Auszug
Dieses Kapitel beginnt mit einem Rätsel: Obwohl die bisherigen Kapitel gezeigt haben, dass nationale Parteien als zentrale Akteure im EP gelten müssen, stimmen die transnationalen Parteigruppen in der Regel geschlossen ab — obwohl ihre Führung, wie hier gezeigt werden konnte, über keine Disziplinierungsinstrumente verfügt. Da auch zwei alternative Erklärungsfaktoren für ein geschlossenes Abstimmungsverhalten der EP-Fraktionen — Kohäsion (Krehbiel, 1993) und eine kartellisierte Agendamacht (Cox und McCubbins, 2005) — verworfen werden müssen (vgl. Abschnitt 7.3 und 7.4), bleibt diese Beobachtung erklärungsbedürftig. Im Folgenden wird argumentiert, dass die hohen Geschlossenheitswerte das Resultat einer verzerrten Stichprobe namentlicher Abstimmungen sein können, die unter Umständen zu einer Überschätzung der Geschlossenheit führt. Um dies zu überprüfen werden zunächst generelle Motivationen identifiziert, eine namentliche Abstimmung zu beantragen. Darauf aufbauend entwickele ich ein theoretisches Modell zum Antrag auf namentliche Abstimmung.
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Literatur
Der Agreement-Index ist definiert als \( AI_i = \frac{{max \{ J_i ,N_i ,E_i \} - \tfrac{1} {2}[(J_i + N_i + E_i ) - max \{ J_i ,N_i ,E_i \} ]}} {{(J_i + N_i + E_i )}} \), wobei J i die Anzahl der Ja-Stimmen von Parteigruppe i in einer bestimmten Abstimmung bezeichnet; N i die Anzahl der Nein-Stimmen und E i die Anzahl der Enthaltungen. Der Agreement Index nimmt den Wert von 1 für eine Parteigruppe an, wenn alle MdEP dieser Parteigruppe einheitlich abstimmen; er nimmt den Wert 0 an, wenn das Abstimmungsverhalten der MdEP einer Gruppe gleichmäßig zwischen den drei Abstimmungsoptionen ‘Ja’, ‘Nein’, ‘Enthaltung’ variiert (Hix, Noury und Roland, 2005, 215).
Eine Übersicht über die Häufigkeit namentlicher Abstimmungen in deutschen Länderparlamenten findet sich bei Stecker (2006, 96).
Die Analyse von Hug (2006) enthält darüber hinaus eine Übersicht über die Anforderungen für das Zustandekommen von namentlichen Abstimmungen in 92 Ländern.
Vgl. zu „competing principals“ und Fraktionsgeschlossenheit auch Carey (2007).
Die Unterscheidung zwischen technischen und politischen Informationen ist analytischer Natur. ‘Technische Informationen’ beziehen sich auf Probleme, die sich für die von einer Regulierung betroffenen Akteure bei der Umsetzung einer politischen Entscheidung ergeben. „‚Politische Informationen ‘bezeichnen Informationen zur politischen Unterstützung oder, gegebenenfalls zum politischen Widerstand gegen eine Maßnahme — im Zusammenhang mit politischem Widerstand könnte man auch von glaubhaftem Drohpotential sprechen“ (Wonka, 2005, 165). Pappi und Henning (1999, 265) sprechen in diesem Zusammenhang von expert knowledge (technische Information) und public support (politische Information).
Diese Form des Parteienwettbewerbs besteht seitdem die legislativen Kompetenzen des EP ausgeweitet worden sind; zuvor waren Abstimmungen in der Regel von einer sehr breiten parlamentarischen Mehrheit gekennzeichnet (Kreppel, 2002).
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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(2009). Namentliche Abstimmungen im Europäschen Parlament. In: Nationale Parteien im Europäischen Parlament. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91357-5_7
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16415-1
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