Zusammenfassung
Das Jahrzehnt des triumphierenden Absolutismus begann für Mlle de Scudéry mit der Erfahrung königlicher Willkür, der der Gönner Foucquet und der Freund Pellisson zum Opfer fielen. In zweifacher Weise war die Salongeselligkeit getroffen. Für deren einstige Chronistin hieß es, mit der Wirklichkeit des Hofs, der im 10. Band der Clelie in durchgängig kritischem Licht erschien, einen Frieden zu schließen, der das eigene literarische Überleben nicht vom Verrat der menschlichen und moralischen Bindungen abhängig machte. Wie sie im Salon der Fronde und mehr noch bei den »Samedis« maßgeblich dazu beigetragen hatte, die Literatur aus den Fesseln des Buchs zu befreien, um sie, verwandelt und angereichert durch das lebendige Spiel, in neuer Gestalt zu bewahren, blieb nunmehr auch ihr nur das Schreiben, das allerdings von der Erinnerung an die geselligen Unterhaltungen und Spiele sich nährte. In welcher Weise sie in ihren Novellen an die Binnenerzählungen der Romane anknüpfte und andere literarisierte »jeux d’esprit« in vertrauter und neuer Form in sie einfließen ließ, ist die nun zu stellende Frage. Mit den Erzählverfahren gerät zwangsläufig ihr Verhältnis zu dem einstigen aufklärerischen Bekenntnis in den Blick, das sie im Märchenwunder oder in der rationalistischen Entfaltung des »code tendre« mitgeteilt hatte. Die Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen läßt schließlich erwarten, daß die Autorin nach neuen Wegen suchen mußte, um angesichts der Bedrohung durch den antipreziösen Humanismus und des absolutistischen Drucks auf den Adel und die Salonkultur der Widersacher sich zu erwehren und die Mächtigen auf den Schutz der Menschen und der Weltsicht zu verpflichten, die ihr teuer waren.
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Anmerkungen
Vgl. Mongrédien 1933: 553.
Godenne 1972: 503; Niderst 1976: 432. — Die Scudéry-Novellen blieben lange weitgehend unbemerkt (so in Deloffre 1967, Godenne 1970, Steinmetz 1976).
Scudéry 1661: 80.
»Les movches galantes, avx movches volantes« (88–91) mit der »Responce des vrayes movches avx favsses movches« (95–98). Die Kritik an den Nachahmern zeigt, daß sie Tiergedichte, wie sie in ihrem Kreis an die »pigeonne«, »tourterelles« und »fauvettes« gerichtet wurden, ehrgeizig als dessen — und ihr — Eigentum zu behaupten versucht.
Hierzu vgl. Niderst 1976: 439–447.
Etwa gleichzeitig verfaßte La Fontaine die Relation de l’Entrée de la Reine (1958: 509–512) und der 20-jährige Racine seine Ode La nymphe de la Seine à la Reine. Niderst führt sieben offizielle Berichte dieser Zeremonie auf (Scudéry 1979: 59, Anm. 17); vgl. Tapié 1949: 190–191. — Zur »Entrée« als Ritual vgl. Apostolidès 1981: 16–19.
1959: 13.
Vgl. Bray 1972: 20–21.
Scudéry 1661: 58; vgl. 60.
A.a.O.: 386.
A.a.O.: 388.
Vgl. Mongrédien 1933: 554.
Vgl. Lever 1976: 208; H. Baader (1972) 1973: 34; Paquot 1932: 133–140.
Vgl. Mme de Lafayette: Zaide. Histoire espagnole (1670); Mme de Villedieu: Les galanteries grenadines (1673); A. de La Roche-Guilhen: Journal amoureux d’Espagne (1675); Mme d’Aulnoy: Memoires de la Cour d’Espagne (1690); dies.: Nouvelles espagnoles (1692); C. Bernard: Inès de Cordoue, nouvelle espagnole (1696).
Vgl. Mongrédien 1933: 554–555.
Vgl. Niderst 1976: 459, 470–471.
Vgl. Scudéry 1667: 3–6.
A.a.O.: 40–44.
A.a.O.: 12.
A.a.O.: 19–20, 28–29, 56, 67–79. — Vgl. Mme de Sévigné 1972: 1. Bd., 280.
»billets« und »lettres«: Scudéry 1667: 191–194, 239–249, 271–273; die Verse der Frauen: 44, 281–286; Alphonse: 214–215, 278–279.
A.a.O.: 53–55, 59–62, 46–53, 23–24.
»Hauts lieux…« 1975: 133–134.
Vgl. die Unterhaltung über »sincérité« und höfische »dissimulation« Scudéry 1667: 153–173. — Vgl. Mandrou 1973: 159–190.
Vgl. Verf. 1979: 85.
Scudéry 1667: 25.
1976: 83.
Belmont 1902: 658. — Zum Sprichwort im Hofballett vgl. Silin 1940: 230–231.
Scudéry 1667: 28–34.
A.a.O.: 37–39; Mme de Villedieu imitierte später die Integration der Spiele in eine Novellenhandlung (vgl. Cuénin 1979: 365–366).
Scudéry 1667: 40–44.
A.a.O.: 44–61.
A.a.O.: 63–71 (Arrimas); 71–73 (Herminius); 74–76 (Meriandre); 76–106 (Themiste).
Vgl. Goebel 1971: 38–68.
Scudéry 1667: 105–106; vgl. Adam 1974; Rousset 1954: 49–51.
Scudéry 1667: 99–100.
A.a.O.: 110–114.
Vgl. die Belege bei Rathery et Boutron (1873) 1971: 73–77, 290–292; vgl. auch Niderst 1976: 450, 468–474.
Scudéry (1669) 1697: 67.
A.a.O.: 71–83.
A.a.O.: 181–188.
A.a.O.: 207–211.
A.a.O.: 295.
A.a.O.: 63–64.
1976: 486.
Scudéry (1669) 1697: 70.
A.a.O.: 163–168.
1967: 112; vgl. Silin 1940: 212, 225, 237, 245, 264, 269, 281, 291, 315, 318, 325, 331, 338, 349, 385.
Zur Beliebtheit des Völkerballetts, dessen Reiz neben der exotischen Ausstattung in der Verspottung politischer Gegner und dem Triumph über ihre Unterwerfung lag, vgl. Paquot 1932: 107–108, 125–133.
Christout 1967: 54, 73, 76, 78, 110–116, 128–132, 163; vgl. Silin 1940: 232–238, 296–312.
Vgl. B. Bray 1972: 12–19.
Scudéry (1669) 1697: 16–33; zum polemisch-defensiven Ton des Textes, der gegen Furetière gerichtet ist, vgl. Boursier 1984.
Vgl. Sayce 1972: 246; Goebel 1971: 193–196.
Scudéry (1669) 1697: 43–49, 371.
Hierzu und zum Folgenden vgl. a.a.O.: 362–371.
A.a.O.: 351. — Vgl. Niderst 1976: 484–485; Apostolidès 1981: 93–113.
Vgl. Lafond 1969: 489.
Scudéry (1669) 1697: 96, 104–105, 156, 194, 229–231.
A.a.O.: 127–129, 166, 359–360, 367.
A.a.O.: 101. — Zur Identifizierung der Werke und Autoren vgl. Niderst 1976: 241–242, 281, 360, 366, 374–377.
Analog dazu ist das Selbstzitat der »assignation d’esprit« aus der Clelie zu deuten: Wie Brutus und Lucrece versprechen sich auch hier die Liebenden, zu einer bestimmten Stunde aneinander zu denken. Wie in Mathilde gerät die darauf verfaßte Elegie Cleandres in fremde Hände, und das Geheimnis ihrer Liebe ist in aller Munde. Zuvor hatte das Paar eine Blumensymbolik erfunden, die Gefühle und Ereignisse verschlüsselt mitteilen sollte (Scudéry (1669) 1697: 155–156, 227–238).
Boileau 1961: 300.
Scudéry (1669) 1697: 216.
1976: 488–489. — Gegen Jahrhundertende trat die Autorin offen gegen ihn auf: 1684 hintertrieb Mlle de Scudéry im Verein mit Ménage Boileaus Aufnahme in die Académie; 1694 setzte sie sich in Briefen an Huet selbstbewußt mit der 10. Satire auseinander. (Belege in Rathery et Boutron 1873: 88, 92, 370–371).
Scudéry (1669) 1697: 127–128.
A.a.O.: 125.
So Godenne 1972: 513–514.
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Baader, R. (1986). Der Hof und das Exil der Spiele: Mlle de Scudérys Novellen (1661–1669). In: Dames de Lettres. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03236-2_6
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