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Kollektive Lebensläufe: Generationen, Kohorten und sozialer Wandel

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Soziologische Lebenslaufforschung
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Zusammenfassung

Das Kapitel behandelt die beiden soziologischen Konzepte zur Erfassung kollektiver Lebensläufe: Kohorte und Generation. Zunächst wird das zur Erfassung sozialen Wandels zentrale Kohortenkonzept diskutiert. Die Lösung des dem Kohortenansatz immanenten Identifikationsproblems führt letztlich zur dynamischen, multidimensionalen und mehrebenenbezogenen Lebenslaufforschung. Im zweiten Teil des Kapitels wird das theoretisch voraussetzungsreichere Generationskonzept dargestellt und dessen Potential für die Lebenslaufforschung erörtert.

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Notes

  1. 1.

    In der Bevölkerungswissenschaft gehörten Kohortenanalysen schon seit einigen Jahrzehnten zum gängigen Methodenarsenal.

  2. 2.

    Dass Comte nicht einfach von sozialem Wandel, sondern von einer allgemeinen Fortschrittsbewegung der Menschheit spricht, ist seiner geschichtsphilosophischen Perspektive geschuldet (und hier nicht relevant).

  3. 3.

    Comtes spekulative Begründung: würden die Menschen ewig leben, „hörte die Fortschrittsbewegung fast völlig auf“ bzw. eine deutlich längere Lebensdauer würde „die soziale Entwicklung verlangsamen, weil dann der natürliche Kampf zwischen dem Erhaltungstrieb, dem Kennzeichen des Greisenalters, mit dem zu Neuerungen treibenden Instinkt, der Eigenschaft der Jugend, zugunsten des ersteren ausfiele“ – und umgekehrt würde „ein allzu kurzes Dasein … auch ein Hindernis sein, da dann der Neuerungstrieb eine allzu große Macht erhielte. (…) Eine fruchtbare und dauernde Entwicklung könnte daraus nicht hervorgehen“ (1974, S. 141).

  4. 4.

    Die beispielhaft genannten kohortendefinierenden Ereignisse wie Ausbildungsabschluss, Heirat oder Arbeitslosigkeit sind individuelle Ereignisse des Lebenslaufs, die die Individuen im selben historischen Zeitintervall erleben. Auch gravierende historische Ereignisse wie Wirtschaftskrisen, Kriege, politische Umbrüche, Kulturrevolutionen, Umweltkatastrophen, etc. können Kohorten definieren, wobei ein solch historisches Ereignis – weil es ja alle Gesellschaftsmitglieder, also Menschen jeden Alters betrifft – auf dasselbe Zeitintervall in den Lebensläufen der Individuen bezogen sein muss. Mittels des historischen Ereignisses der Wiedervereinigung Deutschlands z. B. können – abhängig von der Forschungsfrage – unterschiedliche Kohorten konstituiert werden: z. B. die Kohorte ostdeutscher Ausbildungsabsolventen oder eine ostdeutsche Renteneintrittskohorte oder diverse Kohorten arbeitslos gewordener Frauen in Ostdeutschland in verschiedenen Altersstufen. Häufig wird als lebenszeitliches Intervall die „formative Phase“ der Jugend- und jungen Erwachsenenjahre herangezogen und mit einem historischen Ereignis verknüpft; in diesen Fällen nähert die Kohortendefinition sich dem Generationsbegriff (s. Abschn. 4.2).

  5. 5.

    Ryders „exclusive attention to the birth cohort“ (1965, S. 848) mag seiner disziplinären Sozialisation als Demograph geschuldet sein. In diesem Zusammenhang weisen Mayer und Huinink darauf hin, dass der Begriff „Kohortenanalyse“ in der Demographie, Soziologie, Psychologie und Politologie zwar „methodisch etwas sehr Ähnliches, inhaltlich aber etwas sehr Verschiedenes“ (1990, S. 443) bezeichnete.

  6. 6.

    Diese soziodemographische Merkmalskomposition der Geburtskohorte ändert sich zwar im Lauf der Zeit (etwa durch Tod oder Abwanderung), aber „many statistical facets of cohort composition … differ at age zero from one cohort to the next, and remain approximately unchanged throughout the cohort’s history“ (Ryder 1965, S. 845).

  7. 7.

    Zum „relative cohort size-Effekt“ im Hinblick auf individuelle Lebensläufe wie auch makrosoziologisch im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen s. Macunovich (2002) (s. Pampel und Peters 1995 für Kritik an Easterlins These).

  8. 8.

    Die Jugend- und jungen Erwachsenenjahre sind die entscheidende formative Phase, weil – so Ryder anschaulich – Menschen in diesem Alter „are old enough to participate directly in the movements impelled by change, but not old enough to have become committed to … a way of life“ (1965, S. 848).

  9. 9.

    Bilanzierend kann man vielleicht am ehesten von permanenten Veränderungen inmitten relativ stabiler Strukturen reden, wobei die „stability patterns of individual differences are capable of following any number of different trajectories“ (Alwin und McCammon 2003, S. 36; Ardelt 2000; Caspi et al. 2005; Roberts et al. 2006; McAdams und Olson 2010; Specht et al. 2011). Zudem hat eine Meta-Analyse von Längsschnittstudien zur Persönlichkeitsentwicklung gezeigt, dass die meisten Persönlichkeitsmerkmale ihre Stabilität in diskontinuierlichen Prozessen aufbauen und erst im höheren Erwachsenenalter erreichen (Roberts und DelVeccio 2000). Jugend- und junges Erwachsenenalter sollten also im Hinblick auf ihr „Lebenslaufprägungspotential“ nicht überschätzt werden.

  10. 10.

    Die Weltwirtschaftskrise z. B. stellte sicherlich einen Periodeneffekt dar, weil sie gesamtgesellschaftliche Auswirkungen, also Folgen für alle Gesellschaftsmitglieder hatte. Weil selbst ein solch gravierendes Ereignis in seinen Konsequenzen aber – wie Elders Studie der „Children of the Great Depression“ gezeigt hat (s. Abschn. 2.1) – entscheidend auch von der Lebensphase abhängt, in der ein Individuum es erfährt, kann es auch Kohorteneffekte zeitigen.

  11. 11.

    Und zwar sind in einer Standard-Kohorten-Tabelle in jeder Spalte Kohorten- und Alterseffekte, in jeder Diagonalen Alters- und Periodeneffekte und in jeder Zeile Perioden- und Kohorteneffekte konfundiert.

  12. 12.

    Oft umfasst die Variable „Kohorte“ nicht nur einen Geburtsjahrgang, sondern bezieht sich – wie in der Standard-Kohorten-Tabelle in Abb. 4.2 – auf mehrere benachbarte Geburtsjahrgänge.

  13. 13.

    Im Sinne dieser Definition sollte die Variablenbezeichnung generell „Zeitdauer“ lauten, denn „Alter“ ist nur bei Geburtskohorten ein passender Terminus (bei einer Arbeitslosenkohorte z. B. gibt die Definition nicht an, wie alt eine Person, sondern vielmehr, wie lange die Person schon arbeitslos ist).

  14. 14.

    Und natürlich entsprechender statistischer Analyseverfahren wie z. B. der event history analysis, der Sequenzmusteranalyse oder der latent class analysis (Abbott und Tsay 2000; Aisenbrey 2000; Aisenbrey und Fasang 2010; Blossfeld und Rohwer 1995; Cornwell 2015; Macmillan und Eliason 2003; Mills 2011; Windzio 2013).

  15. 15.

    Das westdeutsche Teilprojekt umfasste die Geburtsjahrgänge 1919-21, 1929-31, 1939-41, 1949-51, 1954-56, 1959-61, 1964 und 1971 (zwei Erhebungen), die ostdeutsche Teilstudie (zweiwelliges Panel) die Geburtskohorten 1929-31, 1939-41, 1951-53, 1959-61 und 1971. Im Rahmen der GLHS entstand eine Vielzahl an Publikationen; hier seien nur einige wichtige Monographien genannt: Blossfeld (1985); Allmendinger (1994); Lauterbach (1994); Huinink (1995); Huinink et al. (1995); Solga (1995); Wagner (1989, 1997); Konietzka (1999); Hillmert (2001); Jacob (2004); Mayer und Schulze (2009).

  16. 16.

    Ein wichtiges Problem bei Panelstudien ist die Panelmortalität, d. h. dass Teilnehmer der Ausgangsstichprobe, warum auch immer, nicht erneut befragt werden können, was zur systematischen Verzerrung der Repräsentativität der Sub-Samples weiterer Erhebungswellen für das Ausgangssample und damit auch für die Grundgesamtheit, auf die die Studie letztlich referiert, führen kann (Rendtel 1995).

  17. 17.

    Besteht das Ausgangssample einer solchen Studie etwa aus Schulanfängern, dauert es mindestens zehn Jahre, ehe z. B. im Hinblick auf den Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem überhaupt erste Analysen möglich sind, deren Ergebnisse sich zudem nur auf die Hauptschulabsolventen beziehen – entsprechende Aussagen über die gesamte Kohorte könnten, weil ein Teil davon studieren wird, erst nach fast zwanzig Jahren gemacht werden.

  18. 18.

    Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs 186: „Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf“ (1988–2001) durchgeführt.

  19. 19.

    An Publikationen aus diesem Projekt seien genannt: Sackmann und Wingens (1995, 1996); Sackmann et al. (2001); Windzio und Wingens (2000); Wingens (1999); Wingens und Sackmann (2000); Wingens et al. (2000).

  20. 20.

    Neben dem KGP sei hier noch die „Hamburger Schulabsolventenstudie 1979“ genannt (Friebel et al. 2000). Diese quantitative wie qualitative Intrakohortenstudie untersuchte die Bildungsbiographien von Hamburger Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialabgängern. 1980 wurden die Bildungsverläufe von 354 Schulabgängern erhoben; der weitere Lebenslauf dieser Personen wurde anschließend in mehreren Wiederholungsbefragungen bis 1997 verfolgt (an der letzten Befragung nahmen noch 131 Personen teil).

  21. 21.

    Einen Überblick über die Bedeutungen und Verwendungsweisen des Generationsbegriffs geben z. B. Sackmann (1992); Weigel (2002, 2006, S. 107 ff.); Fietze (2009, S. 23 ff.).

  22. 22.

    Die biologisch bedingte Rhythmik der familialen Generationenabfolge lässt sich nicht auf Geschichte und Gesellschaft übertragen, weil die Abfolge der Geburten in größeren Sozialformationen einen kontinuierlich fließenden Strom darstellt.

  23. 23.

    Erst „im Konzept der historischen Generationen ist die Erfahrung der Verzeitlichung der Geschichte, der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen als der spezifischen Erfahrung der Neuzeit, integriert“ (Fietze 2009, S. 40).

  24. 24.

    Kaufmann zufolge sind unter Generationenbeziehungen „die beobachtbaren Folgen sozialer Interaktionen zwischen Angehörigen verschiedener, in der Regel familial definierter Generationen“ zu verstehen; dagegen bezeichnen Generationenverhältnisse „die für die Beteiligten nicht unmittelbar erfahrbaren, im Wesentlichen durch Institutionen des Sozialstaats vermittelten Zusammenhänge zwischen den Lebenslagen und kollektiven Schicksalen unterschiedlicher Altersklassen oder Kohorten“ (1993, S. 97). Ausgiebig erforscht wurde und wird in diesem Zusammenhang die Transmission von Bildungskapital (Einfluss des Elternhauses auf Bildungschancen); verstärkt diskutiert wird seit einiger Zeit der Transfer von Vermögen und Wohneigentum. Bei den Transmissionen von der Kinder- zur Elterngeneration geht es primär um Pflege- und häusliche Unterstützungsleistungen. In Bezug auf Generationenverhältnisse steht die Frage im Fokus, ob familiengenerationale Solidarität durch den Sozialstaat untergraben oder unterstützt wird (crowding out vs. crowding in).

  25. 25.

    Neben den bereits genannten Publikationen z. B. Liebau (1999); Kohli und Szydlik (2000); Lüscher und Liegle (2003); Pillemer und Lüscher (2004); Lange und Lettke (2006); Blome et al. (2008); Ette et al. (2010).

  26. 26.

    Diltheys klassische Formulierung lautet: „Generation ist … eine Bezeichnung für ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit von Individuen; diejenigen, welche gewissermaßen nebeneinander emporwuchsen … bezeichnen wir als dieselbe Generation. Hieraus ergibt sich dann die Verknüpfung solcher Personen durch ein tieferes Verhältnis. Diejenigen, welche in den Jahren der Empfänglichkeit dieselben leitenden Einwirkungen erfahren, machen zusammen eine Generation aus. So gefasst, bildet eine Generation einen engeren Kreis von Individuen, welche durch Abhängigkeit von denselben großen Tatsachen und Veränderungen, wie sie im Zeitalter ihrer Empfänglichkeit auftraten, trotz der Verschiedenheit hinzutretender anderer Faktoren zu einem homogenen Ganzen verbunden sind“ (1961, S. 37).

  27. 27.

    Pinder, ein Kunsthistoriker, versuchte in einer damals viel diskutierten Arbeit über „Das Problem der Generation in der Kunstgeschichte Europas“ (1926), die simultane Existenz unterschiedlicher Kunststile mithilfe des Generationskonzepts zu erklären. Seine gern zitierte Rede von der „‘Ungleichzeitigkeit’ des Gleichzeitigen“ (ebd., S. 11) problematisierte die „Idee der alleingültigen, ‘einheitlichen Zeit’ mit ihrem einheitlichen ‘Fortschritt’; der zwingenden ‘Gegenwart’, die über die Existenzen hinrolle“ (1926, S. 13). Eine generationsgeschichtliche Sicht hingegen „ersetzt die zu plumpe Schein-Akkordik der ‘Gegenwarten’ durch die Vorstellung einer Polyphonie, die für das geschärfte Ohr größere Klarheit besitzt, diese Schärfung aber allerdings verlangt. (…) Sie lehrt, die geschichtliche Zeit von den Subjekten her zu differenzieren, und damit ihr relatives Wesen zu empfinden: dass es für Künstler wie für Menschen überhaupt nicht ‘die Zeit’ gibt, sondern ‘ihre Zeit’. In dem – objektiven – Bilde der Mehrdimensionalität geschichtlicher Zeitpunkte kommt diese Relativierung als – subjektive – Verschiedenheit jedes chronologisch einheitlichen ‘Zeitpunktes’, als versteckte Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, zum Ausdruck“ (ebd., S. 163).

  28. 28.

    Deren „Schicksalsmäßigkeit“ hinsichtlich der Klassenlage aber im Unterschied zur Generationslagerung (wie gleich deutlich wird) zu relativieren ist: ihre Klassenlage können Individuen verlassen (Auf- bzw. Abstiegsmobilität).

  29. 29.

    Wie jedes Phänomen, das durch ein anderes fundiert ist, könnte auch das Generationsphänomen nicht ohne diese Fundierung „bestehen, es enthält aber in sich ein dem Fundierenden gegenüber unableitbares, qualitativ eigenartiges Superadditum. Gäbe es nicht das gesellschaftliche Miteinander der Menschen, gäbe es nicht eine bestimmt geartete Struktur der Gesellschaft, gäbe es nicht die auf spezifisch gearteten Kontinuitäten beruhende Geschichte, so entstünde nicht das auf dem Lagerungsphänomen beruhende Gebilde des Generationszusammenhangs, sondern nur das Geborenwerden, das Altern und das Sterben. Das soziologische Problem der Generationen fängt also erst dort an, wo auf die soziologische Relevanz dieser Vorgegebenheiten hin abgehoben wird“ (Mannheim 1964, S. 527 f.).

  30. 30.

    Hier sei nur angemerkt, dass diese Obergrenze des generational relevanten sozialen Raums für die (Generations-)Soziologie heute nicht mehr selbstverständlich sein kann.

  31. 31.

    Für Fietze – die eine genaue Darstellung von Mannheims generationssoziologischen Überlegungen und eine interessante Weiterentwicklung seines Ansatzes vorgelegt hat – stellen historische Generationen deshalb „soziale Emergenzphänomene“ (2009, S. 17) dar: deren Genese liege „in der Interferenz von altersspezifischen Sozialisationserfahrungen und übergreifenden Prozessen des sozialen Wandels begründet. Sie entstehen sozusagen durch ‘Reibung’ zwischen sozialem Wandel und altersabhängiger Selektivität der Realitätswahrnehmung, aber – so könnte man formulieren – nicht als Reibungsverlust, sondern als ‘Reibungsgewinn’ sozialer Emergenz“ (ebd., S. 79).

  32. 32.

    Zusammenfassend in Mannheims Worten: es „sind nicht die Inhalte, die in erster Reihe verbinden; sondern noch mehr verbinden jene formenden Kräfte, durch die gestaltet, diese Inhalte erst wirklich ein Gepräge und eine Richtungsbestimmtheit erhalten“ (1964, S. 544 f.). Dass „die zunächst aus einer konkreten Gruppe aufsteigenden Grundintentionen … über die konkrete Gruppe hinaus … verbindende Gewalt besitzen, liegt … daran, dass sie mehr oder minder adäquater Ausdruck der betreffenden Generationslagerung sind“ (ebd., S. 548). „Grundintentionen und Gestaltungsprinzipien sind das Allerwesentlichste …, denn nur diese wirken wahrhaft vergesellschaftend; und, was vielleicht noch wichtiger ist, diese sind wahrhaft fortsetzbar“ (ebd., S. 545). Auch können „durch sie … räumlich getrennte Individuen, die niemals in persönliche Berührung miteinander geraten, verbunden werden“ (ebd., S. 546 f.).

  33. 33.

    S. dazu auch das zu Beginn des Kapitels in einer Fußnote skizzierte Gedankenexperiment Comtes.

  34. 34.

    S. dazu auch Ryder: „The potential for change is concentrated in the cohorts of young adults who are old enough to participate directly in the movements impelled by change, but not old enough to have become committed to … a way of life“ (1965, S. 848).

  35. 35.

    Auch würde ein Festhalten an diesem zeitgeschichtlich gebundenen Konzept der Jugendgeneration die Fortschreibung jener fragwürdigen Idee von deren politischer Mission bedeuten: „Noch problematischer ist das dem Jugendmythos der zwanziger Jahre verpflichtete ‘Sendungsbewusstsein’ in einem ‘heroischen’ oder ‘tragischen’ Generationsbegriff, der sich im revolutionären Selbstauftrag von ‘politischen Generationen’ bis heute wiederfindet“ (Weisbrod 2005, S. 5).

  36. 36.

    In diesem Zusammenhang wird Mannheim oft kritisiert wegen der Unbestimmtheit der sozialen Trägergruppe einer Generation. Die Frage nach der sozialen Trägergruppe einer Generation ist durchaus berechtigt. Allerdings – und einmal abgesehen davon, dass er Generationseinheiten eben nicht als konkrete Gruppen verstand – beantwortet Mannheim die Frage nach den Impulsgebern und sozialen Trägern einer Generationseinheit aus gutem Grund nicht theoretisch a priori: diese sind immer nur im Hinblick auf die infrage stehende Generationseinheit durch empirische wissenssoziologische Studien zu bestimmen.

  37. 37.

    Dieser Hinweis wurde von der gängigen Mannheim-Rezeption dankbar aufgenommen, denn in Verbindung mit deren Annahme einer prägenden („formativen“) Jugendphase heißt das methodisch, dass die schwierige Aufgabe der empirischen Identifizierung historischer Generationen „vermieden werden kann. Indem bei den einzelnen Jahrgängen überprüft wird, welche bedeutsamen historischen Großereignisse sie während der Jugendphase erlebt haben, können Generationen am Schreibtisch entworfen werden“ (Rosenthal 2000, S. 163 f.).

  38. 38.

    Diese Formulierung geht zurück auf Weber, der schon Anfang der 1920er Jahre im Hinblick auf die ethnische Gemeinschaft schrieb, dass sie „an sich nur (geglaubte) ‘Gemeinsamkeit’, nicht aber ‘Gemeinschaft’ ist, … zu deren Wesen ein reales Gemeinschaftshandeln gehört“ (1980, S. 237).

  39. 39.

    Das gilt auch für die beiden Kriegsgenerationen: „auch die Materialschlachten des Ersten Weltkrieges wurden von den wenigsten, die sich im Nachhinein als Kriegsgeneration verstanden, wirklich gemeinsam erlebt“ (Jureit 2006, S. 81); zur „Flakhelfer-Generation“ s. Bude (1987).

  40. 40.

    Dabei – so Weisbrod mit leicht zynischem Unterton – „handelt es sich eher um eine wundersame nachholende Vermehrung der Erzählgeneration als um eine Erlebnisgeneration im engeren Sinn. Tatsächlich war es damals ‘eine kleine radikale Minderheit’, die an der Herstellung der unmittelbaren, emphatischen Differenz in Demonstrationen und Gegenöffentlichkeiten beteiligt war“ (2005, S. 7).

  41. 41.

    Die zentrale Frage nach dem Grund des Zugehörigkeitsgefühls (wer sich wann, in welchem Kontext, in Abgrenzung von wem oder was, mit welchen diffusen Erwartungen oder konkreten Interessen, etc. als einer bestimmten Generation zugehörig fühlt und deklariert) ist durch die Frage zu ergänzen, wie dieses erlebbar gemacht bzw. nach außen demonstriert wird?

  42. 42.

    Generationale „Vergemeinschaftungen brauchen öffentlich verfügbare Identifikationsobjekte, damit potentielle Gemeinsamkeiten überhaupt verhandelt und tradiert werden können. Solche Objekte ermöglichen es, geglaubte Gemeinsamkeiten emotional erfahrbar zu machen … Das trifft nicht nur für politische Generationen zu, sondern ebenso für generationelle Selbstdeutungen, die sich an kulturellen oder sozialen Lebensbedingungen orientieren“ (Jureit 2006, S. 17).

  43. 43.

    Theoretisch erschöpft das methodisch ganz einfach handhabbare Kohortenkonzept sich im Moment der Generationslagerung (und stellt damit auch keine Weiterentwicklung des Generationsbegriffs dar, wie manchmal behauptet wird – im Gegenteil: die Komplexität von Mannheims Generationsbegriff wird in Ryders Kohortenkonzept erheblich reduziert; zu den generationssoziologisch-disziplinären Folgen dieses Komplexitätsverlusts s. Fietze 2009, S. 50 ff.).

  44. 44.

    S. dazu auch Weymanns Analyse der in der klassischen Studie über „The Polish Peasant in Europe and America“ abgedruckten Briefwechsel zwischen den in die USA ausgewanderten jungen Polen und ihren in der Heimat gebliebenen Eltern (1995).

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Wingens, M. (2020). Kollektive Lebensläufe: Generationen, Kohorten und sozialer Wandel. In: Soziologische Lebenslaufforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28951-5_4

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