 1962; Asprey 1975; Laqueur 1976; Parry 1976). Die Verhältnisse in den Zahlen der Guerillakämpfer zu denen normaler Truppen, die sie bekämpfen, haben entsprechend variiert von z.B. 1:8 in Griechenland zu 1:23 in Algerien oder 1:30 in Malaya (vgl. Greene 1974: 84 und Ahmad 1971: 148). Doch sogar eine so große Überlegenheit der Gegenseite wie im algerischen Fall verhinderte nicht den Sieg der Guerillakräfte. Der endgültige Sieg mußte auf mehr als nur militärischen Faktoren beruhen. Eine zufriedenstellende Erklärung dieser Fälle wird immer politische Faktoren zu berücksichtigen haben. Einige Autoren (z.B. Zawodny 1962) sprechen von ,„unkonventioneller Kriegführung“. Doch zumindest seit dem frühen 19. Jahrhundert gibt es eine „Konvention“ des Guerillakrieges, der seinen Höhepunkt im 2. Weltkrieg und in der Zeit danach fand. Nützliche Übersichten über Guerillakampfführung finden sich bei Laqueur 1976; Parry 1976; Ellis 1976; Asprey 1975; s. auch die informative Studie von Hahlweg 1968; Campbell 1967. Einer der klassischen Analytiker der (politischen) Komponenten in der Kriegführung, Clausewitz, hat auch über Guerillakriegführung geschrieben. Seine Manuskripte über den „kleinen Krieg“ sind jedoch erst kürzlich veröffentlicht worden (Clausewitz 1966: 208–599).

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  170. “Der dramatische Fehlschlag der , militärischen‘ Theorie des Aufstands in Lateinamerika mag seine Parallelen in dem vergleichsweise geringen Erfolg der , militärischen‘ Theorie der counter-insurgency in Südostasien haben“ (Huntington 1971a: 7). Oder in anderem Zusammenhang gesehen: „Als Theorie ist Revolution in der Revolution? radikal, aber falsch. Das Buch weist enge Parallelen zur Theorie revolutionärer Kriegführung auf, der man in Washington anhängt. Es sieht den revolutionären Krieg , in seinen Anfangsphasen‘ im wesentlichen aus militärischer Sicht. Die Zivilbevölkerung bleibt solange unbeachtet, bis ein erster Erfolg erreicht worden ist. Die Legitimität der Regierung wird nur in Begriffen von Zwang gesehen; von daher wird die militärische Aktion das hauptsächliche Instrument der Subversion. Die Revolutionäre, die von der Bevölkerung als , Außenseiter‘ abgelehnt werden, sehen die Zivilisten tendenziell als Zuschauer, die sich der Seite des Gewinners zuschlagen werden ... Debrays foco ist, so fürchte ich, ein Maßanzug für das amerikanische counter-insurgency Programm. Die bolivianische Kampagne Che Guevaras liefert ein Beispiel für das Versagen der foco Theorie“ (Ahmad 1968: 82). Für Bewertungen der Theorie des foco von Debray s. die Artikel (von denen einige starkes politisches Engagement verraten) in Huberman/Sweezy (1968). Für eine Kritik von Debrays (und Guevaras) revolutionärer Analyse und seinen taktischen Schlußfolgerungen vgl. auch Martíc 1975 ; Halperin 1976, Moss 1972;Moreno 1970;und Kap. 5.2.

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  171. Doch nicht nur von ihnen. Viele der sogenannten counter-insurgency-Techniken (vgl. die Bibliographie bei Condit et al. 1963 und die Diskussion bei z.B. Osanka 1962; Galula 1974; Sullivan/Sattler 1971 ; Kitson 1971; 1977; die kritische Bewertung bei Ahmad 1971; Wolf 1966; und Blaufarb 1977 für eine kritische Einschätzung der amerikanischen counter-insurgency-Doktrin und ihrer Bilanz, insbesondere in Vietnam, Thailand, den Philippinen und Malaya) sind in der Tat Techniken des Guerillakrieges, die aus den Erfahrungen im Kampf gegen die Guerilleros abgeleitet worden sind. (Vgl. auch die instruktive Analyse von Techniken des Partisanenkrieges bei Heilbrunn 1962.) In einigen Fällen (z.B. in einigen lateinamerikanischen Ländern) haben die staatlichen Autoritäten keinen Abstand davon genommen, Methoden der Folterung zur Brechung des Widerstandes der jeweiligen terroristischen Gruppen anzuwenden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind einige der Gegenmaßnahmen „erfolgreich“ gewesen. Ob dies langfristig zutreffen wird, auch für die internationale Szene, auf der sich der Terrorismus in den letzten Jahren erheblich verbreitet hat, bleibt eine offene Frage, obgleich die Chancen für einen „Sieg“ des internationalen Terrorismus nicht allzu gut scheinen.

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  172. Für eine allgemeine Hintergrundstudie vgl. die Analyse von Blasco (1974) und spezieller da Silva (1975). Vgl. auch Heiberg (1975) und Payne (1975).

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  173. Gurr (1979a: 52) führt 12 Guerillakriege in westlichen Demokratien und 120 in anderen Ländern mit einem Median von 2600 teilnehmenden Rebellen während der 1960er Jahre an (n = 87 Länder). Die Gesamtzahl der Toten wird auf 1, 3 Mill, geschätzt.

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  174. In den Aggregatanalysen von Gurr, Hibbs und anderen (vgl. Zimmermann 1981: Kap. 5.1) sind Daten über Terrorismus und Guerillakriegführung aus empirischen Gründen mit Daten über andere Formen des Konfliktes verbunden worden. Wonach hier gefragt ist, ist eine cross-nationale Analyse, die zwischen diesen Formen des Konfliktes unterscheidet.

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  175. Auch findet sich eine Parallele zu sozialem Banditentum (vgl. auch Zimmermann 1981: Kap. 5.2): „Die ökologischen Bedingungen des Guerillakrieges und des Banditentums sind im Hinblick auf Absichten und Zielsetzungen identisch. Dies gilt für alle jüngeren größeren Guerillakriege — China, Cuba, Algerien, Vietnam, Griechenland, die Philippinen, Malaya usw. Natürlich suchten sowohl die Guerilleros als auch die Banditen nach Verstecken in schwierigem Gelände. Doch gab es üblicherweise auch eine regionale Tradition der , young people taking to the hills‘ “ (Laqueur 1976: 96).

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  176. „Guer(r)illa“ bedeutet ja „kleiner Krieg“. Folglich haben Sprachpuristen den — recht häufigen Gebrauch von Begriffen wie „Guerillakriegführung“ als Pleonasmus kritisiert.

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  177. „Im 1. Weltkrieg wurden Guerillataktiken kaum angewandt, im 2. Weltkrieg spielten sie eine gewisse begrenzte Rolle in einigen Ländern im Kampf gegen die ausländischen Okkupanten“ (Laqueur 1976: 152).

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  178. Vgl. z.B. Bell (1976a) für einige instruktive Fallanalysen.

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  179. „Eine vierte Kategorie hätte hier hinzugefügt werden können, nämlich jene wiederauflebenden rechtsradikalen terroristischen Banden, die in Argentinien, Brasilien, Italien und in großen Teilen Spaniens begonnen haben, den Krieg in das Territorium ihrer linken Feinde zu tragen, in den meisten Fällen mit Unterstützung der örtlichen Polizei. Vielleicht sind die protestantischen Organisationen in Ulster in diese Gruppe miteinzuschließen“ (Thomas 1977: 1338). Thomas betont auch, daß in vielen Fällen „die Regierung eine allgemeine Verantwortung für die Ereignisse trägt“ (ebd., S. 1340).

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  180. „In der jüngsten Geschichte finden sich zwei Fälle, in denen größere Guerillaarmeen überlebten und sich ohne Unterstützung mit Waffen von außen ausdehnten — China und Jugoslawien“ (Laqueur 1976: 394).

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  181. Der Einfluß dieser Männer ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß „die wichtigsten Guerillaführer unserer Zeit unter Einschluß von Mao, Tito, Giap, Castro, Guevara wie auch die vorrangigsten Theoretiker unter ihnen self-made men auf dem Gebiet des Militärischen waren“ (Laqueur 1976: 397). Auch waren sich „Mao und Ho Chi Minh, Castro [und] Guevara [...] am wenigsten der Tatsache bewußt, daß ihre Ideen bereits vorher verbreitet und sogar ausprobiert worden waren, obgleich ohne großen Erfolg“ (Laqueur 1976: 384).

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  182. S. auch van Ness (1970) für eine frühere Bewertung und für einige Daten über die verschiedenen Formen chinesischer Unterstützung für nationale Befreiungsbewegungen.

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  183. „Die Schlußfolgerung muß nicht gezogen werden, daß Mao das letzte Wort zu diesem Thema gesagt hat. Das Schicksal der Hukbalahaps in den Philippinen, die malayischen Kommunisten und Guevara in Bolivien sollten uns lehren, nicht in Begriffen einer einheitlichen , Dritten Welt‘ zu denken, in der derselbe Satz taktischer Maßnahmen immer anwendbar ist. Alle Revolutionen sind verschieden; werden irgendwelche allgemeinen Regeln entdeckt, so müssen diese aus einer besonders weiten Sicht der historischen Erfahrungen abgeleitet werden“ (Ellis 1973: 2).

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  184. Unglücklicherweise wird in vielen Definitionen des Terrorismus zirkulär argumentiert. Ein typisches Beispiel findet sich in der Definition der Konvention des Völkerbundes über die Prävention und Verurteilung des Terrorismus aus dem Jahre 1937: Terrorismus wird definiert als alle „kriminellen Aktivitäten, die sich gegen einen Staat richten und die Absicht haben oder daraufhin angelegt sind, einen Zustand des Terrors in den Köpfen bestimmter Personen oder einer Gruppe von Personen oder der allgemeinen Öffentlichkeit zu schaffen“ (wie bei Qureshi 1976: 152 zitiert).

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  185. Für einen historischen Abriß der Ursprünge des Wortes „terreur“ in Montesquieus Esprit des lois und seinen Gebrauch während der Französischen Revolution s. Kessler (1973). Nach Laqueur (1977b) erscheint das Wort „Terrorismus“ zum ersten Mal im Wörterbuch der l‘Académie française im Jahre 1798, um ein Regime nach seinem Gebrauch von „la terreur“ zu kennzeichnen.

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  186. Vergleichbare Studien für die 70er Jahre insgesamt sind noch nicht publiziert worden. „Terroristische Angriffe waren am häufigsten in Europa (50 %) und in Lateinamerika (21 %). Nordamerika (14%), der Nahe Osten und Nordafrika (11 %), Asien (2%) und Sub-Sahara Afrika (2 %) machen den Rest aus. Im Jahre 1970 fanden zweimal so viele Operationen in Lateinamerika wie in Europa statt. Im Jahre 1978 (einschließl. September) hat sich das Verhältnis umgekehrt. In den ersten drei Quartalen des Jahres 1978 waren in Europa mindestens 506 Vorfälle zu zählen, davon die meisten in Italien, im Vergleich zu 256 in Lateinamerika. Deutliche regionale Unterschiede bestehen im Hinblick auf den Einsatz bestimmter Taktiken. Zum Beispiel haben sich 62 % aller Kidnappings in Lateinamerika abgespielt, wohingegen 54 % aller Bombenattentate und 44 % aller Erschießungen in Europa stattfanden. Für Nordamerika werden 667 Fälle insgesamt angeführt, wobei es sich bei 575 oder 86 % von ihnen um Bombenattentate handelt“ (Miller/Russell 1979: 197). Insgesamt berichten Miller/Russell über mehr als 5000 terroristische Vorfälle von Januar 1970 an (unter Ausschluß von Nordirland, Israel und einigen afrikanischen Staaten) sowie von 2735 Getöteten, 3472 Verletzten und 3286 Geiseln. Viele ihrer Befunde lassen sich mit denen von Bell/Gurr (1979; s. im Text) vereinbaren. Für eine Anwendung des älteren theoretischen Modells von Gurr (1968) auf Daten für die Jahre 1968–74 (übernommen von Mickolus 1978) s. Osmond (1979). Wie nicht anders zu erwarten, schneidet die Theorie der relativen Benachteiligung dabei schecht ab (Ausnahme: lateinamerikanische Länder, aber auch hier ergibt sich das Problem der unzureichenden Messung des theoretischen Konzeptes durch Aggregatdaten). — Eine Datenbank zur Analyse von Attentaten auf „politische Führer“ (assassinations) wird z.Zt. von Snitch (1980) für die Jahre 1968–78 zusammengestellt (N = 123 Länder). Er berichtet, daß im Vergleich zu den Jahren 1948–67 politische Attentate in den jeweiligen Ländern erheblich zugenommen haben, daß keine Beziehungen zu Indikatoren wirtschaftlicher Entwicklung bestehen, daß Extremistengruppen an nahezu der Hälfte der Fälle beteiligt waren und daß Argentinien, Italien, Guatemala, die USA und der Libanon die meisten politischen Attentate zu verzeichnen hatten. Das angekündigte umfangreiche Werk von Mickolus (1980) mit einer Dokumentation von über 5000 Fällen und weiteren diesbezüglichen Analysen (1968–1979) lag dem Verf. bis zu diesem Zeitpunkt (Anfang November 1980) noch nicht vor.

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  187. Diese „Studie des CIA, die alle terroristischen Angriffe gegen internationale Ziele oder Ableger derselben anführt, identifiziert 111 Ereignisse im Jahre 1968, 282 im Jahre 1970 und einen Höhepunkt von 413 Ereignissen im Jahre 1976, dem ein Abfall auf 279 im Jahre 1977 folgt. Die eingesetzten Taktiken wandeln sich erheblich im Zeitablauf: politische Entführungen erreichten ihren Höhepunkt mit 21 Ereignissen im Jahre 1970; im Jahre 1977 waren sie auf 8 heruntergegangen. Bombenattentate und Kidnappings andererseits erreichten ihren Gipfel in den Mittsiebzigern, bevor ein Rückgang stattfand“ (Bell/ Gurr 1979: 333).

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  188. Über die Probleme und Aussichten des nuklearen Terrorismus vgl. z.B. Beres 1978; Greenberg/Norton 1979.

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  189. Womit die, wie Thornton (1964: 82) es bezeichnet hat, „Werbe“funktion des Terrorismus multipliziert wird. Oder mit den Worten von Bell: „Die meisten Revolutionäre können sich den Weg in die Schlagzeilen, aber nicht an die Macht bomben. Ihre Bomben sind einfach nicht groß genug“ (Bell 1977: 486). Hinsichtlich des Einflusses der Massenmedien auf den Terrorismus und umgekehrt vgl. auch Wördemann (1977). Fernsehstationen gingen sogar so weit, terroristische Aktionen einen gesamten Tag lang zu übertragen (in Japan) oder Lifeübertragungen einzurichten, als fünf junge bundesdeutsche Terroristen als Gegenleistung für die versprochene Freigabe der Geisel ausgeflogen werden sollten. „Melvin J. Lasky bemerkt treffend, daß das staatliche Fernsehnetz , in der Tat gekidnappt war, dem meisterlichen Plan der Kidnapper zu dienen‘ “ (Parry 1976: 520).

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  190. Crozier spricht von „disruptivem Terrorismus“ und beschreibt seine Ziele wie folgt: „—Aufmerksamkeit für die Bewegung zu erzielen und Bewunderung und Nacheiferung auszulösen.

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  191. — Mittel zu gewinnen und die Moral und das Prestige der Bewegung aufzubauen.

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  192. — Die Autoritäten in Mißkredit zu bringen und zu demoralisieren.

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  193. — Die Autoritäten dazu zu provozieren, übermäßig harte repressive Maßnahmen zu ergreifen, die wahrscheinlich die Bevölkerung entfremden und eine wachsende Spirale öffentlicher Ausgaben für Waffen, zum Schutz des Lebens und für andere Dinge einleiten werden und dazu führen sollen, daß die Öffentlichkeit nach einer Abschaffung dieser Gegenaktionen ruft“ (Crozier 1974: 127).

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  194. Fairhairn unterscheidet zwischen revolutionärem Terrorismus, disruptivem Terrorismus, „der die Bewegung werbewirksam verbreiten soll“ und repressivem Terrorismus, der „sowohl einen Versuch umschließt”die zivile Bevölkerung zu demoralisieren und ihr Vertrauen in die zentrale Autorität zu schwächen und Furcht vor der revolutionären Bewegung einzupflanzen‘ als auch durch beispielhafte Folterhandlungen und/oder Exekutionen Gehorsam für die Führung der revolutionären Bewegung zu erzeugen“ (Fairhairn 1974: 350). „Terror wird als eine bewußte Strategie zur Demoralisierung der Regierung durch Stören ihrer Kontrolle benutzt, um die eigene Stärke zu demonstrieren und Kollaborateure einzuschüchtern. Mehr Griechen wurden durch die EOKA als durch britische Soldaten getötet, mehr Araber als Juden in der arabischen Rebellion der Jahre 1936–1939, mehr Afrikaner als Weiße durch die Mau Mau“ (Laqueur 1976: 401).

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  195. Ein anderer interessanter Fall war der bis vor kurzem fast gänzlich vergessene Johannes Most, der einmal Mitglied der Sozialdemokratischen Partei im Deutschen Reichstag war, später aber zu einem fanatischen Terroristen wurde, der schließlich in die Vereinigten Staaten emigrierte. Laqueur (1977b: 53–58) nennt ihn den „Hohenpriester“ des amerikanischen Terrorismus für viele Jahre.

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  196. Vgl. auch die informative Studie von Avrich (1967) über das Schicksal der russischen Anarchisten während der letzten Dekaden des zaristischen Reiches und nach 1920. — Natürlich verkörpern die bombenwerfenden Anarchisten nur das eine Extrem des Anarchismus, für einige Autoren sogar eine grobe Verzerrung der wirklichen Ideen des (friedlichen) Anarchismus. Für nützliche Überblicke über die Ursprünge und Vielfältigkeiten des Anarchismus s. Woodcock (1977) und Lösche (1977).

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  197. Gurr verweist jedoch auf eine dunkle Zukunft: “Wenig wahrscheinlich, doch vorstellbar ist, daß einige Formen des politischen Terrorismus letztlich ein funktionales Äquivalent in der politischen Arena zu Streikaktivitäten im wirtschaftlichen Bereich werden: eine anerkannte, vielleicht sogar ritualisierte Form, mittels derer Gruppen politischen Einfluß ausüben, wenn sich die augenblicklichen konventionellen Methoden demokratischer politischer Partizipation als unzureichend erweisen“ (Gurr 1979a: 45).

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  198. „Der Terrorismus nimmt immer die Tarnfarbe der jeweiligen Merkmale des Zeitgeistes an, der faschistisch in den 1920er und 1930er Jahren war, aber eine unterschiedliche Richtung in den 1960er und 1970er Jahren nahm ... Viele lateinamerikanische Terroristen der 1960er und 1970er Jahre wären z.B. mit ziemlicher Sicherheit Faschisten geworden, wären sie nur 20 Jahre zuvor geboren worden“ (Laqueur 1977: 14–15).

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  199. Eine umfangreiche Liste terroristischer Gruppen und ihrer augenblicklichen Aktivitäten findet sich bei Crozier (1976: 219–230). Vgl. auch Jenkins/Johnson 1975; Laqueur 1977b. Mickolus (u.a. zitiert bei Friedlander 1979: 148) berichtet allein von 158 terroristischen Gruppen auf der gesamten Welt.

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  200. Verschiedene Autoren (z.B. Laqueur 1977b: 165; Gurr 1979a) betonen, daß im Vergleich zu Kriegen oder sogar den Unfallraten im Verkehr die Zahl der terroristischen Opfer relativ gering ist. Zwischen 1966 und 1976 sind zwischen 6000 – 8000 Personen durch terroristische Aktivitäten umgekommen, davon mehr als die Hälfte in Argentinien und Nordirland.

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  201. Für interessantes Material, das sich auf diese und andere Fragen bezieht, vgl. auch: „International Terrorism — Hearings before the Subcommittee on the Near East and South Asia of the Committee on Foreign Affairs, House of Representatives, 93rd Congress, Second Session“; „Terrorism — Hearing before the Committee on Internal Security, House of Representatives, Washington 1974.“ „Disorders and Terrorism. Report of the Task Force on Disorders and Terrorism. National Advisory Committee on Criminal Justice Standards and Goals“, Washington, D.C. 1976, mit umfangreicher Bibliographic

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  202. Die Befunde einer anderen Untersuchung über 350 Terroristen führen zu dieser Schluß-folgerung: „Mit wenigen Ausnahmen war die Rolle der [terroristischen] Frauen auf Aufklärungsoperationen, Vermittlungsoperationen und Aufträge als Krankenschwestern und medizinisches Hilfspersonal begrenzt und lag in der Instandhaltung .sicherer Häuser‘ für die Terroristen, die von der Polizei gesucht wurden, sowie der Lagerung von Waffen, Propaganda, falschen Dokumentationen, Geldmitteln und anderen Hilfsmitteln“ (Russell/Miller 1977: 21). Die terroristische Szene unter den bundesdeutschen Gruppen, in denen die Frauen in der Mehrheit zumindest der am dringlichsten gesuchten Terroristen sind, scheint von daher so etwas wie einen abweichenden Fall darzustellen.

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  203. Mit Bezug auf seine Ergebnisse für die 1960er Jahre schreibt Gurr, daß „politischer Terrorismus eine Taktik politischer Aktivisten zu sein scheint, denen eine breite Unterstützung für eine umfassende revolutionäre Aktivität abgeht“ (Gurr 1979a: 35). „Politischer Terrorismus in demokratischen Gesellschaften und in einigen anderen ebenfalls ist prinzipiell die Taktik von Gruppen, die die Interessen und Forderungen kleiner Minoritäten repräsentieren“ (ibid., S. 43), von „Minoritäten von Minoritäten“ (Bell/Gurr 1979: 344).

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  204. „Die Muster sind hierarchisch, [wenn die] größeren sichtbaren und im allgemeinen respek-tierteren Einheiten sich als erste aktiv in dieser Weise verhalten und die weniger hoch rangierenden Einheiten dieses Verhalten imitieren“ (Midlarsky et al. 1980: 272).

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  205. In einer Analyse des Terrorismus in Sub-Sahara Ländern weitgehend von ihrer Unabhängigkeit bis zum Jahre 1969 entwickelt Welfling (1979) die Hypothese, daß Terrorismus in diesen Ländern deshalb relativ wenig verbreitet sei, weil diese Regime eher für Staatsstreiche empfänglich seien. Allerdings liefert sie dafür vorerst nur einige qualitative Belege. Ausserdem würden verschiedene lateinamerikanische Länder (s. dazu Kap. 4 passim) ihrer These widersprechen (die in Wirklichkeit etwas komplizierter als hier wiedergegeben ist).

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  206. Für weitere nützliche Arbeiten über den politischen Terrorismus s. Stohl 1979; Alexander et al. 1979; für einige Daten über die zweite Hälfte der 60er Jahre und die frühen 70er Jahre vgl. Sobel 1975.

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  207. Wie Mao es im Jahre 1938 ausdrückte: “Jeder Kommunist muß die Wahrheit erkennen, daß ,politische Macht aus den Gewehrläufen kommt‘. Unser Prinzip lautet, daß die Partei das Gewehr kommandiert und das Gewehr niemals die Partei kommandieren darf.“

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  208. Oder Unterstützung für die kommunistische Partei als eine andere entsprechende abhängige Variable; vgl. Zagoria 1974 für empirische Belege aus Indien, Indonesien und den Philippinen.

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  209. Die endgültige abhängige Variable „event type“ wurde kodiert entlang „zweier Sätze von Kodierkategorien: (1) spezielle Forderungen der Teilnehmer an den Ereignissen und (2) Ideologie irgendeiner politischen Partei, mit der sie verbunden waren“ (Paige 1975: 94).

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  210. Unter Ausschluß kommunistischer Staaten aber mit Einbeziehung „der peripheren, am wenigsten industrialisierten Gebiete Europas“ (Paige 1975: 74). Wie Disch (1979: 243) bemerkt hat, erlaubt es das Vorgehen von Paige, daß „verschiedene Einheiten der Analyse innerhalb eines nation-state auftreten“.

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  211. Oder von „Klassenkonflikten“, wie Chodak (1977: 415) in einer Besprechung des Buches von Paige bemerkt.

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  212. Zwischen den empirischen Resultaten von Paige und der Theorie von Huntington lassen sich einige interessante Parallelen aufzeigen. „Wenn die Substitutionstheorie [Reform als Ersatz für Revolution] im allgemeinen zutrifft, dann ist die Katalysatortheorie [Reform als die Wahrscheinlichkeit von Revolutionen vergrößernd] im allgemeinen falsch und vice versa. Wahrscheinlicher ist die eine unter bestimmten Bedingungen zutreffend und die andere unter anderen Bedingungen. Die dabei bedeutsamen Bedingungen umfassen die Voraussetzungen für Reform und Revolution und die Folgen von Reform für Revolution. Ohne Zweifel besteht die wichtigste einzelne Verbindung zwischen Reform und Revolution darin, daß Zentralisierung der Macht im politischen System eine Voraussetzung für beide zu sein scheint“ (Huntington 1968: 366). Aus Gründen, die an anderer Stelle in diesem Kapitel behandelt werden, scheinen sich unterschiedliche Ergebnisse herauszubilden, je nachdem wo, wann und für wen Reformen unternommen werden: „Reformen, die sich auf die städtische Mittelschicht richten, sind ein Katalysator der Revolution: Reformen, die die Bauern ansprechen, sind als Ersatz für Revolutionen [gedacht]“ (Huntington 1968: 369). Huntington geht davon aus, daß eine Landreform wegen der Nullsummen-Wahrnehmung der Ressourcen zu Konflikten führt, es sei denn, eine hohe Kompensation kann gezahlt werden (wie in Venezuela durch die Einnahmen für das exportierte Öl). Eine von Ausländern eingeleitete oder durch eine dominierende politische Partei betriebene Landreform von einer Landreform durch Revolution unterscheidend, schreibt Huntington über den letzteren Typus: „In einer Landreform durch Revolution schalten die Bauern normalerweise einen Großteil der landbesitzenden Elite durch Gewalt und Tod oder durch Einschüchterung i fear) und Vertreibung aus. Die radikale Intelligenz der Städte übernimmt die politischen Führungsrollen in der Gesellschaft, schafft neue politische Institutionen und ratifiziert die Aktionen der Bauern durch Beschließen einer Landreform. Durch Revolution haben mehr Landreformen stattgefunden als durch irgendein anderes Mittel“ (Huntington 1968: 385). — Hinsichtlich der Bedingungen und Konsequenzen einer Landreform vgl. auch die cross-nation ale Analyse von Tai (1974), die sich mit Kolumbien, Indien, Iran, Mexiko, Pakistan, den Philippinen, Taiwan und der Vereinigten Arabischen Republik beschäftigt.

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  213. Die Bezeichnung „Arbeiterschicht“ („working class“) im Zusammenhang mit der Studie von Paige wird natürlich nicht in dem Sinne benutzt, wie er für industrialisierte Gesellschaften typisch ist.

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  214. Oder wie in einer der zahlreichen Variationen von Paige ausgedrückt: „Wenn Landeigentum die alleinige Einkommensquelle für die agrarischen Unterschichten darstellt, werden daraus Konflikte über den Besitz des Eigentums und die Kontrolle des Staates resultieren. Wenn industrielles Kapital und Finanzkapital die hauptsächliche Quelle des Reichtums der Oberschicht sind, können immer Konzessionen gemacht werden und die ländlichen Sozialbewegungen abgefangen werden, bevor sie revolutionäre Ausmaße annehmen. Eine Revolution beginnt nicht unter dem klassenbewußten Proletariat der industriellen Plantage, sondern unter den proletarisierten sharecroppers und den Wanderarbeitern des landed estate“ (Paige 1975: 122).

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  215. Burckhardt (n.d.: 127) hat hier eine nützliche Einsicht beigetragen: „Die städtischen Bevölkerungen sind der Krise von seiten des Räsonnements zugänglicher, für Demagogen erreichbarer; aber je nach der Art der Krisis sind vielleicht die ländlichen doch furchtbarer.“

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  216. Bei Abwesenheit einer solchen Mobilisierung und Unterstützung von außen wird die abschätzige Beschreibung von Marx noch einige Zeit lang zutreffend sein. Er sprach von den isolierten politisch unerfahrenen französischen Parzellenbauern und verglich sie in ihrer Be-ziehungslosigkeit einem „Sack von Kartoffeln“ (in „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“).

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  217. In größerem Detail: „Eine kräftige und unabhängige Schicht der Städter ist ein unverzichtbares Element im Wachstumsprozeß der parlamentarischen Demokratie“ (Moore 1966: 418).

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  218. Zumindest im Sinne von Revolutionen, so wie in diesem Kapitel behandelt. Revolutionäre Staatsstreiche, die später zu erfolgreichen Veränderungen der Gesellschaft führen, mögen ohne Unterstützung durch eine revolutionäre Bauernschaft ausgeführt werden. Die Entwicklungen in der Türkei und in Japan liefern Beispiele für diese „Revolutionen von oben“ (vgl. Trimberger 1972; 1978; und Kap. 5.3). S. auch Skocpol (1980) für einen kritischen Überblick über hier behandelte — und weitere — Arbeiten zu der Frage, welche Bedingungen Bauern zu revolutionären Handlungen veranlassen. Aus der Sicht ihres eigenen Ansatzes (s. Kap. 5.4.3.3) hebt sie dabei vor allem den Einfluß imperialistischer Bestrebungen auf schwächere bzw. geschwächte Staaten hervor und weniger unmittelbar die Auswirkungen verstärkter Kommerzialisierung der Landwirtschaft. Über Ursachen, die Bauern zu revolutionären Aktivitäten veranlassen, sagt sie damit eher indirekt etwas aus. Auch lassen sich ihren beiden hauptsächlichen Fällen, China und Vietnam, nicht allzu viele weitere hinzufügen.

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  219. Smelsers (1963: 313–381) konstruktivistische Theorie des kollektiven Verhaltens weist eine gewisse Ähnlichkeit zu natural history-Ansätzen auf. Ungeachtet der gegen Smelsers Pionierstudie gerichteten Kritik sind sein theoretisches Schema wie auch seine vielfältigen kurzen Analysen durchaus von Nutzen für die Analyse von Phänomenen kollektiven Verhaltens.

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  220. Brinton gegenüber ist es nur fair, wenn man darauf hinweist, daß er selbst nur von „ersten Annäherungen an Regelmäßigkeiten“ spricht (Brinton 1952: 5, 26, et passim). Andererseits begreift Brinton Revolutionen als eine Art Fieber, was ihn bei der Entwicklung seines Modells einer natürlichen Abfolge in die Irre führt. — Für einen Versuch, Brimons Abfolge der Stadien auf die Revolte der Niederlande im 16. Jahrhundert anzuwenden, vgl. Griffiths (1959–1960).

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  221. Eine nützliche Diskussion darüber wie auch über natural history-Ansätze im allgemeinen findet sich bei Hagopian (1974: 194–250). Revolutionärer Terror ist auch das Thema in Kap. 5.5.

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  222. Vgl. François (1974) für einen anderen ziemlich unpräzisen (und von daher wenig erfolgreichen) Versuch, der gegenrevolutionäre Aktivitäten miteinbezieht. In ihrem „Spiralen-modell“ beschäftigt sie sich mit spätmittelalterlichen und frühmodernen europäischen Revolten. Hinsichtlich letzterer vgl. auch Fußnote 152.

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  223. „Wegen der mangelnden Übereinstimmung bereits darüber, was eine Revolution und einen revolutionären Zyklus ausmacht, sind zwei verschiedene Stufentheorien von Sorokin vorgeschlagen worden; drei von Meadows [1941]; vier von Hopper; fünf von Edwards; und sechs von Brinton“ (Lipsky 1976: 499).

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  224. Z.B. treffen die Stadien des Extremismus, Terrorismus, der Militärdiktatur und Gegenrevolution nicht auf die Mexikanische Revolution zu (vgl. z.B. Greene 1974: 11).

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  225. Vielleicht wäre es eine realistischere Vorstellung, Revolutionen als „ups“ und „downs“ auf mehreren Dimensionen zu begreifen. Vgl. auch die — etwas unangemessenen — Diagramme bei Hagopian (1974: 245).

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  226. Dasselbe gilt für die Liste innerer Kriege, die sich bei Orlansky (1970) findet.

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  227. In der Zwischenzeit scheinen sie ihren Krieg ebenfalls verloren zu haben.

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  228. Wobei diese Definition benutzt wird: „Ein bewaffneter Angriff ist eine Handlung in einem gewaltsamen politischen Konflikt, die durch eine (oder seitens einer) organisierte(n) Gruppe mit dem Ziel durchgeführt wird, die Macht zu schwächen oder zu zerstören, die durch eine andere organisierte Gruppe ausgeübt wird“ (Taylor/Hudson 1972: 67; für weitere Details s. ebd.).

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  229. Banks geht dabei von der zweifelhaften Definition von Revolutionen durch Rummel aus: „Eine illegale oder erzwungene Veränderung in der Spitze der Regierungselite, irgendein Versuch einer solchen Veränderung oder irgendeine erfolgreiche oder erfolglose bewaffnete Rebellion, deren Ziel die Unabhängigkeit von der Zentralregierung ist“ (Rummel 1963: 5), eine Definition, die nur teilweise mit der Definition von Revolutionen übereinstimmt, die oben entwickelt wurde. In der Studie von Tanter (1965) korrelieren „Revolutionen“ positiv mit „Guerillakriegen“ in beiden Perioden (1955–60: r = 0.60; 1948–62: r = 0.52). Banks (1972) berichtet jedoch, daß „Guerillakriege“ auf dem Faktor „Subversion“ anstatt auf dem Faktor „Revolutionen“ laden.

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  230. “„Ein merkliches Zunehmen des Arbeitslohns setzt ein rasches Wachstum des produktiven Kapitals voraus. Das rasche Wachstum des produktiven Kapitals ruft ebenso rasches Wachstum des Reichtums, des Luxus, der gesellschaftlichen Bedürfnisse und der gesellschaftlichen Genüsse hervor. Obgleich also die Genüsse des Arbeiters gestiegen sind, ist die gesellschaftliche Befriedigung, die sie gewähren, gefallen im Vergleich mit den vermehrten Genüssen des Kapitalisten die dem Arbeiter unzugänglich sind, im Vergleich mit dem Entwicklungsstand der Gesellschaft überhaupt. Unsere Bedürfnisse und Genüsse entspringen aus der Gesellschaft; wir messen sie daher an der Gesellschaft; wir messen sie nicht an den Gegenständen ihrer Befriedigung. Weil sie gesellschaftlicher Natur sind, sind sie relativer Natur“ (Marx/Engels: Werke, Band 6, Berlin-Ost 1968: 412).

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  231. Vgl. auch Geschwender (1968) für einen Versuch der Integrierung verschiedener Hypothesen und Theorien: der rise-and-drop Hypothesen; der Theorie der relativen Benachteiligung; der Statusinkonsistenztheorie und von Propositionen über die Auswirkungen von Diskrepanzen zwischen Erwartungen und Möglichkeiten. Die Hypothese von Davies stellt nur einen speziellen Fall der letzteren dar. Geschwender behauptet, daß alle diese Theorien unter die Theorie der kognitiven Dissonanz subsumiert werden könnten, was angesichts der „Flexibilität“ von Festingers (1957) Theorie kaum verwundert.

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  232. Sie ist auch nicht zu verwechseln mit F. Allports J-Kurve zur Messung des Ausmaßes konformen Verhaltens. Davies weist selbst darauf hin.

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  233. Vgl. auch den Überblick bei Gerschenkron (1964) und Kroes (1966) über die Erhebung in Ungarn im Jahre 1956.

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  234. Vgl. auch die Bedenken, die bei Johnson (1966: 63) erhoben werden. Doch geht er nicht ins Detail bei der Erwähnung möglicher Gegenbeispiele wie der irischen Rebellion der Jahre 1916–23, dem spanischen Bürgerkrieg und den kommunistischen Revolutionen in China und Cuba. Tanter/Midlarsky (1967; vgl. Kap. 5.4.6.2) berichten andererseits, daß die Cubanische Revolution das J-Kurvenmuster erfüllt (vgl. auch Thomas 1963).

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  235. Vgl. auch die langfristigen (1860–1930 vs. 1930–1945) wie auch kurzfristigen Entwicklungen (1945 – 1954) in Mekong-Delta Vietnam (Nagel 1974: 464; auf der Basis einer Studie von Sansom 1970).

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  236. „Die Wachstumskurven für Mexiko und Bolivien vor ihren Revolutionen widersprechen der Theorie der J-Kurve von Davies“ (Duff/McCamant 1976: 75). Für einige indirekte positive Belege — die abhängige Variable lautet Rebellionen, nicht mehr Revolutionen — aus Argentinien (1870–1970) s.Merkx 1973.

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  237. „Die relative Ruhe in den industrialisierten Ländern während der Mittsiebziger Jahre scheint der Hypothese [der J-Kurve] geradezu zu widersprechen. Nach dem 2. Weltkrieg erlebten diese Nationen erhebliche Verbesserungen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht, bis das ölembargo der OPEC im Jahre 1973 verhängt wurde; dann begann eine scharfe Umkehr. Doch ereigneten sich die höchsten Raten gewaltsamen zivilen Konfliktes auf dem Zenith des Wachstumstrends, der in den späten 60ern und frühen 70er Jahren erreicht wurde, wohingegen der Trend zur Verschlechterung mit abnehmenden Raten zivilen Konflikts zusammenfällt — genau das Gegenteil dessen, was die Hypothese vorhersagt“ (Muller 1979: 14).

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  238. Muller konnte in seinen verschiedenen Tests jedoch nicht die Hypothese von Davies bestätigen (vgl. die Diskussion bei Zimmermann 1981: Kap. 5.3.2.3).

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  239. Tatsächlich ist die Arbeit von Davies (1962) der bislang am häufigsten abgedruckte sozialwissenschaftliche Artikel über Revolutionen.

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  240. Vgl. auch die entsprechende Kritik der Caitmil-Skala bei Zimmermann 1981: Kap. 5.3.2.3 und ebd. passim.

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  241. „Was für eine Person eine Selbstverwirklichung darstellt ..., mag von einer anderen als Bedrohung wahrgenommen werden“ (Zürcher 1973: 92).

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  242. S. Morales (1973) für eine eigenwillige Anwendung der Theorie von Davies. Morales sieht allerdings selbst einige der dabei entstehenden Probleme. Vgl. auch Zartman et al. (1971).

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  243. „Wer erfährt die zur Debatte stehenden Frustrationen, wer führt die Revolution durch, und welche Beziehung besteht zwischen beiden [Gruppen von] Akteuren?“ (Rule/Tilly 1971: 8).

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  244. U.E. ist es keine sehr fruchtbare Strategie, Revolution wie folgt zu definieren: „Eine Revolution besteht, wenn eine Gruppe der Aufständischen illegal und mit Gewalt die regierende Elite herausfordert, um [deren] Rollen in der Struktur der politischen Herrschaft einzunehmen. Eine erfolgreiche Revolution tritt ein, wenn die Aufständischen als Resultat einer Herausforderung der regierenden Elite schließlich in der Lage sind, die entscheidenden Rollen innerhalb der Struktur der politischen Herrschaft einzunehmen“ (Tanter/Midlarsky 1967: 267). Die Autoren fügen hinzu: „Diese Definition ... setzt eine untere Grenze oder ein Minimalkriterium für die Existenz einer Revolution“ (ibid.). Angemessener ausgedrückt, ermangelt es dieser Definition an Präzision.

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  245. Daten wurden für die Periode von 1950–62 erhoben, da aus der Sicht der Autoren das Ausmaß an politischer Gewalt vor und nach Revolutionen berücksichtigt werden sollte. Diese Ausdehnung der Untersuchungsperiode kann die Resultate jedoch ernsthaft verzerrt haben (abgesehen von den vielen anderen Schwächen dieser Studie).

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  246. Der Indikator für Schulbildung ist nicht sehr präzise ausgewählt. Offensichtlich sollen durch längere Schulbildung Modernisierung und gesteigerte Erwartungen erfaßt werden. Doch wäre es konsistenter, wenn derselbe Indikator (und zusätzliche Indikatoren, z.B. im Hinblick auf die Sekundarerziehung) für die erwachsene Bevölkerung benutzt würde(n), aus der die potentiellen Revolutionäre rekrutiert werden können. Die augenblicklich benutzten Maße wären nur dann, wenngleich auch ziemlich indirekt, zu rechtfertigen, wenn angemessenere zeitverzögerte Messungen benutzt worden wären (anstatt jener, die sich auf die Perioden von 1950–1954 vs. 1955–1960 beziehen).

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  247. Zusätzlich weisen Chadwick/Firestone darauf hin, daß Tanter/Midlarsky nicht die Davies-Hypothese testen, da sich ihre abhängige Variable auf die Intensität „revolutionärer“ Ereignisse bezieht, wohingegen sich Davies mit der Inzidenz solcher Ereignisse beschäftigt.

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  248. Es sei denn, man hinge dem Dogma an, daß Menschen in einem demokratischen politischen System nicht gegen die ökonomische Präsenz der USA sein könnten. Die kausale Variable, die die Autoren tatsächlich im Sinn haben, lautet sozio-ökonomische Ungleichheit, die in der Tat in nichtdemokratischen Gesellschaften größer sein mag.

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  249. (Weitere) Ernsthafte Kritikpunkte müssen gegen diese Studie vorgebracht werden: „Investition pro Kopf setzt nicht ausländische Anwesenheit mit der Größe der nationalen Wirtschaft in Beziehung. Das Resultat ist vielmehr eine Kombination von US-Investition und Reichtum der Wirtschaft, nicht die Bedeutung ausländischer Präsenz. [Zweitens] wird durch Multiplizierung der beiden Zahlen [US-Investition pro Kopf mal Anteil des gesamten Handels mit den USA] die Verteilung des kombinierten Index‘ arg schief, was eine Regressionsanalyse auf der Basis dieser Daten ungültig werden läßt“ (Duff/McCamant 1976: 88). Bei Benutzung angemessenerer Maße für wirtschaftliche Abhängigkeit lateinamerikanischer Länder während der 1950er und 1960er Jahre gelangen Duff/McCamant zu der Schluß-folgerung, daß „alle vier Staaten — Cuba, Venezuela, Guatemala und die Dominikanische Republik —, in denen die USA stark investiert haben und die dann stagnierten, ein hohes Ausmaß an Gewalt aufwiesen. Zwei dieser Länder — Cuba und Venezuela — wiesen einen Ausnahmepunktwert bei der Differenz zwischen Wohlfahrtsmessung und Mobilisierung [vgl. auch die Kritik bei Zimmermann 1981: Kap. 5.1.2.4] auf. Diese komplexere Sicht wirtschaftlicher Abhängigkeit zeigt eine Beziehung zu Gewalt an, die indirekt durch die Wohlfahrt-Mobilisierungsdifferenz vermittelt werden mag ... Eine der Erklärungen für die Entwicklung einer Situation, in der soziale Mobilisierung über dem Niveau sozialer Wohlfahrt liegt und auch fernerhin liegen wird, lautet, daß wirtschaftliche Abhängigkeit kurz-fristiges Wachstum stimuliert, ebenso wie sie langfristiges Wachstum verringert. Wenn die neuen ausländischen Investitionen abnehmen, aufhören oder zurückgenommen werden, verringert sich das wirtschaftliche Wachstum ebenfalls, doch wird die soziale Mobilisierung wahrscheinlich weitergehen“ (Duff/McCamant 1976: 92 und 93). Tanter (1969: 177) berichtet auch einige Beziehungen zwischen verschiedenen Maßen amerikanischer wirtschaftlicher Präsenz (1953–61) in 18 lateinamerikanischen Ländern und verschiedenen Maßen für politische Gewalt (1961–63; Daten von Gurr übernommen). Doch wie West (1973: 116) deutlich macht, sind die benutzten zeitlichen Verzögerungen und Maße ziemlich arbiträrer Art, ebenso wie in der Studie von Midlarsky/Tanter (1967).

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  250. Zusätzliche Belege dafür stammen von Brier/Calvert (1975: 4). Für einige ähnliche Befunde vgl. Kornbauser (1971: 381–382). Seine Definition einer Revolution ist ebenfalls ziemlich weit, was seine Zahlen für die augenblickliche Diskussion als wenig brauchbar erscheinen läßt.

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  251. Farber zieht jedoch die Repräsentativität der Ergebnisse von Zeit lin in Frage. “Seine Umfrage wurde im Jahre 1962 durchgeführt, nach weitreichenden Säuberungen der demokratisch gewählten Gewerkschaftsführung und der Einführung verschiedener anderer repressiver Maßnahmen. Eine große Anzahl der Arbeiter unterstützte zweifelsohne die Revolution zu jenem Zeitpunkt, doch nimmt Zeitlin an, daß er in der Lage war, zwischen jenen Arbeitern zu unterscheiden, die ihm die Wahrheit erzählten, und jenen, die einfach sich selbst schützten“ (Farber 1976: 240).

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  252. Da sich die Fragen gelegentlich auf weiter zurückliegende Perioden beziehen, sind die Antworten natürlich nicht immer wörtlich zu nehmen.

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  253. Da Zeitlin nur die Antworten der Arbeiter erfaßte, mögen einige zusätzliche Verweise auf das soziale Substrat der Cubanischen Revolution hier am Platze sein. Greene gelangt auf der Basis verschiedener anderer Studien zu dieser Schlußfolgerung: “Die organisierteren Sektoren der Arbeiterschicht unterstützten Castro in den letzten Phasen der Revolution. Tatsächlich waren die städtischen Mittelschichten unter Einschluß der Geschäftsleute und der Freiberufler eine wichtige Geldquelle und ein wichtiger Nachschublieferant. Sie reagierten auf das von Castro verkündete Ziel, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich mit Batista verbanden, zu lösen. Die Unterstützung für Castro durch die katholische Hierarchie und die städtischen Mittelschichten, sogar die stillschweigende Unterstützung durch die cubanischen Oberschichten vergrößerte sich nach dem Einsatz des Terrors durch Batista im Jahre 1958 ... Teilweise durch die Rücknahme amerikanischer Unterstützung für Batista wegen der Mißgriffe und der Repression seiner Regierung bedingt, und z.T. wegen der Am-biguität der Absichten Castros [schaffte es] die Kerngruppe der Intellektuellen, Studenten und zu einem kleinen Teil [vgl. AlRoy 1967; s. allerdings auch Useem 1977] der cubanischen Bauernschaft, die Unterstützung aller größeren Sektoren der cubanischen Gesellschaft zu mobilisieren“ (Greene 1974: 46; vgl. auch die Zahlen bei Fagen 1965). Vgl. auch Draper 1962; Kling 1962; Goldenberg 1965; 1972; Blasier 1967; Thomas 1967; 1971; Amaro 1969; Gil 1969; Gude 1969; Maschke 1973; Bonachea/Martin 1974; Llerena 1978 wie auch Domínguez 1978. Folgt man Farber, so sollte Castro als bonapartistischer Revolutionär gesehen werden (ebenfalls so wie Batista als bonapartistischer Konservativer gehandelt haben soll): „Die Opposition gegen Batista wurde weder von irgendeiner der alten Parteien noch durch Politiker oder die Arbeiterschicht, die Bauern oder Mittel sehichten-führer und -bewegungen angeführt. Stattdessen organisierte eine im Grunde deklassierte nicht-traditionelle Führung eine heterogene Koalition, die Konservative, Reformer und Revolutionäre einschloß. Nach dem Umsturz Batistas löste Castro diese Koalition mühelos auf mit dem letztlichen Ziel, eine grundlegend unterschiedene Machtbasis und ein unterschiedliches soziales System zu schaffen“ (Farber 1976: 236). Wie bereits in diesem Kapitel über Revolutionen hervorgehoben worden ist, ist vielleicht der wichtigste Faktor, der zum Erfolg Castros (abgesehen von seinem persönlichen Charisma; vgl. z.B. Gonzales 1974) beigetragen hat, im Zusammenbruch der Armee Batistas (vgl. auch Pérez 1976: 152ff.) und dem nachfolgenden Kollaps seines Regimes zu sehen.

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  254. „Die Revolution hatte die Entfremdung [der Arbeiter] von den Mitteln der Produktion, von der Regierung und von der Nation beendet“ (Zeitlin 1970: 295).

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  255. „Diese Art der Koalitionsbildung ereignet sich einerseits dann wahrscheinlich, wenn ein Herausforderer die Ressourcen unter seiner Kontrolle schnell vergrößert, und andererseits, wenn ein Mitglied seinen Koalitionspartner innerhalb des politischen Systems verliert oder das politische System mehr oder weniger gleich zwischen zweien oder mehreren Koalitionen aufgeteilt ist oder ein etabliertes Mitglied den Verlust der Mitgliedschaft im politischen System riskiert, da es den Test mit den anderen Mitgliedern nicht besteht“ (Tilly 1973: 444).

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  256. Mit Ausnahme der dritten Bedingung betrachtet Tilly alle als notwendig für Revolutionen.

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  257. Unter Bezug auf die Diskussion in Kap. 3.3 kann man auch von einem „ernsthaften Verlust der Legitimität des Regimes“ oder einer Situation „multipler Krisen“ sprechen.

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  258. Die Weite des theoretischen Schemas von Tilly wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß verschiedene Möglichkeiten für die Multiplikation politischer Systeme bestehen. „1. Die Mitglieder eines politischen Systems suchen ein anderes bislang unterschiedenes politisches System zu unterwerfen. Dabei ist eines der politischen Systeme nicht irgendwie dem anderen von Beginn an unterworfen. Dieser Umstand fällt in die graue Zone zwischen Revolution und Krieg. 2. Die Mitglieder einer ehedem unterworfenen politischen Einheit erklären ihre Souveränität. 3. Die Herausforderer bilden einen Block, der die Kontrolle über Teile des Regierungsapparates übernimmt. 4. Ein politisches System zerbricht in zwei oder mehrere Blöcke, von denen jeder die Kontrolle über einen Teil der Regierung ausübt“ (Tilly 1974: 286). Revolutionen bilden damit nur eine Unterklasse der verschiedenen Möglichkeiten „multipler Souveränität“. Hervorgehoben sei, daß sich im ersten Falle, so er erfolgreich verläuft, tatsächlich eine Verringerung, nicht eine Multiplikation in der Zahl der politischen Systeme ergibt.

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  259. Deprivationstheorien und Zusammenbruchstheorien sind nicht notwendigerweise dasselbe, ein Aspekt, der später noch aufgenommen wird. Tilly scheint sie verschiedentlich als zwei Seiten der gleichen Medaille zu behandeln.

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  260. Im folgenden benutzen wir den Begriff der kollektiven Gewalt so wie bei Tilly. Zumeist bezeichnet er politische Gewalt.

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  261. „Wir haben einigermaßen kontinuierliche Beobachtungsdaten für Frankreich von 1830 bis 1960, für Deutschland von 1830 bis 1913, aber für Italien nur für die 1850er, 1880er und 1890er Jahre“ (Tilly et al. 1975: 245).

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  262. „Eine enge Verbindung besteht zwischen gewaltsamen und gewaltlosen Formen kollektiver Aktion — die einen sind schlicht ein besonderer Fall der anderen — statt irgendeiner moralischen, politischen oder taktischen Unterscheidung zwischen beiden“ (Tilly 1974: 283).

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  263. Im Kausalmodell von Hibbs (1973: 181) führen negative Sanktionen seitens der Regierung zu einer Intensivierung von Konflikten, d.h., sie führen von kollektivem Protest zu innerem Krieg.

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  264. Bei diesem Typus kollektiver Gewalt — und weniger bei den anderen Typen — liegt der Akzent auf Beziehungen zwischen Gruppen, die an Akten kollektiver Gewalt teilnehmen. In den cross-nationalen Aggregatdaten analysen über politische Gewalt (s. Zimmermann 1981: Kap. 5.1) ist dieser Aspekt bei der Erhebung der Daten und bei der Datenanalyse unzureichend beachtet worden.

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  265. „Die Steuerrebellion entwickelte sich im 16. Jahrhundert, blühte im 17. Jahrhundert, trat wieder auf in den Jahren 1789, 1830 und 1848, als neue revolutionäre Beamte die staatliche Autorität wieder aufzurichten versuchten; sie verschwand nach 1849. Ihre Geschichte bezeichnet den langen Kampf der Regierung, sowohl Gehorsam wie auch Einkünfte zu erzielen“ (Tilly et al. 1975:47).

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  266. „Der Begriff ist irreführend: zumeist ging es um einen Kampf um das rohe Getreide anstatt um eßbare Güter, und zumeist wurde der Punkt physischer Gewalt nicht erreicht. Der klassische europäische food riot wies drei hauptsächliche Varianten auf: die Vergeltungsaktion, in der eine Masse Personal, Eigentum oder Besitz irgendeines Individuums angriff, das horten oder profitieren wollte; die Blockade, in der eine Gruppe von Ortsansässigen die Verschiffung von Getreide aus ihrer eigenen Umwelt verhinderte und forderte, daß es örtlich gelagert oder verkauft würde; den price riot, in dessen Verlauf die Leute eingelagerte oder zum Verkauf vorgesehene Nahrungsmittel öffentlich zu einem von ihnen für angemessen gehaltenen Preis verkauften und das Geld dem Eigner oder Händler übergaben“ (Tilly 1976: 371; 1975b: 386). S. auch L. Tilly (1971) wie auch Tilly (1975b) für eine breitere historische Hintergrundanalyse. „Der Zeitpunkt des Aufstiegs des food riot und seines Niedergangs ist aufschlußreich. In England, Frankreich und in einigen anderen Teilen Westeuropas ersetzte der food riot gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Steuerrebellion als die häufigste gewaltsame Form kollektiver Aktion. Der Niedergang begann schlagartig, in England kurz nach 1820, in Deutschland und Frankreich kurz nach 1850, und nur in Teilen Spaniens und Italiens dauerte er bis ins 20. Jahrhundert an ... E.P. Thompson [1971] hat den gesamten Prozeß einen Niedergang der alten Moral Wirtschaft genannt, einen Wandel vom bread nexus zum cash nexus. Die Menschen widerstanden dem Prozeß solange, wie die örtliche Solidarität und das kollektive Gedächtnis früherer lokaler Rechte überlebten“ (1976: 372).

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  267. In einem gewissen Sinne findet sich Mannheims Unterscheidung zwischen „Ideologie“ und „Utopie“ hier wieder, obgleich sich Mannheim stärker mit Ideensystemen und ihrer Abhängigkeit von Soziallagen als mit kollektivem Protest beschäftigte. Außerdem widerspricht Mannheims Gebrauch des Begriffs der Ideologie der Formel Tillys von der reaktiven Gewalt, da im Sinne Mannheims privilegierte Schichten eher ideologischem Denken anheimfallen würden, das vergangene soziale und kulturelle Zustände aufrechterhalten möchte, wohingegen es hier (zumeist) unterprivilegierte Schichten sind, die für die Wiedererrichtung früherer Verhältnisse kämpfen (vgl. im nächsten Kap. für zusätzliche Belege; vgl. auch Kap. 5.4.4).

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  268. Die nicht immer eindeutig voneinander unterschieden sind; vgl. die Typologien bei z.B. Tilly et al. (1975: 250); Tilly (1975: 508; 1969: 39–40).

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  269. In Frankreich „wanderte der gewaltsame Konflikt nach Norden, obgleich die südlichen Regionen nach wie vor ihren Anteil an Konflikten besaßen“ (Tilly et al. 1975: 67).

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  270. S. L. Tilly (1972) für eine detaillierte Analyse.

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  271. Für Deutschland vgl. auch R. Tilly (1970) und R. Tilly/Hohorst (1976).

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  272. Für letztere Periode vgl. auch Bleiber (1966; 1969). S. auch Rupieper (1978) für eine Analyse der Teilnehmer an den revolutionären Protesten in Sachsen während der Jahre 1848/ 49. Er benutzt Akten der für ihre Teilnahme gerichtlich Verfolgten und zeigt, daß „die Masse der Verurteilten ... aus den krisenanfälligen Gewerben der Textil- (Weber, Strumpfwirker, Posamentierer, Tuchmacher) und Baubranche (Maurer, Tischler), aus überbesetzten Gewerben wie Schuhmacher und Schneider sowie aus dem von der Einführung von Maschinen besonders betroffenen Nagelschmiedehandwerk“ (Rupieper 1978: 94) kam und daß Einwohner kleiner Städte unter den Protestlern stark vertreten waren. Volkmann (1975) analysiert die sozialen Proteste in Deutschland während des Vormärz (Untersuchungsperiode: 1830–32; Hauptquelle: Augsburger „Allgemeine Zeitung“). Wie im Jahre 1848 ging die Revolution in Paris (Juli 1830) den Unruhen in anderen europäischen Ländern voraus, diesmal in Belgien, England, Deutschland, der Schweiz, Polen, Dänemark, Italien und in anderen Ländern (für einen Überblick über jüngste Arbeiten über die Revolution von 1830 in europäischen Ländern vgl. Church 1977). Für die „vergessene Revolution“ (Volkmann) in Deutschland weist Volkmann darauf hin, daß Angehörige von Berufen, die durch den wirtschaftlichen Wandel bedroht wurden, besonders zu Protesten neigten. Politisches Engagement (z.B. in einer Bürgermiliz) und regionale Mobilität (z.B. von Gesellen, Studenten) wirkten sich auch auf die Partizipation aus. Die Partizipation der unteren Schichten war relativ stärker bei den schwereren Unruhen, was der Autor auf die geringen organisatorischen Ressourcen zurückführt, die den Arbeitern zur Verfügung standen. Für zusätzliche Ergebnisse s. auch Volkmann (1977). Vgl. auch Schieder (1978) über die (liberale) Protestbewegung des Jahres 1832 in der Rheinpfalz. Er berichtet, daß Kleingewerbetreibende und Handwerker unter den Gefolgsleuten überrepräsentiert waren, wohingegen Akademiker stärker unter den Führern zu finden waren.

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  273. Natürlich finden sich verschiedene Hinweise darauf, daß sich Zuwanderer wie auch andere soziale Gruppierungen an Akten kollektiver Gewalt beteiligt haben (vgl. z.B. weiter unten; Rudé 1970 passim und im nächsten Kap.), doch können sie nicht als das soziale Segment betrachtet werden, daß die Aktionen kollektiver Gewalt trägt.

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  274. Außerdem „fanden sich unter den Parisern des Jahres 1830 Hunderte von Veteranen der revolutionären und napoleonischen Armeen“ (Pinkney 1964: 15). Vgl. auch Pinkney 1972a.

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  275. Für eine detaillierte Bewertung der Commune des Jahres 1871, insbesondere im Lichte früher Revolutionen, s. Nr. 79 (April/Juni 1972) von „Le Mouvement social“. Vgl. auch Hunecke (1974) für eine Diskussion der Literatur; Bd. 17, Teile 1–2 des International Review of Social History; Williams 1969; wie auch die hervorragende Darstellung von Edwards 1971. Die jüngste Behandlung dieses Themas findet sich bei Haupt/Hausen 1979.

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  276. In einer Analyse der Partizipation der Arbeiterschichten in der Revolution und an Akten kollektiver politischer Gewalt in Marseille während der Jahre 1830–71 fand Aminzade u.a.

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  277. heraus: „Es waren dieselben Berufe, die organisiert genug waren, um verschiedene Streiks während des Zweiten Kaisertums durchzuführen, die einen überproportionalen Anteil der Rebellen bei der Erhebung des Jahres 1871 stellten. Bäcker, Gerber, Küfer, Korbmacherund Metallarbeiter waren die streikwilligsten Berufe, wobei alle drei oder vier Streiks während der Periode von 1848–1871 aufzuweisen hatten“ (Aminzade 1973: 26). Absolute Deprivation und große Arbeitslosigkeit „führten nicht zu kollektiver Aktion der nichtorganisierten Arbeiter ... Andererseits aktivierten sie Gruppen von Arbeitern, die bereits organisiert waren und politisches Bewußtsein besaßen“ (ibid.; S. 29).

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  278. Entsprechend bleibe hier offen, ob eine kurvilineare Beziehung zwischen Repression und kollektiver Gewalt (vgl. die Befunde bei Zimmermann 1981: Kap. 5.1.2.5) bzw. Mobilisierung wie auch zwischen Machtkampf (power contending) und Repression besteht.

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  279. „Der nächste Schritt der Analyse, so glauben wir, besteht darin, explizite Modelle über die Struktur der Macht zu entwickeln und explizite Aussagen über die Rechte und Pflichten der Beteiligten zu machen“ (Tilly et al. 1975: 298).

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  280. Wie Snyder, einer der Mitarbeiter Tillys, selbst bemerkt: „In diesen Studien wird Mobilisierung üblicherweise durch grobe Näherungsmaße wie Veränderung in der Größe der Gruppe erfaßt. Auch beziehen sich die stärksten positiven Belege auf Fluktuationen in industriellen Streiks — einem Phänomen, das angesichts der Bedeutung von Gewerkschaften wahrscheinlich am ehesten die Annahme stark zentralisierter Mobilisierungsmechanismen und der Unbeachtlichkeit individueller Akteure erfüllt“ (Snyder 1978: 507; vgl. auch ebd., S. 511).

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  281. Hier zeigen sich wiederum Unterschiede zwischen verschiedenen Formen kollektiver (politischer) Gewalt, Unterschiede, die Tilly aus theoretischen Interessen und methodischen Gründen eher unbeachtet läßt.

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  282. Bemerkenswert ist, daß verfeinerte Maße zu Resultaten führen, die gelegentlich nicht mit den Schlußfolgerungen übereinstimmen, die im Text mit einiger Deutlichkeit hervorgehoben werden. Vgl. z.B. Tilly et al. (1975: 83).

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  283. Für Großbritannien s. auch im nächsten Kap. wie auch die Arbeiten von Hammond/ Hammond (1948); Thompson (1963); und die enzyklopädische Darstellung der Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern während der Jahre 1832–52 bei Langer (1969). Über Probleme der sozialen Kontrolle im England des 19. Jahrhunderts vgl. auch Donajgrodzki (1977). — Tilly selbst arbeitet zusammen mit einem umfangreichen Mitarbeiterstab z.Zt. an einer Analyse der „British contentious gatherings“ um das Jahr 1830 (1828–1834), einer für die weitere Entwicklung Großbritanniens besonders wichtigen Periode (vgl. nur die Reform Bill von 1832). Dabei soll der theoretische Ansatz von Tilly offensichtlich weiter überprüft werden (zur Übersicht über das Projekt und erste Befunde vgl. u.a. Schweitzer et al. 1980).

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  284. Vgl. auch Peacock (1965); Stevenson (1974) für eine jüngste Zusammenfassung der Literatur über food riots in England und Beloff (1963) für eine Analyse der Getreideunruhen während einer früheren Periode (1660–1714). Vgl. auch Shelton (1973) für eine Analyse der 1760er Jahre und Booth (1977) für das Ende des 18. Jahrhunderts.

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  285. ökonomische Schwankungen (Preisveränderungen, Produktionsindizes) stehen in keiner Beziehung zu kollektiver Gewalt (Snyder/Tilly 1972; Tilly et al. 1975). Außerdem besteht die Möglichkeit (die natürlich auch von Snyder/Tilly erkannt wird) einer wechselseitigen Kausalbeziehung zwischen kollektiver Gewalt und Repression. S. Abb. 5–5.

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  286. Elwitt wendet sich auch gegen die unangemessene Behandlung der Ereignisse während der Pariser Commune durch Tilly. „[Tilly] bemerkt beiläufig, daß er die Pariser Commune nicht behandeln wird, da sein Modell keinen Raum für die massiven Verhaftungen läßt, die nach der Niederschlagung der Commune einsetzten und ,deshalb nicht in unsere Statistiken aufgenommen wurden‘. Er geht davon aus, daß 1870–71 ein ,zweifelhafter Fall für die Korrelation von Ausmaß der Gewalt und Ausmaß politischen Wandels ist (S. 60) ‘ “ (Elwitt 1976: 577).

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  287. „Selbstverständlich findet sich im Kern einer jeden Protestbewegung ein Gefühl der Unzufriedenheit. Doch ist damit nur das Offenkundige gesagt. Erklärt wird damit noch nicht, daß zu einem Zeitpunkt größere Widrigkeiten in fatalistischer Weise hingenommen werden, wohingegen anderswo (oder zu einem anderen Zeitpunkt) eine kleinere Unzufriedenheit die gewaltsamste Reaktion hervorrufen mag“ (Laqueur 1976a: 363, auch von Aya 1979: 82 zitiert).

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  288. Was kein Wunder ist, wenn man die Definition der abhängigen Variablen betrachtet.

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  289. In den Studien von Rudé finden sich z.B. keine Korrelationsanalysen, obgleich sie auf der Basis seiner Materialien durchgeführt werden könnten.

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  290. Rudé spricht von Massen, nicht von Mobs, wie sie z.B. in den Schriften von LeBon vorkommen. Vgl. die Diskussion weiter unten.

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  291. „Während der typische Teilnehmer an Unruhen oder Rebellionen Handwerker, Arbeiter oder Bauer ist, kann der [typische Führer] Kleinadliger, Jurist, Journalist oder Regierungsbeamter sein. Genauer gesagt, gibt es drei Führertypen: den leader-in-chief, in dessen Namen die Menge einen Aufruhr anzettelt oder rebelliert; den intermediären Führer — eine Art Unteroffizier —, der die Slogans weiterreicht oder den Aufrührern sagt, welches Haus , zerstört‘ werden muß; und die besonders Artikulierten oder Militanten unter den Aufrührern selbst, deren Führerschaft rein lokal begrenzt und nur vorübergehend ist. Von diesen drei Typen bildet sich letzterer aus der , Masse‘ selbst heraus. Er kann eine anonyme Figur darstellen, die auf einem weißen Pferd reitet, ein Schwert schwingt oder ein Horn bläst; er kann ein Pseudynom tragen wie die zahllosen Rebeccas, Ned Ludds und Captain Swings des frühen 19. Jahrhunderts oder wie Tom the Barber, der die antiirischen Unruhen in London in den 1730er Jahren anführte; oder er mag mit seinem eigenen Namen bekannt sein, wie die örtlichen Führer der Gordon Riots in London ... Mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung in England und Frankreich in den 1830er Jahren ... beobachten wir, daß sich Führer aus der Masse herausbilden, die nicht länger mehr nur bei Gelegenheit und anonym auftreten, sondern kontinuierlich und offen proklamiert“ (Rudé 1970: 19–20).

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  292. „ , Verlorene Rechte‘, wie das des , gerechten Lohnes‘ und des , gerechten Preises‘ und sogar (etwas später in der Periode) das Recht zu wählen“ (Rudé 1970: 23). „Vorindustrieller Protest ist keine Funktion schnell ansteigender Erwartungen. Durch das Studium über den Charakter vorindustriellen Protestes haben wir eine Menge über die Werte der vorindustriellen Menschen gelernt, und nicht alles stellte eine Überraschung dar. Das Fehlen eines Fortschrittsglaubens oder eines Glaubens an neue Rechte — was mit einem starken Gerechtigkeitsgefühl natürlich durchaus vereinbar war — ist eines der auffallendsten Charakteristika“ (Stearns 1974: 4).

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  293. Vgl. Labrousse (1933; 1943) und Labrousse et al. (1970: 529–563; 693ff.). Labrousse hebt auch hervor, daß „der Aufschwung der Jahre 1789–1790, obgleich dieser relativ plötzlich kam, nur von kurzer Dauer war und für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten häufig verantwortlich gemacht wurde, keinen neuen Höhepunkt darstellte, obwohl er die Preise auf ein neues Niveau trieb, oder etwas Ähnliches im Hinblick auf die Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Punkt. Doch traf er auf eine Wirtschaft, die sich gerade erholte, aber noch von der ernsthaften und andauernden wirtschaftlichen Malaise wie auch vom Schock des Jahres 1785 gekennzeichnet war. Der politische Schock im Jahre 1789 wiederum verschlimmerte die Krise, da er Produzenten und Geschäftsleute unruhig werden ließ, den Luxushandel ernsthaft störte und die Flucht von Menschen und Kapital verursachte“ (Labrousse 1943, hier zitiert nach dem Wiederabdruck bei Greenlaw 1958: 67).

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  294. „Dieser Begriff, der aus dem zeitgenössischen Journal des Pariser Buchverkäufers Hardy ,Mes Loisirs, ou Journal d‘événements tels qu‘ils parviennent à ma connoissance‘ ... stammt, erhebt nicht den Anspruch soziologischer Präzision. Er erwies sich jedoch zur gemeinsamen Beschreibung von Lohnarbeitern, Kleineigentümern und armen Städtern geeignet“ (Rudé 1970: 133).

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  295. Über die Erstürmung der Bastille vgl. u. a. auch Godechot 1965a.

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  296. Im allgemeinen ergibt sich jedoch eine andere Schlußfolgerung: „Tatsächlich mag man den Schluß ziehen, daß ein bemerkenswertes Kennzeichen der frühen aufständischen Bewegungen der Revolution in Paris die weitreichende Teilnahme arbeitsloser Arbeiter nahezu jeder Berufsgruppe war; doch treten diese selten im Gewande von Bettlern und Vagabunden auf“ (Rudé 1970: 127).

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  297. In größerem Detail lautet die Aussage: „400 der 653 Eroberer der Bastille, deren Herkunft bekannt ist, stammten aus der Provinz. Doch war die Mehrheit am Wohnort des Faubourg St. Antoine ansässig“ (Rudé 1970: 109; Hervorhebungen hinzugefügt). Bei späteren revolutionären Angriffen während des 19. Jahrhunderts scheinen sich jedoch einige Veränderungen ergeben zu haben: „George Rudé ... fand für die journées der Revolution von 1789, für die Daten zur Verfügung stehen, einen Anteil der Einwanderer unter den Teilnehmern, der ungefähr derselbe wie der in den 1830er Jahren ist. Rémi Gossez [1956:

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  298. hat die Aufständischen des Juni 1848 untersucht und Jacques Rougerie [1964a: 35] die Aktivisten bei der Verteidigung der Commune von 1871. Beide haben vorläufige Resultate ihrer Untersuchungen publiziert. Ersterer fand einen hohen Anteil von Zuwanderern — ungefähr 85 Prozent der Aufständischen kamen von außerhalb des Departments Seine, was den Zustrom der Provinzler widerspiegelte, die Beschäftigung oder Erleichterung in den Depressionsjahren nach 1846 suchten [aber vgl. auch Tilly/Lees 1974 für eine niedrigere Ziffer; vgl. im vorangegangenen Kap.]. Im Jahre 1871 sank der Anteil bis etwa auf das Niveau von 1830 und 1834, ungefähr 74 Prozent“ (Pinkney 1972: 514–515).

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  299. „Die Französische Revolution, in ihrer ersten Phase eine Revolution der Adligen, repräsentierte den Höhepunkt dieser Wiedergeburt der aristokratischen Opposition ... Die Volksund Bauernrevolutionen, die in der Nacht des 4. August ihren Höhepunkt erreichten, brachen die Macht sowohl der Monarchie als auch der Adligen. Anders als die Bourgeoisie, die nicht das Ziel hatte, die Aristokratie zu beseitigen, machte die Volksrevolution nur reinen Tisch und vollendete schnell die soziale Revolution durch die Nationalisierung des kirchlichen Eigentums“ (Lefebvre 1966: 81, 82). Oder wie in einer Variante ausgedrückt: „Der erste Akt der Revolution, im Jahre 1788, bestand in einem Triumph der Aristokratie, die, Vorteile aus der Regierungskrise ziehend, hoffte sich selbst zu stärken und die politische Autorität zurückzugewinnen, der sie die Dynastie der Capetinger entkleidet hatte. Doch nach der Paralyse der königlichen Macht, die ihre eigene soziale Vorrangstellung aufrechterhielt, öffnete die Aristokratie den Weg zur bürgerlichen Revolution, dann zur Volksrevolution in den Städten und schließlich zur Revolution der Bauern — und fand sich selbst unter den Ruinen des alten Regimes begraben“ (Lefebvre 1947: 3; für einige kleinere Kritikpunkte an diesem Werk von Lefebvre vgl. Cobban 1971a: 62–64 et passim). Vgl. auch den Rezensionsartikel von Davies (1964) über die Ursprünge der französischen Bauernrevolution.

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  300. Vgl. die detaillierte Analyse von Hufton (1974) über das beklagenswerte Leben der Armen im allgemeinen in Frankreich während der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

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  301. „Es bedarf mehr als nur einer wirtschaftlichen Notlage, sozialer Unzufriedenheit und der Frustration politischer und sozialer Ansprüche, um eine Revolution zu machen. Um den Unzufriedenen Zusammenhalt zu geben und die Erwartungen stark verschiedener sozialer Schichten zu bündeln, muß irgendeine einheitlich Idee [des Protests], eine gemeinsame Sprache des Hoffens ... vorhanden sein, kurzum, so etwas wie eine gemeinsame , revolutio-näre Psychologie‘. In diesem Fall wurde der Boden in erster Linie durch die Schriftsteller der Aufklärung vorbereitet“ (Rudé 1973: 74).

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  302. „Somit wurden die Bauern und die städtischen Handwerker und Arbeiter in ihrer gemeinsamen Gegnerschaft gegen die Regierung, die Grundherren, die Kaufleute und Spekulato-ren zusammengeführt. Dabei traten diese Schichten in die Revolution ein auf dem Hintergrund zunehmender Armut und Verelendung und weniger der ,Prosperität‘ “ (Rudé 1964: 74), wie z.B. in der bekannten Hypothese von Tocqueville behauptet wird (vgl. Kap. 5.4.2). In langfristiger Sicht scheint letztere Hypothese jedoch besser abzuschneiden.

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  303. Tilly/Lees (1975; vgl. im vorangegangenen Kap.) erwähnen eine leicht höhere Zahl.

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  304. „Food riots waren häufiger in Frankreich als in England. In England gab es provinzielle riots im Jahre 1727 (sporadisch), in den 1730er Jahren, in den Jahren 1740, 1756, 1757, 1766 (mit Abstand das schlimmste von allen Jahren), in den Jahren 1772 und 1773 und im Jahre 1783. In Frankreich hat Daniel Mornet Nahrungsmittelaufstände für 40 verschiedene Jahre zwischen 1724 und 1789 aufgezeichnet. Nach seinen Zahlen ereigneten sie sich in 22 der 25 auf das Jahr 1763 folgenden Jahre, wobei allein die Jahre 1769, 1779 und 1780 Ausnahmen darstellten“ (Rudé 1970: 55). An anderer Stelle heißt es: „Aufstände gegen die hohen Preise und die Knappheit des Brotes gab es in verschiedenen Gebieten Europas (wie etwa in Spanien im Jahre 1766); doch ereigneten sie sich am häufigsten in Frankreich und England, wo sie zahlenmäßig wahrscheinlich über alle anderen Arten des Volksprotestes hinausgingen. (Daniel Mornet berichtet von über 100 derartigen Aufständen in Frankreich zwischen 1724 und 1789. Ich selbst habe ca. 275 von insgesamt 375 Unruhen jedweder Art in England zwischen 1730 und 1800 dieser Kategorie zuordnen müssen.)“ (Rudé 1978: 424).

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  305. Vgl. auch Thompson 1971.

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  306. Die anti-katholischen Gordon Riots fanden im Juni 1780 statt.

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  307. Über die Rebecca Riots vgl. auch Williams 1955.

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  308. Außerdem werden Berufsbezeichnungen in den Quellen häufig in relativ loser oder allgemeiner Weise gebraucht, so daß Vergleiche zwischen Berufsgruppen etwas willkürlich werden.

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  309. Rudé wirft diese Frage selbst auf (vgl. Rudé 1964: 237 ff.).

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  310. „Die Französische Revolution scheint somit das Ergebnis einer Kombination von Faktoren gewesen zu sein, langfristigen und kurzfristigen, die sich aus den Bedingungen des ancien régime entwickelten. Langfristige Klagen der Bauern, Städter und der Bourgeoisie; Frustration der steigenden Erwartungen unter den reichen Bürgern und Bauern; finanzielle Krise und Zusammenbruch der Regierung; zunehmende , feudale Reaktion‘; Ansprüche und Unnachgiebigkeit der Aristokratie; Verbreitung radikaler Ideen in weiten Kreisen der Bevölkerung; scharfe wirtschaftliche und finanzielle Krise; und die nacheinander folgenden , Auslöser‘ von Staatsbankrott, aristokratischer Revolte und Volksrebellion — all‘ diese Faktoren hatten ihren Anteil. Waren dies Faktoren, die nur für Frankreich gelten? Isoliert betrachtet muß die Antwort , nein‘ lauten“ (Rudé 1972: 251–252).

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  311. Für eine Diskussion der Frage der Gültigkeit bei der Benutzung dieser Cahiers vgl. auch die Diskussion bei Shapiro et al. (1973). Die Probleme, die sich bei einer Benutzung dieser Cahiers ergeben, werden auch intensiv von Robin (1970) erörtert.

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  312. In mancher Hinsicht ist diese Hypothese eine Zusatzhypothese zu der häufig zitierten und bereits früher erwähnten Hypothese von Tocqueville (s. Kap. 5.4.2), daß Unzufriedenheit bzw. eine Revolution wahrscheinlicher wird, wenn sich die Lebensbedingungen allgemein verbessern (freilich alte Klagen gegen das bestehende Regime unvermindert anhalten).

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  313. In einem ersten Bericht über die Ergebnisse einer Studie von 741 der cahiers de doléances berichtet Taylor, „daß politische Ideen der Aufklärung in den meisten Bereichen der französischen öffentlichen Meinung quantitativ unbedeutend waren, bevor sich die Generalstände am 5. Mai trafen. Wesentlich wichtiger als Begriffe des Naturrechtes, der Volkssouveränität und der Trennung der Gewalten als Mandat des Wandels waren traditionale Aspekte — legaler, konstitutionaler und institutionaler Natur —, in einer Weise vorgetragen, die wenig mit Tocquevilles , abstrakter Literatenpolitik‘ zu tun hatte [die angeblich über die letzten Dekaden des alten Regimes hinweg eine revolutionäre Mentalität geschaffen habe]. Doch mußten wir zusätzlich feststellen — und dies ist wahrscheinlich das bedeutendste Resultat dieser Studie —, daß nur sehr wenige Franzosen im März und April [des Jahres 1789] irgendeine Vorstellung hatten, wie radikal die Revolution sich entwickeln sollte oder daß sich eine so fundamentale Änderung ergeben würde, daß dies als Revolution bezeichnet werden würde. Tatsächlich haben wir das Wort ,Revolution‘ in diesen Dokumenten nicht gefunden. Doch ist dies nicht verwunderlich. Für Frankreich und für einen Großteil Europas waren es die Ereignisse des Jahres 1789 und die nachfolgenden Jahre, die dem Wort ,Revolution‘ seine moderne Bedeutung gaben“ (Taylor 1972: 481).

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  314. Vgl. Tønnesson (1959) für eine Folgestudie während des Jahres III.

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  315. Bemerkenswert erscheint, daß Tilly bei einer Kommentierung der Arbeit von Soboul Belege für seinen eigenen Ansatz zu finden glaubt: „Die Brotknappheit mobilisierte eine Bevölkerung, die bereits politisch aktiv und organisiert war. Wenn die entscheidenden Schluß-folgerungen von Soboul gültig sind, mobilisierte sie insbesondere jene Segmente der Bevölkerung, die ein besonders starkes politisches Bewußtsein hatten, aktiv und organisiert waren, und weniger jene aus den besonders verzweifelten und armen Segmenten der Bevölkerung“ (Tilly 1964a: 114).

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  316. Vgl. auch die Artikel in Kaplow 1965; Kafker/Laux 1968; floss 1971; Schmitt 1973; und Johnson 1976. S. auch die verschiedenen Arbeiten von Cobb, z.B. 1957; 1959; 1967; 1970.

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  317. In den Worten von Lefebvre (1954: 364, 360, bei Hunecke 1978: 299 zitiert): „, Indem das Ancien Régime sich auf die Bahn des Kapitalismus begab, beschleunigte es seinen Sturz‘; und zwar nicht zuletzt wegen der Opposition der am wenigsten begünstigten Klassen gegen die kapitalistische Ordnung, die sich zu installieren begann‘ “.

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  318. „Letztere Gruppe war besonders revolutionär, behauptet Cobban. Sicherlich war sie die lautstärkste. Aber repräsentierte sie nur ihre eigenen Interessen? Und was waren jene Interessen? Bildeten die officiers überhaupt eine Klasse, noch weniger eine im Niedergang befindliche, wie Cobban behauptet? Kann ein Niedergang durch einen Preisverfall für den Kauf der Ämter gemessen werden? Und war die gens de loi überhaupt so schlecht dran? Waren sie antikapitalistisch? Können ihre Einstellungen zu dieser Frage durch ihre Meinungen zu einem bestehenden Navigationsgesetz wie im Falle von Brissot erfaßt werden? Ist

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  319. der Fehlschlag der aufeinander folgenden Versammlungen, das System des Kolonialhandels zu verändern, ein Zeichen ihres Traditionalismus? Da Cobban diese Fragen nicht beantwortet, erscheint es für ihn ein non sequitur zu behaupten, daß , die Revolution in ihren wirtschaftlichen Konsequenzen in der Tat der Typus einer Revolution war, die wir erwarten sollten, wenn ... sie nicht von Industriellen und Händlern, sondern von officiers und Kopfarbeiten angeführt wurde ‘ “ (Kaplow 1965a: 1095).

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  320. Zeitlin verweist auf einige interessante Parallelen zwischen den Analysen von Tocqueville und Cobban: „Tocqueville beobachtete viele der Phänomene, auf die Cobban die Aufmerksamkeit lenkt: die Ähnlichkeiten zwischen Adligen und Bürgerlichen (aber auch ihre Unterschiede); die Tatsache, daß Bourgeoisie wie auch Adel auf Kosten der Bauernschaft gewannen; Stadt vs. Land; und allgemein schließlich die große Spanne zwischen Reich und Am“ (Zeitlin 1971: 153).

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  321. Doch auch hier bleiben verschiedene wichtige Fragen unbeantwortet, wie im Text erläutert (und in anderen Teilen der Literatur, auf die hier kein Bezug genommen wird).

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  322. In der Zwischenzeit hat der Ansatz von Rudé einen starken Einfluß auf jüngere Forscher ausgeübt, die sich mit prärevolutionären und revolutionären Massen in den USA beschäftigen (vgl. z.B. Hoerder 1977; Countryman 1976; den Besprechungsartikel von Greene 1973a; vgl. auch Maier 1970; Rudolph 1959). Vgl. auch einige der Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Russischen Revolution erwähnt worden sind (z.B. in Kap. 5.4.2).

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  323. Ruft man sich die Diskussion über die Bedingungen für politische Gewalt, Protest, inneren Krieg usw. ins Gedächtnis (vgl. Zimmermann 1981: Kap. 5.1), so könnten zahlreiche zusätzliche “unabhängige“ Variablen den exogenen Variablen auf der linken Seite des Modells hinzugefügt werden. Wir glauben jedoch, daß die grundlegenden explikativen Variablen, die in der Diskussion in diesem Kapitel aufgetaucht sind, in Abb. 5–7 festgehalten worden sind.

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  324. Auch finden sich technische Gründe dafür, die Zahl der Rückkopplungseffekte gering zu halten, da die Schätzungen der Kausalparameter andernfalls zu stark verzerrten Ergebnissen führen würden. (Doch was wäre zu tun, wenn ein angemessenes theoretisches Modell mehr Rückkopplungseffekte verlangen würde, als die Identifikationsregeln zulassen? Offensichtlich wäre dies die Quadratur des Kreises für den Sozialwissenschaftler.)

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  325. Externe Niederlagen wie auch langwierige innere Kriege könnten ebenfalls zu Unzufriedenheit des Militärs führen. Aus Gründen der Vereinfachung haben wir jedoch diese beiden Pfade im Modell ausgelassen.

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  326. Immer noch ein vager Begriff; vgl. auch die Diskussion in Kap. 4.2.3. S. auch die Debatte über den Begriff „assent“ in Kap. 3.3.

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  327. Beide Komponenten, die Loyalität und Stärke staatlicher Zwangsressourcen, müssen in Betracht gezogen werden (wie Gurr dies in seinen empirischen Studien getan hat), wenn eine adäquate Einschätzung der Ergebnisse der Auseinandersetzung gelingen soll.

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  328. Ungeachtet fortwährender ideologischer Äußerungen über die Bedeutung der Arbeiter und ihr revolutionäres Bewußtsein unter angemessenen Bedingungen. Die Behauptung im Text stellt natürlich keine universale Extrapolation hinsichtlich der Bedingungen zukünftiger Revolutionen dar.

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  329. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei betont, daß wir keiner impliziten oder expliziten historischen „Logik“ anhängen, ein Argument, daß häufig voreilig von Kritikern einer quantitativen Sozialwissenschaft mit historischem Einschlag erhoben wird. Kein Forscher, der mit historischen Daten arbeitet, der quantitativ Orientierte wie auch der Forscher mit qualitativen Forschungsinteressen, sollte der schwach begründeten Logik des Historizismus (vgl. Popper 1957) anheimfallen. Wir würden jedoch behaupten, daß die Chancen für den Forscher, der sich mit quantitativen Techniken beschäftigt, günstiger sind. Die Frage lautet nicht, historische Tiefe vs. oberflächliche Quantifizierung, sondern Quantifizierung und historische Gründlichkeit mit dem Ziel, Theorien zu testen (für eine Diskussion einiger der hier angeschnittenen Fragen vgl. auch Gottschalk 1963 und Wehler 1973).

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  330. „Fehlgeschlagene Revolutionen ereigneten sich [z.B.l in Ungarn und in Deutschland im Jahre 1848, in Ungarn im Jahre 1919, in Bayern im Jahre 1923 [?] und vielleicht am eindrucksvollsten von allen Fällen in Spanien in den 1930er Jahren“ (Hagopian 1974: 102; über die Revolution der spanischen Anarchisten und Anarcho-Syndikalisten zwischen 1934–37 s. z.B. Brenan 1969; Broué/Témimé 1961; Malefakis 1970; und Bernecker 1978). Chile liefert ein jüngstes Beispiel. Über die fehlgeschlagenen Revolutionen aus dem Jahre 1848 und danach vgl. die Verweise in Kap. 5.4.6.6.1.

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  331. Hage (1975) hat einen Kanon von Argumenten zusammengefaßt, der für cross-nation ale Forschung auf dem Niveau von nation-states von Bedeutung ist. Das in diesem Zusammenhang wichtige Argument lautet: „U.E. untersucht Brinton (1965) an keiner Stelle die Länder, die keine Revolution aufweisen. So nimmt es nicht wunder, daß er Schwierigkeiten hat, die Ursachen [für Revolutionen] zu ermitteln. Er hat eine Grundregel der Forschung verletzt — Fälle zu überprüfen, in denen das Ereignis nicht auftritt“ (Hage 1975: 144).

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  332. Definiert man Revolutionen in einem engeren Sinne (allerdings auch angemessener), so mag dies sogar die Entwicklung einer (metrischen) Skala revolutionären Wandels ausschließen. Das grundlegende Definitionsmerkmal einer Revolution, nämlich grundlegender sozial-struktureller Wandel, verhindert zumindest aus streng logischer Sicht die Möglichkeit einer solchen Skalierung.

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  333. Vgl. Geiss (1975) für eine breite sozialgeschichtliche Übersicht über erfolgreiche Revolutionen (wobei es sich allerdings nicht in allen Fällen um Revolutionen handelt) wie auch über fehlgeschlagene Revolutionen.

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  334. Allgemeiner ausgedrückt: „Eine gültige Theorie kollektiver Aktion muß das Auftauchen und Verschwinden [von Gruppen] erklären. Sie muß ebenfalls erklären, warum einige Gruppen es niemals so weit bringen“ (Tilly 1978: 60).

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  335. Rudé (1970: 67) hat z.B. die Frage aufgeworfen (vgl. Kap. 5.4.6.6.2 für eine Antwort), warum sich keine Revolution in Frankreich vor 1789, nämlich im Jahre 1775 ereignet hat, als die food riots ihren Höhepunkt erreichten. Ähnlich bleibt die Frage, warum keine Revolutionen in den Jahren 1830 und 1848 in England stattfanden. Es „gab keine Revolution im Jahre 1832, nicht so sehr, weil die Tories oder die Lords den Drohungen der Whigs oder Radikalen nachgaben, als vielmehr deshalb, weil keine Person von Bedeutung eine Revolution wollte und weil die Kombination politischer und wirtschaftlicher Faktoren, die allein eine Revolution möglich gemacht hätte, offensichtlich fehlte“ (Rudé 1971: 243). Im Jahre 1848 lohnte es „kaum, die Frage zu stellen“ (Rudé 1971: 244). Vgl. auch Tho-mis/Holt (1977) für eine Analyse Englands während der Jahre 1789–1848. Sie heben hervor, daß Armee und Polizeikräfte loyal blieben und daß die Rebellen keine hinreichende Unterstützung und organisatorischen Möglichkeiten besaßen.

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  336. Mit den Worten eines der führenden Revolutionsforscher ausgedrückt, der sowohl den Einfluß sozialstruktureller Bedingungen wie auch philosophischer Ideen auf die Englische Revolution untersucht hat: „Ideen waren sehr wichtig für die Individuen, die dadurch zur Handlung geführt wurden; doch muß der Historiker den Umständen gleiche Aufmerksamkeit schenken, die diesen Ideen ihre Wirkungsmöglichkeiten gaben. Revolutionen finden nicht ohne Ideen statt, doch werden sie nicht von Intellektuellen gemacht. Dampf ist notwendig, um eine Lokomotive voranzutreiben ; doch kann weder eine Lokomotive noch das Geleise allein aus Dampf hergestellt werden“ (Hill 1965: 3).

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  337. Allgemeiner ausgedrückt: „Die Schwäche einer Erklärung aus kulturellen Ursachen heraus liegt ... in der Art und Weise, wie sie in den Erklärungsprozeß eingeführt werden ... Erklärt man Verhalten in Begriffen kultureller Werte, so unterliegt man zirkularer Argumentation. Wenn wir feststellen, daß sich eine Landaristokratie kommerziellen Unternehmungen widersetzt, erklären wir diese Tatsache nicht durch den Verweis, daß die Aristokratie sich so in der Vergangenheit verhalten hat oder sogar, daß sie der Träger gewisser Traditionen ist, die sie zur Ablehnung solcher Unternehmungen führen: das Problem besteht darin festzustellen, aufgrund welcher vergangener und gegenwärtiger Erfahrungen sich ein solches Weltbild herausbildet und behauptet“ (Moore 1966: 485–486).

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  338. Vgl. Downton (1973: 209–288) über die Bedeutung des revolutionären Charismas und auch für einige historische Beispiele.

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  339. Vgl. Käsler (1977) für eine Diskussion von Begriffen, die sich weitgehend auf Webers „Routinisierung des Charismas“ beziehen. Vgl. auch Skocpol (1976a) für eine vergleichende Analyse der Erbschaften der alten Regime im kommunistischen Rußland und China. Sie hebt hervor, daß einige der unterschiedlichen Entwicklungen in beiden Ländern auf frühere Erfahrungen der Revolutionäre und auf strukturelle Begrenzungen der alten Regime zurückgeführt werden können (vgl. auch Cheng 1979). Schließlich s. Suedfeld/Rank für einige empirische Belege für ihre Hypothese, „daß der langfristige Erfolg eines [revolutionären] Führers mit einer geringen begrifflichen Komplexität während der Phase des revolutionären Kampfes (wo es wünschenswert ist, eine kategoriale einseitige Problemsicht zu haben) und einem Wandel zu einer hohen Komplexität während der Konsolidierungsphase nach dem revolutionären Kampf zusammenhängt (wenn die Führer an der Regie-

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  340. rungsmacht, die führenden Revolutionäre, ein relativ schattiertes, flexibles und integriertes Bild benötigen)“ (Suedfeld/Rank 1976: 169; N = 19 „revolutionäre Führer“, von denen jedoch 8 führende Figuren des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges sind).

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  341. Vgl. Schiffrin 196S;Lee 1970, Bianco 1971;Friedman 1974.

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  342. Somit mag es ebenso schwierig sein anzugeben, wann eine Revolution endet, wie auch festzustellen, wann sie beginnt.

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  343. Oder wird ermordet wie Robespierre (vgl. Rudé 1975 für eine jüngste Bewertung der Rolle Robespierres in der Französischen Revolution ; vgl. auch den Übersichtsartikel von Shulim 1977).

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  344. Eine damit in Zusammenhang stehende Frage lautet, ob Revolutionäre in der Tat das Programm ausführen, das sie ursprünglich im Auge hatten, oder vielmehr, zumindest teilweise, etwas anderes. Geht man von vorliegenden verschiedenen Fällen aus, so scheint ein Bruch zwischen revolutionärem Versprechen und tatsächlicher Ausführung das Übliche zu sein.

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  345. Unter vielen der zitierten Forscher scheint Einigkeit zu bestehen, daß die Bemühungen der sans-culottes zum Teil deshalb fehlschlugen, weil sie für inkohärente Positionen kämpften, d.h. „progressivere“ politische Lösungen (z.B. Dezentralisierung und egalitäre Demokratie), doch eindeutig „regressive“ wirtschaftliche Entscheidungen. Ihre Forderungen nach Regulierung der Preise und Kontrolle des Handels wurden in der Reaktion der Bourgeoisie im Thermidor hinweggefegt.

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  346. Wie von dem satirischen deutschen Schriftsteller Peter Struwwel (alias Heinrich Hoffmann) im Jahre 1848 ausgedrückt: „Revolution. Ein auf dem Markte der Welthändel sehr gesuchter, aber auch sehr theuerer und kostspieliger Artikel“ (S. 33).

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  347. Offensichtlich ermöglichen reine Zählungen der Opfer keine angemessene Antwort. Vgl. die Antwort von Hagopian (1974: 380) auf Moores (1966) Vergleich einer projizierten Todesrate des alten Regimes mit den ungefähr „35 000 bis 40 000“ (Moore) Opfern des Terrors während der Französischen Revolution.

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  348. S. auch die Kritik von Greers (1935) Arbeit bei Louie (1964) und Shapiro/Markoff (197‘5) für eine ausführlichere Diskussion von Hypothesen über die Inzidenz des Terrors. Diese sind möglicherweise (Datenlage) auf breiterer statistischer Basis zu testen.

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  349. Um nur zwei historische Beispiele anzuführen: Frankreich im Jahre 1832 vs. 1830 (vgl. auch Bezucha 1974; 1975 für Belege über die Aufstände in Lyon während der Jahre 1832 – 34, die er als Prototyp der modernen Rebellion begreift) oder die Terrorjahre 1793–94. Kambodscha nach der Übernahme durch die Roten Khmer liefert ein jüngeres Beispiel. S. Ponchaud (1977) und Shawcross (1978) für einige Belege über die dortige Rolle staatlichen Terrors.

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  350. Vgl. auch die Besprechung durch Godechot, der hauptsächlich die Frage der adäquaten Forschungsplanung aufwirft: „In Frankreich gab es viele Regionen mit denselben geographischen, sozialen und wirtschaftlichen Unterschieden, die wir zwischen Mauges und Val-Saumurois beobachtet haben. Und doch war die politische Entwicklung nicht dieselbe. Man vergleiche z.B. die Unterschiede zwischen den bewaldeten Regionen von Limousin und Rouergue und den weiten, raumgreifenden Hochebenen von le Quercy; die Berge der Vogesen und die Ebenen des Elsaß ...“ (Godechot 1967: 468). Einige geringere Modifizierungen von Tilly selbst finden sich im Vorwort zur neuen Ausgabe aus dem Jahre 1976: „Städte und Verstädterung spielen grundlegende Rollen in [der Ausdehnung des Kapitalismus und der Konzentration der Macht in Nationalstaaten]. Doch lenkt ein zu starker Akzent auf Urbanisierung (oder eine zu breite Definition von Urbanisierung) nichtsdestoweniger die Aufmerksamkeit von den unabhängigen Auswirkungen des Kapitalismus und der Staatsbildung ab. In der Vendee selbst ist es von Nutzen, den Stellenwert der Städte und der stadtorientierten Händler für das Anwachsen der Baumwoll-Textilindustrie zu erkennen. Von Bedeutung ist aber auch, daß die Eigentumsbeziehungen, die sich entwickelten, nicht diejenigen der , Stadt‘ oder des , Landes‘ waren, sondern die des klassischen Händlerkapitalismus“ (Tilly 1976: X, Vorwort zur erweiterten Ausgabe von „The Vendee“).

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  351. Aus dieser Sicht ist die Feststellung von Hagopian vielleicht gerechtfertigt, „daß die Gegenrevolution ein untrennbarer Bestandteil einer Revolution ist“ (Hagopian 1974: 381). Es sei jedoch nochmals hervorgehoben, daß sich keine cross-nationale Analyse von Gegenrevolutionen oder gegenrevolutionären Aktivitäten findet, die mehr als nur sehr allgemeine Aussagen erlauben würde. Für einige erste, allerdings teilweise fragwürdige typologische Bemühungen vgl. z.B.Mayer (1971: 86–116).

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  352. Eine ausgeführtere Hypothese von Huntington lautet in diesem Zusammenhang: „Jede Revolution stärkt die Regierung und die politische Ordnung ... Sie repräsentiert einen Weg der gewaltsamen und destruktiven, aber auch kreativen Wiedergewinnung der Balance zwischen sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung auf der einen Seite und politischer Entwicklung auf der anderen“ (Huntington 1968: 313). (Der folgende Satz [der nur schwer verständlich ist] ist in dem Zitat ausgelassen worden: “It is a form of political development which makes society more backward and politics more complex.“) In der Perspektive des Ansatzes von Skocpol (vgl. Kap. 5.4.3.3): „Wenn Staaten steuererhebende Organisationen sind, die ihre Ressourcen bis zu einem gewissen Ausmaß unabhängig von bestehenden Klasseninteressen einsetzen können, dann macht es Sinn, daß Revolutionen die Potentiale für einen Durchbruch in der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung großenteils damit schaffen, daß mächtigere, zentralisiertere und autonome staatliche Organisationen entstehen. Dies galt für alle Revolutionen von oben und von unten, die wir analysiert haben, obgleich das Potential für eine nationale wirtschaftliche Entwicklung unter staatlicher Führung oder Initiative in Japan, Rußland und China durchgängiger als in Frankreich und der Türkei verwirklicht wurde“ (Skocpol/Trimberger 1978: 130).

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Zimmermann, E. (1981). Vergleichende Revolutionsanalyse: Auf dem Wege zu einer kritischen Bestandsaufnahme. In: Krisen, Staatsstreiche und Revolutionen. Studien zur Sozialwissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96989-7_5

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