Zusammenfassung
Luhmanns Unterfangen einer Theorie sozialer Systeme, die dem Anspruch einer universalistischen Theorie der Soziologie gerecht zu werden versucht, indem sie weniger auf die Einheit als auf die Differenz von System und Umwelt setzt, bewegt sich mit dieser theoretischen Option im Spektrum eines poststrukturalistischen Theoriedesigns.1 Mit Foucaults Diskurstheorie, die zunehmend gesellschaftstheoretisch gelesen und erschlossen wird, teilt Luhmanns Theorie soziokultureller Evolution und gesellschaftlich-funktionaler Differenzierung nicht nur den differenztheoretischen Ansatz2 eines anti-essentialistischen, de-ontologisierenden Zugangs zu sozialer Wirklichkeit und die gegen unmittelbare Evidenzen gerichtete, geradezu dekonstruktivistische „Lehre vom zweiten Blick“(Luhmann 1981, S. 170), sondern insbesondere auch den eines Paradigmenwechsels des Sozialen und des Politikverständnisses (vgl. auch Foucault 1993a, S. 16).3 Neben dem konstruktivistischen Grundzug beider Theorien, wonach Diskurse als diskursive Praktiken und Kommunikation als Selektionsleistung das erzeugen, was sie sagen und sehen und nicht eine vorfindbare Realität abbilden, oder, systemtheoretisch ausgedrückt, diskurse Beobachter sind, „die das, worüber sie kommunizieren, zugleich konstruieren bzw. konstituieren“(Kneer 1996, S. 358), teilen Diskurs- und Systemtheorie ihren antihumanistischen und subjekttheoretisch-kritischen Habitus. Soziale Systeme sind demnach ebenso wenig wie Diskurse zurückführbar auf Subjekte, deren Intention sich in Diskursen und Systemen artikuliert oder die sich der Wirklichkeit unmittelbar bemächtigen könnten.
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Bublitz, H. (2003). Foucaults „Ökonomie der Machtverhältnisse“ und Luhmanns „Politik der Gesellschaft“. Zum Begriff von Politik und Macht in den Theorien von Michel Foucault und Niklas Luhmann. In: Hellmann, KU., Fischer, K., Bluhm, H. (eds) Das System der Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80403-7_20
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