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Pädagogisches Handeln jenseits der Professionalisierungsfrage: Empirische Erschließungen

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Pädagogische Permissivität

Zusammenfassung

Den Theorievorschlag, den ich im vorangegangenen Kapitel entfaltet habe, will ich im Folgenden empirisch ausarbeiten Haben die Interaktionsbeispiele, die ich oben angeführt habe, einen eher illustrativen Charakter, wende ich mich nun in einer detaillierten Sequenzanalyse einer Lehrer-Schüler-Interaktion zu.

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Notes

  1. Ich setze das Verfahren als begründet und forschungspraktisch erprobt voraus. Zur Methodologie der Objektiven Hermeneutik: Oevermann (u.a.) 1979, Oevermann 1981, 1986, 1991 und 1993; Sutter 1994, Zehentreiter 2001. Zu den forschungspraktischen Prozeduren: Wernet 2000 a.

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  2. Ich gebrauche hier den Bewährungsbegriff im Sinne Poppers ( vgl. Popper 1971: 17 ff.).

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  3. Die objektiv-hermeneutische Operation der Fallstrukturgeneralisierung beruht auf zwei Richtungen der Verallgemeinerung. In der typologischen Verallgemeinerung erscheint die den Fall charakterisierende Selektivität insofern als Typus, als sie eine den „Anspruch auf allgemeine Geltung und Begründbarkeit erhebende praktische Antwort auf praktische Problemstellungen“ darstellt (vgl. Oevermann 1991: 272). Dieser typologischen Ebene konstitutionslogisch vorgängig ist die Ebene der Struktur des Problems selbst, auf deren Folie sich erst empirische Typen bilden können. Dieser Ebene gilt das Hauptaugenmerk unserer Interpretation.

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  4. Nicht in der Gegenüberstellung mit anderen Fällen, aber in der für die objektiv-herme-neutische Textinterpretation charakteristischen Operation der Formulierung gedankenexperimenteller Alternativen zu dem vorgefundenen Interaktionsverlauf.

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  5. Im Sinne Colemans (1986).

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  6. Besonders anschaulich zeigt sich das in der Kultivierung der Bitte in den Gebeten und Gesängen der christlichen Tradition. Das Wohl des Menschen ist in die Hand eines allmächtigen Gottes gelegt.

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  7. „Ich nehme den Gedanken der akademischen Freiheit überaus ernst und halte es für völlig gleichgültig, auf welche Weise ein Student sich bildet, ob als Teilnehmer von Seminaren und Vorlesungen oder bloß durch die eigene Lektüre“. Adorno 1962: 476.

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  8. Darin spiegelt sich die Struktur schulischen Lernens wider, in der „manches Lernen zugunsten anderen Lernens ausgeschlossen wird.“ (Diederich 1988: 58) „Alles Lernen in der Schule setzt daher korrespondierende Lernverbote voraus; und angesichts der Offenheit eines Mediums muss natürlich sehr viel mehr Lernen verboten werden als durch Lehre freigegeben werden.“ (Luhmann 1991: 32)

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  9. Georg E. Becker und Britta Kohler, die in einer umfassenden Monographie über Hausaufgaben sehr deutlich auf die unterrichtspraktische Problematik der Kontrolle und Auswertung der Hausaufgaben aufmerksam machen, bringen diesen Umstand so zum Ausdruck: „Es ist schlicht unbefriedigend, Hausaufgaben zu stellen, ohne sich um die Ergebnisse zu kümmern“. Becker/Kohler 1988: 97.

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  10. Auf die ambivalente Verwerfung dieser beiden Dimensionen im vorliegenden Text komme ich im Fortgang der Textanalyse zu sprechen.

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  11. Die Tatsache, dass, wie beispielsweise in § 44.3 des Brandenburgischen Schulgesetzes, die Hausaufgabenobligation gesetzlich vorgesehen ist (rechtstechnisch wird die Hausaufgabenpflicht als Verpflichtung zur Mitarbeit aus der Schulpflicht abgeleitet; vgl. Stein/Roell 1992: 53), ändert nichts an dem Entgrenzungsbefund. In diesem Fall betrifft der Befund auch die gesetzliche Vorschrift. Daran zeigt sich, dass die Ebene der elementaren Struktur der Institution nicht verwechselt werden darf mit der Ebene ihrer rechtlichen Regulierung.

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  12. Becker/Kohler gehen beispielsweise davon aus, dass eine gelegentliche Nichterledigung der Hausaufgaben „nicht weiter schlimm“ sei. Schwierig seien die notorischen Fälle. Aber auch in diesen Fällen kommen sie zu dem Ergebnis: „Ungeeignet erscheinen die dem Leser aus der eigenen Schulzeit bekannten Disziplinierungstechniken, wie beispielsweise die Verdopplung oder gar Vervielfachung der Hausaufgaben, das hundertfache Schreiben des Satzes ‚Ich soll meine Hausaufgaben nicht vergessen’, das Eintragen einer Sechs ins Notenbüchlein oder gar die Aufforderung, die Abfälle im Schulhof einzusammeln“. (Becker/Kohler 1988: 115) Ob und inwiefern diese Maßnahmen „ungeeignet“ sind, sei dahingestellt. Es lässt sich aber klar zeigen, dass die „Sechs im Notenbüchlein“ — ob ungeeignet oder nicht — eine Entgrenzungsbewegung insofern darstellt, als sie mit den Prämissen der schulisch institutionaliserten Handlungslogik in Konflikt gerät. Das Hausaufgaben-Brevier der DDR enthält dem gegenüber den expliziten Rat, Hausaufgaben zu zensieren. Vgl. Drewelow/Hess/Weck 1987: 79 ff.

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  13. Dieselbe Tendenz scheint mit der Feststellung der „mündlichen Leistung“ einherzugehen. Auch sie lädt zur unvorhergesehenen Stichprobenkontrolle ein. Explizit entgrenzend ist demgegenüber die „diffuse“ Kopfnote (wie sie in Brandenburg nun wieder eingeführt wird). Deren Entgrenzung markiert sich dann aber selbst, wenn sie im Zeugnis in einer gesonderten Rubrik erscheint. In Brandenburg werden die „Informationen über das Arbeitsund Sozialverhalten“ auf einem gesonderten Formular festgehalten. Darin geben sie sich als nicht eigentlich „richtige“, als „unspezifische“ Note zu erkennen.

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  14. Zur Theoriesystematik dieses Motivs siehe Sutter 1997.

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  15. Overmanns Kritik der Schulpflicht basiert auf einer Analogie zur therapeutischen Situation. Ich halte diese Analogie für problematisch. Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als sei die Freiwilligkeit im Bereich der „Wissensaneignung“ ebenso grundlegend wie im Bereich der Therapie. Das leuchtet insoweit ein, als kein Menschen zur Erkenntnis und Neugierde gezwungen werden kann. Und der Logik von Erkenntnis und Kritik sind Heteronomien fremd. Die Verpflichtung, sich mit einem Gegenstand zu beschäftigen, stellt aber nicht — vergleichbar einer Verpflichtung zur Therapie — eine konstitutive Verunmöglichung dieser Beschäftigung dar. Um ein Beispiel aus dem universitären Leben zu wählen: Prüfungen können nicht als Akte der Forschung und Erkenntnis angesehen werden. Aber e-bensowenig unterstellen sie zwingend, dass das ihnen vorausgegangene Studium keine autonome Sachauseinandersetzung enthalten hat. Ganz vergleichbar ist die allgemeinpädagogische Figur eines „sich selbst auflösenden Gewaltverhältnisses“, wie sie von Benner formuliert wird (vgl. Benner 1987), für den schulischen Handlungskontext irreführend. Die schulpädagogische Praxis ist keine, die sich selbst auflöst, sondern sie beginnt und endet (biographisch) mit institutionalisierten Prozeduren. Die Schule entlässt ihre Klientel ja nicht nach materialen Kriterien des Autonomiegewinns in der heteronomen Institution (vergleichbar der primären Sozialisation oder der psychoanalytischen Behandlungspraxis).

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  16. Schon in der unscheinbaren, oben zitierten Formulierung: „arbeitet eine Pädagogik in die Hände“ steckt eine Inkonsistenz. Wenn Oevermann nämlich die Schulpflicht und damit die Institution Schule überhaupt für das professionelle „Missligen“ verantwortlich macht, dann muss diese Struktur die (Schul-) Pädagogik als Ganze erfassen. Dann macht es aber keinen Sinn davon zu sprechen, es gäbe eine bestimmte Pädagogik, die dem „in die Hände arbeite“.

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  17. Und damit den Prüfungscharakter sprachlich völlig eliminiert. In derselben Situation wird übrigens ein als notenrelevant abgeforderter und positiv ausgefallener Beitrag eines Schülers dann doch nicht gewertet, weil er im Verlauf der Stunde „geschwatzt“ habe. Entgegen den elementaren Prinzipien der Institutionalisierung des schulischen Leistungsuniversalismus wird hier sinnfällig die Leistungsausgesetztheit des Schülers zur Disziplinierung instrumentalisiert.

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  18. „So, jetzt seid ihr aber neugierig und guckt mal, was ihr so alles auf eurer Bank liegen habt“. Diese sinnfällige Verpflichtung zur Neugierde spricht hier eine Lehrerin gleich am ersten Schultag aus. Vgl. Rademacher 2002: 74.

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  19. Hier wäre natürlich auch die Betrachtung des Alters des Schülers (12. Jahrgangsstufe) unerlässlich. Die persönlichkeitsstrukturellen Befunde müssten berücksichtigen, ob wir es mit einem achtjährigen oder einem achtzehnjährigen Schüler zu tun haben.

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  20. Genau in diesem Sinne habe ich in Kapitel 1 von der Trivialität des Gelingens gesprochen.

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  21. Entsprechend dem Modell der „aufgeklärten Zustimmung“ bei Durkheim. Vgl. Durkheim 1902/03: 161.

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  22. Zu der Unterscheidung von Umzu-Motiven und Weil-Motiven: Schütz 1932: 115–136.

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  23. Nicht weil das Argument fehlerhaft ist, sondern weil es offensichtlich gar nicht als Argument platziert ist.

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  24. An dieser Stelle müsste eine falldiagnostische Perspektive das Alter des Schülers berücksichtigen. Und natürlich eröffnet der Umstand, dass wir uns in der 12. Jahrgangsstufe befinden, dem Lehrer Handlungsmöglichkeiten, die er gegenüber jüngeren Schülern nicht hat (Du kannst ja gehen, wenn es Dir hier nicht passi). Die Struktur des pädagogischen Handlungsproblems bleibt aber dieselbe.

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  25. Lehrerreaktionen wie die folgenden: Wenn es um seine Interessen geht, wird Gerd plötzlich zum Philosophen, oder: Sieh an, die eigene Faulheit bringt den Herrn auf ganz gute Ideen, sind in unseren Schulen regelmäßig zu hören. Es handelt sich dabei natürlich um Exemplare der hier behaupteten Entgrenzungslogik.

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  26. Ein analoges Argument entfaltet Hegel im Rahmen seiner Rechtsphilosophie bezüglich des Problems des Zusammenhangs zwischen Tat und Strafmaß. Dass es hier Entsprechungsverhältnisse geben muss, dass also ein geringfügiger Diebstahl ein geringeres Strafmaß als eine schwere Körperverletzung nach sich zieht, entfaltet Hegel aus dem Begriff der Strafe. Die Frage aber nach dem konkreten Maß als solchem lässt sich aus dem Begriff der Strafe nicht gewinnen und fällt „in die Sphäre der Äußerlichkeit“. Vgl. Hegel 1821: 192–196.

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  27. Deren Problem wiederum liegt, wie gezeigt, in der Verwerfung der Hausaufgabenobligation begründet.

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  28. „Die Erziehung zu disziplinierter Arbeit und Lebensführung, die Weber zufolge die Puritaner des 17. Jahrhunderts ihrem Nachwuchs aus religiösen Motiven absichtsvoll zugemutet haben, braucht diese Motive heute nicht mehr, und die pädagogische Absicht nur manchmal. Denn die Mittel dieser Erziehung sind überwiegend in den organisatorischen Vorkehrungen der Schule schon eingebaut.“ (E. Flitner 2001: 275)

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  29. Auch hier bleibt natürlich die als solche entgrenzende Logik der Hausaufgabenobligation erhalten.

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Wernet, A. (2003). Pädagogisches Handeln jenseits der Professionalisierungsfrage: Empirische Erschließungen. In: Pädagogische Permissivität. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80969-8_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-80969-8_4

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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  • Online ISBN: 978-3-322-80969-8

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