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Gefährdete jüdische und muslimische Körper? – Forderungen nach Regulierung der Vorhautbeschneidung in Deutschland

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Biopolitiken – Regierungen des Lebens heute
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Zusammenfassung

2012 erklärte das Landgericht Köln die religiöse Vorhautbeschneidung eines muslimischen Jungen zu einer strafbaren Körperverletzung. Nachdem das Urteil öffentlich geworden war, entbrannte in deutschen Tages- und Wochenzeitungen eine emotionale und lautstarke Kontroverse, die schließlich auch im Deutschen Bundestag geführt wurde. Im Beitrag werden die Argumentationen von BeschneidungsgegnerInnen, die aus medizinischer, psychoanalytischer und strafrechtlicher Perspektive sowohl in wissenschaftlichen Fachzeitschriften als auch in überregionalen Tageszeitungen veröffentlicht wurden, kritisch diskutiert und eingeordnet. Im Zentrum steht die Frage, wie BeschneidungsgegnerInnen einen Diskurs erzeugten, dessen Ziel es ist, dass der Bundestag legislativ biopolitisch handeln soll. Die Forderung nach einem Verbot der jüdischen und muslimischen Körperpraxis – die die Jungenkörper „gefährde“ – kann somit als Versuch interpretiert werden, die Praxis und letztlich auch die Praktizierenden zu exkludieren.

Ich danke Helene Gerhards und Kathrin Braun für ihre kritischen Kommentare zur ersten Fassung dieses Textes.

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Notes

  1. 1.

    Für Beiträge, die eine Verhältnisbestimmung zwischen „Biopolitik und Rassismus“ und „Biomacht und Rassismus“ anstreben, siehe exemplarisch Stoler (1995); Magiros (1995, 2003); Stingelin (2003); Sarasin (2003); Wildt (2006).

  2. 2.

    Hier kann etwa der Gastbeitrag Wollt ihr uns Juden noch? der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, in der Süddeutschen Zeitung genannt werden (Knobloch 2012).

  3. 3.

    Zur Bedeutung der Beschneidung für Muslime und Muslimas in Deutschland siehe: Koordinationsrat der Muslime in Deutschland 2012 zit. n. O. A. (2012f); Ilkılıç (2014, S. 77 f.); Engin (2012, S. 256); Nordhausen (2012); Neumann zit. n. Lutz (2017).

  4. 4.

    Diese Zahlen weiter differenzierend heißt es in der Studie, dass die Zustimmungswerte davon beeinflusst waren, wie religiös sich die Befragten auf einer Zehnpunkteskala selbst einordneten. Dabei wird deutlich, je religiöser sich die Befragten einordnen, desto stärker stellt ein Beschneidungsverbot für sie ein Problem dar: Bezeichneten sie sich als wenig religiös (Skalenwert 1 bis 3), empfanden 60 %, dass ein Beschneidungsverbot ein Problem ist; in der Gruppe derjenigen, die sich hingegen als sehr religiös bezeichneten (Skalenwert 8 bis 10) waren es 92 % (FRA 2014, S. 69 f.).

  5. 5.

    Antisemitismus ist eine Weltanschauung und „Machtkommunikation“ (Holz 2001, S. 41), die Juden und Jüdinnen, das Judentum oder das Jüdische als fremd und/oder Feind im Innern und Außen bestimmt. Antisemitismus drückt sich etwa in Mythen, Folklore, Erzählungen, Ikonografien und in Haltungen und Praktiken aus, die auf Ausschluss, Ausgrenzung und/oder die physische Vernichtung abzielen und diese umsetzen (Fein 1987, S. 67).

  6. 6.

    Antimuslimischer Rassismus wird als soziale und kulturelle Praktik verstanden, die Muslime und Muslimas „rassifiziert“ und dadurch marginalisiert und diskriminiert. Diejenigen, die rassifizieren, also Weiße oder Nicht-Muslime und Nicht-Muslimas fühlen sich als Teil der Gesellschaft und schaffen sich durch ein negatives Gegenbild ein positives Selbstbild mit positiven Eigenschaften, zum Beispiel demokratisch, zivilisiert, aufgeklärt und vernünftig (Biskamp 2016, S. 58 ff.).

  7. 7.

    Franz’ Beitrag basiert auf dem Text Vom Kindesopfer zur Beschneidung. Zur interkulturellen Psychohistorie eines archaischen Genitaltraumas von 2008, der in der Zeitschrift psychosozial erschienen ist, sowie dem 2006 erschienenen und deutlich kürzeren Text Götterspeise – Vom Kindesopfer zur Beschneidung und zurück (Franz 2006, S. 113 ff., 2008, S. 41 ff.).

  8. 8.

    Auf eine ähnliche Weise argumentierte auch der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer (2012) in der Süddeutschen Zeitung (SZ).

  9. 9.

    Interview mit U. R. vom 26. September 2014, 117:15 min. U. R. wurde im Kindesalter aus medizinischen Gründen beschnitten und engagiert sich seit mehreren Jahren in einem Verein gegen Vorhautbeschneidungen. In dem Verein sind Beschneidungsbetroffene organisiert, die ihre „Vorhautamputation“ negativ erleben.

  10. 10.

    Eine Ausnahme ist der britische jüdische Filmemacher und Vater, Victor S. Schonfeld, der sich in der SZ für ein Verbot der kulturell-religiösen Vorhautbeschneidung aussprach (Schonfeld 2012).

  11. 11.

    Weit mehr als die Hälfte der Unterschreibenden trägt einen Doktortitel.

  12. 12.

    Die insgesamt vier Änderungsanträge, die ParlamentarierInnen einbrachten, wurden in namentlichen Abstimmungen von einer Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt (Deutscher Bundestag 2012c, S. 26095 ff.).

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Ionescu, D. (2019). Gefährdete jüdische und muslimische Körper? – Forderungen nach Regulierung der Vorhautbeschneidung in Deutschland. In: Gerhards, H., Braun, K. (eds) Biopolitiken – Regierungen des Lebens heute. Politologische Aufklärung – konstruktivistische Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25769-9_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-25769-9_12

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-25768-2

  • Online ISBN: 978-3-658-25769-9

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