„Lean“ als Form — Genesis und Viabilität

Zusammenfassung

Leider sind die Dinge (sic!) bei näherem Hinsehen verwickelter. Erstens haben Sozialwissenschaftler es nicht einfach mit „Gelände“ zu tun, sondern mit Kartographen, soll heißen: mit Leuten, die ihrerseits Landkarten, cognitive maps, von jenem Gelände anfertigen, in dem sie sich bewegen. „Die Begriffsschemata der Sozialwissenschaften drücken deshalb eine doppelte Hermeneutik aus, die sich sowohl auf das Begreifen der Bedeutungsrahmen, die die Produktion des gesellschaftlichen Lebens durch die handelnden Laien enthält, als auch auf deren Nachbildung in den neuen Bedeutungsrahmen der wissenschaftlichen Begriffsschemata bezieht.“ (Giddens 1984b, 95; vgl. auch ebd., 179, 186 f.) Tatsächlich lohnt es sich, über die Frage nachzudenken: Ist „lean production“ ein Begriff der lay actors, der Praktiker der Produktion, oder der Wissenschaftler, oder ist er beides, und wie ist es dazu gekommen? Zweitens haben es auch die Laien-Kartographen, mit denen es die Sozialwissenschaftler zu tun haben, nicht einfach mit „Gelände“ zu tun, sondern (auch) mit anderen Kartographen, was zu solchen Konstellationen führt wie: Die Zulieferer bei herkömmlicher Massenproduktion wissen, daß eine neue Runde des Zulieferspiels bevorsteht und wie sie dieses Spiel strategisch zu spielen haben; aber die Einkäufer des Herstellers kennen dieses Spiel auch, und sie wissen, daß die Zulieferer es kennen; und die Zulieferer wissen, daß die Einkäufer es kennen und außerdem wissen, daß die Einkäufer das Spiel kennen und so fort — ad infinitum?

„... In jenem Reich erlangte die Kunst der Kartographie eine solche Vollkommenheit, daß die Karte einer einzigen Provinz den Raum einer Stadt einnahm und die Karte des Reiches den einer Provinz. Mit der Zeit befriedigten diese maßlosen Karten nicht länger, und die Kollegs der Kartographen erstellten eine Karte des Reichs, die die Größe des Reichs besaß und sich mit ihm in jedem Punkt deckte. Die nachfolgenden Geschlechter, die dem Studium der Kartographie nicht mehr so ergeben waren, waren der Ansicht, diese ausgedehnte Karte sei unnütz, und überließen sie, nicht ohne Verstoß gegen die Pietät, den Unbilden der Sonne und der Winter. In den Wüsten des Westens überdauern zerstückelte Ruinen der Karte, behaust von Tieren und von Bettlern; im ganzen Land gibt es keine anderen Überreste der geographischen Lehrwissenschaften.“ Jorge Luis Borges: Von der Strenge der Wissenschaft

„... den Menschen als das Tier zu definieren, das selbst die Linien zieht, über die es stolpert.“

Karl E. Weick (1985, 7)

„The word is not the thing.“ (Hayakawa 1961)

Und: „Die Karte ist nicht das Gelände.“ (Weick 1985, 356)