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Zur Problemstellung: Affirmation und Anderssein

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Affirmation und Anderssein

Part of the book series: Beiträge zur psychologischen Forschung ((BPF))

  • 52 Accesses

Zusammenfassung

Ziel dieses Kapitels ist es, die in der Einleitung formulierte Fragestellung so zu fokussieren, daß die Grundlagen für die Entwicklung eines zum Verständnis der psychologischen Bedeutung des Fremd- und Andersseins geeigneten Konzeption des Erfahrungssubjekts gelegt werden, so daß anschließend deren Ausarbeitung in Angriff genommen werden kann. Ausgangspunkt dafür ist die bereits gegebene phänomenologische Vorzeichnung des alltäglich-lebensweltlichen Verständnisses von Selbst und Welt, nämlich seiner basalen Sinn- und Ordnungshaftigkeit (Positivität), die einen selbstverständlichen und quasi naturhaften Charakter hat. — Wir haben Fremdheit als eine Form der Infragestellung dieser Selbstverständlichkeit verstanden. In Anknüpfung daran beginnen wir mit einem Beispiel, in dem ein Schock darüber erkennbar wird, daß ein allem Anschein nach ordnungsaffirmativer Erfahrungsgegenstand, in diesem Fall ein Kunstwerk, sich bei näherem Zusehen als zugleich anders, nämlich ordnungsinfragestellend erweist (Kap. 2.1). Die Analyse dieses Prozesses legt es zwar nahe, die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit dieser schockhaften Erfahrung in der Struktur des Subjekts ‘positivitätsdezentriert’ zu beantworten, d.h. das Subjekt, bildlich gesprochen, als in sich gedoppelt, das Anderssein seiner Positivität in sich mit enthaltend anzunehmen. Demgegenüber entfalten wir am Beispiel der psychologischen Informationsverarbeitungstheorie zunächst jedoch einen ‘positivitätszentrierten’ Ansatz, in dem der Schock als Reaktion auf eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen den durch das Objekt gestellten Aneignungsforderungen und den aktuellen Verarbeitungsmöglichkeiten des Subjekts, die aber letztlich problemlos überwindbar ist, verstanden werden kann (Kap. 2.2). Ausgehend von bestimmten Grenzen der Informationsverarbeitungstheorie zeigen wir sodann verschiedene Formen von Fremdheit auf, deren subjektive Erfahrung in diesem Rahmen nicht rekonstruierbar ist, sondern auf die Notwendigkeit der Entwicklung eines psychologischen Ansatzes positivitätsdezentrierter Art verweist. Zugleich werden dessen Grundzüge vorgezeichnet (Kap. 2.3). Abschließend werden die bisherigen Überlegungen kurz resümiert und es wird ein Ausblick auf die weitere Aufgabenstellung gegeben (Kap. 2.4).

Ich meine, ich sehe jetzt das Bild und sage: So, es ist da. Aber wenn ich jetzt anfange damit zu experimentieren und ich sage, es könnte so sein, dann wird doch mein Selbstbewußtsein total zerstört und ich bin so verunsichert, daß ich jetzt gar nicht mehr klar denken kann. ... Das kann ja auch anders sein. Das braucht ja gar nicht so zu sein. Ich weiß dann gar nicht mehr, was wirklich nun ist. ... Man ist sich nicht mehr sicher.

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Anmerkungen

  1. Es handelt sich um die Reaktion eines Teilnehmers an einem Kunst-Wahrnehmungsseminar, der so seine Irritation über die nicht feststellbare (Wahrnehmungs-)Mehrdeutigkeit eines konstruktivistischen Bildes von Max Bill zum Ausdruck brachte (Imdahl 1982, p. 26, dazu FT 2, p. 21).

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  2. Wir greifen hier auf eine Definition von Lersch zurück: „Apperzeptiven Schock nennt Ph. Lersch die Unterbrechung des Erlebnisstromes durch Schreckwirkungen: Fassungslosigkeit, Orientierungsverlust, Blockieren des sinnvollen Verhaltens“ (Hehlmann 1968/1959, p. 505).

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  3. Beispiele für derartige ‘Pfeil-Bilder’ von Klee sind: ‘Aktivität der Seestadt’ (1927), ‘Schwebendes’ (1930), ‘Auftrieb und Weg’ (1932) (Abbn. (o.Nrn) in Giedion-Welcker 1961/1952, p. 128, 113; Abb. 774 in Haftmann 1980/1965, p. 307).

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  4. Das Zitat stammt aus dem ersten der sogenannten Seherbriefe Rimbauds an G. Izambard und steht im folgenden Kontext: „Es geht darum, das Unbekannte zu erreichen durch die ENTREGELUNG aller Sinne.… Es ist falsch zu sagen: ICH denke: man müße sagen: ES DENKT MICH… ICH ist ein ANDERER. Pech für das Holz, das sich als Violine vorfindet, und HOHN über die Ahnungslosen, die über Dinge räsonieren, von denen sie keinen blassen Schimmer haben!“ (zit. nach Rimbaud 1988, pp. 11f ).

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  5. Der Theaterbesucher verkennt, daß er sich, mit Schütz gesprochen, in einer ‘Sonderwelt’ befindet, einem von der alltäglichen Lebenswelt abgegrenzten ‘geschlossenen Sinnbereich’ sui generis (vgl. Kap. 1).

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  6. Der seiner Herkunft nach literaturwissenschaftliche Begriff der Polyvalenz bedeutet, daß „der Leser… eine Mehrzahl von (Text)bedeutungen konstituieren (kann)“ (Groeben 1977, p. 21; vgl. insges. pp. 19ff), eine Definition, die problemlos auf den Bereich der Malerei übertragen werden kann. Ein diesem rezeptionstheoretisch akzentuierten komplementärer, werktheoretisch akzentuierter Begriff ist der der „Offenheit” (insbesondere) moderner Kunstwerke, den Eco geprägt hat: Er meint damit in sich nicht festgelegte (indeterminierte), durch Ambiguität geprägte Werke, die prinzipiell nicht in einem Sinn konvergieren, sondern unendlich viele unterschiedliche Lektüren erlauben (Eco 1977/1967, pp. 36–41 et passim).

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  7. Eine metatheoretische Kritik speziell der informationsverarbeitungstheoretischen Rekonstruktion menschlicher Reflexivität findet sich in Schneider (1985, pp. 182–192).

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  8. Vgl. hierzu auch das Konzept der „Rahmen-Analyse“ von Goffman (1977/1974).

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  9. Zur Weltbemächtigung und zur Bannung des Namen-losen Entsetzens durch den Namen vgl. auch Blumenberg ( 1979, ‘Das Einbrechen des Namens in das Chaos des Unbenannten’: pp. 40–67) und als literarische Darstellung des Versagens der Sprache vor der dinglichen Wirklichkeit den bereits in Kap. 1 erwähnten ‘Lord-Chandos-Brief’ von Hofmannsthal (1951/1902).

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  10. Als Beispiel einer mystischen (Nicht-)Schau Gottes sei eine Stelle aus Nikolaus von Cues zitiert: „So erblickt unser Auge, wenn es das Licht der Sonne, das ihr Anlitz ist, zu sehen verlangt, dieses zunächst verhüllt in den Sternen, den Farben und in allem, was an ihrem Lichte teilnimmt. Trachtet es aber darnach, das Sonnenlicht unverhüllt zu schauen, so überspringt es gleichsam alles sehbare Licht, weil jedes derartige hinter dem zurückbleibt, was es sucht. Doch weil das Auge ein Licht zu schauen begehrt, das es nicht anschauen kann, so weiß es auch, daß, solange es noch irgend etwas sieht, es das nicht ist, nach dem es verlangt. Also muß es über jedes sehbare Licht hinweggehen. Wer aber jedes Licht hinter sich zurücklassen muß, kommt notwendig in etwas hinein, das kein sichtbares Licht mehr hat und daher für das Auge Dunkelheit ist. Und wenn er sich in dieser Finsternis befindet, die eine Verdunkelung der Augen ist, und dann weiß, daß er sich in einer durch die Unfähigkeit der eigenen Augen verursachten Dunkelheit befindet, so weiß er auch, daß er zum Anlitz der Sonne vorgedrungen ist. Denn jene Dunkelheit im Auge kommt ja von dem überleuchtenden Leuchten des Sonnenlichtes. Und als je dichter er das Dunkel erkennt, desto wahrer und wirklicher kommt er in dieser Dunkelheit an das unsehbare Licht heran…“ (Nikolaus von Cues 1942, pp. 69f ).

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  11. Oder wir lesen im ‘Cherubinischen Wandersmann’ des Angelus Silesius: „Die Gottheit ist ein Nichts. Die zarte Gottheit ist ein Nichts und Übernichts. Wer nichts in allem sieht, Mensch glaube, dieses sichst./Gott ergreift man nicht. Gott ist ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun oder Hier. Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir“ (Angelus Silesius zit. nach Wehr 1989, pp. 134/130).

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© 1995 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Schneider, G. (1995). Zur Problemstellung: Affirmation und Anderssein. In: Affirmation und Anderssein. Beiträge zur psychologischen Forschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91653-2_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-91653-2_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-12728-6

  • Online ISBN: 978-3-322-91653-2

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