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Part of the book series: Phaenomenologica ((PHAE,volume 172))

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Zusammenfassung

Wer von „robusten Sinn für die Realität“ des jungen Brentano beeindruckt war, wie wir ihn im dritten Kapitel darstellten, der mußte am Ende des vierten Kapitels staunen. Denn nun scheint es, als ob um 1890 die ganze Tugend der ontologischen Sparsamkeit, die der junge Brentano zu schätzen wußte, plötzlich verlorengeht. Während der junge Brentano alle Redeweisen, die irgendwelche extravaganten Entitäten einzuführen scheinen, im Rahmen einer verhältnismäßig „vernünftigen“ Ontologie zu meistern versuchte, nimmt der mittlere Brentano solche Entitäten typischerweise ohne Bedenken in Kauf.166 Dabei bewirkt der rekursive Charakter der Sprache, daß die resultierende Ontologie eine virtuell unendliche Hierarchie von Entitäten immer höherer Ordnung beinhaltet.

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Literatur

  1. Auf eine interessante Interpretationsmöglichkeit wurde ich von Johannes Brandi (Salzburg) aufmerksam gemacht. Es scheint nämlich im Prinzip möglich zu sein, die ganze deskriptive Psychologie, so wie sie von Brentano in seiner mittleren Periode entwickelt wurde, als eine im Grunde ontologisch neutrale Beschreibung zu interpretieren. Wenn wir uns an Brentanos Einführung zur Metaphysik vom Jahre 1874 erinnern, in der Brentano tatsächlich von einer Phänomenologie spricht, die eine getreue Beschreibung der „Grundbestandteile unserer Vorstellungsinhalte” liefern soll, und die er von einer Ontologie unterscheidet, in der unter anderem die Entscheidung getroffen wird, ob unseren Phänomenen noch eine „äußere” Wirklichkeit entspricht (Brentano M 14/15, S. 15), dann scheint es, daß es tatsächlich eine Zeit (um 1874) gab, zu der Brentano mit solchen Gedanken spielte. Die so verstandene deskriptive Psychologie (bzw. Phänomenologie) befände sich dann sehr nahe der Phänomenologie Husserls. Diese Interpretation ist, wie gesagt, sehr interessant, und sie kann für die Erforschung der Beziehungen zwischen der Brentanoschen deskriptiven Psychologie und der Husserlschen Phänomenologie in der Tat fruchtbar sein. Eine andere Frage ist aber, ob diese ontologisch neutrale Interpretation in Bezug auf die ganze „mittlere” Periode (1874-1904) der Philosophie Brentanos aufrechterhalten werden kann. Die These dieses Buchs lautet, daß die getreue Beschreibung der „Grundbestandteile unserer Vorstellungsinhalte” in den achtziger und neunziger Jahren von Brentano doch ontologisiert wurde.

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  2. „[U]nter einem Seienden, wenn man das Wort im eigentlichen Sinne gebraucht, versteht man ein Ding wie z.B. einen Körper, einen Geist oder einen Topoid von mehr als 3 Dimensionen. Dabei kann aber auch der Teil eines Körpers oder Topoids ein Ding genannt werden, und so erkennt man, daß recht wohl auch mehrere Dinge zusammen ein Ding genannt werden können, nur darf man nicht glauben, daß die beiden Teile zusammengefaßt als ein drittes Ding zu zwei Dingen hinzukommen.”, Brentano 1933, S.4.

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  3. „Fragen wir, was es denn im eigentlichen Sinn des Wortes gebe, so ist darauf zu antworten, das was mit Recht in dem Modus präsens anzuerkennen ist.”, Brentano 1933, S. 18.

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  4. „Ein Seiendes im eigentlichen Sinne ist nicht bloß jede Substanz, sondern auch jedes Akzidens. Dieses enthält seine Substanz als Teil, fügt aber keinen zweiten Teil als etwas ganz neues hinzu […]”, Brentano 1933, S. 11.

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  5. Wenn wir eine mereologische Theorie konstruieren wollen, die den Begriff Teil wirklich gemäß seiner intuitiven Bedeutung bestimmt, dann brauchen wir viel stärkere Axiome als eine bloße Konjunktion von IRREFL, TRANS und SUPPL. Vgl. dazu Simons 1987, S. 26-37, Leśniewski 1992, S. 230-232,316.

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  6. Vgl. „Zu diesen Namen, die nicht wahrhaft etwas nennen, gehören die Abstrakta, welche die Sprache wahren konkreten Namen zurseite stellt. Alle Sätze, worin ein abstrakter Ausdruck im Sinne der Aristotelischen ‘Formen’ zum Subjekt gemacht ist, sind nicht wahrhaft Prädikationen. Nicht Röte sondern ein Rotes kann man vorstellen.”, Brentano 1933, S. 235. Chisholm spricht im Zusammenhang damit von der Theorie der konkreten Prädikation beim späten Brentano. Vgl. Chisholm 1982a, S. 5.

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  7. Er ändert diese Ansicht in seinem letzten Lebensjahr, in dem er sinnliche Qualitäten als Akzidentien von räumlichen Positionen betrachtet. Vgl. Brentano 1976, S. 209; Brentano 1933, S. 269.

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  8. Erfahrungsmäßig sind uns aber nur psychische Akzidentien gegeben.

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  9. Vgl. „Gibt es räumlich ausgedehnte Substanzen, bei welchen nur Grenzen und in letzter Instanz Punkte als letzteinheitliche Subjekte gelten können, so zeigt sich bei ihnen ein relativer Charakter, der sich ähnlich bei geistigen Substanzen nicht findet.”, Brentano 1933, S. 244.

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  10. Vgl. „Man kann vielleicht sagen, der Begriff des Seienden im eigentlichen Sinne decke sich mit dem des Gegenwärtigen. Jedes Gegenwärtige sei aber ein zeitlich Ausgedehntes, welches einem Momente nach gegenwärtig sei und sei.”, Brentano 1933, S. 12.

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  11. Chisholm (1982a, S. 13) besteht darauf, daß die Brentanoschen Grenzen weder Substanzen noch Akzidentien sind.

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  12. Vgl. „Zu den absoluten wirklichen Bestimmungen […] kommen dann die relativen Bestimmungen einer Substanz inbezug auf eine andere. Sie sagen nichts aus, was nicht in der Vereinigung gewisser absoluter Bestimmungen, die der einen und anderen Substanz zukommen, vollständig beschlossen ist. Sie geben die Bestimmung aber, indem sie das eine Korrelat in recto, das andere in obliquo berücksichtigen. Dies ist das einzige, was dem entgegensteht, zu sagen, daß das Subjekt der Prädikation nicht mehr eine Substanz, sondern ein Kollektiv von Substanzen sei. Und wie ein Kollektiv von Substanzen aufhören kann, ohne daß die eine derselben aufhört oder irgendwie alteriert wird, so kann auch eine relative Bestimmung verloren werden, ohne daß irgendetwas an dem Dinge, das sie gehabt hat, sich ändert. So sind denn diese wirklichen Bestimmungen, wie Aristoteles sagt, viel weniger noch zur Realität einer Substanz zu rechnen.”, Brentano 1933, S. 120 f.

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  13. Wir können allerdings auch von einer Beziehung des Gewirktwerdens sprechen, die Gleichzeitigkeit voraussetzt. Vgl. „Anders ist es bei der Beziehung des Gewirktwerdenden zu dem Wirkenden. Hier muß der Terminus zugleich mit dem Gewirktwerdenden wirklich sein, und nur solange dauert das Gewirktwerdende als solches, als ein Wirkendes als solches besteht.”, Brentano 1933, S. 283.

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  14. Es ist allerdings zu betonen, daß die Nicht-Existenz der vergangenen und zukünftigen Gegenstände doch etwas anderes bedeutet als die Nicht-Existenz von bloßen Fiktionen. Die vergangenen und zukünftigen Gegenstände können nämlich in den entsprechenden zeitlichen Modi richtig anerkannt werden. Karl den Großen gibt es zwar nicht, aber er war, während es einen Zentauren weder gibt, noch gab, noch geben wird.

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  15. Vgl. z.B. Brentano 1933, S. 22, 37, 105, 108, 112, 131, 150, 152,246.

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  16. Der späte Brentano fuhrt diesen Gedanken oft als ein Argument für seine These an, daß nur Realia vorstellbar sind. Wir lesen z.B.: „Der Beweis stützt sich darauf, daß der Begriff des Vorstellens ein einheitlicher, daß der Name also univok, nicht äquivok ist. In diesem Begriffe liegt aber, daß jedes Vorstellen etwas vorstellt, und es könnte, wenn dieses ‘Etwas’ nicht selbst eindeutig wäre, auch der Name ‘Vorstellen’ nicht eindeutig sein. Ist dies gewiß, so ist es unmöglich, daß unter dem Etwas bald ein Reales (Ding), bald etwas Nichtreales zu verstehen ist. Denn es gibt keinen Begriff, der Realem und Nichtrealem gemeinsam sein könnte. Dieser Beweis ist meines Erachtens schlechterdings entscheidend.”, Brentano 1977, S. 249. Ob die angeführte Stelle als ein plausibles Argument für die reistische Position betrachtet werden kann, ist allerdings zweifelhaft. Vgl. dazu Wolenski 1994 und die dort berücksichtigte Literatur.

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  17. Die Idee der adverbialen Theorie verdanken wir C. J. Ducasse. Vgl. „The hypothesis […] is that ‘blue’, ‘bitter’,’ sweet’, etc., are names not of objects of experience, nor of species of objects of experience, but of species of experience itself. What it means is perhaps made clearest by saying that to sense blue is then to sense bluely, just as to dance waltz is to dance ‘waltzily’ (i.e., in the manner called ‘to waltz’) […].”, Ducasse 1951, S. 259. Heutzutage wird sie vor allem mit Chisholm assoziiert.

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  18. Vgl. z.B. „Fragt man, was eine relative Bestimmung im Unterschied von einer absoluten sei, so ist zu antworten, wer eine relative Bestimmung in recto denkt, stellt immer auch etwas in obliquo vor. So denkt einer, der einen Sehenden denkt, in obliquo auch ein Farbiges, das von diesem gesehen wird.”, Brentano 1933, S. 237 f. Vgl. auch Brentano 1977, S. 340.

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  19. In Johansson 2000 wird eine Theorie der ontologischen Kategorien entwickelt, die in Anlehnung an Johnson 1921/1922/1924 mit den Begriffen der „determinables” und „determinates” operiert, und die wesentlich auf der Idee einer solchen Umwandlung von Qualitäten beruht. Wenn es eine Möglichkeit gibt, daß man zwei Qualitäten Q und P in Gedanken durch eine Reihe von „Zwischenqualitäten” verbindet, so daß die Qualität Q ohne irgendwelche Sprünge in die Qualität P „übergeht”, dann sind Q und P entweder die niedrigsten „determinates”, oder höchstens bloß konzeptuelle „determinables”. Mit den „determinables”, die ontologisch ernst zu nehmen sind, haben wir Johansson zufolge erst dann zu tun, wenn sich keine solche Reihe konstruieren läßt, d.h. wenn zwischen Q und P eine „ontologische Lücke” besteht. Solche „ontological determinables” sind nach Johansson z.B. Farbe und Gestalt. Vgl. dazu auch Goodman 1966, S. 285: „Given any two qualia belonging to the same category, we can trace a path from one to the other by a series of steps, each to a quale matching the peceding one. When two qualia belong to different categories, there is no such path joining them […].”

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  20. Auch Johansson (2000) nimmt ein solches „principle of determinate exclusion” für einige seiner „determinates” an.

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  21. Vgl. „Es ist nun klar, daß, wer eine nur in Abhängigkeit von einem erhaltenden Prinzip bestehende Substanz vollständig erkennen würde, auch dieses Prinzip in obliquo mitvorstellen und aus der Erkenntnis der abhängigen Substanz auch seine Erkenntnis erlangen würde. […] Eine solche Vorstellung, welche mit einem Realen, das in recto vorgestellt wird, auch ein Reales in obliquo vorstellt, nennt man eine relative Bestimmung, die, wie wir sehen, bald substanziell, bald akzidentell sein kann. Etwas ähnliches gilt auch bei den substanziellen und akzidentellen Grenzen, wegen der Zugehörigkeit zu einem Ganzen, als dessen Grenzen sie bestehen.”, Brentano 1933, S. 251.

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  22. Eine solche Theorie finden wir bei Chisholm (1976, 1981). Auch die Intentionalitätstheorie Freges (1892a) kann so interpretiert werden, vorausgesetzt, man interpretiert seine Sinne als Eigenschaften, die eventuell von den Referenzobjekten exemplifiziert werden. Auch Carnap (1960) betrachtet die Inten-sion eines Prädikats als eine Eigenschaft, die von denjenigen Gegenständen exemplifiziert wird, die unter das Prädikat fallen.

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  23. Ein Brief an Marty vom 24. November 1893.

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  24. Ich bedanke mich bei Prof. W. Baumgartner, der mich auf dieses wichtige Manuskript aufmerksam gemacht hat.

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  25. Die restlichen Teile des Abschnitts wurden zum größten Teil aus dem Buch Chrudzimski 2001a (S. 53-55 und 260-262) und aus dem Aufsatz Chrudzimski 1998/99 übernommen.

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  26. Den ersten offiziellen Hinweis auf die Lehre der Doppelurteile finden wir in einer Fußnote zur 2. Auflage der Abhandlung Miklosich über subjektlose Sätze (veröffentlicht zusammen mit dem Vortrag Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis). Vgl. Brentano 1883/1925, 193 f. (die Fußnote stammt von 1889). Schon am 15. Februar 1886 schreibt jedoch Brentano an Marty (in einem unveröffentlichten Brief): „Es gibt auch Fälle von besonderen Urteilen, welche von anderen Urteilen untrennbar sind, z.B. Ein Mensch ist nicht gesund. Dieser Satz ist — ich habe Ihnen dies mündlich, glaube ich, begründet — der Ausdruck eines mehrfachen Urteilen l.)ein Mensch wird anerkannt und 2.) von ihm die Gesundheit geleugnet. Diese Leugnung läßt sich nicht von jener Anerkennung trennen. Wenn Sie es versuchen, erhalten Sie ein allgemeines und nicht das hier gegebene partikuläre negative Urteil.”

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  27. Vgl. „Die einfache Verwerfung von etwas kann in der Tat nicht Quelle der negativen Begriffe wie: Nichtmensch, unfruchtbar, nichtlebendig (leblos) sein. Der Begriff nichtlebendig kann nur durch Reflexion auf ein Doppelurteil gewonnen werden. […] Die Bildung solcher Negative setzt also allerdings Doppelurteile voraus.”, Marty 1894, S. 71.

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  28. Vgl. „In den bisher Behandelten zeigt sich die Zeit vielfach dem Ort verwandt. Es ist aber Anderes, wodurch sie sich ebenso von ihm, wie von der Qualität und Intensität, also von allen früher behandelten Elementen unserer sinnlichen Vorstellungen unterscheidet. So vor allem dadurch, daß sie sich, wie öfters erwähnt, in ihren verschiedenen Spezies in keiner Wahrnehmungsvorstellung als solcher, sondern nur in der Phantasie findet. Durch eine besondere Art Assoziation […], die wir im Unterschied von anderen (den erworbenen) Assoziationen, ursprüngliche Assoziation nennen können, treten die ersten Erscheinungen der Vergangenheit auf. Man könnte diese Erscheinungen ‘momentane Gedächtniserscheinungen’ nennen […].”, Brentano EL 72, S. 93.

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  29. Vgl. Brentano EL 72, S. 108; Brentano EL 80, S. 158; Brentano 1982, S. 19, 21, 92-97. Die Theorie der zeitlich modifizierten Objekte war ohne Zweifel die bekannteste Theorie des Zeitbewußtseins Brentanos.

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  30. Darüber hinaus ist sie auch eine Rückkehr zur Theorie, die der junge Brentano vertreten hat. Er berichtet darüber in der Logik-Vorlesung. Vgl. „Da ich diese Stelle bei [John] Stuart Mill fand [vgl. Mill, A System of Logic, Book I, Ch. iv, § 2], freute ich mich sehr, denn es war das, was er hier sagt, im wesentlichen auch meine Ansicht. Ich dachte damals, daß die Bejahungen, die etwas als vergangen oder zukünftig bejahten, dasselbe bejahten, wie die, welche es als gegenwärtig bejahten. Die Vorstellung sei dieselbe, der Akt der Bejahung ein anderer.”, EL 80, S. 157. Nach Marty soll Brentano diese Theorie in seinen Vorlesungen 1868-70 vorgetragen haben. Vgl. Marty 1895b, S. 9. Schon in den Vorlesungen zur Metaphysik (M 96), die Brentano seit 1867 in Würzburg hielt, finden wir jedoch eine andere Theorie, die als interessante Mittelposition zwischen der Theorie der zeitlichen Urteilsmodi und der Theorie des zeitlich modifizierten Objekts gesehen werden kann. Wir lesen: „Wir haben […] Vergangenheit und Zukunft in unserer Vorstellung. […] Was nun in solcher Weise vorgestellt wird, unterscheidet sich nicht bloß von einem als gegenwärtig Vorgestellten, wie z.B. was als blau und was als grün vorgestellt wird, sondern die Verschiedenheit des Vorgestellten verlangt auch eine andere Weise der Zustimmung. Denn falsch wäre z.B., wollte man statt des Satzes ‘Vor fünfzig Jahren ist Napoleon gewesen’ sagen ‘Der vor fünfzig Jahren gewesene Napoleon ist’. […] Oder statt ‘In hundert Jahren werden (noch) Hunde leben.’ — ‘Hunde, die in hundert Jahren leben werden, sind’. [Der Satz:] ‘Ein gewesener oder ein werdender Hund ist’ ist falsch, wenn es gleich wahr ist, daß ein Hund gewesen ist oder sein wird. Anders bei dem Satz ‘Ein Hund ist braun’. Hier ist sofort auch wahr ‘Ein brauner Hund ist’. Somit zeigt sich, daß ‘gewesen’ oder ‘vergangen’ nicht in der Weise zustimmend von etwas ausgesagt wird wie ‘braun’ und dgl.”, M 96, XXXVIII, 10. Brentano sagt uns hier, daß die zeitlichen Modifikationen zwar schon in der Vorstellung auftreten, was den ersten Schritt zur Theorie des zeitlich modifizierten Objekts bedeuten kann, behauptet aber zusätzlich, daß wir eben deswegen außerdem auch verschiedene Arten der Zustimmung brauchen. Der Satz: „Ein gewesener Hund ist” ist nach Brentano falsch, weil ein Hund, wenn er gewesen ist, eo ipso nicht ist. Brentano schreibt, daß wir außer der Modifikation des Objektes noch eine Modifikation der Zustimmung brauchen. Wir können eine solche Theorie die Theorie der Doppelmodifikation nennen. Erst in den siebziger Jahren ist Brentano dann zu einer Theorie des modifizierten Objekts mit dem eindeutigen „ist” übergegangen.

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  31. Die erste ausführliche Formulierung dieser Theorie findet sich in einem Brief an Marty vom 22. Mai 1905, abgedruckt in Brentano 1977, S. 122-124.

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  32. Vgl. Brentano 1925, S. 222; Brentano 1977, S. 320; Brentano 1976, S. 156. Brentano war jedoch in diesem Punkt nicht sicher. Noch im Brief an Kraus vom 31. Mai 1916 behauptet er, daß die zeitlichen Modi auf die modi obliqui doch nicht reduzierbar sind. Vgl. Brentano 1977, S. 308.

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  33. Im Brief an Kraus vom 13. April 1916 wird die Unreduzierbarkeit des apodiktischen Modus deutlich ausgesprochen. Vgl. Brentano 1977, S. 302. Brentano schreibt dort, daß die Situation bei den modalen Kontexten analog der bei den temporalen Kontexten ist. Genau so, wie man um den Preis der Einführung der zeitlich modifizierten Objekte auf die zeitlichen Modi verzichten kann, kann man auch anstatt des apodiktischen Modus die modalisierten Entitäten, wie ein Unmöglichsein oder ein Notwendigsein von A einführen. Der späte Brentano will jedoch natürlich gerade in die entgegengesetzte Richtung gehen. Vgl. dazu auch Chisholm 1986, S. 43-45.

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Chrudzimski, A. (2004). Reismus. In: Die Ontologie Franz Brentanos. Phaenomenologica, vol 172. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-007-0964-5_6

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