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Sozial- und gesundheitspolitische Schlussfolgerungen

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Krankenversicherung oder Gesundheitsversorgung?
  • 1827 Accesses

Zusammenfassung

Anhand des Vergleichs von Daten, die Aufschluss über das Vertrauen der Bevölkerung in ihr Gesundheitssystem geben, wird deutlich, dass nicht notwendigerweise das System mit dem größten Budget die höchsten Vertrauens- bzw. Zufi-iedenheitswerte erhält und auch nicht das System mit der höchsten Personaldichte oder dem höchsten Grad an Wahlfreiheiten für Patienten. Im Vergleich der vier Länder ist in Dänemark die Zustimmung zu einer staatlichen Verantwortung im Gesundheitssystem am höchsten und bei der Zufriedenheit liegt das dänische System, das in den letzten Jahren eine eher moderate Kostenentwicklung aufwies, an zweiter Stelle. Die höchsten Zufriedenheitswerte weist das österreichische Gesundheitssystem auf, das bis in die 1990er Jahre bei der Kostenkontrolle ebenfalls erfolgreich war und seit den 1970er Jahren die Bevölkerung fast vollständig in die soziale Krankenversicherung integriert. Hervorzuheben beim dänischen Fall ist der späte Wechsel von einem beitragsfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherungssystem zu einem steuerfinanzierten nationalen Gesundheitssystem Anfang der 1970er Jahre. Die Akzeptanz des neuen Gesundheitssystems wurde in den ersten Jahren nach dieser Strukturreform durch einen Zuwachs an Ressourcen gefordert, und erst nach Abschluss einer Übergangsphase von etwa 10 Jahren wurden die neuen gesundheitspolitischen Kompetenzen für eine Stabilisierung der Gesundheitsausgaben genutzt. Charakteristisch für das dänische System ist, dass der überwiegende Teil der Verantwortung für die Gesundheitsversorgung bei gewählten politischen Repräsentanten auf regionaler und lokaler Ebene liegt. Diese enge Verbindung zwischen Patienten und Entscheidungsträgern dürfte zu einer Stärkung des Vertrauens in das System der Gesundheitsversorgung und vor allem zu einer Befürwortung einer hohen staatlichen Verantwortung beigetragen haben. Außerdem wird die These gestützt, dass die enge Vernetzung der einzelnen Gesundheitssektoren, durch die Patientinnen und Patienten in den Einrichtungen versorgt werden, die ihren Bedürfnissen am ehesten entsprechen, das Vertrauen in das System zusätzlich gefestigt hat. Die niedrigsten Zufriedenheits- und Vertrauenswerte erfahrt das britische Gesundheitssystem. In Verbindung mit den Eurobarometer- Daten zeigt die vergleichende Institutionenanalyse ein Hauptdefizit des britischen NHS: Die Ressourcen, die für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aufgewendet werden, sind in Großbritannien trotz Ausgabensteigerungen in den letzten Jahren auf einem zu niedrigen Niveau. Mehr als 80% der befragten Britinnen und Briten äußerten, dass mehr Geld fiir die Gesundheitsversorgung ausgegeben werden sollte, und etwa ein Drittel von ihnen würde dafür Beitrags- oder Steuererhöhungen in Kauf nehmen. Die niedrigen Akzeptanzwerte des britischen Gesundheitssystems sind außerdem ein Indikator dafür, dass die neuen marktwirtschaftlichen Anreize dazu beigetragen haben, dass eine positive Orientierung an der ursprünglichen Leitidee des britischen Systems (Gleichheit der Zugangschancen) geschwächt wurde, ohne dass für die Bürgerinnen und Bürger gleichzeitig positive Ergebnisse dieser Reformen spürbar wurden. Trotz hoher Gesundheitsausgaben weist Deutschland bei der Bewertung der Funktionsweise des Gesundheitssystems nur mittlere Zufi-iedenheitswerte auf und nur eine Minderheit zeigt sich sehr zufrieden mit dem Gesamtsystem der Ge sundheitsversorgung. Außerdem spricht sich in Deutschland und Österreich nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung fir Ausgabenerhöhungen im Gesundheitssystem aus. Diese Werte sprechen gegen die Annahme, dass in beitragsfinanzierten Systemen die Akzeptanz von Ausgabensteigerungen aufgrund des direkten Zusammenhangs von Beiträgen und Leistungen höher sei als in steuerfinanzierten Systemen. Vielmehr ist in den nationalen Gesundheitssystemen eine höhere Solidaritätsbereitschaft zu erkennen, die – und dieses Ergebnis ist insbesondere für Großbritannien von Bedeutung – auch die Akzeptanz von Ausgabenerhöhungen einschließt.

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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH

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Wendt, C. (2009). Sozial- und gesundheitspolitische Schlussfolgerungen. In: Krankenversicherung oder Gesundheitsversorgung?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91967-6_6

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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