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Zum Nachweis der Benachteiligungsabsicht bei fraudatorischen Sklavenfreilassungen — Im Zweifel gegen die Freiheit!

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Sklaverei und Freilassung im römischen Recht
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Auszug

Nach den Motiven zur Konkursordnung von 1874 „erlangen alle Gläubiger [mit Eintritt der Zahlungseinstellung des Schuldners] einen Anspruch auf Verwendung des gesammten Vermögens zu ihrer gemeinschaftlichen Befriedigung. … Von dem Augenblick an, wo der Rechtsanspruch seiner Gläubiger besteht, darf der Schuldner nicht mehr frei schalten und walten, er muß sich so zu sagen als Verwalter seines Guts betrachten“1. Gleiches wird in den Materialien zur Insolvenzordnung von 1995 vorausgesetzt, wenn dort der Erwerb desjenigen als nicht schutzwürdig bezeichnet wird, der die wirtschaftliche Krise des Leistenden kennt2. Verfügt der zahlungsunfähige Schuldner über sein Vermögen, so handelt er unredlich, weil er seine Gläubiger gleichbehandeln muß, nicht aber einen von ihnen bevorzugen und die anderen dadurch benachteiligen darf. Diese zum Rechtsgrundsatz erstarkte moralische Anschauung ist uns heute eine Selbstverständlichkeit. Die Römer aber teilten sie nicht: Eine par condicio omnium creditorum entstand nicht schon mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, sondern frühestens mit der missio in bona, dem Beginn des klassischen Zwangsvollstreckungsverfahrens.

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References

  1. C. Hahn, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen IV, Berlin 1881, 115.

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  2. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Köln 1985, Begründung zu Leitsatz 5.2.1 und Begründung zu Leitsatz 5.2.2.

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  3. Vgl. zu dieser Stelle aus jüngerer Zeit etwa F. Wubbe, Ius vigilantibus scriptum, Freiburg (Schweiz) 2003, 475 ff., und D. Johnston, On a singular book of Cervidius Scaevola, Berlin 1987, 47 ff., der meint, der zweite Teil des Textes sei von Glossen überlagert, 60: „Very little of this second part of the text seems worthy of retention. Extortion, vigilance and the actio in factum must all go“.

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  4. Zum klassischen Vollstreckungsverfahren M. Kaser/ K. Hackl, Römischer Zivilprozeß, 2. Aufl., München 1996, §§ 57 ff., 388 ff., und überblicksartig W. Gerhard, Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung, Göttingen 1969, 50 ff., sowie G. Grevesmühl, Die Gläubigeranfechtung nach klassischem römischen Recht, Göttingen 2003, 14 ff.

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  5. Zu den Tatbeständen der Insolvenz nach klassischem Recht ausführlich I. Kroppenberg, Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, Köln u. a. 2001. — Der Ausdruck non solvendo esse kommt in den Quellen überaus häufig vor, vgl. die Zusammenstellung der Quellen im vorliegenden Zusammenhang bei A. Metro, La „lex Aelia Sentia“ e le manumissioni fraudolente, Labeo 7 (1961), 147–200, 162 f. Anm. 38. Eine Definition aber ist nicht überkommen, vgl. F. Schulz, Die fraudatorische Freilassung im klassischen und justinianischen römischen Recht, SZ 48 (1928), 197–284, 214 f., der annimmt, im klassischen Recht sei damit Überschuldung gemeint gewesen. Das legt vor allem Inst. 1, 6, 3 (unten vor Anm. 56) nahe, wenn diese Stelle klassischen Inhalts ist: Non solvendo est und bona eius creditoribus non sufficient wird hier offenbar synonym verwendet. Die heutige genaue Differenzierung zwischen Zahlungseinstellung, Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 18 InsO) kann man dem klassischen Recht freilich nicht unterstellen: Entscheidend war wohl die Wirkung des Vermögensstandes des Schuldners auf die Gläubiger, also der eventus fraudis, der in mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Schuldners lag.

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  6. Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 87, 90 ff.

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  7. Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 93.

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  8. Kritisch zu dieser in Grevesmühls Arbeit allgegenwärtigen Tendenz schon J.D. Harke, Rez. G. Grevesmühl, Die Gläubigeranfechtunng nach klassischem römischen Recht, Göttingen 2003, TR 72 (2004), 383 ff.

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  9. Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 95.

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  10. Erstmals in den XII-Tafeln vorgesehen, Gaius 3, 40; M. Kaser/R. Knütel, Römisches Privatrecht, 18. Aufl., München 2005, § 66 Rn. 17.

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  11. Durch das prätorische Edikt eingeführt: Nur neben leiblichen Kindern konnte das Erbrecht des Patrons wirksam ausgeschlossen werden, Gaius 3, 41; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht (Anm. 11), § 69 Rn. 10.

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  12. Erhebliche Unsicherheiten löst es aus, daß Theophilus in seiner Paraphrase zu Inst. 4, 6, 6 die (selbige?) actio Pauliana als eine Klage in rem bezeichnet, vgl. die Ausgabe von C. Ferrini, Institutionum graeca paraphrasis Theophilo Antecessori vulgo tributa ad fidem librorum manu scriptorum recensuit prolegomenis notis criticis versione latina II, Berlin 1897, 420.

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  13. So grundlegend O. Lenel, Edictum Perpetuum, 3. Aufl., Leipzig 1927, 435 ff., und ders., Die Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners im klassischen römischen Recht, in: Festschrift Schulz, Leipzig 1903, 1–23. Vgl. dazu aus jüngerer Zeit etwa noch G. Impallomeni, Studi sui mezzi di revoca degli atti fraudolenti nel diritto romano classico, Padova 1958; ders., Scritti di diritto romano e tradizione romanistica, Mailand 1996, 27 ff., 217 ff.; H. Ankum, „Interdictum fraudatorium“ et „restitutio in integrum ob fraudem“, in: A. Guarino (Hrsg.), Synteleia Arangio-Ruiz II, Neapel 1964, 779–785; ders., De geschiedenis der „actio Pauliana“, Zwolle 1962, 38 ff.; X. D’Ors, El interdicto fraudatorio en el Derecho Romano clásico, Rom/Madrid 1974. Für Klassizität einer auf Rückgewähr des in fraudem creditorum Weggegebenen gerichteten actio Impallomeni, a. a. O., 217 ff., 221, 391 f. (Ulpian D. 42, 8, 1, pr. sei insoweit echt), und jüngst wieder Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 58 ff. Eine konzise Übersicht über den Streitstand bis 1969 gibt Gerhard, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 53 ff.

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  14. É. Cuq, Manuel des institutions juridiques des Romains, 2. Aufl., Paris 1928, 99. Während H. Krüger, Das Versäumnisverfahren um die libertas fideicommissa, SZ 48 (1928), 170–196, 180, ohne Begründung davon ausgeht, die lex Aelia Sentia habe nur Freilassungen unter Lebenden erfaßt, meinen im Gegenteil Metro, Labeo 7 (1961), 150 ff., und L. R. Alvarez, Las leyes limitadoras de la manumissiones en epoca augustea, Oviedo 1978, 176, der auf eine fraus bezogene Teil des Gesetzes habe ausschließlich testamentarische Freilassungen zum Gegenstand gehabt, nicht auch solche vindicta, die mit der angeblich laut D. 42, 8, 1 pr. vom Prätor verheißenen restitutio in integrum angreifbar gewesen seien; ähnlich in Bezug auf Freilassungen in fraudem patroni auch X. D’Ors, Rez. M. G. Zoz De Biasio, I rimedi contro gli atti in frode ai legittimari in diritto romano, Milano 1978, Iura 30 (1979), 94 ff. Gegen diesen M. G. Zoz de Biasio, L’invalidità delie manumissioni in frode al patrono disposte inter vivos, Iura 33 (1982), 131–135; gegen jene G. Impallomeni, In tema die manumissioni fraudolente, in: A. Guarino (Hrsg.), Synteleia Arangio-Ruiz II, Neapel 1964, 922–933, 922 ff., dessen überzeugenden Ausführungen nichts hinzuzufügen ist.

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  15. Deutlich Tacitus, Ann. 13, 27 … si separarentur libertini, manifestam fore penuriam ingenuorum; vgl. auch Cicero, Balb. 9, 24 … persaepe libertäte id est civitate publiée donari [scil.: servos] videmus. „Zu den geistigen Grundlagen der Augusteischen Verfassungsschöpfung“ im Hinblick auf das Sklavenrecht: O. Behrends, Prinzipat und Sklavenrecht, in: U. Immenga(Hrsg.), Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, Göttingen 1980, 53–88. Zu den historischen Umständen, Hintergründen und Folgen C. Venturini, Sulla legislazione augustea in materia die „manumissiones“, in: V. Giuffrè (Hrsg.), Sodalitas. Scritti in onore di A. Guarino V, Neapel 1984, 2455–2476; G. Alföldy, Die römische Gesellschaft, Stuttgart 1986, 336 ff.; R. Alvarez, Las leyes limitadoras (Anm. 16), 13 ff. Vgl. auch G. Fabre, Libertus, Rom 1981, 71 ff.

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  16. Gaius 1, 37 und entsprechend Inst. 1, 6 pr.; GE 1, 1, 5. 6; UE 1, 15; Paulus D. 28, 5, 58; Afrikan D. 40, 9, 8; Papinian D. 40, 9, 25; Scaevola D. 42, 8, 23. Zur Wirkung der lex Aelia Sentia mit zahlreichen weiteren Quellenbelegen Schulz, SZ 48 (1928), 258 ff. Auf Grundlage seiner in Anm. 16 genannten These meint Metro, Labeo 7 (1961) 184 ff., die lex Aelia Sentia habe nicht zur ipso-iure-Nichtigkeit der Freilassungen geführt, sondern nur zur Vernichtbarkeit durch die benachteiligten Gläubiger, so daß die Freigelassenen zunächst nur statuliber waren; ähnlich auch S. di Paola, Contributi ad una teoria della invalidità e della inefficacia in diritto romano, Mailand 1966, 49.

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  17. Allerdings findet sich vom Schutz auch des Patrons durch die lex Aelia Sentia im Corpus Iuris nur noch ein Zeugnis, nämlich D. 40, 9, 12, 2; warum dies so ist, liegt im Dunkeln, vgl. W.W. Buckland, The Roman Law of Slavery, Cambridge 1908, 559 f.

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  18. Vgl. etwa noch C. 7, 11, 1. Der Schluß von Ulpian D. 40, 5, 4, 19 (… directae libertates non competent, si consilium et eventus fuerit fraudandorum creditorum: nec fideicommissae praestabuntur, si eventu fraudentur creditores) ist kein Beleg für eine objektive Theorie: Der bloße eventus damni vernichtet die fideikommissarische Freilassung, weil sie wie ein Legat behandelt wird und deshalb bei Überschuldung unwirksam ist, C. 7, 11, 7. Hierzu und zu den genannten Stellen nun Th. Finkenauer, in diesem Band. — Den subjektiven Tatbestand leugnet G.v. Beseler, Romanistische Studien, TR 10 (1930), 161–240, 199 ff., der alle diesen fordernden Quellen für interpoliert erklärt; auch D’Ors, Interdicto fraudatorio (Anm. 15), 136 ff., und ders., De Gayo a Justiniano en tema de „consilium fraudis“ (Sobre D. 40, 9, 10 — Inst. 1, 6, 3), Estudios Santa Cruz Teijeiro II, Valencia 1974, 157–171, meint, die klassischen Juristen hätten ein consilium fraudis stets angenommen (wohl im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung), wenn die Handlung die Insolvenz des Schuldners hervorgerufen oder vertieft habe, erst die „juristas justinianeos“ hätten das consilium in einem „sentido estrictamente intencional, es decir, como la voluntad actual de perjudicar a los acreedores“ ausgelegt.

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  19. Vgl. schon Ulpian D. 40, 5, 4, 19, soeben Anm. 21; ferner etwa Gaius D. 40, 4, 57: ut apertissime curare videtur, ne creditores sui fraudarentur. Rein objektiv im Sinne von „Nachteil“ ist fraus offenbar auch im berühmten Satz der XIITafeln zu verstehen, XII-T. 3, 6 si plus minusve secuerint, se fraude esto. Zur Bedeutung des Wortes fraus beachte vor allem H. Krüger/ M. Käser, Fraus, SZ 63 (1943), 117–174, 117 ff.: Fraus bezeichne in den älteren Quellen bis in die Zeit des Prinzipats eine (objektive) Gebotsverletzung, mit ihrer Verneinung werde die Rechtmäßigkeit einer Handlung festgestellt. Bei den veteres bedeute fraus zugleich poena, 137, unter Hinweis auf Ulpian D. 21, 1, 23 und weitere Quellen. Zunächst im nichtjuristischen Sprachgebrauch, später auch im juristischen nehme fraus sodann auch die Bedeutung von„Schaden“ an, 138 ff., werde in diesem Sinne aber selten und nie technisch gebraucht, 140, 173. Subjektive Bedeutung im Sinne einer zielgerichteten Täuschung erlange fraus schon früh in der Wendung fraus legis, 146 ff.; bereits in spätrepublikanischer Zeit trete die Bedeutung „bewußte Schädigung“ in den Vordergrund, in Bezug auf in fraudem creditorum oder patroni: 149 ff., allgemein: 157 ff., zusammenfassend: 173.

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  20. Weitgehenden Interpolationsverdacht erhebt gegen diese Stelle A. Guarneri Citati, En matière d’affranchissements frauduleux, in: Mélanges du droit romain dédiés à Georges Cornil I, Paris 1926, 425–513, 441 ff.: Er streicht si quidemsortitus est und verkehrt die Entscheidung des Marcellus in ihr Gegenteil, indem er zwischen locum und fore ein non einfügt. Hätten die Kompilatoren die Ansicht Julians (D. 42, 8, 15) tilgen wollen, hätten sie diese Stelle überarbeitet und nicht den sogleich im Text wiedergegebenen Halbsatz des Paulus (D. 42, 8, 16) angehängt. Es wäre nicht zu erklären, warum die klassischen Juristen dem Fall, daß der Schuldner ältere Gläubiger mit dem Geld der neueren befriedigt, so viel Aufmerksamkeit gewidmet hätten, wenn er wie jeder andere behandelt worden wäre.

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  21. Guarneri Citati, Affranchissements (Anm. 24), 441 ff., und Schulz, SZ 48 (1928), 245 ff., halten dies für justinianisches Recht und die genannten Stellen folglich für interpoliert. Für Echtheit von D. 42, 8, 10, 1 schon Metro, Labeo 7 (1961), 169 ff., der aber Schulz darin folgt, D. 42, 8, 15 sei ab quia interpoliert, 173.

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  22. Diese Voraussetzung und erst recht den Ausdruck lehnt Beseler für das klassische Recht ab, TR 10 (1930), 207 ff.; für weitgehende Unechfheit des Ausdrucks auch Schulz, SZ 48 (1928), 243 f.

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  23. So schon H. Dernburg, Pandekten II, 8. Aufl., Berlin 1912, § 400 Anm. 5, anders aber wohl noch ders., Das Pfandrecht nach den Grundsätzen des heutigen römischen Rechts II, Leipzig 1860, 199. Ferner P. Grützmann, Das Anfechtungsrecht der benachtheiligten Konkursgläubiger, Leipzig 1882, 35 ff.; V. Otto, Die Anfechtung von Rechtshandlungen, Leipzig 1882, 107. B. Windscheid/T. Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II, 9. Aufl., Frankfurt/Main 1906, § 463 Anm. 9; M. Talamanca, Enciclopedia del diritto IV, Varese 1959, s. v. Azione revocatoria, Nr. 7; S. Solazzi, La revoca degli atti fraudolenti nel diritto romano, 2. Aufl., Neapel 1934, 116; Guarneri Citati, Affranchissements (Anm. 24), 458; Ankum, Actio Pauliana (Anm. 15), 70 f.; Impallomeni, Revoca (Anm. 15), 122 ff., 124; ders., Scritti (Anm. 15), 34 ff. — Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 112, nimmt an, daß einige Vertreter der herrschenden Ansicht Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit genügen ließen, während andere einen Schädigungswillen verlangten, und führt dann selbst aus, daß zwischen beidem kein substantieller Unterschied bestehe, weil derjenige, der trotz Zahlungsunfähigkeit leiste, die daraus notwendig folgende Benachteiligung der anderen Gläubiger in aller Regel zwangsläufig billige; so etwa auch schon Ankum, Actio Pauliana (Anm. 15), 70. Tatsächlich würde man die meisten Stellungnahmen moderner Autoren wohl überstrapazieren, wollte man ihnen die von Grevesmühl ausgemachte Differenzierung unterstellen: So meint etwa Schulz, SZ 48 (1928), 242, 254, der nach Grevesmühl einen Schädigungswillen verlangen soll und im übrigen tatsächlich von einem solchen spricht, daß nach klassischem Recht für die Freilassung in fraudem creditorum nach der lex Aelia Sentia die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erforderlich und ausreichend sei. Krüger/Kaser, SZ 63 (1943), 150, die nach Grevesmühl Kenntnis von der Insolvenz genügen lassen, meinen freilich zugleich, es bestehe kein Zweifel an einer klassischen Deutung der fraus in diesem Zusammenhang als bewußtes Handeln zum Nachteil der Gläubiger. Wie Grevesmühl, a. a. O., 113 Anm. 532, und vor ihm schon Metro, Labeo 7 (1961), 179, zu Recht feststellen, können Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis von der Gläubigerschädigung nur in dem Fall auseinanderfallen, in welchem der Zahlungsfähige hofft, aufgrund der benachteiligenden Investition Kapital für die Befriedigung der übrigen Gläubiger zu gewinnen; dieser Fall wird aber — soweit ersichtlich — in den Quellen nicht behandelt, so daß man ihnen auch die genannte Differenzierung nicht entnehmen kann.

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  24. Laspeyres, Über Anfechtung von Zahlungen mit der actio Pauliana, AcP 21 (1838), 35–100, 37 f.; A. Brinz, Lehrbuch der Pandekten II, 2. Aufl., Erlangen 1879, 827 f.; J. v. Schey, Zur Geschichte der actio Pauliana und des interdictum fraudatorium, ZRG 13 (1878), 120–195, 131 ff.; O. Fischer, Anwendbarkeit der Actio Pauliana auf Zahlung, Hingabe an Zahlungsstatt und Pfandbestellung, Paderborn 1875, 5 ff. Wohl auch L. Arndts, Lehrbuch der Pandekten, 9. Aufl., Stuttgart 1877, § 228 („unredliche Absicht“); H. Bayer, Theorie des Concurs-Processes nach gemeinem Rechte, 4. Aufl., München 1850, § 24 Anm. 9 („böse Absicht“), und A. G. Mankiewicz, Beiträge zur Lehre von der actio Pauliana, Halle 1874, 43 („betrügliche Absicht“). Die Schöpfer der KO 1877 teilten diese Ansicht: Hahn, Die gesammten Materialien (Anm. 1), 110, deutlicher noch 114. Brüsk ablehnend dagegen Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 112 Anm. 529: „ Diese Lehre … findet in den Quellen zur fraus creditorum keinen Halt“. Er selbst meint, die Prokulianer und Julian hätten einen formalen consilium-Begriff vertreten, wonach die Kenntnis von der Schädigung der Gläubiger ausreichte, während die Sabinianer eine individuell vorwerfbare Verletzung der Gläubigerinteressen verlangt hätten, a. a. O., 112 ff.

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  25. So in der Tendenz auch O. Stölzel, Anwendung der Actio Pauliana auf Zahlung, Hingabe an Zahlungsstatt und Pfandbestellung, Gräfenhainichen 1891, 13, und Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 111, gegen D’Ors, Interdicto fraudatorio (Anm. 15), 137.

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  26. Gaius 1, 37 und entsprechend Inst. 1, 6 pr.

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  27. Gaius 1, 47.

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  28. Dafür auch Guarneri Citati, Affranchissements, 449; Krüger/Kaser, SZ 63 (1943), 152.

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  29. Fraudandi causa etwa: Ulpian D. 42, 8, 10, 1 und in seiner Paraphrase des Ediktstextes: D. 42, 8, 1 pr. und 10 pr.; Paulus-Neraz D. 28, 5, 56; Paulus D. 40, 9, 16, 5 und D. 40, 7, 1, 1. Ferner fr. Dosifh. 16. Infraudem etwa: GE 1, I, 5. 6; UE 1, 15; Ulpian D. 40, 5, 4, 19; Paulus D. 28, 5, 58; Afrikan D. 40, 9, 8; Papinian D. 40, 9, 25; Scaevola D. 42, 8, 23; Marcian D. 40, 9, 11, 1; C. 7, 11, 1. Für Synonymität der Formulierungen Schulz, SZ 48 (1928) 199 und 241.

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  30. Zur Bedeutung des Wortes consilium vgl. etwa H. Heumann/ E. Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. Aufl., Graz 1985, s. h. v.

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  31. O. Lenel, Palingenesia Iuris Civilis II, Leipzig 1889, Sp. 852, verortet den Text beim Kommentar zum interdictum fraudatorium.

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  32. Vgl. auch Venuleius D. 42, 8, 25, 3, wo von einem consilium fraudandi capere die Rede ist, was sich schlecht als „Kenntnis erlangen“ verstehen läßt. — Ein weiteres Argument für diese Deutung des Wortes fraus im vorliegenden Zusammenhang könnte aus dem Verhältnis zwischen fraus und dolus folgen, doch ist dieses nicht eindeutig und allgemein zu bestimmen. So sprechen Celsus D. 16, 3, 32 und Ulpian D. 38, 5, 1 zwar anscheinend synonym von fraus und dolus, jedoch deutet Ulpian D. 2, 14, 7, 10 (… inest enim dolo et fraus) eher auf Heteronymität der Worte hin; vgl. zum Problem etwa Kaser/ Krüger, SZ 63 (1943), 154 ff., und bereits A. Pernice, Labeo Römisches Privatrecht im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit II/1, 2. Aufl., Halle 1895, 212.

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  33. Damit waren offenbar die Grenzen noch nicht überschritten, die das decretum divi Marci (vgl. Callistratus D. 48, 7, 7 und D. 4, 2, 13) der Selbsthilfe zog, vgl. G. Wesener, Offensive Selbsthilfe im klassischen römischen Recht, in: Festschrift A. Steinwenter, Graz/Köln 1958, 100–120, 104; diesem folgend Wubbe, Ius vigilantibus scriptum (Anm. 3), 477 f. Anm. 9. Nach A. Bürge, Vertrag und personale Abhängigkeiten im Rom der späten Republik und der frühen Kaiserzeit, SZ 97 (1980), 105–156, 109 f., stellt sich Scaevola hier in einen Widerspruch zum decretum, der sich dadurch auflöse, daß dieses „die übliche Art der Eintreibung von Darlehensschulden“ nicht betroffen haben solle.

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  34. So K. Cosack, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger, Stuttgart 1884, 77 Anm. 7; Stölzel, Actio Pauliana (Anm. 31), 14; P. F. Girard, Manuel élémentaire de droit romain, 7. Aufl., Paris 1924, 446 mit Anm. 3, und Impallomeni, Revoca (Anm. 15), 124.

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  35. Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 86 ff., meint (im Gegensatz zur herrschenden Ansicht, nachgewiesen a. a. O., 88 Anm. 409), die Klassiker hätten scharf unterschieden und mit der actio Pauliana sowie dem interdictum fraudatorium nur solche Begünstigten haften lassen, die nicht „Massegläubiger“ (gemeint wohl: Insolvenzgläubiger) waren, die der Schuldner also durch vorteilhafte oder unentgeltliche Geschäfte begünstigen wollte.

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  36. So aber Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 93 ff.

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  37. So auch Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 94.

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  38. Implizite etwa Solazzi, Revoca (Anm. 28), 113 f.; Impallomeni, Revoca (Anm. 15), 124; D’Ors, consilium fraudis (Anm. 21), 157 ff., und wohl auch Ankum, Actio Pauliana (Anm. 15), 70 Anm. 7. Ausdrücklich Krüger/Kaser, SZ 63 (1943), 152, und Impallomeni, Scritti (Anm. 15), 396.

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  39. Grevesmühl, Gläubigeranfechtung (Anm. 4), 113 f. mit Anm. 537.

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  40. Lenel, Palingenesia Iuris Civilis II (Anm. 39), Sp. 447 ff.

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  41. Vgl. auch Martian D. 40, 9, 11, 1. — Weil in den Quellen oftmals von qui solvendo non est die Rede ist, vermutet Guarneri Citati, Affranchissements (Anm. 24), 468, diese Worte seien auch im Gesetz enthalten gewesen. Das scheint recht spekulativ.

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  42. Einen interessanten Sonderfall entscheidet Marcellus D. 40, 13, 2: Gaius zwingt Titius (metus), einen Sklaven an ihn zu veräußern, verfügt testamentarisch dessen Freilassung und verstirbt. Obwohl Gaius im Todeszeitpunkt solvent war, ist die Freilassung in fraudem Titii nichtig, weil Titius keine Möglichkeit hat, von den Erben Ersatz zu verlangen. Vgl. zu dieser Stelle vor allem Impallomeni, Scritti (Anm. 15), 265 ff.

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  43. Anders dezidiert Beseler, TR 10 (1930), 207 (nur der erste Satz von D. 40, 9, 10 sei echt und belege, daß Gaius die fraus als rein objektiven Tatbestand definiert habe) gegen Schulz, SZ 48 (1928), 250 f.

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  44. So schon E. Grupe, Zur Sprache der Gaianischen Digestenfragmente, SZ 18 (1897), 213–223, 215 f. (unecht sei D. 40, 9, 10 aber ab quod frequenter); C. Ferrini, Sulle fonti delle „istituzioni“ di Giustiniano, Bull. 13 (1900), 101–207, 129; Guarneri Citati, Affranchissements (Anm. 24), 468, 454 ff. Dagegen dezidiert („insostenibile“) D’Ors, „consilium fraudis“ (Anm. 21), 160. — In Inst. 1, 6, 3 fehlt dagegen der Schluß von D. 40, 9, 10 quod frequen-ter rell. Statt dessen schließt sich an sperant homines der Satz an: itaque tunc intellegimus impediri libertatem, cum utroque modo fraudantur creditores, id est et consilio manumittentis et ipsa re, eo quod bona non suffectura sunt creditoribus.

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  45. So auch Schulz, SZ 48 (1928), 251, der daraus aber schließt, alles, was auf solvendo esse folge, sei unecht.

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  46. So auch Schulz, SZ 48 (1928), 250.

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  47. So auch Schulz, SZ 48 (1928), 242, der dies für einen primitivrechtlichen Zug hält; diesem folgend Krüger/Kaser, SZ 63 (1943), 152. Anders Beseler, TR 10 (1930), 200: „Schulz belastet also die weltkundigen Klassiker mit einer erstaunlichen Weltfremdheit“.

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  48. Für palingenetischen Zusammenhang mit dem Kommentar der lex Aelia Sentia auch Lenel, Palingenesia I (Anm. 52), Sp. 471.

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  49. Dagegen hält Schulz, SZ 48 (1928), 242 ff., 248 f., diese und die nachfolgend wiedergegebene Stelle deshalb für interpoliert, weil es nur für die Byzantiner, nicht für die Klassiker wahr sei, daß derjenige sine fraudis consilio sei, dem der Wille fehle, die Gläubiger um ihre Befriedigung zu bringen: Nach klassischem Recht seien nämlich testamentarische Freilassungen auch dann nichtig, wenn der zahlungsunfähige Erblasser durch Einsetzung eines reichen Erben für die Befriedigung seiner Gläubiger Sorge getragen habe. Von den „klaren Belegen“, die Schulz für diese Ansicht angibt, handeln nur Julian D. 40, 9, 5 pr. 1 und Gaius D. 40, 4, 57 vom Fall des reichen Erben eines zahlungsunfähigen Erblassers, und beide Stellen (wie ferner etwa Scaevola D. 40, 4, 54, 1) belegen im Gegenteil, daß es letztlich darauf ankam, ob der Erblasser seine Gläubiger benachteiligen wollte oder nicht. Auch Kroppenberg, Insolvenz (Anm. 5), 232 mit Anm. 249, aber meint, daß Cassius und Sabinus der Aussage von Schulz kaum widersprochen hätten.

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  50. Vgl. Behrends, Prinzipat und Sklavenrecht (Anm. 17), 57 ff.

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  51. Beseler, TR 10 (1930), 210 f., hält quia rell. für „sachlich unerträglich“ und daher interpoliert.

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  52. Das in republikanischer Zeit nur moralisch verbindliche Fideikommiß brachte unter Augustus in Einzelfällen und danach rasch allgemein einklagbare rechtliche Verpflichtungen hervor, wenn auch nur die cognitio extra ordinem als Rechtsweg eröffnet war, M. Kaser, Römisches Privatrecht I, 2. Aufl., München 1971, § 189 I. Ausnahmsweise konnte sogar der fideikommissarisch freigelassene Sklave selbst seine Freiheit erstreiten, Pomponius D. 40, 5, 44; vgl. über die die Rechte des Sklaven sichernden SCta neben Kaser, a. a. O., § 69 II 2 d, vor allem Krüger, SZ 48 (1928), 170 ff.

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  53. Überaus interessant ist die nicht unmittelbar mit den vorliegend behandelten Problemen zusammenhängende Frage, ob und wie sich D. 28, 5, 56 mit Inst. 1, 6, 1 und Celsus D. 28, 5, 61 vereinbaren läßt, wonach die lex Aelia Sentia auch Freilassungen des Zahlungsunfähigen nicht verbot, wenn der Sklave, wie hier, zugleich zum Erben eingesetzt wird. Danach müßte auch in D. 28, 5, 56 der erstgenannte Sklave frei und Erbe geworden sein, weil die fraus eben ausnahmsweise nicht schadet. UE 1, 14 nennt diese Ausnahme freilich nur in Bezug auf die von Justinian (C. 7, 15, 2 und 7, 5, 1) im Jahr 530 abgeschaffte altersmäßige Freilassungsbeschränkung der lex Aelia Sentia, so daß die in den Digesten enthaltenen Fragmente, die sie auf die fraus beziehen, womöglich entsprechend überarbeitet wurden, vgl. dazu Schulz, SZ 48 (1928), 201 ff. Schulz selbst freilich geht in eigenartiger Weise zwar von einer Überarbeitung der Stellen aus, aber zugleich davon, es sei „auch für das klassische Recht richtig, daß eine testamentarische Freilassung in fraudem creditorem wirksam war, wenn der Sklave alleiniger Erbe und der Nachlaß insolvent war“. Hält man die Ausnahme auch für den Fall der fraus für klassisch, so bietet Paulus D. 28, 5, 58 eine Erklärungsmöglichkeit: Die fraudatorische Sklavenfreilassung samt Erbeinsetzung war nach der lex Aelia Sentia nur dann wirksam, wenn wirklich nemo alius ex eo testamento heres esse potest, und in Paulus D. 28, 5, 56 kommt eben noch ein anderer, nämlich der nicht in fraudent freigelassene Sklave als Erbe in Betracht: der zweitgenannte, dessen Freilassung ohnehin aus dem Fideikommiß geschuldet war. Nur wenn beide Sklaven in fraudem freigelassen wurden, „obsiegt“ der erstgenannte: vgl. Celsus D. 28, 5, 61 und, unter Hinweis auf ein SC aus der Zeit Hadrians, Scaevola D. 28, 5, 84, auch Terentius Clemens-Julian D. 40, 9, 24. Daß nach Julian D. 28, 5, 43 in einem Fall, in dem zwei Sklaven vom insolventen Erblasser freigelassen und zu Erben eingesetzt werden, beider Freilassung und Erbeinsetzung nichtig ist, weil die lex Aelia Sentia amplius quam unum necessarium heredem fieri vetat, läßt sich womöglich damit erklären, daß die Sklaven im Testament nur duos Appollonii genannt wurden und folglich keiner von beiden primo loco scripturn erat.

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  54. Cuiacius, Opera I, ad Afr. Tract. III, Venedig 1758, Sp. 1126, ad D. 40, 9, 8 (falsche Auflösung der Sigle FC). Gegen die Einfügung eines <non> vor habet ausführlich Schulz, SZ 48 (1928), 219 ff. Beiden folgt Metro, Labeo 7 (1961), 182, 197.

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  55. Es geht hier nicht um die Frage, ob der Erblasser die fideikommissarische Freilassung wirksam angeordnet hatte — dies wäre bei objektiver Überschuldung des Nachlasses unabhängig von der lex Aelia Sentia zu verneinen gewesen, vgl. Anm. 21 —, sondern darum, ob die direkte Freilassung in Erfüllung des Fideikommisses wirksam ist. Das übersieht Metro, Labeo 7 (1961), 182 ff., der unter anderen diese Stelle für einen Beleg seiner These hält, für die Anwendung der lex Aelia Sentia sei ein subjektives Element der fraus nur zur Vernichtung der manumissiones directae erforderlich gewesen, während für die Nichtigkeit fideikommissarischer Freilassungen nach der lex Aelia Sentia der eventus fraudis ausgereicht hätte.

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Klinck, F. (2006). Zum Nachweis der Benachteiligungsabsicht bei fraudatorischen Sklavenfreilassungen — Im Zweifel gegen die Freiheit!. In: Finkenauer, T. (eds) Sklaverei und Freilassung im römischen Recht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-36955-4_4

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