Zusammenfassung
Die Auswahl Martins erfolgte aufgrund der Beobachtungen und Aufzeichnungen während der Feldphase im Januar 2003. Martin fiel dadurch auf, dass er in der von den SchülerInnen frei gewählten Sitzordnung allein an einem Tisch ganz vorne an der Tafel und damit in größtmöglicher Nähe zur Lehrerin und in Distanz zu seinen MitschülerInnen saß. Während des Unterrichts geriet er v. a. dadurch in den Fokus, dass er sehr häufig nur halblaut und ohne sich zu melden mit der Lehrerin kommunizierte und so in einen fast privaten Dialog mit ihr eintrat, der, infolge der verringerten Lautstärke, für den Rest der Klasse häufig akustisch nicht nachvollziehbar war. Dennoch wurde er relativ selten von der Lehrerin sanktioniert. Auffallend war überdies, dass sich Martin häufig anbot, Besorgungen und kleine Botengänge für die Lehrerin zu übernehmen. In zahlreichen, nicht aufgezeichneten Gesprächen während der Feldphase, die in Gedächtnisprotokollen festgehalten wurden, sprach Frau Weber wertschätzend über Martin. Auch bezogen sich beide in den Interviews sehr positiv aufeinander. So äußerte Martin – auf den Abschied von der Lehrerin nach der achten Klasse angesprochen – sein Bedauern, sie nicht noch länger als Klassenlehrerin zu haben. Diese Beobachtungen und Aufzeichnungen gaben Grund zur Hypothese, dass hier von einer, von gegenseitiger Anerkennung getragenen pädagogischen Beziehung ausgegangen werden konnte. Kommentare der Lehrerin zu Martin, die sie während informeller Gespräche in der Feldphase äußerte, boten darüber hinaus Anlass zur Vermutung, dass die Unterstützungsleistungen Martins als Performation eines männlich-ritterlichen Kavaliershabitus im Sinne einer zu unterstützenden und lobenswerten Form der Männlichkeit goutierte.
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© 2010 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
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Höblich, D. (2010). Die SchülerInnen – Martin und Anna. In: Biografie, Schule und Geschlecht. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92272-0_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92272-0_6
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Online ISBN: 978-3-531-92272-0
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