Die Herrschaft der politischen Klasse

Zusammenfassung

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und dem damit verbundenen Ende der Systemkonkurrenz prophezeite Francis Fukuyama mit seiner vieldiskutierten These vom „Ende der Geschichte“, es sei wieder sinnvoll, „von einem kohärenten und zielgerichteten Verlauf der Menschheitsgeschichte zu sprechen, der letztlich den größten Teil der Menschheit zur liberalen Demokratie fuhren“ werde (Fukuyama 1992: 13). Mit Blick auf den islamistischen Al-Qaida-Terrorismus und auf die US-amerikanische Präventivkriegspolitik in einer multipolaren Welt und der sich in ihr vollziehenden Revitalisierung der großen nicht-westlichen Kulturen, die dem Ordnungs- und Sinngehalt der politischen Werte des Westens ihren universalen Geltungsanspruch absprechen, lässt sich konstatieren, dass nur selten eine These wie die Fukuyamas so rasch und so gründlich widerlegt wurde. Wesentlich eher könnte Jean- Marie Guehenno mit seiner Prognose Recht behalten, die westliche Demokratie habe in der überkommenen Form keine Überlebenschance (Guéhenno 1994). In der Tat steht die westliche Demokratie in toto vor neuen — internen und externen — Herausforderungen, die ein selbstkritisches Überdenken ihrer Wertvorstellungen erforderlich macht. Intern zeigen sich gravierende Mängel in den westlichen Gesellschaften, in denen nicht nur die demokratischen Institutionen an Bedeutung verlieren, sondern auch die Maßstäbe für die Orientierung zu schwinden drohen.