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1 Der gesellschaftliche Wandel von familiärer und institutioneller Erziehung

Die Debatte um eine sozialräumliche Ausrichtung der institutionellen Kindertagesbetreuung wurde angeregt durch die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse der letzten Jahrzehnte. Familie und Familienleben ist different geworden. Dies führt insgesamt zu einem größeren Gestaltungsrahmen für Familien, bringt aber somit auch gleichzeitig Unsicherheiten mit sich. Heitkötter et al. (2008, S. 10) fassen die sich wandelnden Anforderungen wie folgt zusammen: „Die Dynamisierung und Vervielfältigung von Haushalts- und Familienformen, die instabiler gewordenen Parameter der Lebensführung, die gestiegene Erwerbstätigkeit von Müttern und die damit einhergehende Veränderung der Geschlechter- und Generationsverhältnisse, sowie die fundamentale veränderte Erwerbswelt mit ihren gestiegenen Flexibilitätsansprüchen, Ungewissheiten und Verdichtungstendenzen kennzeichnen diesen Wandel mit Blick auf die Familien, Eltern und Kinder“. Dieser gesellschaftliche Wandel hat auch eine Neujustierung des Zusammenspiels von familiärer und institutioneller Erziehung zur Folge. Die Kindertageseinrichtung ist zu einer bedeutsamen Sozialisationsinstanz für Kinder geworden, wodurch die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern stärker in die öffentliche Hand rückt. Die „formalisierte Bildungsbiografie“ von Kindern beginnt somit früher und die „institutionalisierte Kindheit“ wird zur Normalität (vgl. Rauschenbach und Borrmann 2010, S. 16). Die Bedeutsamkeit der Kindertageseinrichtung als erste Bildungsinstanz wurde durch die Ergebnisse der PISA und der OECD Studie gestärkt. Kindertageseinrichtungen werden nun nicht mehr als Bewahranstalten, sondern als Bildungseinrichtung begriffen. Ein umfassender Bildungsauftrag wurde formuliert (vgl. BAJ 2006, S. 206). Die Bildungsthematik ist in einen breiten sozial- und gesellschaftspolitischen Diskurs eingebunden. Der 7. Familienbericht kam zu der Erkenntnis, dass Familien aufgrund der stetig steigenden Herausforderung derer sie ausgesetzt sind, zunehmend Unterstützung in der Bewältigung ihrer Erziehungsaufgaben benötigen. Der 12. Kinder- und Jugendbericht legte dar, dass dafür ein kommunal abgestimmtes System von Bildung, Betreuung und Erziehung geschaffen werden muss, um Familien die benötigte Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Alltagsaufgaben zu bieten. Dies umfasst Sprach- und individuelle Förderung von Kindern, Familienförderung, Qualifizierung von Tagesbetreuung, flächendeckende Ganztagsangebote, pädagogische Reformen, Autonomie von Schulen, erweiterte Schulträgerschaft, kommunale Bildungsplanung sowie die Schaffung von sozialräumlichen Netzwerken der Bildung (vgl. Heitkötter et al. 2008, S. 11). Kindertageseinrichtungen als multifunktionale Einrichtungen stehen vor der Herausforderung mit bedarfsgerechten und gebündelten Angeboten auf diese sich wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen zu reagieren (vgl. Tschöpe-Scheffler und Wirtz 2008, S. 160). Frühpädagogische Betreuungsinstitutionen die bisher das Kind im Fokus der Betrachtung hatten, sollen somit ihren Blick erweitern auf das gesamte System Familie und einen interdisziplinären Dienstleistungsansatz entwickeln (vgl. Rietmann 2008, S. 39). Die Qualitätsansprüche an die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern im institutionellen Kontext haben sich somit erhöht. Das Aufwachsen von Kindern sowie das damit verbundene Begleiten von Familien werden als eine Gestaltungsaufgabe begriffen, bei welcher sich die private und die öffentliche Verantwortung konstruktiv ergänzen müssen (vgl. Heitkötter et al. 2008, S. 12).

2 Familienzentren als familienunterstützende Institution

Im politischen Kontext wird in Bezug auf die Erfordernisse an Erziehung, Betreuung und Bildung von Kindern häufig das Sprichwort, dass man ein ganzes Dorf benötigt um ein Kind zu erziehen, zitiert. Auch wenn der Ursprung des Sprichwortes nicht eindeutig ist, wird hier der Wunsch nach einer dynamischen und anregungsreichen Umgebung für Kinder und einer Gesellschaft, welche an der Erziehung beteiligt ist, deutlich. Die dahinter liegende Forderung impliziert, dass es zur Erziehung von Kindern mehr bedarf als „nur“ die Familie, sprich Mutter und Vater. Die Miterziehung der Gesellschaft ist jedoch kaum mehr gegeben, daher bedarf es neue Formen der Einbeziehung der Gesellschaft in den Erziehungsprozess von Kindern, um Familien Unterstützung zu bieten. Das Kind soll im institutionellen Erziehungsprozess nicht isoliert, sondern im Kontext seiner Familie und seines Umfeldes betrachtet werden (vgl. Heitkötter et al. 2008, S. 9). „Einrichtungen, in denen die Familie als Ganzes, als Lebenszusammenhang im Zentrum stehen, in denen kinderfördernde und elternunterstützende Angebote gleichermaßen die Basis bilden, in denen für Eltern und Kinder eine anregungsreiche Mitwelt organisiert wird und familienergänzende Leistungen bereitgestellt werden, müssen diese verloren gegangene Funktion des einstigen >>Dorfes<< substituieren gewissermaßen sekundär sicherstellen“ (Heitkötter et al. 2008, S. 10).

In Anlehnung an die sich veränderten Ansprüche an institutionelle Erziehung und Kindertageseinrichtungen fördern verschiedene Bundesländer die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Einrichtungen für die Familie als Ganzes, so unter verschiedenen Bezeichnungen wie z. B. „Eltern-Kind-Zentren“, „Kinder- und Familienzentren“ oder in Nordrhein-Westfalen die „Familienzentren NRW“, welche neben der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern eine familienunterstützende Institution darstellen. Unabhängig der verschiedenen Schwerpunkte dieser unterschiedlichen Einrichtungskonzepten aus den verschiedenen Bundesländern, Trägern oder Kommunen ist ihnen familienpolitisch gemeinsam, dass sie familiäre Unterstützungsangebote mittels sozialräumlich ausgerichteter Kooperations- und Vernetzungsstrukturen insbesondere zwischen Kindertageseinrichtung, Familienbildung und Familienhilfe vorhalten (vgl. Diller und Schelle 2009, S. 8, 13, 16). Sie ersetzen somit in gewisser Weise das „verloren gegangene Dorf“ und sind „so etwas wie ein angemessener >>gesellschaftlicher Reflex<<, der die familienbezogene Infrastruktur im Sinne einer Bündelung, Vernetzung und Zusammenführung reorganisiert“ (Heitkötter et al. 2008, S. 10).

Die Differenz von Familienzentren zu klassischen Kindertageseinrichtungen besteht somit auf der erweiterten konzeptionellen Sichtweise der Trias „Kind – Eltern – Institution“. Die differenten Trägerstrukturen und vielfältigen Einrichtungsprofile bedingen jedoch, dass auch klassische Kindertageseinrichtungen dem Angebotsprofil von Familienzentren entsprechen können bzw. sich andererseits auch sehr stark davon unterscheiden (vgl. Diller und Schelle 2009, S. 8, 13, 16). Kindertageseinrichtungen haben einen hohen Stellenwert als familienunterstützende Institution und eignen sich für den Ausbau zu Familienzentren, da sie umfangreich verbreitet sind und sich meist in Wohnortnähe der Familien befinden. Sie sind die erste Bildungsinstanz mit der Kind und Familie in Berührung kommen und haben so die Möglichkeit Förder- und Unterstützungsbedarfe frühzeitig wahrzunehmen (vgl. Lindner et al. 2008, S. 279). Kindertageseinrichtungen stellen somit eine niederschwellige, sozialräumliche Institution dar, die eine hohe Akzeptanz bei Familien genießt. Kindertageseinrichtungen, die sich zu Familienzentren weiterentwickeln bieten so in Kooperation und Vernetzung mit anderen relevanten Akteuren rund um das System Familie Unterstützung und einen niederschwelligen Zugang zu weiterführenden bedarfsgerechten Angeboten im Stadtteil. Intensive Kooperations- und Vernetzungsstrukturen sind die Basis für eine breit gefächerte Angebotserweiterung (vgl. Diller und Schelle 2009, S. 11, 48). Familienzentren werden so zu Knotenpunkten familienunterstützender Netzwerke und wandeln sich zu multifunktionalen Einrichtungen, „Synergieeffekte sollen durch die Zusammenführung familienorientierter Angebote im Stadtteil erzielt werden“ (Kasüschke und Fröhlich-Gildhoff 2008, S. 161).

3 Sozialräumliche Vorläufer in der Historie der Frühpädagogik

Kindertageseinrichtungen, die sich zu Familienzentren weiterentwickelt haben verfolgen neben der Arbeit am Kind und der partizipierenden Elternarbeit insbesondere eine sozialräumlich ausgerichtete pädagogische Arbeit. Diese sozialräumliche Ausrichtung wird als etwas Neues postuliert. In der Historie der institutionellen Kleinkinderziehung zeigt sich jedoch, dass sich schon in bestehenden pädagogischen Ansätzen sozialräumliche Bezüge erkennen lassen, welche im folgenden von der Autorin nachgezeichnet werden.

Bereits der Schriftsteller, Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), welcher als bedeutsamer Wegbereiter der französischen Revolution gilt, hob in seinem pädagogischen Hauptwerk „Emilie“ (1762) die Bedeutsamkeit der gemeinschaftlichen Erziehung von Kindern hervor. Erziehung soll das Ziel haben den Menschen gesellschaftsfähig zu machen, wofür nach Rousseau die Verantwortlichkeit insbesondere bei dem Staat liegt (vgl. Aden-Grossmann 2002, S. 20). Die Erziehung soll gleichzeitig jedoch unabhängig der gesellschaftlichen Einflüsse geschehen, damit das Kind nicht negativ geprägt wird von der vorherrschenden Gesellschaft (vgl. von der Burg und Hülshoff 1979, S. 16). Der Stadt wies er einen negativen und dem Land einen positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung zu. Johann Heinrich Pestalozzi, ein bedeutsamer Pädagoge der Aufklärung, wies „Räumen“ ebenfalls positive und negative Einflüsse in Bezug auf die Entwicklung von Menschen zu. Für beide Pädagogen waren der soziale Stand sowie die soziale Ordnung innerhalb der Gesellschaft Dimensionen menschlichen Handelns (vgl. Kessl und Reutlinger 2010, S. 8). Die Pädagogin und Nichte von Friedrich Fröbel, Henriette Schrader-Breymann (1827–1899) entwickelte das Konzept des „Monatsgegenstandes“, mittels welchem sie die Lebenswelt der Kinder in ihrem Volkskindergarten, der dem Charakter der familienähnlichen Wohnstube nach Pestalozzi entsprach, einband. Die Wohn- und Lebensumstände boten den Kindern wenig Anregung für Bildungs-, Lern- und Entwicklungsprozesse. Mit dem Monatsgegenstand wollte die Pädagogin an die natürliche Lebenswelt der Kinder anknüpfen. Dafür wählte sie gezielt Dinge aus dem Leben der Kinder, die sie in den Mittelpunkt des pädagogischen Geschehens setzte (vgl. Berger 1999, S. 56). Die Theorie des Monatsgegenstandes ist bis heute ein zentrales, praktiziertes Element in der Pädagogik der frühen Kindheit (vgl. Kasüschke und Fröhlich-Gildhoff 2008, S. 27). Der bis heute bestehende Situationsansatz knüpft mit seinem pädagogischen Gedanken u. a. an Schrader-Breymanns Konzept an. Der Situationsansatz hat seinen Ursprung in den 70er-Jahren und ist kein theoriegeleitetes Konzept, sondern eine Ko-Konstruktion vieler beteiligter Konstrukteure. Er unterliegt gesellschaftlichen Veränderungsprozessen und aktualisiert sich stetig (vgl. Preissing 2003, S. 11). Im Mittelpunkt des Situationsansatzes steht das Kind mit seinem Erleben und Verhalten. Die Themen, die Kinder in die Einrichtung reintragen sowie die Themen die sich im gemeinschaftlichen Miteinander ergeben sollen wahr- und aufgenommen und zum Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit gemacht werden (vgl. Stoll 1995, S. 21). So soll soziales und sachbezogenes Lernen miteinander verbunden werden und eine Orientierung an den konkreten Lebenssituationen der Kinder stattfinden. Darüberhinaus soll die Gesellschaft mit in die Arbeit eingebunden werden (vgl. Gerstacker und Zimmer 1978, S. 194). Bevor in Deutschland die ersten Familienzentren entstanden gab es in England bereits die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu multifunktionalen Institutionen. In den achtziger Jahren entwickelte Margy Whalley den Early Excellence Ansatz, der Angebote für Eltern und Kinder in einer pädagogischen Einrichtung miteinander verbindet (vgl. Hebenstreit-Müller und Lepenies 2007, S. 7). Der Ansatz ist in Corby, einer Stadt in England, entstanden. in welcher aufgrund der Schließung eines Stahlwerkes, welches als Hauptarbeitgeber diente, eine hohe Arbeitslosigkeit und soziale Not herrschte. Die Einrichtung Pen Green, die aufgrund dessen geschaffen wurde, hatte zum Ziel die Familie als Ganzes zu unterstützen. Da dieses Konzept sich als so erfolgreich erwiesen hat, wurde es von der Regierung flächendeckend eingeführt. Die dadurch entstandenen centre stellen ein Netzwerk der Unterstützung und Förderung von Kindern und ihren Familien bereit (vgl. Wehring 2007, S. 7). Die Eltern sollen in dem Erziehungs- und Bildungsprozess ihrer Kinder ausgehend von ihrer Lebenssituation miteingebunden werden. Ein wesentlicher Grundpfeiler des Konzeptes ist die Öffnung und Einbeziehung der Bewohner des Stadtteils in die pädagogische Arbeit, was insbesondere eine intensive Kooperation und Vernetzung mit anderen bedeutsamen Akteuren voraussetzt (vgl. Lepenies 2008, S. 7). Auch in Deutschland sind in Anlehnung an das aus England stammende Konzept Early Excellence Centre entstanden (vgl. Burdorf-Schulz und Müller 2004, S. 15).

4 Der sozialpädagogische Terminus von Sozialraum(-orientierung) im Handlungsfeld Familie und Familienzentren

Dem Beitrag wird ein relationales Raumverständnis zu Grunde gelegt. In diesem Sinne wird sich abgewendet von einem absoluten Raumverständnis, welches den Raum als eine Art Container begreift, welcher immer gleich und unbeweglich bleibt, sowie von einem relativen Raumverständnis, welches davon ausgeht, dass Räume nicht unabhängig der sie bildenden Körper bestehen können. Diese beiden Raumbegriffe erscheinen verkürzt, so dass auf ein relationales Raumverständnis zugrückgegriffen wird, welches die konkurrierenden konstruktivistischen und materialistischen Raumtheorien miteinander verbindet. Im Sinne der konstruktivistischen Raumtheorie werden die Konstruktionsprozesse von Raum und Räumlichkeit betrachtet. Demnach sind alle Akteure einer Gesellschaft im gleichen Maße an der Konstruktion von Räumen beteiligt. Ungleichheiten der Akteure, die einen Einfluss haben könnten, finden keine Berücksichtigung. Materialistische Raumtheorien gehen von der räumlichen Ordnung aus und rücken den Einfluss dieser auf soziale Zusammenhänge in den Fokus (vgl. Kessl und Reutlinger 2010, S. 27). Im Sinne der relationalen Raumtheorie sind „Soziale Räume (…) keine fertig vorgegebenen ‚Container‘ sondern relationale Anordnungen von Lebewesen und sozialen Gütern und Strukturen an sozialen Orten, die dynamisch und interaktiv veränderbar sind“ (Löw 2001). Raum als solcher, wird somit nicht auf seine Materialität reduziert, sondern als ein sozialer Handlungskontext begriffen (vgl. Marquard 2009), welcher abhängig ist von den jeweiligen vorherrschenden Bedingungen. Der Sozialraum wird somit als ein Raum der immer ein Ergebnis menschlichen Handelns ist begriffen. Eine sozialräumliche Perspektive stellt daher nicht physisch-materielle Objekte in den Fokus, sondern betrachtet die von Menschen konstruierten Räume, sprich soziale Beziehungen, Interkationen oder Verhältnisse (vgl. Kessl und Reutlinger 2010, S. 29, 25). Der von Kessl und Reutlinger (2010, S. 126) eingeführte Begriff der Sozialraumarbeit soll hier herausstellen, „dass sich eine solche raumbezogene soziale Arbeit nicht nur als stadtteil- und quartiersbezogene, sondern immer als (sozial-) politische Aktivität versteht. Sozialraumarbeit begreift den Bezug auf soziale Räume insofern immer im Bourdieu’schen Sinne als Bezug auf die eingeschriebenen Macht- und Herrschaftsverhältnisse, in die sie eingewoben ist und die sie damit unweigerlich mit formt“. Hierfür müssen die zuständigen Träger sowie die politischen Verantwortlichen die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich letztendlich die ausführenden Fachkräfte eine „reflexive räumliche Haltung“ als professionelles raumbezogenes Handeln aneignen können.

Bereits bevor das Konzept der “Sozialraumarbeit” entwickelt wurde, waren Konzepte vorhanden, die Angebote ausgehend von der Lebenswelt der AdressatInnen dachten. Hier ist insbesondere das Konzepte der Lebensweltorientierung von Thiersch zu nennen. Als Lebenswelt wird nach Thiersch (1993, S. 13 zit. in Hamburger 2008, S. 137) „ein strukturiertes Gefüge ganzheitlicher, räumlicher, zeitlicher und sozialer Bezüge verstanden und in ihren Strukturierungen als Handlungsfeld mit Ressourcen und Kompetenzen bestimmt. Lebenswelten sind eingespannt in sozialstrukturelle Lebenslagen“. Die Strukturmaxime der lebensweltorientierten sozialen Arbeit, Prävention, Alltagsnähe, Integration, Partizipation, Regionalisierung und Vernetzung, sowie Einmischung (hiermit mein Thiersch die politische Einmischung) sind bedeutsame Aspekte der Familienzentrumsarbeit und lassen sich auf die Arbeit dort übertragen (vgl. Vierling 2008, S. 81). Die Verbindung der Sichtweisen einer Sozialraum- und Lebensweltorientierung ist für die sozialräumliche Orientierung von Familienzentren wichtig. Zentrale Aspekte zur Erschließung und Beschreibung des „Sozialraums“Footnote 1 für frühpädagogische Betreuungsinstitutionen sind nach Deinet (2011, S. 305) die Stadtteilstruktur sowie die Angebotsstruktur, welche sich auf die vorhandenen Institutionen und die damit verbundenen Kooperationen im Stadtteil bezieht. Dies meint welche Einrichtungen zusammen arbeiten und kooperieren, bezieht sich auch auf die Konflikte im Stadtteil, d. h. wo treten immer wiederkehrende Konflikte auf, ebenso auf die Aneignungsorte und -räume, meint wo Flächen eventuell anders kreativ umgestaltet und genutzt werden, sowie auf die Schlüsselpersonen im Stadtteil, meint wer besetzt z. B. einen einflussreichen Posten. Renate Thiersch, die den Aspekt der „Sozialraumorientierung“ in der Pädagogik der Kindheit diskutierte, fasst die sozialräumlichen Aspekte von frühpädagogischen Betreuungsinstitutionen in die Kategorien „Sozialraumanalyse“, „Sozialraumpädagogik“, „Sozialraumpolitik“ sowie „Zusammenarbeit mit den Eltern“ zusammen. „Sozialraumanalyse“ beinhaltet nach Thiersch die Auseinandersetzung mit den sozialstatistischen Daten des Stadtteils, „Sozialraumpädagogik“ die institutionellen und pädagogisch- inhaltlichen Konsequenzen, sprich wie wird ein positiver Alltag für Familien geschaffen. „Sozialraumpolitik“ impliziert nach Thiersch von Seiten der Institution die Teilhabe und die aktive Mitgestaltung der sozialen und pädagogischen Infrastruktur des Stadtteils. Die „Zusammenarbeit mit den Eltern“ und Kinder bezieht sich auf die Berücksichtigung der unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen, sowie das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Familien (vgl. Thiersch 2002, S. 254). In Bezug auf das Familienzentrum als sozialraumbezogenes Handlungsfeld spielt das Mitwirken des Stadtteiles eine zentrale Rolle. In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Eltern sollen diese in den Alltag der Institution integriert werden um sie umfassend in ihrem Erziehungsprozess zu begleiten und zu unterstützen. Über die Familie geraten auch die Bewohner des Stadtteils in den Blick der Institution, sie werden als Ressource und als „aktive Gestalter des Stadtteils“ begriffen und in die Arbeit des Familienzentrums miteingebunden. Um diesem Angebotsprofil zu entsprechen, ist ein sozialräumlicher Blick von Seiten der Fachkräfte bedeutsam (vgl. Blankenburg und Rätz-Heinisch 2009, S. 165).

Zusammenfassend ergibt sich somit in Bezug auf Kessl und Reutlinger (2010, S. 27), dass „Sozialraum“ zwei zentrale Aspekte beinhaltet, einerseits die Dimension als gesellschaftlicher Raum sowie andererseits die Dimension des menschlichen Handlungsraumes, bei der davon ausgegangen wird, dass der Raum von den Akteuren konstruiert wird. Raum ist somit immer das Produkt von menschlichem Handeln, zur Gestaltung von Räumen tragen die Akteure einer Gesellschaft jedoch unterschiedlich bei.

5 Das Familienzentrum als sozialraumbezogene Institution

Das Familienzentrum als eine Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsinstitution stellt einen erweiterten Lebensbereich für Kinder dar. Mit dem Eintritt in eine solche Institution erfahren Kinder einen neuen „Sozialraum“. In Verlauf der Zeit ist es zu einer Zentralisierung von Lebensbereichen gekommen, so finden einzelne Lebensbereiche verstärkt getrennt voneinander und dafür in spezifischen „Sozialräumen“ statt (vgl. Ledig et al. 1987, S. 13). Diese Funktionsgebundenheit greift auch Zeiher (1983, S. 183) in ihrem Inselmodell auf. Demnach erleben Kinder keinen sich kontinuierlich erweiterten Lebensbereich wie ihn Baacke (1984) in Anlehnung an Bronfenbrenner (1981) beschreibt, sondern sie erleben unzusammenhängende Bereiche, welche sich in viele kleine Segmente unterteilen. Diese einzelnen Segmente sind wie kleine Inseln verteilt, die sich der Heranwachsende ausgehend von seinem ökologischen Zentrum, der Wohninsel aus erschließt. Die einzelnen wahrgenommenen „Sozialräume“ sind somit nur durch den Tagesablauf der Person oder durch Kommunikationsstränge miteinander verbunden, Zwischenräume werden nicht wahrgenommen. Dies führt in der Konsequenz auch zu einer Verinselung von Beziehungen (vgl. Zeiher 1983, S. 189). Das Familienzentrum als eine Institutionsform stellt hier somit eine Verknüpfung von „Sozialräumen“ dar. Die Kindertageseinrichtung agiert nicht mehr unabhängig der Familie und mit ausschließlichem Fokus auf das Kind, sondern bezieht als Familienzentrum die Familie und den „Sozialraum“ in den Bildungs-, Erziehungs- und Entwicklungsprozess des Kindes mit ein, so dass es zu einer Verknüpfung der Lebensbereiche kommt. Die „Sozialräume“ bestehen somit nicht mehr isoliert voneinander, sondern sie bedingen sich gegenseitig. Eine solche, miteinander abgestimmte und verknüpfte familiäre und öffentliche Erziehung erweist sich als besonders positiv für die kindliche Entwicklung (vgl. Tietze et al. 2005, S. 23 zit. in Liegle 2010, S. 74).

Ausgehend von der Vorstellung des Familienzentrums als sozialraumbezogenes Handlungsfeld, unterscheidet die Autorin des vorliegenden Beitrags die sozialräumliche Innenperspektive sowie die sozialräumliche Außenperspektive des Familienzentrums.Footnote 2 Beide Handlungsebenen werden durch unterschiedliche Bedingungen beeinflusst und sind in einen differenten Kontext eingebunden. Die Innen- und Außenperspektive des Familienzentrums sind eng miteinander verwoben.

6 Das Familienzentrum als „Sozialraum“

Das Familienzentrum als ein „Sozialraum“ wird im Sinne des relationalen Raumverständnisses durch die in ihm agierenden Akteure gebildet. In Bezug auf die Institution Familienzentrum sind dies die Fachkräfte, Kinder und Familien.

Das Familienzentrum als eine erweiterte Form der Kindertagesbetreuung bietet den Kindern vielfältige Aneignungs- und Erfahrungsmöglichkeiten, die sie im Rahmen ihrer Familie nicht erleben können. Als Aneignung wird die „aktive Tätigkeit eines Subjektes in Wechselbeziehung von Person und Umwelt“ begriffen (Deinet und Reutlinger 2005, S. 310). Kindern werden in frühpädagogischen Betreuungsinstitutionen mannigfaltige Möglichkeiten geboten sich die Welt gegenständlich und symbolisch anzueignen (vgl. Deinet 2010, S. 37). Die Konstruktion von Räumen findet bei Kindern „in der Zusammenschau einzelner Inseln“ statt (vgl. Löw 2001, S. 131 zit. in Deinet und Reutlinger 2005, S. 204). Die Verknüpfung von einzelnen Räumen stellt einen Bildungsprozess dar, den insbesondere die Kinder- und Jugendarbeit fördern kann. Deinet (2009, S. 117) beschreibt drei Dimensionen von Aneignungsverhalten in der Jugendarbeit, welche sich auf die Arbeit mit Kindern übertragen lassen. Dies ist im Sinne der sozialökologischen Forschungsansätze (vgl. u. a. Bronfenbrenner 1981) die „Erweiterung des Handlungsraumes“, welche darauf verweist, dass sich gesellschaftliche Strukturen Kindern überwiegend räumlich vermitteln und Institutionen hier Möglichkeiten für das Erobern neuer Räume bieten müssen. Des Weiteren muss das „räumliche Arrangement“ den Kindern vielfältige Möglichkeiten der Aneignung bieten. Die „Wiederholung von räumlichen Bezügen“ ist bedeutsam, da bestimmte Fertigkeiten mit speziellen räumlichen Bezügen identifiziert werden und eine Wiederholung dieser Aneignungsprozesse fördert. In der pädagogischen Arbeit kann Raum somit nicht nur als ein Strukturelement begriffen werden, sondern steht immer in einem konkreten Bezug zum thematischen Angebot. Hier lässt sich auf den bereits dargestellten Situationsansatz zurückgreifen, welcher eine Verknüpfung der kindlichen Erfahrungswelt und der pädagogischen Arbeit impliziert. Im Sinne situationsbezogenem Handeln geht es erweitert darum, die Vermittlungsaufgabe didaktisch-methodisch zu reflektieren und die sozialräumlichen Aspekte in das Bildungskonzept zu integrieren. Darüberhinaus öffnet sich die Kindertageseinrichtung, Erfahrungsprozesse sollen auch außerhalb der Einrichtung ermöglicht werden und soziales Leben soll in die Einrichtung hinein geholt werden (vgl. Gerstacker & Zimmer 1978, S. 194 ff.). Die Gestaltung der pädagogischen Arbeit, die die Altersspanne der Kinder und die Öffnung der Gruppen impliziert, strukturiert den Rahmen für kindliche Lernprozesse (vgl. Zehnbauer 1994, S. 68), die Diskussion darum entsprang in Deutschland während der Erprobungsphase verschiedener Situationsansatzätze.

Die Instituetik, also die Strukturen und Ordnungen der Institutionen verändern frühpädagogische Betreuungsinstitutionen als „Sozialraum“ (vgl. Honig 2002). Hier werden Aspekte des Familienzentrums als sozialraumbezogenes Handlungsfeld von der Autorin herausgearbeitet, die einen indirekten Einfluss auf das didaktische Verständnis nehmen. Durch eine heterogene Altersmischung, die sich auch in den festgelegten Gruppenformen im Kinderbildungsgesetz wiederfindet (vgl. MFKJKS 2014), werden den Kindern natürliche Umwelterfahrungen geboten, die sie durch weniger Freizeit im „Sozialraum“ und den Wegfall von Großfamilien erleben (vgl. Grundmann 1995, S. 12). Kinder leben hier in einem lebensnahen und familienähnlichen Konstrukt zusammen, was sich sowohl auf die jüngeren Kinder als auch auf die älteren Kinder positiv auswirkt (vgl. Krappmann und Peukert 1995, S. 7). Im Rahmen der Altersmischung wurde auch das Konzept der offenen Kindertagesbetreuung vorangetrieben. „Die anthropologischen Grundannahmen des offenen Kindergartens beziehen sich auf die Autonomie, die Selbstorganisation, die Selbstbestimmung und seiner Interdependenz zur Umwelt“ (Kasüschke und Jares 2010, S. 244). Die Offenheit zeigt sich einerseits in einer Öffnung der Gruppenformen, das heißt feste Gruppenstrukturen werden aufgelöst und die Kinder bewegen sich in der Kindertageseinrichtung frei gemäß ihrer Interessen. Andererseits zeigt die Öffnung sich in einer Öffnung nach außen, was impliziert, dass Eltern und weitere Personen in die pädagogische Arbeit miteinbezogen werden (vgl. Kasüschke und Jares 2010, S. 235, 244). Kinder sollen somit ihre Betreuungseinrichtung nicht als einen „Sozialraum“ begreifen, der unabhängig ihres Lebensalltags besteht. In der praktischen pädagogischen Arbeit zeigt sich dies im bewussten Verlassen der Institution. Den Kindern werden in der Umwelt vielfältige städtische und naturnahe Aneignungsmöglichkeiten geboten. Sie vollziehen Alltagshandlungen wie Einkaufen, Spazierengehen und erleben sich als ein Teil der Gesamtgesellschaft und bringen sich in das gesellschaftliche Leben mit ein. Es besteht somit eine natürliche Verbindung zum Lebensalltag der Kinder. Eine solche kindorientierte Pädagogik lässt Kinder am alltäglichen Leben teilhaben und bietet ihnen so vielfältige Erfahrungsräume und ermöglicht erfahrbare Sinnzusammenhänge (vgl. Krenz 2005, S. 110, 161). Daran angelehnt hat auch der Einfluss zeitlicher Bezugsvariablen, wie der Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresrhythmus eine hohe Bedeutsamkeit und lange Tradition in der institutionellen Kindertagesbetreuung. „Kinder sind in ihren Raumbezügen und Aktivitäten (aber) ungleich stärker als Erwachsene auf jahreszeitliche Rhythmen bezogen (…)“ (Rauschenbach und Wehland 1989).

Darüber hinaus heißt Offenheit auch, sich mit der pädagogischen Arbeit an den konkreten Lebenssituationen, Interessen und Bedürfnissen der Akteure zu orientieren. Die Lebenssituationen der Kinder und Familien können sich als sehr heterogen erweisen. Es müssen Lernmöglichkeiten und Erfahrungsräume vor den jeweiligen Hintergründen der konkreten Lebenswirklichkeiten ermöglicht werden. Daher ist es bedeutsam die Akteure bei der Gestaltung von Lernarrangements mit einzubeziehen (vgl. Colberg-Schrader und Krug 1986, S. 35). Kinder sollen somit partizipativ mit einbezogen werden. Dem geht das Bild von Kind voraus, dass Kinder eigenständig handelnde Individuen sind, die ein Recht auf soziale Teilhabe haben. Eine solche Teilhabe muss ihnen im Rahmen von Mitentscheidungsrechten von Seiten der Fachkräfte ermöglicht werden. Kinder sollen ihren Alltag als mitgestaltbar erfahren (vgl. Knauer et al. 2012, S. 80, 99).

7 Das Familienzentrum im „Sozialraum“

Neben der sozialräumlichen Innenperspektive verweist die Autorin auf die sozialräumliche Außenperspektive. Das Familienzentrum ist demnach eingebettet in einen „Sozialraum“ und Teil dessen. Die Bewohner des Stadtteils, die Akteure des Familienzentrums und weitere Akteure von Institutionen bilden den „Sozialraum“.

Das Familienzentrum bezieht Eltern einerseits in den Erziehungsprozess ihrer Kinder im Sinne einer Erziehungspartnerschaft mit ein und bietet ihnen andererseits Unterstützung bei der Bewältigung ihres Lebensalltages (vgl. Cloos und Karner 2010, S. 171). Eine sozialräumliche Orientierung fordert von den Fachkräften eine Ausgestaltung ihrer Arbeit anhand der Bedarfe und Bedürfnisse der NutzerInnen und der Begebenheiten des Stadtteils. Familienzentren befinden sich in Stadtteilen mit differenten Strukturen. Diese weisen unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten (Umfang und Qualität der Begebenheiten, Erreichbarkeit), Akteure (zeigt sich über soziale Strukturen und Lebensstile) sowie differente sozial vermittelte Zugangs-Barrieren (Symbole) auf (vgl. Dangschat und Frey 2005, S. 156). Hier ist insbesondere eine niederschwellige Gestaltung der Institution und der Angebote die Grundlage. Der Zugang soll ohne psychische Hemmschwelle oder räumliche Barrieren ermöglicht werden. Dies fordert ein sensibles Wahrnehmen der Problemlagen und Ressourcen des Sozialraumes und der Bedürfnisse und Bedarfe der NutzerInnen. Der von den Fachkräften definierte „Sozialraum“, in dem sich die Einrichtung befindet ist zumeist nicht gleichzusetzen mit dem Stadtteil, der Gemeinde oder dem städtisch festgelegtem „Sozialraum“ im Rahmen der Jugendhilfeplanung. Von den Fachkräften fordert dies ein individuelles „Eingrenzen“ des „Sozialraumes“ um entsprechende Bedarfe der Akteure wahrzunehmen und dementsprechend Handlungen folgen zu lassen. Diese Grenzziehungen erfolgen beispielsweise anhand von Bebauungs- und Milieustrukturen die sich im Stadtgebiet abzeichnen. Das Ziehen von Grenzen ist nicht als statisch zu verstehen, sondern erfolgt entlang der Alltagserfahrungen der Fachkräfte. Erst durch eine solche Unterscheidung von Räumen werden diese als solche wahrgenommen und anerkannt (vgl. Mayer-Tasch 2013, S. 40).

Sozialraumbezogenes Handeln in Familienzentren setzt intensive Kooperations- und Vernetzungsstrukturen voraus. Diese sind notwendig um den Auftrag, den die Institution hat, zu erfüllen. In den Konzeptionen von Familienzentren ist ein klarer Netzwerkgedanke in der Zielsetzung implementiert (vgl. u. a. Breuksch und Engelberg 2008, S. 189). Netzwerke haben die Funktion die Ressourcen vor Ort optimal zu Gunsten der Akteure zu nutzen. Netzwerkressourcen implizieren einerseits die Ressourcen der einzelnen Akteure, sowie andererseits die Ressourcen aus der „Stadtteilperspektive“ (vgl. Früchtel et al. 2007a, S. 111). Durch Vernetzung entsteht in den Familienzentren eine Angebotspalette angepasst an die individuellen Bedarfe der Akteure, die nur durch eben diese Kooperationen erbracht werden können. Dadurch entsteht ein enges Förder- und Unterstützungssystem was den AdressatInnen zu Gute kommt. Für die Familien werden so die Zugänge zu Hilfsangeboten gesenkt (vgl. Breuksch und Engelberg 2008, S. 188). Die Möglichkeiten der Netzwerkarbeit variieren jedoch, sie sind abhängig von den gegebenen Strukturen (vgl. Früchtel et al. 2007b, S. 79) und von den dort tätigen Fachkräften, da sozialraumbezogenes Handeln auch bedeutet „den eigenen Verantwortungsbereich und die eigenen Grenzen zu erkennen, Zuständigkeiten verorten zu können, Hilfe anderer einzufordern, zu delegieren und sich nicht selbst für alles zuständig zu fühlen“ (van Santen und Seckinger 2005, S. 56). Netzwerkpartner müssen nicht zwingend im Stadtteil ansässig sein denn eine Netzwerkperspektive zeigt, dass sozialraumbezogenes Handeln „jenseits territorialer Grenzen gedacht werden“ muss und bezugnehmend auf die Zielgruppe variieren kann und dementsprechend differente „Herangehensweisen und Mobilitäten“ fordert (Straus und Höfer 2005, S. 487). Durch die intensiven Kooperationen und Vernetzungen erleben Familien die Institutionen in ihrer Lebensumwelt als eine Einheit die zusammen agiert (vgl. Schubert 2008, S. 70).

8 Ausblick

Die zentralen Aufgabenfelder von Kindertageseinrichtungen haben sich mit dem Wandel zu Familienzentren verändert. Kindertageseinrichtungen eignen sich in besonderer Weise zur Weiterentwicklung zu Familienzentren, da in Deutschland ca. 90% (DJI Zahlenspiegel 2007) der Kinder ab dem Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt eine Kindertageseinrichtung besuchen. Das Eintrittsalter sinkt hier zunehmend mit dem seit dem 1. August 2013 in Kraft getretene Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres (vgl. Wiesner et al. 2013, S. 2). Familienzentren setzen sich das klare Ziel zu einem Knotenpunkt im „Sozialraum“ zu werden, welcher Familien vielfältige Unterstützungsmöglichen u. a. durch passgenaue Kooperations- und Vernetzungsstrukturen bietet (vgl. Lindner et al. 2008, S. 279). Das Familienzentrum wird somit zu einem niederschwelligen Anlaufpunkt im „Sozialraum“. Der veränderte Blick von Familienzentren fordert insbesondere von denen dort tätigen Fachkräften eine fachliche Neuausrichtung und Anpassung an die neuen Anforderungen und Aufgabenfelder. Diese müssen sich eine professionelle „reflexive räumliche Haltung“ aneignen um einen umfassenden Blick auf ihren Handlungsraum und die darin vorherrschenden Macht- und Herrschaftskonstellationen zu erlangen um situationsentsprechend, reflektiert und legitimiert handeln zu können. Hier sind in besonderer Weise auch die politischen Verantwortungsträger in die Pflicht zu nehmen, eine solche sozialräumliche Arbeitsweise durch strukturelle Maßnahmen zu fördern (vgl. Kessl und Reutlinger 2010, S. 126). Insgesamt fehlt es der Debatte um eine sozialräumliche Ausrichtung im Feld der institutionellen Kindertagesbetreuung jedoch derzeit an empirischen Ergebnissen, die für eine weiterführende Gestaltung unerlässlich sind.