Diskussion theoretischer Ausgangspunkte einer Soziologie der Wirtschaft

Zusammenfassung

Jede humanwissenschaftliche Theorie arbeitet explizit oder implizit mit Grundannahmen über allgemeine Eigenheiten der menschlichen Gattung; jede humanwissenschaftliche Theorie hat — wie man auch etwas schlagwortartig sagt — ihr bestimmtes “Menschenbild”. Die Anthropologie ist nun diejenige Wissenschaftsdisziplin, die sich explizit mit den Merkmalen der Gattung “Mensch” befaßt. Sie will also gerade nicht die kultur- und gesellschaftsspezifischen Besonderheiten analysieren, wie das die Soziologie tut, und auch nicht die individuumsspezifischen Eigenheiten zum Ihema machen, welches Aufgabe der Psychologie ist. Die Anthropologie stellt Fragen nach den grundlegenden gattungsbestimmten Bedingungen der Ermöglichung jeweils konkreter, historischgesellschaftlicher Wirklichkeit. Auf den Bereich der Wirtschaft bezogen, sind dies solche Fragen wie zum Beispiel: Welches sind die anthropologischen Bedingungen der Möglichkeit von rationalem Handeln? Welches sind die Bedingungen der Möglichkeit von Arbeitsteilung? Welches sind die Bedingungen der Möglichkeit des Aufbaus von längeren komplexen Handlungsketten — von “Umwegproduktionen”, wie die Ökonomen sagen — in der modernen Wirtschaft? Welches sind die Bedingungen der Möglichkeit davon, daß ein Mensch Arbeitswerke erstellt, die er selbst gar nicht benötigt oder selbst auch gar nicht nutzen könnte? Welches sind die anthropologischen Bedingungen der Möglichkeit der gleichzeitig wie auch historisch ungeheuer großen Vielfalt an ökonomischen Lebensweisen unter extrem unterschiedlichen klimatischen, natürlichen, geologischen, kulturellen Lebensumwelten? Welche Konstanten erlauben diese Varietät?