Algerien 1992

Zusammenfassung

In der Ausgabe vom 30.12. stellte die in Beirut erscheinende Tageszeitung L’Orient-Le Jour fest, der “anti-tanti-terroristische Kampf” habe in Algerien (A.) das Jahr 1992 dominiert und sei von der alg. Staatsführung als “absolute Priorität” eingestuft worden. Mit dieser Einschätzung wird die innenpolitische Realität A.s und das Hauptproblem der Staatsführung zwar getroffen, doch wurden neben den sicherheitspolitischen Aktionen und Maßnahmen auch Maßnahmen im sozialen, sozioökonomischen und politisch-partizipatorischen, institutionellen, juristischen und bildungspolitischen Bereich eingeleitet. Sie sollen längerfristig kalkuliert die Grundlage bilden für eine Verbesserung des politischen Systems und des Lebensniveaus, um in der Bevölkerung die Ablehnung islamistischer Ideologie zu erreichen. Hemmend für alle Ansätze zur Reform wirkte sich die fehlende Finanzkraft des alg. Staates und das mangelnde Engagement der Bevölkerung aus. Der Rückzug eines bedeutenden Teils der Bevölkerung in die Privatsphäre, der nicht erst nach dem erzwungenen Rücktritt Präsident Bendjedids am 11.1., der Übernahme der Staatsgeschäfte durch einen fünfköpfigen kollegialen Staatsrat ab 14.1. und dem Abbruch des Wahlprozesses zutage trat, bestimmte bereits die Kommunalwahl 1990 und den ersten Wahlgang der Legislativwahl vom 26.12.1991 (--> Algerien, JB 1991). Die politische Apathie eines Großteils der alg. Bevölkerung beeinflußte maßgeblich den Wahlausgang zugunsten des Front Islamique du Salut (FIS), der mit nur 24,59% der Stimmen aller Wahlberechtigten den Sieg im ersten Wahlgang erringen konnte, da er de facto 41,7% der abgegebenen Stimmen erhalten hatte. Am 16.1. hätte der FIS aller Wahrscheinlichkeit nach im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit im Parlament erreicht.