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Die Architekturmaschine oder

Architekturtheorie, eine angewandte Wissenschaft?

  • Chapter
Design Science in Architecture

Part of the book series: Graz Architektur Magazin / Graz Architecture Magazine ((GRAZ,volume 2))

  • 436 Accesses

Auszug

Vor mehr als 35 Jahren, am 8. Mai 1969, forderte der Architekturtheoretiker Jürgen Joedicke in seiner Stuttgarter Antrittsvorlesung eine intensivere Anwendung „wissenschaftlicher Methoden bei der Bewertung von Planungsprozessen architektonischer Objekte“1 durch die Architekturtheorie. Das Ziel der Theorie sollte dabei sein, Kritik nicht erst nachdem alles Geplante schon fertig gebaut war, gesellschaftlich wirksam werden zu lassen, sondern bereits bei der Bewertung der kreativen und logischen Vorgänge im Planungsprozess nutzbringend anzuwenden. Architekturtheorie als wissenschaftliche Arbeitsmethode hätte dabei, so forderte Joedicke, „die Vorgänge der Thematisierung, der Problemanalyse und der Systematisierung“2 zu umfassen. Daraus folgt, dass neben dieser kritischen Funktion, die Architekturtheorie aber auch, wie der Autor in einem Artikel in der Zeitschrift Bauen + Wohnen schon knapp ein Jahr vor seiner Antrittsvorlesung darlegte, eine „fundierende“ und „konstruktive“ Funktion3 zu erfüllen habe. Fundieren sollte sie eine eindeutige, wissenschaftlich formalisierte, also nachvollziehbare Terminologie, Methodenbildung und Begriffsdefinition. Konstruktiv sollte diese Architekturtheorie sein, um neue Planungs- und Realisierungsmethoden durch die Beschäftigung mit Entscheidungsproblemen in allen Phasen der Planung zu Ermöglichen. Verallgemeinernd kann man sagen, dass sich die Theorie nach damaligen Vorstellungen aus dem Elfenbeinturm der beobachtend-reflektierenden Ästhetik entfernen und als kritische, wissenschaftlich glaubwürdige Instanz den immer komplexer werdenden Planungsprozessen mit zahlreichen Beteiligten annehmen wollte.

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Anmerkungen

  1. Joedicke, Jürgen: Zur Formalisierung des Planungsprozesses.-In: Arbeitsberichte zur Planungsmethodik. Bd. 1: Bewertungsprobleme in der Bauplanung. Stuttgart: Karl Krämer Verlag, 1969, S. 9. Der veröffentlichte Text ist eine gekürzte Fassung der Vorlesung.

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  2. Joedicke, Jürgen: Zur Formalisierung des Planungsprozesses.-In: Arbeitsberichte zur Planungsmethodik. Bd. 1: Bewertungsprobleme in der Bauplanung. Stuttgart: Karl Krämer Verlag, 1969ebd., S. 10.

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  3. Joedicke, Jürgen: Funktionen der Architekturtheorie.-In: Bauen + Wohnen, H. 7/1968, S. 270–272.

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  4. Für Joedicke war das Ziel der Planung auch weiter gefasst, Zielsetzungen und Problemlösungen gingen über das Technisch-Ästhetische hinaus. So folgt daraus für die Architekten nach Joedicke: „Wenn der Architekt nur technische und ästhetische Zielsetzungen hat, ist er auch nur in der Lage, technische und ästhetische Probleme zu sehen. Er entzieht sich damit jedoch gesellschaftlichen und politischen Fragen.“ (wie Anm. 1, S. 13).

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  5. Rittel wird in Bruno Reichlins Essay: Den Entwurfsprozess steuern-eine fixe Idee der Moderne.-In: Daidalos, H. 71, 1999, S. 6–21 zitiert.

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  6. Auch wenn Joedicke dies so nicht explizit forderte, vgl. Anm. 5.

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  7. Joedicke: Funktionen der Architekturtheorie, ebd., S. 272.

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  8. Vgl. Semper, Gottfried: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Aesthetik: Ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde. 2. Bde. Frankfurt, 1860; München, 1863.-Reprint mit einer Einführung von Adrian von Buttlar, Mittenwald, 1977.

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  9. Es muss erwähnt werden, dass diese an die Technologie geknüpften Heilserwartungen nicht ausschließlich ein Thema der kapitalistischen (Bau)welt waren. So schrieb Johannes Jänicke in seinem Buch: Einführung in die automatische Projektierung (Berlin: VEB Verlag für Bauwesen, 1970), zwar unter starker Betonung des produktiven Aspektes des Bauwesens: „Die Hauptrichtungen der wissenschaftlichtechnischen Revolution bestehen in der zunehmenden Mechanisierung und Automatisierung der Produktion, in der umfassenden Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung, der Chemisierung der Volkswirtschaft, im Einsatz neuer Werkstoffe und in der Elektrifizierung, besonders der Nutzung der Atomenergie. Kernproblem dieses qualitativen Wandels ist die Automatisierung. Die Produktion wird zur angewandten Wissenschaft.“, S. 9–10.

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  12. Hans Hollein schrieb später ein Vorwort für das Buch „Archigram“, hrsg. v. Peter Cook, Berlin u.a.: Birkhäuser, 1991, S. 6.

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  13. Joedicke:Funktionen der Architekturtheorie, Arbeitsberichte zur Planungsmethodik. Bd. 1: Bewertungsprobleme in der Bauplanung. Stuttgart: Karl Krämer Verlag, 1969ebd., S. 11.

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  15. Bonsi[e]pe: ebd., S. VI, 2.

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  16. Tatsächlich stieß der Autor dieser Zeilen zuerst rein zufällig auf diese Hefte, weil sie in der Fachbibliothek Architektur an der TU Berlin aus der Lehrbuchsammlung ausgemustert und anschließend billig verkauft wurden.

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  17. Zur Editionsgeschichte dieser Bände s. Anm. 35.

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  19. Joedicke, Jürgen: Zur Formalisierung des Planungsprozesses.-In: Arbeitsberichte zur Planungsmethodik. Bd. 1: Bewertungsprobleme in der Bauplanung. Stuttgart: Karl Krämer Verlag, 1969, S. 18.

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Weckherlin, G. (2005). Die Architekturmaschine oder. In: Design Science in Architecture. Graz Architektur Magazin / Graz Architecture Magazine, vol 2. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/3-211-37790-5_10

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/3-211-37790-5_10

  • Publisher Name: Springer, Vienna

  • Print ISBN: 978-3-211-23767-0

  • Online ISBN: 978-3-211-37790-1

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