Zusammenfassung
„Blieb ich nicht bis heute ein Außenseiter? ... Ich bin auch jetzt noch nicht gewiß, ob ich mir, mit dem Exil, ein Gebrechen zugezogen habe, das unheilbar ist und alle meine Reaktionen prägen muß, oder ob denen, die einmal aus Deutschland vertrieben wurden, für immer etwas anhaftet, was sie gegenüber andern, die hier beheimatet sind, als eine Art Aussätzige kennzeichnet.”1 Diese Sätze konnte ein deutscher Jude und Emigrant, der mittlerweile ein weltbekannter Autor geworden war und seine Wirkung auch in Deutschland nicht verfehlt hatte, noch 1978 notieren. Der „ewige Emigrant” Peter Weiss ist sicherlich ein spezieller Fall, weil ihm die Weigerung, die Erfahrung des Ausgestoßenseins zu relativieren, zur Basis seiner künstlerischen Produktivität geworden war. Nicht zu vergessen ist jedoch, daß es eben das festgehaltene Trauma war, das ihm seinen diagnostischen Blick auf Deutschland erst ermöglichte und ihn zu einer Kunstauffassung brachte, die die von Gedächtnisverlust befallenen Wohlstandsbürger der Bundesrepublik zur Erinnerung an die von ihnen mitorganisierten Schrecken der jüngsten Vergangenheit zu zwingen verstand.2
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Anmerkungen
Peter Weiss, Notizbücher 1971–1980, Frankfurt/M. 1981, Bd. II, S. 727/8.
Vgl. dazu mein Buch: Peter Weiss und die Deutschen,1988.
Franz L. Neumann, The Social Science (1952), dt.: Intellektuelle Emigration und Sozialwissenschaft, in: ders., Wirtschaft, Staat, Demokratie. Aufsätze 1930–1954. Frankfurt/M. 1978.
Vgl. dazu Alfons Söllner (Hrsg.), Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland. 2 Bände. Frankfurt/M. 1986.
Franz L. Neumann, German Democracy 1950,dt.: Deutsche Demokratie 1950, in: ders., Wirtschaft, Staat, Demokratie, a.a.O., S. 327ff.
Franz L. Neumann, Behemoth (2. Aufl. 1944), dt. Köln/Frankfurt/M. 1977, bes. S. 544ff.
Neumann, Deutsche Demokratie 1950 (Anm. 5), S. 331.
Neumann, Germany and World Politics,in: Behind Headlines, ed. Canadian Institute of International Affairs, Vol. 14/1954, No. 2, 17 pp.
Otto Kirchheimer, Notes on the Political Scene in Western Germany, in: World Politics, Vol. VI/April 1954, No. 3, 306 pp.
Kirchheimer, The Political Scene in West Germany, in: World Politics, Vol. IX/1957, 433 pp.
F.R. Allemann, Bonn ist nicht Weimar, Köln 1956
Kirchheimer, German Democracy in the 50’s, in: World Politics, Vol. XIII/1961, No. 2, 254 pp.
Zum weiteren theoretischen Kontext vgl. meinen Aufsatz: Politische Dialektik der Aufklärung — Zum Spätwerk Franz Neumanns und Otto Kirchheimers (1950–1966),in: Wolfgang Bonß/Axel Honneth, Sozialforschung als Kritik, Frankfurt/M. 1982, S. 281ff.
Hermann Kesten (Hrsg.), Ich lebe nicht in der Bundesrepublik, München 1964.
Herbert Marcuse, One-Dimensional Man (1964), dt.: Der eindimensionale Mensch, Neuwied 1967.
Kirchheimer, Political Justice (1961), dt.: Politische Justiz, Frankfurt/M. 1981.
Vgl. dazu Kirchheimer/Menges, A Free Press in a Democratic Society?: The Spiegel Case, in: Carter/Westin (eds.), Politics in Europe, New York 1965, 87 pp.
Kirchheimer, Deutschland oder der Verfall der Opposition (1966), in: ders., Politische Herrschaft, Frankfurt/M. 1967, S. 58ff.
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Söllner, A. (1989). Emigrantenblicke. In: Luthardt, W., Söllner, A. (eds) Verfassungsstaat, Souveränität, Pluralismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87760-4_8
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