Zusammenfassung
Im vorhergehenden Abschnitt habe ich das Verhältnis des Konfliktes zur Änderung von Strukturen in evolutionstheoretischen Termini interpretiert. Es ist nicht unwichtig zu betonen, daß mit der Einführung von ablehnungsbasierten Konflikthandlungen nicht durch die Hintertür der Evolutionstheorie die Auffassung einer Geschichte als der Geschichte von Klassenkämpfen, Klassenkonflikten oder die Herr-Knecht-Dialektik im Kampf um Anerkennung wiedereingeführt wird. Die ins Visier genommenen Konflikte sind weder ein Motor der Geschichte noch für bestimmte gesellschaftliche, etwa wirtschaftliche Kommunikationssphären, reserviert. Der Konflikt ist ein massenhaft auftretendes soziales Phänomen, das noch die entferntesten gesellschaftlichen Verästelungen erreicht. Konflikte tauchen heute in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen auf. Sowohl in der Staatsorganisation, in der Verwaltung, an den Universitäten, in Wirtschaftsunternehmen als auch in Kirchen, Schulen, Familien und in der interaktionsnahen Alltagspraxis muß man sich darauf einstellen, daß Widersprüche kommunikabel sind und vollzogen werden. Sie verteilen sich breit über die moderne Gesellschaft, und diese scheint darunter zu leiden, daß sich jede ihrer Handlungen der Negierfähigkeit aussetzt. Es gibt keinen Ort mehr, an dem nicht-negierbare Sicherheiten aufbewahrt sind. Wenn man die moderne Gesellschaft mittels eines prägnanten labels beschreiben möchte, so hat es deshalb einige Plausibilität, auf den alles unter sich begrabenden und auslöschenden Vormarsch der konfliktuösen Handlungsablehnung hinzuweisen. So hebt Julien Freund gegenüber anderen Versuchen einer schlagwortartigen Charakterisierung der Moderne hervor, daß „on pourrait tout aussi bien qualifier la société moderne de société conflictuelle...Elle a cependant l’avantage d’étre plus générale et plus englobante, car elle ne privilégie pas un secteur, celui de l’industrie, de la bureaucratie ou de la technique, mais elle couvre l‘ensemble des activités humaines et sociales...“ (Freund 1983: 5f, eig. Herv.) Ablehnende Konfliktkommunikation kann überall auftauchen. Versuche, unbezweifelbare und (letzt)gewisse Kommunikationsinhalte anzubieten, treffen erfahrungsgemäß auf besonders heftigen Widerspruch.52
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Nollmann, G. (1997). Evolution des Konfliktes. In: Konflikte in Interaktion, Gruppe und Organisation. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 174. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95646-0_4
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