Zusammenfassung
Ein Leben voller Widersprüche, ein selbst gesetzter Tod; ein unvollendetes Buch, das starke Reaktionen provoziert und die Meinungen auseinandertreibt. Schwierigkeiten bei der Einschätzung der Person Bernward Vesper und bei der Verständigung über den Rang seines nachgelassenen Lebensbuches kann man immer wieder beobachten. Blamiert hat sich beispielsweise der Literat Hermann Peter Piwitt: “Ich erinnere mich an einen Freund aus jenen Tagen, den jungen Bernward V.... Aufgewachsen in einem Milieu musisch-sentimentaler Verstandeskultur, voll Haßliebe zu seinem Vater, einem ehemals völkischen Lyriker, schrieb er als Student bis 1967 Gedichte voll ungeauer politischer Stimmungen, hitzig, sentimentalisch, aber ohne Realitätssinn... Ein Jahr später traf ich Bernward V. wieder, er redete nur noch Grobgesiebtes, konnte vor Kraft kaum gehen und hatte für Kunst und Literatur bloß Spott übrig. — Wieder einige Jahre später hat er sich umgebracht.” Die traurige Exempelgeschichte soll Piwitts These von der verhängnisvollen Kunstfeindlichkeit der Studentenbewegung biographisch illustrieren; niedergeschrieben ist sie 1975, das heißt zum letztmöglichen Zeitpunkt.1 Denn 1977, sechs Jahre nach Vespers Selbstmord, wird das unvollendete Manuskript gedruckt, an dem er bis zuletzt gearbeitet hatte: Die Reise. Romanessay.
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Anmerkungen
Hermann Peter Piwitt: Rückblick auf heiße Tage. Die Studentenrevolte in der Literatur, in: Literaturmagazin 4 (Reinbek 1975), S. 35.
Vgl. Peter Mosler: Bericht über eine verlorene Generation oder: Reise ohne Ankunft, FAZ, 11.10.1977; Lothar Baier: Fast eine Selbstbefreiung, SZ, 1.12. 1977; Peter von Becker: Totgeboren ins deutsche Vater-Land, Die Zeit, 11. 11. 1977; Uwe Schweikert: Logbuch eines Verzweifelnden, FR, 29.10.1977; Peter Laemmle: Leiden an Deutschland, Die Weltwoche, 8. 2. 1978; Beatrice von Matt: Angriffe eines Toten, in: NZZ, 4. 3.1978. — Wolfgang Frühwald: “Vaterland — Muttersprache...” Zur Tradition der modernen Väterliteratur, in: Loccumer Protokolle, 1981, H.6, S.99ff., hier: S.152.
Gegen den Tod. Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe. Hrsg. v. Bernward Vesper-Tirangel. Redaktion Gudrun Ensslin, Stuttgart-Cannstatt 1964, S.7ff.
Peter Weiss: Notizbücher 1971–1980, Frankfurt/M. 1981, S.672f.
Vgl. Thomas Mann: Bruder Hitler, in: Politische Schriften und Reden 3, Frankfurt/M. 1968, S.53ff.; Martin Walser: Unser Auschwitz, in: Heimatkunde. Aufsätze und Reden, Frankfurt/M. 1968, S.7ff.; Peter Weiss: Fluchtpunkt. Roman, Frankfurt/M. 1969, S.13.
Alfons Söllner: Kritik totalitärer Herrschaft. Rationalität und Irrationalität in Peter Weiss’ “Ästhetik des Widerstands”, in: Christa Bürger (Hg.): Zerstörung, Rettung des Mythos durch Licht, Frankfurt/M. 1986, S.194.
Michael Schneider: Über die Außen-und Innenansicht eines Selbstmörders. Notwendige Ergänzungen zu Bernward Vespers “Die Reise”, in: M. S.: Den Kopf verkehrt herum aufgesetzt oder Die melancholische Linke. Aspekte des Kulturzerfalls in den siebziger Jahren, Darmstadt u. Neuwied 1981, S.78.
Alfons Söllner: Kritik totalitärer Herrschaft, S. 193.
Christian Schultz-Gerstein: Die Zerstörung einer Legende. Über den Nachlaß Bern ward Vespers, Der Spiegel, 24.12.1979.
Klaus Härtung: Die Repression wird zum Milieu. Die Beredsamkeit linker Literatur, in: Literaturmagazin 11 (Reinbek 1979), S.76.
Klaus Härtung: dagegen Georg Guntermann: Tagebuch einer Reise in das Innere des Autors. Versuch zu Bernward Vespers Romanessay “Die Reise”, in: Zeitschrift f. deutsche Philologie 100 (1981), S. 232ff.
Vgl. dazu Albert von Schirnding: Patre absente. Eine Generation schreibt sich frei, in: Merkur 34 (1980), H. 5, S.489ff.; Michael Schneider: Väter und Söhne, posthum. Das beschädigte Verhältnis zweier Generationen, in: M. S.: Den Kopf verkehrt aufgesetzt, S.7ff.
Dorothee Sölle: Für wen schreibst Du, Hein? In: konkret H. 3/1978, S.41f.
Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands. Roman, 3. Bd., Frankfurt/M. 1981, S. 123ff.
Heinrich Böll: Wohin die Reise gehen kann. Über Bernward Vespers “Die Reise”, in: Konkret H. 12/1977. Jetzt auch in: Heinrich Böll Werke. Essayistische Schriften und Reden 3, Köln 1978, S. 497. Dort auch Abdruck der Auseinandersetzung mit Dorothee Sölle, S. 549ff., 503ff.
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Vogt, J. (1991). Wir Kinder von Murks und Coca Cola. In: ’Erinnerung ist unsere Aufgabe‘. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14434-2_7
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