Zusammenfassung
»Das Leben nennt der Derwisch’ eine Reise / Und eine kurze. Freilich!« (DKV II, Vs. 1286f.) Der Prinz von Homburg sagt das, und man traut seinen Ohren nicht. So etwas bringt nur Kleist fertig, und wegen solcher Rätsel lieben wir ihn: Einer, der im Akt zuvor beim Anblick seines schon ausgehobenen Grabes keine bella figura gemacht hat, ein zwischen Ruhmsucht und Feigheit schwankender preußischer General, tröstet sich in der Gefängniszelle, angesichts der drohenden Hinrichtung, zu unser aller Verwunderung mit der orientalischen Weisheit eines asketischen Bettelmönchs und lässt sich — so die Szenenanweisung — auch noch »nachlässig auf ein, auf der Erde ausgebreitetes Kissen nieder« (DKV II, vor Vs. 1286). Das kann er nur im Monolog. Ein Gegenüber aus dem Lande des Großen Kurfürsten und der preußischen Haltung, aus der Gegend bei Fehrbellin, die Gottfried Benn einmal »kärglich und dürr« genannt hat, mit »Ortschaften«, die »wahre Brutstätten der Kausaltriebe« seien, würde diese west-östliche Verwandlung des Prinzen nicht begreifen. Ich begreife sie, wie vieles bei Kleist, auch nicht. Der Prinz scheint hier mit gespaltener Zunge zu sprechen, ein Vexierbild des Autors Kleist zu sein, der aus Brandenburg verschwand, das ihm keine Heimat war, um sein Glück — vergeblich — anderswo zu suchen und dabei ein »nackter Araber« wurde, wie der Dichter Julius Hart Kleist 1911 etwas blumig genannt hat. Das Bild macht dennoch Sinn: Kleist war weder Perser noch Araber, ähnelte aber einem Nomaden, insofern er ohne überflüssiges Gepäck auskam, uns keinen materiellen Besitz, nur das ihm Notwendige, seine Werke, hinterließ.
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrter Herr Peymann,
liebe Freunde und Mitglieder der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft,
lieber und heute zu ehrender Navid Kermani,
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Blamberger, G. (2013). Kleist, Der Araber. In: Blamberger, G., Breuer, I., de Bruyn, W., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2013. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01199-2_1
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