Zusammenfassung
In einem kleinen Aufsatz aus dem Jahr 1952 mit dem Titel »Philologie der Weltliteratur« hat der große Romanist Erich Auerbach auf seine mehr als drei Jahrzehnte lange literarische Schaffenszeit zurückblickend versucht, für sich die Frage zu klären, »welchen Sinn das Wort Weltliteratur« angesichts der immer weiter voranschreitenden »Vereinheitlich(ung)« des »Leben(s) der Menschen« gegenwärtig und zukünftig »noch haben kann« (Auerbach, 1952, S.301). Eingehend setzt er sich dabei mit den schon seinerzeit sehr vielfältigen Möglichkeiten des »Auffinden(s) des Materials« und des »Ausbilden(s) der Methoden zu seiner Erforschung« auseinander, die einer genauen Fassung des Begriffs der ‘Weltliteratur’ und dem »Erwerb einer in ihrer Vielfalt einheitlichen Vorstellung vom Menschen« (Auerbach, a.a.O., S.302) doch sehr entgegen zu kommen scheinen. Genauso offen spricht er dann aber auch über die bereits enormen »Schwierigkeiten«, die er als Literaturwissenschaftler zwangsläufig damit bekam, eben dieser stetig zunehmenden »Überfiille des Materials, der Methoden und der Anschauungsweisen« (Auerbach, a.a.O., S.304) über Literatur überhaupt nur einigermaßen »gerecht zu werden« (Auerbach, a.a.O., S.305). Ziemlich ernüchtert heißt es:
»Wir besitzen Material aus sechs Jahrtausenden, aus allen Teilen der Erde, in vielleicht fünfzig Literatursprachen. Viele Kulturen, von denen wir jetzt Kenntnis haben, waren vor hundert Jahren noch unentdeckt, von anderen kannte man nur einen Bruchteil der heute vorliegenden Zeugnisse. Selbst für die Epochen, mit denen man sich schon seit Jahrhunderten beschäftigt, ist soviel Neues gefimden worden, daß der Begriff von ihnen sich stark verändert hat und ganz neue Probleme aufgetaucht sind. Dazu kommt, daß man sich ja nicht mit der Literatur einer Kulturepoche allein befassen kann; es sind die Bedingungen zu studieren, unter denen sie sich entwickelt hat; es sind die religiösen, philosophischen, politischen, ökonomischen Verhältnisse, die bildende Kunst und etwa auch die Musik in Betracht zu ziehen, und es sind auf all diesen Gebieten die Ergebnisse der ständig tätigen Einzelforschung zu verfolgen. Die Fülle des Materials führt zu immer genauerer Spezialisierung; es ergeben sich Spezialmethoden, so daß auf jedem der Einzelgebiete, ja sogar für jede der vielen Auffassungsweisen eine Art Geheimsprache entsteht. (...) Das alles muß verarbeitet werden, wäre es auch nur, um gegebenen Falles die Wertlosigkeit einer vorgeschlagenen Methode für philologische Zwecke mit gutem Gewissen behaupten zu körmen. Wer sich nicht konsequent auf ein enges Spezialgebiet und auf die Begriffswelt eines kleinen Kreises von Fachgenossen beschränkt, der lebt in einem Getümmel von Ansprüchen und Eindrücken, denen gerecht zu werden nahezu urunöglich ist. (Denn): wie viele Menschen mag es geben, die das ganze Material auch nur (eines) Gebietes, mit all seinen Verzweigungen und Forschungsrichtungen, sich angeeignet haben? Wie kann man, unter solchen Umständen, an eine wissenschaftlich-synthetische Philologie der Weltliteratur denken?« (Auerbach, 1952, S.304–5)
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Literatur
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Weishoff, A. (1998). »Sacrae scriptuae sermo humilis«: Erich Auerbachs rhetorischer Ansatz zum Verständnis der abendländischen Literaturgeschichte. In: Wider den Purismus der Vernunft. Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91677-8_1
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