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Die Einführung der Koalitionsfreiheit

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Staat und Arbeitsbeziehungen

Part of the book series: Studien zur Sozialwissenschaft ((SZS,volume 145))

  • 46 Accesses

Zusammenfassung

In einer grundlegenden Dimension des Systems der Arbeitsbeziehungen gibt es eine unbestrittene Konvergenz in demokratischen Industriegesellschaften: Überall hat die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer im Lauf der Zeit das Recht bekommen, staatlich unabhängige und gegnerfreie Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten. Und nahezu alle dieser Arbeitnehmerverbände haben das Recht, Druckmittel gegenüber dem Arbeitgeber anzuwenden, um ihm in Verhandlungen Zugeständnisse abzuringen. In diesem Kapitel wird der Frage nach den Ursachen der erstmaligen Institutionalisierung freier Arbeitsbeziehungen nachgegangen. Mit freien Arbeitsbeziehungen oder vollständiger Koalitionsfreiheit ist das Recht gemeint, staatlich unabhängige und gegenerfreie Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten sowie das Recht, kollektiv Druck auf Arbeitgeber — zum Beispiel durch Streiks — auszuüben. Wenn nicht die Möglichkeit zur Ausübung von Druck besteht, die Bildung von und der Beitritt zu Gewerkschaften jedoch zulässig ist, soll von beschränkter Koalitionsfreiheit oder Duldung von Gewerkschaften die Rede sein. Dies entspricht in vielen Fällen der Assoziationsfreiheit, also dem Recht Verbände zu bilden und ihnen beizutreten. Da in zahlreichen Ländern jedoch gewerkschaftliche Zusammenschlüsse von der Assoziationsfreiheit ausgenommen waren, ist es sinnvoll, Assoziationsfreiheit, beschränkte und vollständige Koalitionsfreiheit auseinanderzuhalten (vgl. Bendix 1964: 74–87; Wedderburn 1987; von Prondzynski 1987).

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Literatur

  1. Indikatoren solcher Institutionalisierungsprozesse sind staatliche Maßnahmen, die die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften unter widrigen äußeren Bedingungen fördern. Dazu gehören die österreichischen Arbeiterkammern, die wichtige Hilfsfunktionen für die Gewerkschaften hatten (Palla 1932: 1196–1197) oder die Schlichtungsverordnung von 1923 in Deutschland, die die Funktion der Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Rahmen der verbindlichen, kollektiven Festlegung von Arbeitsbedingungen aufrecht erhielt (Schönhoven 1987: 142).

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  2. In Finnland wurde die arbeitsrechtliche Entwicklung in Deutschland aufmerksam rezipiert und 1924 wurde Hugo Sinzheimers Entwurf eines Tarifvertragsgesetzes in Finnland verabschiedet (Suviranta 1987: 22, 31). Aufgrund der sprachlich-kulturellen Bindungen der wirtschaftlich modernisierenden Elite (Knoellinger 1960: 14) könnte man Finnland auch der skandinavischen Länderfamilie zuordnen; dies würde jedoch die Länderfamilien-Hypothese noch weniger stützen. Für Portugal wurde argumentiert, das Vereinsgesetz von 1891 sei stark vom französischen und spanischen Recht geprägt worden (ILO 1928b: 313). Die belgische Rechtsentwicklung - dort galt u.a. bis 1866 das französische Strafrecht - folgte weitgehend jener von Frankreich (ILO 1927b: 215). Zudem bestanden enge sprachlich-kulturelle Bindungen der belgischen Eliten in Wirtschaft und Politik an Frankreich.

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  3. Das Koalitionsrecht ist ferner in der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarates von 1950 niedergelegt. Da die ILO-Konvention zeitlich vorausgeht, beschränke ich mich hier auf ILO-Normen.

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  4. Vanhanen ( 1984: besonders 28–33) kombiniert diesen Indikator noch multiplikativ mit einem Indikator des Parteienwettbewerbs. Dieser wird als Differenz zwischen 100 Prozent und dem prozentualen Stimmenanteil der größten Partei berechnet. Aufgrund der hohen Annahmenbelastung des kombinierten Indikators (Systeme mit zwei etwa gleich großen Parteien sind demnach im Vergleich zu Vielparteien-Systemen undemokratischer) wird die Wahlteilnahme als Indikator für den Entwicklungsstand der Demokratie benutzt. Der große Nachteil dieses Indikators ist seine Abhängigkeit von der Altersstruktur der Bevölkerung. Seine Stärke liegt in der Berücksichtigung von informellen Hindernissen der demokratischen Teilhabe der Bevölkerung. Würden nur die Anteile der Wahlberechtigten erhoben, würde die für Demokratisierungsprozesse besonders problematische Annahme gemacht, daß formale demokratische Rechte auch durchgängig und umstandslos implementiert werden.

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  5. Der Produkt-Moment-Korrelations-Koeffizient zwischen GröBe des Intervalls zwischen Gewerkschaftsduldung und unbeschränkter Koalitionsfreiheit (Variablenbezeichnung “Intervall”) und der Bevölkerungsgröße, dem Indikator für die GröBe des Binnenmarktes, beträgt r=.41; der Kendall’s taub-Koeffizient für den statistischen Zusammenhang zwischen Intervall und Stärke des Widerstandes beträgt -.55. Wird metrisches Meßniveau angenommen, so erreicht bei der multiplen Regression mit der unabhängigen Variablen “Intervall” die Binnenmarkt-Variable einen beta-Wert von.07 und die Oppositions-Variable den beta-Wert -.62. Der bereinigte Determinationskoeffizient beträgt 37%. Diese Ergebnisse sind robust. Sie andern sich nicht in einem Ausmaße, das eine Korrektur der inhaltlichen Interpretation notwendig macht, wenn man die Duldung der Gewerkschaften in Frankreich mit dem Jahr 1864 ansetzt. Damals wurde das Streikrecht bei fortwährendem Verbot der Gewerkschaften gewährt. Ebenfalls keine grundlegenden Änderungen ergeben sich, wenn Griechenland als Ausnahme, nämlich als Fall einer extrem langen Zeit zwischen Duldung und Koalitionsfreiheit, von der statistischen Analyse ausgeschlossen wird.

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  6. Bürgerliche Revolutionen sind jedoch nicht die Erklärung für die Einführung der Koalitionsfreiheit. Schweden hatte keine, als dort die Koalitionsfreiheit eingeführt wurde. Und auch der Schweizer Sonderbund-Krieg und die Verabschiedung der Bundesverfassung von 1848 sind wohl kaum als Revolution zu klassifizieren. Ferner vollzogen sich die großen bürgerlichen Umwandlungen in Frankreich (1789, 1830) und in Belgien (1830/31) gerade ohne Einführung der Koalitionsfreiheit.

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© 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Armingeon, K. (1994). Die Einführung der Koalitionsfreiheit. In: Staat und Arbeitsbeziehungen. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 145. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97040-4_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97040-4_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12547-3

  • Online ISBN: 978-3-322-97040-4

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