Auszug
Keine politische Ordnung kann ohne ein komplementäres Kommunikationssystem existieren. Selbst eine Militärdiktatur braucht unter funktionalen Aspekten effiziente Kommunikationswege, auch wenn sie sie nur zu Befehls- und Informationszwecken verwendet. Sie braucht Propagandainstrumente zur Mobilisierung eines unabdingbaren Minimums an politischer Unterstützung durch die Bevölkerung und braucht Zensur zur Immunisierung ihrer Herrschaft gegen gesellschaftlich fluktuierende Kritik. Demokratie als Ordnungsform ist bereits in der Antike durchsetzt von den Imperativen einer normativ aufgeladenen Vorstellung gesellschaftlicher Kommunikation (Bleicken 1991: 248–251). Auch deshalb vermeidet radikale Demokratiekritik selten den Hinweis auf die Defizite der kommunikativen Verfasstheit von Demokratie und hält ihr vor, dass sie ihre eigene kommunikative Leitidee mehr oder weniger täglich aus ideologischen und strukturellen Gründen selber verrät.1 Das spätliberale Paradigma politischer Kommunikation, das für den modernen Verfassungsstaat modellgebend war und bis in die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zu den in Artikel 5 GG geschützten Kommunikationsfreiheiten (Meinung, Verbreitung, Information, Medien) nachwirkt,2 geht davon aus, dass die politische Herrschaft in einer repräsentativen Demokratie durch Kommunikation kontrolliert und orientiert werden kann. Öffentliche Kommunikation verhindert beides: den korrupten Missbrauch der Macht und inhaltliche Fehlentscheidungen. Weil in der liberalen Demokratie potenziell alle Entscheidungen im Medium der öffentlichen Kommunikation gefällt und gerechtfertigt werden müssen, können die am Diskurs beteiligten Bürger ihre Interessen wahren und zugleich ihren Beitrag zur sachlichen Ausrichtung der Politik leisten. Tendenziell verwandelt sich so Macht in einen wahrheitsfähigen Diskurs, der die blinde Willkür früherer Herrschaftsordnungen in eine durch diskursive Verfahren abgesicherte Vernunft überführt: „pro volontate ratio“.
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Hofmann, W. (2008). Die Demokratie der Bilder. Die Risiken und Chancen der audiovisuellen Demokratie. In: Brodocz, A., Llanque, M., Schaal, G.S. (eds) Bedrohungen der Demokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91156-4_16
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