Zusammenfassung
Obwohl wir alle seit Kindesbeinen den Topos der ›bösen Stiefmutter‹ kennen und viel zu selbstverständlich internalisiert haben, haben wir in diesem Alter wenig über die Mutter-Tochter-Verhältnisse in Märchen erfahren. Gut und Böse müssen im Märchen als unwandelbare Eigenschaften hingenommen werden. Aber merkwürdigerweise gibt es fast keine Prinzen oder Könige, die von Anbeginn an böse sind, allenfalls dumm oder lernbedürftig. Das wirkliche ›sogenannte Böse‹ scheint den Frauen vorbehalten, und zwar fast ausschließlich den älteren Frauen (Ausnahmen sind Stiefschwestern oder — ganz selten — kleine Mädchen). Die gefährliche Botschaft, die diese Märchen also implizit aussenden, heißt etwa: Alterwerden ist für Frauen etwas so Schlimmes, daß es sie ›schlimm‹ macht. Wenn die Märchen mit der Hochzeit von Prinzessin und Prinz enden, so ist damit tatsächlich der kurze Zenit ihres Daseins im Leben der jungen Frauen angezeigt: sie sind unberührt, aber voll erblüht und ›reif‹ für die Mutterschaft. Ist die Tauglichkeit hierzu ein- oder mehrmals unter Beweis gestellt, nimmt das erzählerische Interesse an ihnen radikal ab. Die biologische Schuldigkeit ist abgeleistet, die Gesellschaft braucht sie eigentlich nicht mehr.
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Literaturverzeichnis
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Liebs, E. (1993). »Spieglein Spieglein an der Wand« Mutter-Mythen / Märchen-Mütter / Tochter-Märchen. In: Kraft, H., Liebs, E. (eds) Mütter — Töchter — Frauen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03454-0_6
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Online ISBN: 978-3-476-03454-0
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