Die Chemotherapie der durch Virusarten hervorgerufenen Infektionskrankheiten

Zusammenfassung

Im Gegensatze zu den Infektionsprozessen, welche durch Protozoën, Spirochäten oder Bakterien hervorgerufen werden, hat die chemische Prophylaxe und Therapie virusbedingter Krankheiten nur sehr wenige anerkannte Erfolge aufzuweisen. Wer — der herrschenden Strömung folgend — die Virusarten als eine biologisch einheitliche Gruppe auffaßt, wird naturgemäß geneigt sein, das refraktäre Verhalten dieser infektiösen Agenzien gegen chemotherapeutisch aktive Substanzen auf gemeinsame Eigenschaften zurückzuführen, z. B. auf die Vermehrung im Binnenraum von Wirtszellen, auf die makromolekulare Beschaffenheit der Viruselemente oder auf die Unfähigkeit gelöster Stoffe, in das Innere dieser Elemente einzudringen (A. S. McFaelane, M. G. Macfablane, C. R. Amies und G. H. Eagles). Dieser Standpunkt, der zu einem vorzeitigen Verzicht führen könnte, ist jedoch nicht berechtigt. Die biologische Einheitlichkeit der Virusarten läßt sich im Hinblick auf die Forschungsergebnisse der letzten Jahre nicht mehr aufrechterhalten (siehe S. 6f.); selbst wenn man an der unwahrscheinlich gewordenen Fiktion festhalten wollte, daß das Wort „Virus“ ein in sich geschlossenes, scharf abgegrenztes und homogenes Reich vermehrungsfähiger Wirkstoffe umspannt, könnte man damit das fast vollständige Versagen der Chemotherapie auf diesem Gebiete nicht erklären. Es hat sich bei den parasitischen Protozoën, Spirochäten und Bakterien immer wieder gezeigt, daß selbst nahe verwandte Mikroben „in vitro“ und namentlich auch „in vivo“ auf ein und dieselbe Substanz ganz verschieden reagieren. Die asexualen Formen der Malariaplasmodien verhalten sich gegen Chinin, Atebrin, Plasmochin und Certuna anders als die Gameten und die Gameten der Tertiana und Quartana unterscheiden sich wieder von jenen der Tropica. Man kennt allerdings Verbindungen, deren therapeutischer Wirkungsbereich einen größeren Umfang hat und sich vorzugsweise auf Infektionen mit untereinander verwandten Mikroben erstreckt, wie z. B. die spirochätiziden Arsenpräparate und die antibakteriellen Sulfanilamide; doch deckt sich auch in diesen Fällen der Wirkungsbereich nie völlig mit bestimmten Kategorien der Mikrobensystematik und oft genug entscheide über die chemotherapeutische Beeinflußbarkeit des Erregers nicht seine Artzugehörigkeit, sondern spezielle, seiner „Rasse“ anhaftende Eigenschaften.